Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

99 .

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Samstag den 26. August.

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1882 .

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September

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Wie sind die Hagelbeschädigten vor dem Ruin zu schützen?

(Ein beherzigenswerihcr Rathschlag der Deutschen Rcichspost.)

Nicht weniger als 24 Millionen Mark beträgt der amtlich geschätzte Betrag des heurigen Hagel­schadens in Württemberg. Eine geradezu ent­setzliche Summe! Selbstredend kann auch die ange­strengteste und opferfreudigste Privatwohlthätigkeit bei weitem nicht so viel aufbringen, um die armen Opfer des Hagelschlags so zu entschädigen, daß diese ihre Verluste verschmerzen könnten. Wie immer nach einem schweren Unglücke, regnet es jetzt von allen Seiten Vorschläge, wie einer Wiederholung desselben vorgebeugt werden könnte; neben ziemlich albernen Behauptungen, als könnten bewaldete Höhen die Bildung des Hagels in den Wolken verhindern, wird jetzt hauptsächlich die Zwangshagelversicherung auf Gegenseitigkeit vorgeschlagen. Wir haben bekanntlich schon mehrmals unser Einverstäudniß mit einer all­gemeinen Zwangshagelversicherung in Württemberg ausgesprochen, obgleich wir die Schwierigkeiten, eine solche ins Leben zu rufen, durchaus nicht verkennen. Wir erinnern hiebei nur an wenige solcher Schwie­rigkeiten. Wie stellt man die Versicherungsprämie auf die Güter erster, zweiter und dritter Ertrags­fähigkeit in einer und derselben Gegend, in verschie­denen Landestheilen mit späterer oder früherer Ernte, wie das Verhältniß der Wiesen zu den Aeckern, der Weinberge zu den Aeckern, der häufig verhagelten Gegenden zu den selten verhagelten? Wie verhält sichs mit den Frostschäden in den Baumgärten und Weinbergen zur Hagelversicherung? Wer über diese Fragen ernstlich nachdenkt, wird finden, daß eine all­gemeine Landeshagelversicherung leichter verlangt, als gemacht ist. Gleichwohl werden diese Schwierigkeiten zu überwinden sein, weil sie überwunden werden müssen.

Aber eine Frage ist in Beziehung auf den schweren Hagelschaden dieses Sommers bis jetzt nicht aufgeworfen und doch drängt sie sich von selbst auf. Wie können unsere verhagelten Bauern vor rücksichtslosen Gläubigern geschützt werden? Bekanntlich ist es eine Natureigenschaft der Kapital­herrschaft, daß sie aus dem Unglück anderer Leute immer den größten Gewinn zieht. Hunderte von Bauern und Söldnern (Hüfnern) hätten ohne den Hagelschaden ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern Nachkommen können, jetzt können sie das wenigstens für dieses und wohl auch für das nächste Jahr nicht. Wenn ihnen auch die Staatssteuern er­lassen werden, so nützt ihnen das blutwenig, weil der Privatsteuereinnehmer ungleich größere Summen zu fordern hat und wenn er das Gut billig erwerben zu können hofft unerbittlich fordert. Wie gut wäre es, wenn die von den Sozialreformen verlangte Umwandlung der hypothekarischen Kapitalschuld in Rentenschuld schon durchgeführt wäre!! Allein mit dem Wenn und Aber ist nicht geholfen.

Es handelt sich jetzt zunächst nicht darum, wie die Verheerungen künftiger Hagelschäden zu mildern sind, sondern darum, was man außer der Privat­wohlthätigkeit thun kann, um die verhagelten Bauern vor der Vergantung zu schützen. Die früheren man- chesterlich-liberalen Reichstagsmehrheiten haben in ihrer schlecht verhüllten Sucht, dem Großkapital alle

möglichen Vortheile zuzuwenden, dafür gesorgt, daß ein Moratorium (Borgfrist) nur durch Reichsge­setz erlassen werden kann. Den einzelnen Bundes­regierungen ist also ein Riegel vorgeschoben, gegen hartherzige Gläubiger ihren bedrängten Unterthanen schütz zu gewähren! Es unterliegt nun nicht dem mindesten Zweifel, daß der große Hagelschaden vie­len Wucherern sehr erwünscht kommt. Jetzt kann das Geschäft der Hofmetzgerei erst recht in Flor kommen!

Um nun gerade diesen Hyänen und Vampyren ein gesundes Paroli zu biegen, bleibt unseres Erach­tens gar nichts anderes übrig, als daß unsere Regie­rung beim Bundesrath die baldige Vorlage eines Moratoriums an den Reichstag beantrage, durch wel­ches wenigstens denjenigen Bauern, welchen mehr als ein Viertel ihres durchschnittlichen Ernteertrags durch Frost oder Hagel (unabwendbare Naturereignisse) verloren ging, von ihrer eigenen Landesregierung jetzt und für künftige Fälle ein Moratorium bewil­ligt werden kann. Die Gerechtigkeit und Billigkeit unseres Vorschlags liegt so sehr auf der Hand, daß wir zu dessen Begründung nichts beizufügen brauchen. Sicherlich wird der Bundesrath und der Reichstag diesem Vorschlag seine Genehmigung nicht versagen. Aber die Sache eilt und in Württemberg müssen alle Parteien in dieser Frage einig Zusammengehen.

lll. L Nach bewährtem Muster.

Die Verlegung der englischen Operationsbasis von Alexandrien nach Porte-SaidJsmailiaSuez und die Vorbereitungen zum Vormarsch gegen Kairo, diese beiden wichtigen Ereignisse der letzten Tage thun dar, daß die englische Armee ihre Operation eröffnet und daß über kurz oder lang ganz Aegypten oder doch ein großer Theil dieses Land von England in Besitz genommen sein wird.

