einen Befehl an die Offiziere und Beamten des 15. Armee-Corps erlassen, sich von dey Agitation der Antisemitenliga fern zu halten und in gleichem Sinne auch bei ihren Untergebenen zu wirken.

OesterreichUngarn.

Wien, 8. Dez. Dulciguo existirt nicht mehr. Zugleich mit oer Besitznahme dieser vielumworbenen Stadt haben die Montenegriner auch den Namen derselben geändert. Die Stadt ist nunmehr auf den serbisch-montenegrinischen Namen lllein getauft.

sTreue eines Hundes) Ein seltenes Beispiel der Treue eines Hundes hat sich, wie die LinzerTagespost" er­zählt, kürzlich in Sierning ereignet. Als der Todteugräber daselbst sich eines AbendS von seinem Tagewerke in seine Woh­nung begab, sah er einen Hund an einem ihm bekannten Grabe mit einem ungewöhnlichen Eifer scharren. Er vertrieb diesen unberufenen Gehilfen, der bereits einen Schuh tief ge­kommen war. In seiner Wohnung fand er die Wittwe des verstorbenen Fleischhauers Wüllnauer von Sicrninghofen, die gekommen war, um Anordnungen für das Grab ihres ver­storbenen Gatten am Allerseeleittage zu treffen. Der Todten- gräbcr erkundigte sich, ob sie einen Hund mithabe und theilte ihr das Gesehene mit. Als dann Beide wieder zum Grabe gingen, fanden sie den Hund neuerdings bei seiner Arbeit, die bereits anderthalb Fuß gediehen war. Mit Staunen standen Beide da und von Rührung ergriffen, vermochten sie eS nicht sogleich, demselben zu wehren. Also fast nach einein Jahre hatte der Hund das Grab seines Herrn noch gewußt und aus­gesucht, seine Treue bewahrt und seine Anhänglichkeit durch die Befreiung aus dem Grabe belhätigen wollen.

Frankreich.

Paris, 5. Dez. Der General de Resfye, der Erfinder der Mitrailleuje nnd einer neuen Kanone, ist in seinem 59. Lebensjahre in Taröes gestorben.

Paris, 6. Dez. Die kommunistische Rednerin Louse Michel wird gegen Ausreizung zum Bürger­kriege und Todesdrohungen gegen Mitglieder der Regierung gerichtlich verfolgt werden.

Ein ungemeines Aufsehen erregten die fort­dauernden Enthüllungen des Bischofs von Vournai. Der Mann muß im Besitze ganzer Romanbände füllender Geheimnisse sein, nach seinen Aeußerungen zu urtheilcn. Einige Sätze wollen wir wörtlich anführen: Wenn die Bischöfe in Deutschland die wirkliche Lage der Dinge kennten, so würde der Friede mit der römisch-katholischen Kirche nicht nur möglich, sondern auch leicht unter ehrenvollen Be­dingungen zu erreichen sein, die weder die katholische Religion noch das Gewissen der Bischöse verletzen. Wenn sie daran glauben könnten, was leider that- sächliche Wahrheit ist, so würden sie vom Papst Leo XIII. über die perfide Handhabung der vatika­nischen Diplomatie-Erklärungen erbitten und ver­langen. Ich bin Katholik in innerster Seele; ich habe gelitten und leide mit meinen Brüdern in Deutschland: aber ich sehe offen, daß sie das, was sie heute erleiden, hauptsächlich wegen der ehrgeizigen und weltlichen Absichten Leos XIII. und zahlreicher Prälaten seines Hofes erdulden. Es bedarf langer Zeit, bis katholische Bischöfe zu dem Glauben ge­langen, daß der Papst etwas anderes suche, als die Ehre Gottes und das Heil der Seelen. Die Bischöfe Deutschlands können sich bei den belgischen Bischöfen informiren. Ich hoffe, daß in ein oder zwei Jahren die gegenwärtige vatikanische Diplomatie dermaßen entlarvt sein wird, daß sie aufhört, eine Gefahr für den innern Frieden der Staaten und den Frieden wahrhaft katholischer Gewissen zu sein." Italien.

Neapel, .4. Dez. Vorgestern ist die hiesige Tabakfabrik, die größte des Königreichs, gänzlich abgebrannt. Der Schaden wird vorläufig auf 8 Will, angegeben. Fast 2000 Familien, die iu der Fabrik beschäftigt waren und nun brodlos sind, stehen jammernd vor den Ruinen.

England.

Dienstag Nacht wurde ein Gerichtsdiener in der Grafschaft Kerry überfallen, welcher ein Gut, dessen Pächter kürzlich exmittirt worden war, zu überwachen hatte. Die mit Flinten und Heugabeln bewaffneten Angreifer erbrachen die Hausthür, zogen den Gerichtsdiener aus dem Bette und hießen ihn niederknieen, worauf sie ihm ein Ohr aufschlitzten und ihn schwören ließen, sich nicht zwischen Guts­herrn und Pächter einzumischen. Nachdem dies ge­schehen, wurde ihm das zweite Ohr anfgxschlitzt und der Schwur abgenommen, der Sache der Pächter treu zu bleiben, worauf sich die Leute zurückzogen. Da die Familie des Opfers die geschlossenen Thü- ren nicht zu sprengen wagte, siel der Unglückliche in Folge des Blutverlustes in eine lange Ohnmacht. Ein in Fermore bei Ballyhill lebender Pächter ist boycottirt, d. h. mit dem Banne belegt worden.

