in Kiel. Sein Plan war scharfsinnig und führte ihn doch in die Falle.
Dem „Standard" zufolge hätte die Zusammenkunft des Fürsten Hohenlohe und Grafen St. Vallier mit dem Reichskanzler zu Friedrichsruhe weit tragendere Folgen, als der erste Anschein verlachen ließ. Eine Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland wäre, trotz alles Gegengeschreis französischer Revanchehelden, gelungen, wenn es sich bestätigte, daß in der erwähnten Zusammenkunft Schritte zur gemeinsamen Bekämpfung des Socialismus resp. des Communismus beschlossen worden seien. Auch ein gemeinsames Vorgehen bei der Behandlung der orientalischen Angelegenheit sei zwischen Frankreich, Deutschland und Oestreich- Ungarn in nachstehenden Punkten vereinbart worden: Alle drei Mächte anerkennen Rumänien als Königreich und werden die Erhebung Serbiens zu einem Königreiche verhindern. Sie werden eine gemeinsame Volkserhebung in Macedvnien und Rumelien Niederhalten und dem Ausbruche eines Krieges wegen Thessalien und des Epirus Vorbeugen. Diese Meldung, welche den Inhalt und Kern einer Tripelallianz zur Aufrechthaltnug des durch die orientalische Frage bedrohten europäischen Friedens enthüllt, wird in anderer Form auch von vertrauenswerther deutscher Seite bestätigt.
ucber den Untergang des Hambnrger Dam- pfcrs „Carlos" liegen jettt nälsere Mittheilnngen vor. Die Mannschaften, welche mit dem Posidampser ,,Luanda" in Liverpool eingett eisen sind, leiden sämmlliche noch am Fieber und sind nur mit Mühe einem schrecklichen Tod entgangen. Wie dieselben erzählten, trat der „Carlos" ans der Reise von Hamburg nach Lagos am 25. Okl., Nachmittags S Uhr, mit wertlwolier Ladung unweit Nana Kroo ein und löste einen Kanonenschuß zum Zeichen, daß man eine Anzahl Kroobops (Arbeiter? gebrauche. Gleich darauf stieß das Schiff auf einen 12 Fuß unter Wasser liegenden Felsen und begann sofort zu sinken, das Wasser stürzte in den Maschinenranm und die Feuer verlöschten. Die Mannschaft nahm einiges von ihren Effekten und begab sich in die drei Böte des Zchiffs, hatte letzteres aber kaum verlassen, als mehrere Hundert Eingeborene an Bord kamen, die den Dampfer zu plündern begannen, bis er sich auf die Seite legte und versank, so daß nur der Kops des Schornsteins aus dem Wasser hervorragte. Die Schiffbrüchigen steuerten nach dem viele Meilen entfernten Sinoe, hielten sich aber der Sicherheit wegen nahe der Küste. Als die Nacht hereinbrach, bemerkten sie, daß sie von etwa 100 Kanocs verfolgt wurden und daß ein Entkommen unmöglich sei. Bald nachher waren sie von den Wilden umzingelt, die säst sämmtlich mit Speeren und Messern bewaffnet waren. Ais die Mannschaft sich der Plünderung widersetzle, wurde sie mit dem Tode bedroht, so daß sie es geschehen lassen mußte, daß die Schwarzen nicht allein Alles, was in den Böten war, nahmen, sondern sie auch init Gewalt der Kleider, die sic am Leibe trugen, beraubten. Dem Kapitän wollten sie den Finger abschneide», als ein an demselben befindlicher Ring sich nicht sofort abziehcn ließ. Erst nach längerer Beratbung gestalteten die Wilden dann den Schiffbrüchigen, ihre Fabrt svrtzusetzen und nach