Der Anfang dieser Besitznahme läßt sich leicht, das Aufhören derselben aber nur schwer absehen; eben so schwer läßt sich Vorhersagen, wie England das Verhältniß zwischen sich und dem in Besitz ge­nommenen Lande gestatten wird. Zwar hat Lord Dufferin das Uneigennützigkeits - Protokoll unter­schrieben, er hat aber den Vorbehalt der toroo ina- jsurs hier am besten mitden Vorbehalt der zwingenden Nothwendigkeit" übersetzt beigefügt und dieser Vorbehalt ist im Munde eines Diplomaten vieldeutig.

Ein meuchlerisch getödteter britischer Soldat kann für England den Fall der zwingenden Noth­wendigkeit und damit die dauernde Besetzung des Nillandes ergeben.

Es kommt eben nur auf die Auslegung an und diese lautet stets für die Auffassung des that- sächlichen Besitzers günstig.

Angesichts einer solchen Möglichkeit erscheint das dem französischen Exminister nachgesprochene Wort: Fürst Bismarck dürfte keinen Grund haben, mit dem Erfolge seiner Politik in diesem Augenblicke zufrieden zu sein, nicht ganz ohne Berechtigung. Denn sicher ist, daß nach Proklamirung des europäischen Cha­rakters der ägyptischen Frage durch die Ostmächte keiner derselben eine Lösung erwünscht sein kann, durch welche das wichtige, den Suezkanal beherr­schende Culturland am Nil zu einer englischen Ko­lonie würde.

Um so mehr mußten die Erklärungen des eng­lischen Ministers Sir Charles Dilke verblüffen, der geradezu sagte, die Beziehungen zwischen England einer- und Deutschland und Oesterreich-Ungarn ande­rerseits seien nie besser als in diesem Augenblick ge­

wesen ; beide Mächte billigen vollständig das Vorgehen Englands in Egypten. Und um nun keinen Zweifel an der Nichtigkeit dieser anscheinend den thatsächlichen Verhältnissen, Absichten und Stimmungen der Ka- binete widerstreitenden Erklärung aufkommen zu lassen, konstatirten preußische Offiziöse, Sir Charles habe die Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt.

Wie, so muß man sich mm fragen, reimen sich die allen Mächten in Egypten gemeinsamen Inte­ressen, das einseitige gewaltthätige Vorgehen Eng­lands und das Gutheißen des letzteren durch Deutsch­land und Oesterreich-Ungarn zusammen?

Die Antwort suchen wir nicht etwa in An­deutung geheimer Abmachungen, sondern in einer Erinnerung.

Als sich Rußland 1877 anschickte, den kranken Mann mit Haut und Haaren zu verschlingen und in der öffentlichen Meinung der heftigste Unwille gegen das Geschehenlassen eines so ungeheuren Raubs laut wurde, da ließ Graf Andrassy das köstliche Wort von dem wilden Elephanten hören, der dadurch ge­zähmt und von Wuthexzessen abgehalten werde, daß man ihn zwischen zwei zahme Elephanten stelle, die ihn festhalten und an Ausschreitungen hindern.

In der That haben die zahmen Elephanten in Berlin den San Stefano-Exzeß des Wilden verhin­dert und ihn zu einer bescheidenen Anschauung betreffs seiner Haltung in Europa gebracht.

Nach diesem bereits einmal bewährten Recept scheinen nun die Ostmächte unter Bismarcks Führung auch gegenüber England Vorgehen zu wollen. Daraus hin weist deutlich die Haltung der russischen officiösen Presse, welche unermüdlich hervorhebt, nach der Wie­derherstellung der Ordnung in Egypten müsse Europa über die künftige Stellung des Landes be­fragt werden.

Vielleicht erweist sich das Berliner Recept von 1879 auch diesmal probat und der Elephant wird gezwungen, den ägyptischen Bissen, nachdem er ihn bereits verschlungen, freundschaftlich sanftem Druck gehorchend, wieder herauszugeben.

Tages-Neuigketten.

Deutsches Reich.

Sulz (Nagold), 25. Aug. (Corresp.) Vorige Woche brachte ein junger Mann von 22 Jahren hier die Hand in die Futterschneidmaschine, wodurch ihm der Mittelfinger total heraus gerissen wurde. Auch das Messer hat in letzter Zeit wieder eine gefähr­liche Rolle hier gespielt, indem ein verheiratheter Bürger einem andern derart über die Hand schnitt, daß derselbe schon 4 Wochen arbeitsunfähig ist und es leider noch längere Zeit bleiben wird.

Horb, 20. August. In Bierlingen wurde in der vergangenen Woche das 25jährige Priesterjubiläum des dortigen Pfarrers und Schulinspektors Dr. Menz festlich begangen. (N. T.)

Tübingen, 24. Aug. Der prov. Ausschuß des Werkmeistervereins für den Schwarzwaldkreis beabsichtigt aus Anlaß des VII. württ. Feuerwehr­tags nächsten Montag den 28. Aug. Nachm. 2 Uhr im Saale des Gasthofs zum Ochsen dahier eine Kreisversammlung abzuhalten und ladet die Interes­senten sowohl des Schwarzwaldkreises als auch der andern Kreise hierzu ein.

Biberach, 20. August. Der Pfarr-Cäcilien- Verein hat in Vereinigung mit der Musikgesellschaft Union gestern Abend dem Herrn Stadtschultheißen Nicolai durch Musik und Gesang eine Ovation gebracht, bei welcher eine ungeheure Menschenmenge