Der Gesellschafter.
Amts und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
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1882
«
Nagold.
Verlängerung der Floßsperre.
Unter Beziehung auf die Bekanntmachung vom 22. v. Mts., Amtsblatt Nro. 98, wird zur allgemeinen Kenntniß und Nachachtung gebracht, daß wegen Nichtfertigstellung der Floßgasse in Ebhausen in Folge anhaltend hohen Wasserstandes durch Verfügung k. Ministerium des Innern, Abtheilung für den Straßen- und Wasserbau vom 12. dieses Monats, Ziffer 5704, die Floßsperre für die Strecke der Nagold oberhalb Ebhausen bis zum 24. dieses Monats verlängert worden ist.
Den 14. September 1882.
K. Oberamt. Güntner.
Tages-Neuigkeiterr.
Deutsches Reich.
** Nagold, 14. Sept. Die Bezirksschulversammlung, welche letzten Mittwoch von 9^/s bis 3 Uhr in der Kirche in Ebhausen stattsand, erfreute sich der Anwesenheit einer größeren Anzahl von Geistlichen, sowie des Oberamtmanns Güntner und nahm einen sehr günstigen und äußerst anregenden Verlauf. Gesungen wurden zwei Choräle für gemischte Stimmen und 3 Männerchöre, worauf der Konferenzdirektor des vorderen Bezirks, Prof. Frohn- meyer, ein weihevolles Gebet sprach. Der erste Gegenstand war der umfassende und sehr interessante Bericht des Schulinspektor Mezger über den Stand des Volksschulwesens im Bezirke. Er entwarf mit gewohnter Sachkenntnis; ein erfreuliches Bild nicht nur über den Kenntnißstand, sondern auch über die Zucht in den im letzten Frühjahr geprüften Volks-, Sonntags- und Fortbildungsschulen und theilte auch statistische Notizen mit, denen wir folgendes entnehmen: der Bezirk hat 37 Schulgemeinden mit 4906 Schülern, die in 69 Schulklassen von 51 ständigen und 18 unständigen Lehrern unterrichtet werden. Die Zahl der Schüler in den einzelnen Klassen belauft sich auf 28 bis 110 Schüler, so daß im Durchschnitt auf einen Lehrer 69 Schüler kommen. Wegen Uebersüllung oder Engräumigkeit der Schullokale wird noch immer in 23 Schulen Abtheilungsunterricht ertheilt. Gesetzwidrige Schulversäumnisse sind sehr selten. Wegen Bestrafung derselben geht eine Bitte an die Oberschulbehörde ab, dieselbe möge verfügen, daß, wenn ein strafbares Versäuinniß vorliege und dem Ortsvorsteher zur Bestrafung übergeben sei, eine weitere Untersuchung von Seiten des Ortsvorstehers als unzulässig zu unterbleiben habe und die Strafe ohne weiteres vollzogen werden müsse. Ueber einige vom Redner herausgegrisfene Hauptpunkte des Vortrags entspann sich eine sehr lebhafte Debatte. Schließlich vereinigte sich die Bezirksschulversammlung einstimmig mit der Diöcesanshnode in Betreff einer Eingabe ans K. Ministerium wegen Abstellung des frühzeitigen Wirthshausbesuchs der ledigen Söhne. Der zweite Gegenstand waren die Hausaufgaben der Schüler, worüber Schullehrer Knieser von Altenstaig 11 wohl durchdachte Thesen, welche die Anwesenden gedruckt in Händen hatten, aufgestellt hatte, die er warm vertheidigte. Mit unbedeutenden Abänderungen wurden dieselben nach zum Theil erregter Debatte angenommen. — Letzten Montag wurde durch Pfarrer Hoffmann in Stuttgart statt der erkrankten und deßhalb schon längere Zeit hier ausgetretenen „Schwester Eva", die nun in Leonberg stationirt ist, wieder eine Diakonissin, „Schwester Marie", in ihren segensreichen Beruf eingesührt.
* Nagold. Der Erbauer des so vorzüglichen
Orgelwerkes in unsrer Stadtpfarrkirche, Orgelbau- meister Weigle in Stuttgart, hat diesen Sommer, wie uns mitgetheilt wird, nunmehr das lOOste Orgelwerk in Bestellung erhalten, mit 36 klingenden Registern für die Stuttgarter Hospitalkirche. Unter diesen 100, theilweise sehr großen und als ausgezeichnet gut anerkannten Neubauten sind 9, welche dieses bestrenommirte Geschäft nach Nord- und Südamerika, nach Indien und Afrika lieferte. Von Weigle ist auch die schöne Orgel im Festsaal des neuen Seminars hier.