See hinauszufahren, nachdem ihnen die Ruder der Böte zurückgegcben waren. Vollständig nackt ruderten die Leute die ganze Nacht, die bei anhaltendem Regen sehr kalt war. Die Leiden der Mannschaft waren sehr groß, trotzdem ruderte sie, bis sie vollständig erschöpft war und mehrere ohnmächtig wurden. Um die Arbeit zu erleichtern, wurde beschlossen, eines der Böte treiben zu lassen und die Mannschaft desselben in die beiden anderen zu vertheilen. Am folgenden Tage war cs sehr heiß, doch hatten die Leute nichts, um sich gegen die glühenden Sonnenstrahlen zu schützen. Als sie sich dann einem kleinen Orte, King Will's Town, näherten, kam ein neuer Trupp Eingeborener, die die der Nnder beraubten Böte in Schlepptau nahmen, die Mannschaft aber im Uebrigen nicht belästigten. Die Leiden der Schiffbrüchigen waren entsetzlich, ohne Nahrungsmittel und Wasser, litten auch säst alle am Fieber. Fünf Tage lang mußten sie in nacktem Zustande in King Will's Town bleiben, bis ein von der deutschen Faktorei in Sinoe gesandtes Schiff sic abholte und mit Kleidungsstücken versorgte. Als sie später auf die „Loanda" kamen, waren Alle krank und mußten bis zur Ankunft in Liverpool in ärztlicher Behandlung bleiben. Der Kapitän und der erste Offizier mußten in Monrovia zurückgelassen werden, die übrigen 16 sind in Liverpool der Shipwreckcd Mariners Society übergeben worden. Der Dampfer „Carlos" war erst im Jahre 187S in Dundee gebaut.
Im Landtage zu Malchin gelangten am 20. Nov. Reskripte beider meklenburgischen Regierungen, betr. Aufhebung der obligatorischen Zivilehe, zur Verlesung. Auf das seit 4 Jahren mehrmals wiederholte Gesuch der Ritterschaft (die Landschaft hatte ihre Betheiligung durch Majoritätsbeschluß abgelehnt) erklären jetzt beide Regierungen ihre Uebereinstimmung mit dem Wunsche, daß die obligatorische Zivilehe wieder beseitigt werde, und ihre Geneigtheit, bei sich bietender Gelegenheit in diesem Sinne im Bundes- rathe wirken zu lassen. Die Nat.Z. erkennt darin, sicherlich zu schwarzsichtig, die ersten Vorboten eines amtlichen Ansturms gegen das Zivilstandsgesetz. Was die beiden Mecklenburg wollen, das will noch nicht das deutsche Reich.
Oesterreich—Ungarn.
Wien, 5. Dez. Der König von Griechenland
erklärte, wie der Fr. Z. gemeldet wird, auf wiederholte Friedensmahnungen von Deutschlands und Frankreichs Vertretern, daß er, wenn er auch die Rüstungen fortsetzen müsse, doch noch bis nächstes Frühjahr warten werde, ob sich die Pforte nicht freiwillig zu der Ausführung der Konferenz-Beschlüsse herbeilasse; er setze voraus, daß die Mächte in diesem Sinne zu Konstantinopel wirken würden. Schweiz.
Chur, 5. Dez. Man meldet der „N. Z. Ztg.": Gestern Abend 8 Uhr sind 9 Häuser und 14 Ställe in Fl lisch abgebrannt. Das Dorf zählt circa 500 Einwohner. Der vierte Theil desselben ist vernichtet. Einige Stück Vieh und viele Vorräthe gingen in den Flammen zu Grunde.
Frankreich.
Paris, 4. Dez. Die Regierung hat beschlossen, bei den Kammern den Verkauf derjenigen Kron- juwelen zu beantragen, welche keinen historischen Werth haben. Der zu 5 Millionen angenommene Erlös ist für die nationalen Museen bestimmt.
