Der Gesellschafter

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

/B

6

126

Erscheint wöchentlich 3mal und kostet halbjährlich hier (ohne Trägcrlohn) 1 60 -I, in dem Bezirk

2 außerhalb des Bezirks 2 ^ 40

Donnerstag den 21. Mtober.

Jnscriivnsgcbühr für die Ispaltige Zeile ans ge- ? ivöhnlichcr Schritt bei ciiinialiger Einrückung 0 ^

! bei mehrmaliger je 6

1880 .

Amtliches.

Nagold.

Ka«dtags-Al»geordne1en-Mahl.

Unter Beziehung auf die Bekanntmachung vom l2. d. M. Amtsblatt Nr. 124 geht den Wahlkom­missionen ein gedrucktes Formular zu, welches pünkt­lich auszufüllen und spätestens am 1. November d. I. von den Commissionen unterzeichnet, mit der Wählerliste hieher einzusenden ist.

Den 18. Oktober 1880.

K. Oberamt.

Die Großmächte und die Türkei.

Als vor nunmehr vier Monaten von der in Berlin versammelten Conferenz von Vertretern der europäischen Großmächte der Schiedsspruch abgege­ben wurde, daß die Pforte behufs Aussühning von Art. 24 des am 13 Juli 1878 abgeschlossenen Ber­liner Vertrages dem hellenischen Königreich die Ja- nina benachbarten Gebiete abzutreten und die Mon­tenegro zugesicherten Gebietserweiterungen durch Aus­lieferung der Hafenstadt Dulcigno zu reguliren habe, nahm ein großer Theil der Presse dieEinstimmig­keit," mit welcher diese Beschlüsse gefaßt worden, als Bürgschaft ihrer prompten Ausführung und einer dauernden Sicherung des europäischen Friedens dank­bar entgegen. Der Gehorsam der Pforte gegen die ForderungenEuropas" und das Einverständniß der Mächte darüber, daß nach Erfüllung dieser For­derungen Alles beim Alten bleiben sollte, galten für so unzweifelhaft, daß in den Kreisen der sogen. Best­unterrichteten höchstens darüber gestritten wurde, ob das in Rede stehende Arrangement einen Wechsel der Rathgeberschaft des Sultans nothwendig machen werde, oder nicht. Auch nachdem die Pforte in Sachen der griechischen Grenzregulirung ein kategorischesNein" gesagt und sich bezüglich der Abtretung Dulcignos hinter das albanesische Sträuben versteckt hatte, be- harrte die Diplomatie auf ihrer siegesgewissen Zu­versicht.

Die griechische Angelegenheit sollte bis zur Er­ledigung der montenegrinischen zurückgestellt, die letz­tere dafür schleunigst und mit dem Aufgebot aller vorhandenen Mittel in Angriff genommen werden. Einige vor den Hafen von Dulcigno aufgestellte Kriegs­fahrzeuge und ein energischer Vormarsch der Mon­tenegriner in das ihnen versprochene Gebiet so meinte man würden der albanesischen Liga und dem Sträuben der Türken ein Ende machen und den Großmächten flugs die Gelegenheit bieten, auch die griechischen Grenzangelegenheiten in Ordnung zu bringen.

Von diesen Erwartungen hat sich keine einzige erfüllt. Nicht ein Mal, wohl ein halbes Dutzend Male hat es Veränderungen im türkischen Ministerrathe ge­geben , keine dieser Veränderungen aber ist im Stande gewesen, die Pforte zum Nachgeben zu bestimmen. Trotz aller europäischen Versprechungen, trotz der im Königreich der Hellenen herrschenden Bewegung der Gemüther und trotz aller in Athen gemachten Rü­stungsanstrengungen ist die griechische Regierung um keinen Schritt vorwärts gerückt.

