Reichhaltigkeit des Materials gegen das Kaiserreich ^ gewonnen : aber an Zusammenhang und Beweglichkeit steckt sie noch in den Kinderschuhen. Wo sollte auch der Zusammenhang Herkommen? Der beständige Wechsel der Korpskommandanten, die Berücksichtigung der politischen Färbung bei den Beförderungen, die gänzliche Umgestaltung des Generalstabs und vor allem der Mangel eines allgemein anerkannten Chefs lassen den Gedanken an ein Ganzes noch nicht aufkommen. Der Marquis de Galiffet ist allerdings ans dem Wege, diese letztere Stellung zu ersteigen; denn sein persönliches Ansehen beim Heere wächst; doch gelten seine Fähigkeiten als Korpskommandant lange nicht für so bedeutend, als die eines Reitergenerals, der er bisher war."
Paris, 7. Okt. Nachdem alle Kabinete die neueste türkische Note für indiskutabel erklärt haben, schlügt England die Jnpfandnahme mehrerer türkischer Hafenplätze vor, nm die Türkei durch die Beschlagnahme von Einkünften zum Nachgeben zu zwingen. Der Vorschlag wurde auch von Deutschland und Oesterreich als diskutirbar erklärt. Alle Mächte sind dafür, daß energische Zwangsmaßregcln anzuwenden seien. Frankreich gedenkt, sich auf gleicher Linie mit Deutschland zn halten.
Paris, 9. Oktbr. Im heutigen Ministerrathe wurden die Maßregeln in Betreff der Congregatio- nen definitiv festgestellt. Mit deren Aussichrnng wird nächste Woche begonnen. Die Einzelheiten der Ausführung werden geheimgehalten.
In Lausanne hat man vor einigen Tagen das Grab des Bischofs Roger geöffnet, welcher im Jahr 1220 in der dortigen Kathedrale bestattet worden ist. Merkwürdigerweise war der Körper noch beinahe ganz erhalten, die Gesichtszüge erkennbar und die bischöflichen Gewänder unbeschädigt, trotz der sechs und ein halb Jahrhunderte, welche verflossen sind, seit der Bischof in seinen Steinsarg gelegt worden.
Holland.
Haag. Der Mörder des Knaben Bo- gaardt, dessen Leiche in den Dünen gefunden wurde, ist entdeckt. Er ist ein früherer Sergeant der holländisch-indischen Armee, Namens de Jongh. Derselbe hat seine Unthat bereits eingestanden. Das Motiv der Greuelthat war lediglich, die verlangte beträchtliche Summe Geldes zu erlangen. Da jedoch der Knabe in den Dünen trotz der Drohungen des Unmenschen beharrlich schrie, so ermordete ihn dieser mittelst seines Stockdegens. Die Entdeckung des Mörders wurde durch einen Musketier veranlaßt, der in der veröffentlichten Autographie des Drohbriefes die Handschrift seines ehemaligen Waffengefährten aus Indien erkannte. Der König der Niederlande soll beabsichtigen, den Musketier, der die Entdeckung herbeisührte, zum Offizier zu ernennen.
England.
Lond o n, 8. Okt. „Daily News" glaubt, das europäische Einverständniß werde bald seine praktische Wirkung durch eine gemeinsame Aetion der Mächte bethätigen. Die Anwendung von Gewalt erscheine unvermeidlich. Eine Blokirung dürfte eher angewendet werden, als ein Bombardement. Voraussichtlich werde es nothwendig sein, die Türkei zu zwingen ihre Schulden zu bezahlen, indem man die Einkünfte ihrer europäischen und asiatischen Häfen an die Gläubiger abführe. Wenn der Sultan diese Absicht erkenne, dürfte er nachgeben, andernfalls sei seine Absetzung möglich. Wahrscheinlich sei cs, daß die Lösung in dieser Weise erfolge.
London, 8. Okt. Das britische Kabinet ist feit heute im Besitze zustimmender Erklärungen fämmtlicher Kabinete zu seinem auf Besitzergreifung von Pfandobjekten im Archipel gerichteten Coercitivvorschläge. Der Kommandant der vereinigten Flotten in der Bucht von Teodo ist verständigt, Alles innerhalb 48 Stunden zum Abgang der Flotten nach dem neuen Bestimmungsorte vorzubereiten.
Das ultramontane „Avenir Belge" bringt eine Adresse an den König in Vorschlag, welche die Entlassung des „niederträchtigsten der Ministerien" fordert, welches in Heule zwei fromme Menschen habe erschießen lassen, „weil sie Gott, ihr Vaterland und ihren König liebten". Sie hatten diese „Liebe" dadurch bethätigen wollen, daß sie mit einem wüthen- den Haufen auf drei Staatsbeamte eindrangen, um sie zu steinigen.
Ein schwarzer Schandfleck auf dem englischen
Wappenschild ist der Opiumhandel. Herr Professor Christlieb in Bonn schreibt darüber u. A.: „Die stolze Flagge Englands trägt einen breiten Schmutzflecken; dieselbe Nation, die in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts durch eine Heldenthat sich vom Fluch des Sklavenhandels und auch der Sklaverei in ihren Colonieen losrang und damit eine Hauptursache des Massenmordes nach Kräften beseitigte, ja mit beträchtlichen Opfern heute noch in West- und Ostafrika zn beseitigen sich bemüht, dieselbe Nation ist eS, die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts den Klagen, den flehentlichen Bitten der chinesischen Negierung, ja dem Aufschrei des christlichen Gewissens in ihrer eigenen Mitte zum Trotz . . . alljährlich hunderttausende von Chinesen durch ihr Opium ihrer Gewinnsucht zum Opfer bringt, ja die mit ihrem ZwangSgist nicht-blos wie andere Massenmörder, die Leiber, sondern fast immer zugleich die Seelen, die ganze geistige und sittliche Kraft ihrer Schlachtopfer hinwürgt".