Sie werden immer toller, die kaum begnadigten und in Paris noch nicht einmal warm gewordenen Helden oer Kommune. In Ermangelung eines anderen Stoffes und um einem dringenden Bedürfniß zu genügen, schlug Nochefort nichts Geringeres vor, als den Opfern der Kommune ein großes Monument zu errichten! Eine bezügliche Petition soll an den Pariser Gemeinderath gerichtet werden, und gleichzeitig eröffnet der „Jntranfigeant" eine Subskription für das zukünftige Denkmal. Also kurz und gut, eine offizielle Glorifikation der Kommune! Und kaum sind erst einige Monate verflossen, daß Gambetta seine berühmte Rede hielt, deren mächtige Beredtsamkeit die Kammer mit sich fortriß, und in der er die Amnestie als eine Nothwendigkeit verlangte, um endlich „diesen letzten Fetzen des Bürgerkrieges" aus der Welt zu schaffen. Run, die Amnesüe ist votirt; doch jene schöne Phrase ist ein Phrase geblieben. Der fragliche Fetzen ist durchaus nicht verschwunden, sondern vielmehr eine Fahne geworden, und wahrlich, man scheut sich keineswegs, dieselbe zu entfalten. Es handelt sich nur noch darum, sie auf einem Monument an einem öffentlichen Platze von Paris aufzupflanzen. Die alten „Kämpfer von 1871" denken gar nicht daran, in ruhigem, friedlichen Verhalten Vergessen und Verzeihen zu suchen; sie erheben kühn ihr Haupt, sie fordern Rehabilitation der Kommune, und nicht etwa schüchtern und bescheiden, sondern laut und ohne Umschweife. Blanqui gebt so weit, in feinem neuen ,bli äou ni maitro« („Weder Gott noch König oder Herr") betitelten Blatte die Contre-Enquöte bezüglich der Kommune zu unternehmen, deren ResuUac sein wird, daß alle Feinde der Kommune Mörder sind. Felix Pyat endlich fordert offen in der „Marseillaise" zum Gambetta-Mord auf. Gambetta soll, wie man dem „B. T." aus Paris meldet, von dieser Wendung der Dinge sehr bekümmert und ängstlich sein. Das läßt sich denken!
Dänemark.
Eine Uhr, die sich von selbst aufzieht. Von dem Kopcnhagener Uhrmacher L. Sonderberg ist kürzlich eine Uhr konstruirt worden, welche sich mit Hilfe des elektrischen Stromes selbst aufzieht. Vermittelst eines Elektromagneten wird die Feder der Uhr beständig gespannt gehalten, so daß der Gang der letzteren keine Unterbrechung erleidet. Die Uhr kann länger als ein Jahr gehen, ohne daß man etwas Weiteres zu thun nölhig hat, als ein- bis zweimal die Batterie nachzusehen.
Italien.
Rom, 27. Rov. Der Papst sendete an das Komite für die Unterstützung der Verunglückten Agrams den Beitrag von 5000 Francs.
England.
London, 29. Nov. Der Prinz von Wales, der, wie man behauptet, von einer periodisch wiederkehrenden Ebbe in seiner Schatulle heimgesucht zu werden pflegt, soll, einer Mittheilung des „Voltaire" zufolge, beabsichtigen, demnächst nach Paris zu kommen und eine größere Anleihe zu kontrahiren. Der Prinz, der in gewissen Londoner Clubs, zu deren Mitgliedern die edelsten Lords des britischen Jnselreichs gehören und in denen man der Glücksgöttin Roulette huldigt, ein häufiger Gast ist, soll in letzter Zeit kolossale Summen verspielt haben, und man erzählt sich, daß Herr Gladstone dem Er
suchen des englischen Thronfolgers, seie Apanagen zu erhöhen, einen halsstarrigen Widerstand entgegensetzt. Da erscheint am Ende die Reise des Prinzen nach Paris sehr begreiflich.
Amerika.
New-Jork, 6. Dez. Amtlicher Mitthcilung zufolge sind Getreidetransporte im Belaufe von 5,419,055 Scheffel im Eriekanal vom Eis eingeschlossen. (Schw. B.)
Asien.