Rottenburg, 11. Sept. Eine Anzahl Personen aller Art, zum Theil aus weiter Ferne, darunter auch viele Handwerksburschen, ziehen gestern und heute durch die Thore der Stadt, um hier in der heute begonnenen Hopfenernte Arbeit und Verdienst zu suchen. Man darf die Anzahl der schon heute hier beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen wohl auf 4000 Personen schätzen.
Stuttgart, 12. Sept. Vor der Ferienkammer wurde heute der Prozeß gegen den 48 Jahre alten Weichenwärter Georg Forstner von Eßlingen wegen Gefährdung eines Eisenbahntransports, fahrlässiger Tödtnug und Körperverletzung verhandelt. In Folge des Zusammenstoßes (4. Juli Rachts) gingen 4 Wagen in Trümmer, ein in einem der Güterwagen schlummernder Schaffner wurde so schwer verletzt, daß er eine Stunde darauf verschied, der Lokomotivführer des Per- sonenzugcs erlitt eine ziemlich heftige Verletzung der rechten Hand. Der der Bahnverwaltung erwachsene Schaden beträgt 4000 außerdem beansprucht die Mutter des Getödtcten 8000 baar oder 56 „L per Monat auf Lebenszeit. Forstner gibt zu, im Acrger über den Stand seiner Kartoffeln vollständig kopflos gehandelt zu haben, wie das zugegaugen, wisse er nicht. Das Unheil lautet auf 1 Jahr und 2 Monate Gefängnis). Die Staatsanwaltschaft hatte 1 Jahr und 4 Monate beantragt. Dem weitern Anträge der.Unfähigkeit ferner im Eisenbahndicnst verwendet zu werden, würde nicht entsprochen.
(K. Landgericht Tübingen.) Als Geschworene für die Schwurgerichlssitzungcu des III. Quartals 1882, beginnend am Donnerstag den 28. Scplbr., haben u. a. zu sun- giren: Bräuning, Jak., Gemeinderath von Gültstcin; Gauß, Fr., Johannes Sohn, Bauer von Bondorf; Gicbcnrath, L. Fr., Weinhändler in Calw; Hanselmann, Carl, ssu., Maler von Wildbad; Schmid, Fr., Mezger in Egenhausen; Widmater, Fr., Gemcindepfleger in Oberjesingcn; Wörne r, Chr., Kaufm. in Bondorf.
Bietigheim, 14. Sept. Zwei Knaben im Alter von 8 und 10 Jahren machten am letzten Dienstag mit Zug 115 eine höchst gefährliche und abenteuerliche Fahrt aus der Eisenbahn von Lausten bis Bietigheim. Dieselben, barfuß und ohne Geld, schlichen sich in Lausten unter einen Personenwagen, stiegen auf die Achse über den Rädern und fuhren halb sitzend halb hängend unter dem Wagen mit jdem Zug weiter. Auf dem Bahnhof Bietigheim wurden sie bemerkt und hervvrgezogen, sonst wären sie noch weiter gefahren. Sie waren natürlich mit Staub und Schmutz bedeckt. Der ältere der beiden Knaben hat, wie er selbst sagt, schon einmal eine solche Fahrt von Waiblingen nach Fellbach mitgemacht, auch hat er dem jüngeren Anleitung dazu gegeben.
Grünenberg bei Gingen a. d. Fils, 12. Sept. Gestern Nachmittag entlud sich ein schweres Gewitter über unsere Gegend. Die Schlossen lagen r/s bis 2 Fuß hoch. Die Bäume sind vollständig entlaubt und stehen kahl wie im Winter; die noch nicht eingebrachten Feldfrüchte sind total vernichtet. Ein Wolkenbruch, der gleichzeitig niederging, ergoß seine Fluchen theilweise in das Unterböhringer Thal und versetzte diesen Ort in schrecken und Schaden, zum größten Theil aber in das Spottenburger Thal, das im Orte Gingen ausmündet, wo urplötzlich die wilden Wasser mannshoch daher brausten und Alles vernichtend mit fortrisscn. Leute, die von denselben
übereilt wurden, mußten sich auf Bäume flüchten.