Zwei Arbeiter, die trotzdem in seinen Diensten blieben, sind von einem Haufen Bauern durchge­prügelt und mit dem Tode bedroht worden, falls sie ihren Dienstherrn nicht verlassen würden.

Amerika.

Washington, 6. Dez. Der Kongreß wurde mit einer Botschaft des Präsidenten Hohes eröffnet, welche das Land wegen seiner zunehmenden Wohl­fahrt und des friedlichen Verlaufs der Präsidenten­wahl beglückwünscht, die Reform des Staatsdienstes, die Einführung von Kvnkurrenzprüfungen bei der Anstellung von Beamten empfiehlt und strenge Gesetze gegen die Vielweiberei der Mormonen befürwortet. Die Beziehungen mit dem Ausland seien ununterbro­chen friedliche. Der Präsident rühmt schließlich die großen militärischen Verdienste General Grants und fchlügt dessen Ernennung zum General-Kapitän der Armee vor.

(Ein Baron als Mezger.) In Erie (Pennfylvanien) heirathete kürzlich der Baron Eber­hardt von Wiederhold, ein Sohn des früheren würltembergischen Kriegsministers, das Fräulein Jda Meuser. Derselbe wird sich bleibend in Erie nieder­lassen und ein Mezgergeschäst betreiben.

Die 1»1te Kath rin.

Eine Weihnachtsgeschichte von Will). Grothe.

(Fortsetzung.)

Die kleine Choristin nickte, starrte eine Minute in die Lichter des Tannenbaums und begann:Es sind heut vierzehn Jahre her ich war damals noch ein ganz kleines Mädchen, sechs bis acht Jahre alt. Wir,« mein Bruder, der aller als ich war, und ich, sollten dieses Mal von der Mutter allein beschert werden; denn unser Vater, der Steuermann, war zu einer Reise nach China oder Japan zu Schiff gegan­gen nnd konnte erst zum nächsten Herbst bei uns einlreffen. Das stimmte uns Kinder jedoch nicht trübe; im Gegentheil waren wir sehr guter Dinge; denn wir hofften aus viele Geschenke, weil unsere Mutter immer Geld in der Lotterie gewonnen hatte. Wir saßen schon Wochen vorher während der Dämmerungsstunde aus der Ofenbank und erzählten uns von unseren Wünschen und Hoffnungen. Unsere Mutier thal, als ob sie nichts hörte, aber ihr Lächeln konnte uns als gute Vorbedeutung gelten.

Der heilige Abend war endlich gekommen. In der Nebenstube wurde aufgebaut, während wir in der dunklen Küche das Zeichen erwarteten, um hinein zu stürmen und die Geschenke in Empfang zu nehmen. Nun klatschte unsere Mutter in die Hände. Niemals war uns so reich beschert worden: selbst die große Puppe vermißte ich nicht, die ich in dem Schaufenster des benachbarten Spielwaareiüagers gesehen hatte. Ich war unendlich glücklich, ttatfchte in die Hände uno küßte die Puppe wohl hundertmal; man ist ja so kindisch, wenn man klein ist". Frida zuckte mitleidig die Schultern.

Meinst Du, daß eine Puppe nur in der Kind­heit entzückt?" ließ sich Jenny vernehmen:Die Pup­pen heißen nur anders, wenn wir groß sind. Doch fahre fort, doppelter Friede".

Ich sprang im Zimmer umher", fuhr Frida fort,und sang das Eiapopeia. Da stieß meine Mutter plötzlich einen Schrei aus. Ich schaute jetzt erst eigentlich auf. Ein grellrother Schein drang von außen in unser Zimmer. Meine Mutter stürzte zum Fenster.Hilf Gott", schrie sie:Trautmann's Speicher brennt". So war es, Flammensänlen schlu­gen aus den Lucken des Daches, aus den Fenstern heraus. Jetzt begann auch auf der engen Gasse, welche unser Haus von dem hohen, brennenden Speicher schied, ein gewaltiges Leben.Feuer! Feuer! Hilfe! Feuer!" schrie man von allen Seiten und rannte her und hin. Eine Spritze rollte heran. In unseren Häusern begann man zu retten, einzupacken die Festfreude war dahin. Eigentlich kamen wir mit dem Schreck davon; denn wenn auch der Speicher mit allen seinen Vorräthen in Flammen aufging; die anderen Häuser blieben verschont. Am folgenden Tage erfuhren wir, daß die Ursache des Brandes, der Sohn der Wittwe Gundelstein, der Lehrling bei Christian Trautmann war, und dem es oblag, den Speicher zum Theil zu verwalten, verbrannt sei. Das war eine neue Aufregung; denn die Wittwe jammerte nicht nur, sie wurde auch wahnsinnig".