Die vor Dulcigno ankernden Flotten sind gar nicht in die Lage gekommen, den Montenegrinern ihre Beihülfe zu Theil werden zu lassen, weil diese Letzteren im Angesicht der von den Albanesen besetz­ten Stadt ihrer Hoffnungen Kehrt zu machen für gut befunden hatten. Die Pforte aber hat an die­sem Scheitern des ersten europäischen Interventions- Versuchs zu der Erklärung Veranlassung genommen, daß sie für den Fall eines Verzichts auf weitere

Flotten-Demonstration in dieselbe Grenzbcrichtignug, welche von Griechenland wiederholt verworfen worden, willigen, die Albanesen zur Räumung Dulcignos zu bestimmen versuchen, endlich die gewünschten klein- asiatischen Reformen binnen drei Monaten in Aus­führung bringen werde.

Dem Anschein nach nimmt diese Hartnäckigkeit des bedrohtesten und schlechtestverwalteten europäischen Staats sich wie eine Tollheit aus, in Wahrheit steckt hinter dieser Tollheit außerordentlich viel Me­thode. Man weiß in Constantinopel, daß die in Berlin vertreten gewesenen Staaten über eine mit dem Fortbestände der Türkei vereinbarte Regulirung der Grenzansprüche Griechenlands und Montenegro's allerdings einig geworden sind, daß indessen einem Theil dieser Mächte an der Erhaltung des orienta­lischen Status gno sehr viel mehr gelegen war, als an der Zufriedenstellung von Hellenen und Monte­negrinern. Mit diesen Mächten und mir der für diese Mächte obwaltenden Unmöglichkeit, es Griechen und Montenegrinern zu Liebe aus den Zusammensturz der Pforte und aus eine Auslieferung der Balkan-Halb­insel an Russen und thörichtc Londoner Nussenfreuude aukommen zu lassen, rechnet man in dem Rathc des Sultans. Im Voraus darüber versichert, daß man es in Paris nur höchst ungern, in Berlin und Wien unter keinen Umständen aus eine Infragestellung des Fortbestandes des türkischen Reichs ankommen lassen würde, drängt die Pforte ihre diplomatischen Gegner in die Wahl zwischen abermaligem Einlenkcn und Anwendung förmlicher, in ihren Folgen unberechen­barer Gewaltmittel.

Für die nächste Phase der Sache wird ent­scheidend sein, auf welche Seite Frankreich sich stellt. In Petersburg scheint man die Hoffnung auf fran­zösische Unterstützung noch nicht ausgegben zu haben und redet man den Pariser Staatsmännern immer wieder vor, ihre Republik werde aus die Stufeder Schweiz und San-Marino's" herabsinken, wenn sie den ferneren gegen die Pforte zu ergreifenden Maß­regeln ferne bliebe. Die große Mehrheit der Fran­zosen will von radikalen Schritten gegen die Pforte indessen Nichts wissen und würde es am liebsten sehen, wenn die Mächte einig blieben und einen Mittelweg einschlügen , der zu einem leidlichen Abkommen mit der Türkei führte. In London dauert der von der whiggistischen Presse geschlagene anti-türkische Trom­melwirbel fort; zum Aeußersten wird der Phantasti­sche erste Rathgeber der Königin Victoria es aber nicht kommen lassen, wenn Oesterreich und Deutsch­land fest bleiben und ihre Beihülfe zu Angriffen auf den Fortbestand der ottomanischen Monarchie versa­gen!

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

L. Nagold, 19. Oktbr. Gestern hielt der Schwarzwald - Bienenzüchter - Verein seine Herbstversammlung, von ca. 130 Mitgliedern sind aber nur 30 erschienen. Neben verschiedenen anderen Vereinsangelegenheiten wurde auch der Anschluß an den Württ. Landes - Bienenzüchter - Verein beschlos­sen. Die Mittheilung des Vorstands, daß der landwirthschaftliche Bezirksverein, sowie die Königl. Centralstelle durch Abgabe von einschlägigen Büchern, sowie auch durch sonstige materielle Unterstützungen dem Verein an die Hand gehen werden, wurde mit allgemeiner Befriedigung ausgenommen. Zum Schluffe referirte Herr Schullehrer Schlack von Altenstaig Dorf, als Delcgirter des Vereins, über seinen Be­such bei der 25. Wanderversammlung deutsch-östr.-

Bicnenzüchter in Cöln a./Rh. In einem fast 1^/r- stündigen Vortrag mußte er in belehrender und unterhaltender Weise die Aufmerksamkeit der Anwe­senden zu fesseln, wofür ihm die Versammlung durch ein stürmisches dreifaches Hoch ihren Dank ausdrückte.