Die Feuerwehr in Gingen wurde allarmirt und mußte helfend und rettend eingreifen. Das Gewitter suchte so ziemlich den ganzen nordwestlichen Albrand von Balingen bis Geislingen heim. Besonders heftig entlud es sich auch in Urach und Umgegend, wo der Hagel ziemlich Beschädigungen anrichtete.
Biber» ch, 12. Septbr. Vom herrlichsten Wetter begünstigt, wurde gestern dahier das Jahresfcst des wiirttb. evang. Kirche ngrsangvcreins (der jetzt schon 106 Vereine zu den «einen zählt) abgehalten und die Stadt bewahrte ihren guten Ruf in glänzendster Weise. Das ganze war ein liturgischer Gottesdienst, erhebend und ergreifend für Herz und Gemiith, ein Gottesdienst im wahren Sinn des Wortes. An der Festproduktion betheiligten sich 12 Chöre mit 270 Stimmen. Die weihevolle ergreifende Festrede hielt Hr. Dekan Mayer von Biberach, die zwischen die einzelnen Chöre eingelegten Schriftworte wurden von Hrn. Dr. Köstlin vorgetragen und die Orgelbegleituug hatte Hr. Musik-Oberlehrer Hegele übernommen. Allen Theilnchmern wird der schöne Tag in freundlicher Erinnerung bleiben. Sicher wird das schöne Fest die edle Sache des KirchcngesangS fördern und ihm viele neue Mitglieder zuführen.
Heilbronn, 11. Sept. Hier ist gegenwärtig eine Adresse an den Reichskanzler zur Unterzeichnung aufgelegt, in welcher um geeignete gesetzliche Bestimmungen zum Schutze des Handwerks gebeten wird. Die Adresse, welche, wie ich höre, vom konservativen Verein angeregt und auch entworfen worden sein soll, wurde hier in einer Vereinigung von Vertretern der hiesigen freiwilligen Innungen durchbe- rathen; auch der Aufruf zur Unterstützung ist von 8 hiesigen Vorständen freiwilliger Innungen unterzeichnet. In der Adresse wird verlangt: 1) sachgemäße Abgrenzung des Handwerks von der Großindustrie, 2) obligatorische Innungen und Handwerkerkammern, 3) Meisterprüfungen, 4) Arbeitsbücher für alle Handwerksgehilfen, 5) Zölle auf fremde Handwerksartikel, 6) Beschränkung der Zuchthausarbeit und der Militärarbeitsstätten, 7) Abschaffung des Submissionsverfahrcns und 8) Beschränkung des Hausirhandels. Sie soll am 22. Septbr. d. I. abgesendet werden. (N. T.)
Brandfälle: In Tübingen (Rottweil) am 11. Sept., Nachts 9^4 Uhr, ein Bauernhaus sammt Scheuer; in Rißtissen am Sonntag Nacht zwischen 10 und 11 Uhr ein einstöckiges Wohnhaus mit angebauter Scheuer, wobei mehrere 100 Stück Stroh und ca. 500 Gerstengarben mit verbrannten; in Jrslingen (Rottweil) am 11. Septbr., Abends 8 Uhr, das Haus des Bauern Flaig; in Sommerau (Tettnang) am 11. Sept. das Oekonomieanwesen des Bauern .P'aver Schmid.
Freiburg, 10. Sept. (Zum Eisenbahnunglück.) Der „K. v. u. f. D." erhält über die Ursache des stattgehabten Eisenbahnunglücks folgende Mittheilung: Das Unglück hatte seine eigentliche Ursache in den nicht bedienten Bremsen. Die Kondukteure sollen Auftrag gehabt haben, die Billet-Kontrolle der 1200 Passagiere zuerst vorzunehmen und sich alsdann an die Bremsen zu verfügen. Ehe aber die riesige Billet-Kontrolle durchzuführen war, war der Zug in vollem Lauf (Gefäll 1: 80) in sein Verhängnis; gerannt.
Am 5. d. M. ist im Distriktskrankenhause Hil- poltstein ein 15jähriges Mädchen gestorben. Dasselbe erkrankte vor ungefähr zwei Wochen durch den Genuß von Nürnberger Würsten, welche sie von einem Verwandten erhielt, und erfolgte auch, da diese Würste verdorben waren, der Tod durch Vergiftung.
Im Lagcr der nltramontancn Partei i» Bayern bereiten sich seltsame Dinge vor. Das Münchener „Vaterland" bringt einen Artikel, der mit den Worten beginnt: „Gerüchtweise verlautet, man beabsichtige im Schoße der Bürgerschaft