Das ist die tolle Kath'rin", setzte Jenny hin­zu,wie das Volk sie nennt. Rollerchen, Sie wer­den die Alte auch schon gesehen haben, wie sie durch

die Straßen unserer Stadt schweift und ihren Sohn sucht. Sie singt auf der Gaffe und lebt von Almo­sen ein beklagenswerthes Weib. Doch was ist das? Aefft uns der Satan? Da führt der Zufall sie gerade hier die Straße entlang".

Wenn man vom Wolf spricht, ist er nicht weit", meinte Frida.

Von der Straße klang es aber herein:

Er ist nicht dahin mein Söhnchen lebt -- Die Jahre flieh'», mein Herz erbebt.

O Karl, mein Glück.

Er kommt über's Jahr ich weiß cS genau -- Wenn mit Blumen sich schmückt das Feld und die Au: Dann kommt er zurück!

II.

Eine Mutter, die ihren Sohn sucht.

Ich wäre neugierig, die tolle Kath'rin einmal in der Nähe zu sehen", äußerte Jenny.

Ja, rufen wir sie herein", fiel Frida rasch ein,wenn sie uns nicht mehr Spaß macht, lassen wir sie init einigen Groschen wieder gehen. Die Alte wird mich nicht wiederkennen, darauf wette ich!"

Jenny schüttelte unwillig den hübschen Kopf. Ich dachte nicht daran, Spaß mit ihr zu treiben", sagte sie,die Unglückliche sollte auch einen Christbaum in der Nähe sehen und wäre es nur auf Minuten."

Sie sind ein gutes Mädchen", versetzte Bert­ram Roller,Ihr Wille soll geschehen". Mit den Worten verließ er das Zimmer, um es nach wenigen Minuten mit Katharina Gundelstein wieder zu betreten.

Diese war eine 45jährige Frau, aber man hätte bei ihrem Anblick glauben sollen, daß 80 Jahre sich auf sie herabgesenkt nnd sie mit ihrer Last niederge­drückt hätten. Die ehemals hohe Gestalt war zusam­mengeschrumpft und sah unheimlich, zigeunerhaft aus. Weiße Haare drängten sich unter einem grell bunten Tuche hervor, das sie nach Art der Lnmpen-Sorti- rerinnen um den Kopf gebunden hatte. Ihre Kleider bekundeten die äußerste Armnth; sie waren hundert­fach geflickt, so daß ein Lumpen oft über den andern genäht war, doch bedeckte kein widerwärtiger Schmutz die arme Wahnsinnige. Ihre Füße steckten in Holz­schuhen und in dev mageren, knochigen Hand hielt sie einen Stock, aus den sie sich stützte. Ihre nmzelvolle Gesichtshaut war gebräunt und von dem vielen Aufent­halte im Freien v erweitert. Unter den grauen, bu­schigen Brauen lugten aus tiefen Höhlen zioei unheim­lich Leuchtende Augen hervor.

Bei ihrem Eintritte nickte sie zutraulich den bei­den Mädchen zu.

Frau Katharina Gundelstein", redete Jenny sie an,Sie sind noch nicht zu Haufe und doch ist es schon spät!"

Was sollte ich dort?" entgegnete sie mit rauh kreischender Stimme,zu Hause ist es einsam, bis inein Söhnchen, mein Karl, zurückgekehrt ist."

Und Ihr meint, daß er wirklich kommen werde?" fragte Bertram.

Gewiß, er wird kommen", antwortete die Irre in zuversichtlichem Tone,wenn es Frühjahr wird und die Schwalben kommen, kommt auch er. Es war kalt, als er ging. Heut ist es ein Jahr, oder ein Jahrhundert."

Vierzehn Jahre, Mutter Kath'rin", verbesserte Frida,vierzehn Jahre, seitdem die Speicher des Kauf­manns Christian Trautmann brannten. Ihr wißt doch davon?"

Die Wahnsinnige nickte, als erinnerte sie sich dessen.Ja sie brannten hell", sprach sie,sehr hell ich sehe es noch, wie die Flammen aus dem Fen­ster schlugen. Man konnte in meinem Stübchen lesen. Auf dem Tische stand der Weihnachtsbaum, dessen Lichter wollte ich anzünden, wenn Karl käme; aber er kam nicht." Sie senkte traurig den Kopf und zwei Thränen liefen über die braunen, runzelvollen Wangen hernieder.

Die Arme!" flüsterte Jenny dem jungen Schau­spieler zu.

Ihr kennt mich doch nicht, Mutter Kath'rin?" fragte Frida Friedmann,wir wohnten ja damals dicht nebeneinander, in einem Hause ich bin Frida, die kleine, ausgelassene Frida, der Kobold."

Frida? die kleine Frida?" wiederholte die Irre, aber das kann nicht sein. Sie scherzen, junge Dame. Die Frida war ein kleines Ding so groß und Karl hatte sie gern." Die tolle Kath'rin zeigte bei diesen Worten mit ihrem Stocke die Höhe eines sechsjährigen Mädchens an.

(Fortsetzung folgt.)

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