Respekt vor der Kaiserin von China! Der Krieg mit Rußland hing an einem Härlein. Die meisten Minister waren für den Krieg. Als die Stunde der Entscheidung gekommen und der ganze Staatsrath versammelt war, stand die Kaiserin auf und bat alle Minister, die für den Krieg stimmen wollten, ein Aktenstück zu unterschreiben, in welchem sie sich verpflichteten, im Falle einer Niederlage die Kriegsentschädigung zu zahlen, die Rußland jedenfalls verlangen würde. Die friedfertig gesinnten Staatsräthe, an ihrer Spitze Kung und der Groß- setretär Li-Hung-Seng schmunzelten wohlgefällig dem weiblichen Salomo zu, und die Kriegspartei, an deren Führer Prinz Tsun, schnallte schleunigst die Rüstung ab und erklärte feierlich, daß sie das Gewicht der wider den Krieg vorgcbrachten Gründe in ihrem ganzen Umfang und ihrer ganzen Schwere rückhaltlos anerkenne, und alle stimmten für den Frieden.
Die tolle Kath'ri».
Eine Weihnachtsgeschichte von Will). Grothe.
I.
Unter dem Taunenbaume.
Es gibt Freuden, die man nur allein genießen kann, und wieder solche, zu denen Gesellschaft noth- wendig ist, die man nur mit Anderen wirklich empfindet. Zu den ersteren gehört das Einkehren in sich selbst, gehören die Ernten der Erinnerungsblüthen, deren süßer Duft die Seele berauscht und die Lust der Vergangenheit in höherem Maße erstehen läßt. Zu der zweiten Klasse zählen die Festlichkeiten und wirklichen Feste. Keines derselben paßt aber weniger für das Alleinsein, als Weihnachten; zu ihm gehört freilich keine große geputzte Gesellschaft; an ihm zeigt man den neidischen Blicken nicht die allerneuesten Moden und die schwersten und theuersten Stoffe, — vielmehr stimmt das schlichte Hauskleid, der Schlafrock zu ihm; denn an ihm ist jeder Zwang ein Frevel, ein Unsinn, eine Lächerlichkeit. Weihnachten mit seinem Kinderjubel läßt alle übrigen Feste schal und fahl erscheinen, nnd beklagenswerth ist, wer in der leeren Fremde es nicht genießen kann. Ein wehmüthiges Gefühl beschleicht ihn, und wenn er sich nicht schämte, vergöße er Thränen.
Das sollte auch der junge Schauspieler Bertram Roller empfinden; denn es war Weihnachten und er stand in der großen, fremden Stadt allein. Sonst war es anders gewesen.
Der heilige Abend der Weihnacht ist einer der wenigen, an denen alle deutsche Theater geschlossen sind und die Schauspieler sich selbst angehören können. Außer ihm sind Charfreitag und Bußtag die einzigen regelmäßigen Unterbrechungen des Theaterlebens. An ihnen ist aber die Natur erwacht, und Frühlingsgrün und Lenzesblüthen locken in das Freie. Da ziehen sie in Gemeinschaft hinaus — das muntere, leichtlebige Völkchen der Lampen und der Schminke. Anders Weihnachten! Da steht der unverheirathete Schauspieler allein und kein Kollege tritt an ihn heran und ladet ihn zum Kinderjubel ein; denn Weihnachten ist ja eben ein Familienfest und jeder Fremde stört bei demselben.
Bertram Roller ging in seinem Zimmer auf und nieder und seufzte. Es war ihm, als brennten seine Augen, ihm war zu Muthe, wie den Kindern, bei denen der Weihnachtsmann ohne zu bescheren vorübergeht.
„Ich will auch meinen Weihnachten haben", rief er plötzlich aus, daß es fast trotzig klang, stülpte den kleinen, eleganten Hut auf die blonden Locken und stürmte aus dem Zimmer heraus dem Christmarkte zu. Bald waren Baum und Lichter erstanden. „Unter Deinem Schatten wird mir wohl werden", dachte er: „Bei Deiner Lichter Schein wird die Bowle mir munden". Er schlug den Heimweg ein.
Als er in das Haus, in dem er wohnte, treten wollte, nachdem er den Träger des Baumes abgeloh nt hatte, klopfte Jemand ihm aus die Schulter. Das