* Nagold, 20. Okt. Das BlattAus den Tannen" beeilte sich in seiner letzten Nummer die Nachricht zu verbreiten, daß Herr Oberrcgierungs- rath v. Lutz die Candidatur zu unserer Abgeordne- teuwahl nicht auncbmcn und also gestern hieher kommen werde, um die Gründe der Ablehnung per­sönlich mitzutheilen. Die ganze Mittheilung er­weist sich als ««wahr und können daher der betr. Zeitungssäger und die Redaktion jenes Blattes den ihren Lesern aufgebundenen Bären bei der fast in sicherer Aussicht stehenden Wahl des Herrn Ober­regierungsraths v. Lutz allein verspeisen.

In Frcudenstadt kam am 14. Oktober der 81 Jahre alte Nagelschmid Pulvermüller elendig­lich ums Leben, indem er, als er am Lindenwirths- haus vorübergieug, von dem großen als bösartig bekannten Haushund niedergeworfen wurde. Nach fünf Stunden war er eine Leiche.

Stuttgart. Die am 4. November hier statt- sindende Landesversammlung der conservati- ven Partei wird folgende Tagesordnung haben: 1) Bortrag des Reg.-Raths Luthardt in Augs­burg über den Unterstützungswohnsitz. 2) Vortrag des Stadtraths Stähle in Stuttgart über die Jn- nungsfrage. 3) Besprechung conservativer Preßan- gelegenheiten. 4) Verhandlung über das Gerichts­kostengesetz. Die Versammlung wird um 10 Uhr Vormittags im Concertsaale der Stuttgarter Lieder­halle beginnen.

Stuttgart, 18. Oktbr. In der katholischen Kirche hier wurden in der verflossenen Nacht 4 Opferbüchsen erbrochen und der Inhalt, bestehend in ca. 6 <^L, gestohlen.

Am 15. Okt. hielt der Architektenvcrein des Stutt­garter Polytechnikums eine Dombaufcier bei Koppenhöfer. Re­den wurden von einigen Studirenden, von Pros. Dr. v. Liibke, Oberbaurath v. Tritschler u. a. gehalten. Nach Köln wurde ein Beglückwünschungstelegramm gerichtet, worin cs heißt: Ein Heller Gruß vom Schwabenland Dem stolzen Bau am Rhei­nesstrand. Wir wünschen, daß in kurzer Zeit Auch s'Ulmcr-Münster war so weit.

Blitzenreute, 14. Okt. Der große Häckler- weiher, Eigenthum des Königs, wurde heute, zum erstenmale seit drei Jahren, wieder ausgefischt. Se. Majestät kam heute Morgen hier an und verfolgte mit sichtlichem Interesse die nicht kleine Arbeit. Im Ganzen wurden etwa 45 Centner Fische, meist Karpfen, gefangen. Nächste Woche wird der König in der hiesigen, noch ziemlich wildreichen Ge­gend eine Rehjagd abhalten.

Zu Ehren des Kölner Dombaufestes war der Münster in Ulm beflaggt worden. Gegen die Behauptung in derVoss. Zeitung", daß auch von Seiten Württembergs der Wunsch nach Revision des deutschen Strafgesetzbuches ausgesprochen worden sei, bemerkt derStaatsanzeiger" officiös, daß seit 1876 die hiesige Regierung sich zu einer Aeußerung darüber nicht veranlaßt gesehen hat.

Ulm, 15. Okt. Wie schon mitgetheilt wurde heute nach zweitägiger, außerordentlich zahlreich be­suchter Verhandlung vor dem Schwurgerichte der 19 Jahre alte, vormalige Fürstl. Thurn und Taxis'- sche Jagdgehilfe Adolf Victora, welcher am 22. Dez. v. I. die Frau des Braumeisters Kersch er in Obermarchthal ermordet hat, zum Tode verurtheilt. An der Ermordeten, die erst 36 Jahre alt war und