In Irland häufen sich in neuester Zeit wieder die agrarischen Verbrechen in so bedenklichem Maße, daß es begreiflich erscheint, wenn selbst von der Kanzel herab der Ausschreitung des Uebels entgegenzuarbeiten versucht wird. So ließ unter Anderem der Geistliche Mr. O'Leary von Ballymaeil- ligott bei Trcttee seine Gemeinde während zweier Messen knieend das Gelübde ablegen, ihre Hände nicht mit dem Blute eines ihrer Gemeindemitglieder zu beflecken.
Aus Dublin wird gemeldet: Die „nationalen" Zeitungen schlugen während der verflossenen Woche einen besonders leidenschaftlichen Ton an, insbesondere wegen' der angeblichen Absicht der Regierung, das Parlament einzuberufen, um die Zwangsakte durchzubringen. Die Nation veröffentlicht ein T. D. S. unterzeichnetes Gedicht, welchem dem Parlamentsmitglied T. D. Sullivan zugeschrieben wird; es heißt in demselben:
Nie wieder sei das Land bebaut,
Und wür's auch noch so reich,
Bon dem ein braver Pächter schnöd Verjagt dem Hunde gleich.
Oed soll das Haus und Unkraut nur Auf solchem Acker stehen,
Als lüg ein Fluch auf jenem Ort,
Der solche Schmach gesehen.
So soll es sein; die Hand im Schwur Zum cwgen Himmel weist . . .
Im Namen des Vaters, im Namen des Sohns,
Im Namen vom heiligen Geist.
Rußland.
sEine h un dertfün sundzwanzigjährige
Selbstmörderin.j In Charkow lebte, wie die „Charkower Gouvernementszeitung" schreibt, die unlängst eine hundertfünfundzwanzigjährige Bäuerin, Namens Awdotinschka. Diese interessante Greisin war bis zum letzten Moment frisch und gesund, ging tagtäglich mit einem Korbe auf den Marktplatz, kaufte ein, kochte u. s. w. Nur in den letzten Tagen schlief sie sehr viel, wobei sie einmal erzählte, in der andern Welt gewesen zu sein. Am 19. Sept. fand man die Alte auf den Eisenbahnschienen todt. Ihr Körper war von den Rädern entzweigeschnitten.
Asien.
Nachrichten, die uns heute aus China vorliegen, lauten recht kriegerisch. Der Oberbefehlshaber des russischen Geschwaders im Stillen Ocean, Bice- Admiral Lessovsky, ist in Sbanghai angekommen. Die Chinesen sollen mit Vorbereitungen zur Ver- theidigung beschäftigt sein. Eine Anzahl Truppen ist nach dem Norden verschifft worden. Es macht sich ein lebhafter Begehr nach Waffen und Munition bemerklich, und es verlautet, daß eine Torpedo- Fabrik in Kiangnan errichtet und das Arsenal unter die Leitung von Ausländern gestellt werden soll. Prinz Li hat sich geweigert, nach Pekiny zu gehen und wartet auf den Besuch von Tseng-Ano-Chuen. Die Ereignisse in China treiben unaufhaltsam einem Kriege und Ruhestörungen im Dnnern zu. Es kann darüber länger kein Zweifel herrschen, daß Rußland die thätigsten aggressiven Maßregeln zu ergreifen beabsichtigt, so bald es seine Streitkräfte concentrirt hat, und es wird jede Anstrengung gemacht, um einen entscheidenden Schlag im Oktober zu führen. China ist durchaus unvorbereitet; die Kriegspartei hatte in den Rächen der Nation das vollste liebergewicht, sie hat es aber versäumt, die allergewöhnlichste Vorsicht gegen mögliche und natürliche Eventualitäten zu brauchen. Li Hung Chang, der Vice - Gouverneur von China, hat eine Armee von mehr als 100,000
Mann auf die Beine gebracht; aber die Leute sind erbärmlich bewaffnet, stehen unter schlechten Offizieren und sind noch schlechter einexercirt — mit einem Wort, sie bilden einen ungeheuren Pöbelhaufen. Li durchschaut die Lage und ist in Verzweiflung. Er sieht, wie völlig unvorbereitet die Regierung ist, um einem gut organisirten Jnvasionsplan gegenüberzutreten, und beklagt das Mißlingen seiner Anstrengungen zur Sicherung des Friedens, oder zum wenigsten eine Vertheidigungs-Armee zum Schutze der Hauptstadt zu organisiren. Die auswärtigen Gesandten bereiten sich zur Abreise von Peking vor und werden in Chefoo eine Zuflucht suchen, wo die Geschwader Englands, Frankreichs und Deutschlands versammelt sind.
Türkei.
sEine Ausstellung von Köpfen.j In der Umgegend der Stadt Smyrna hauste schon seit Monaten eine sieben Köpfe starke Räuberbande, welche die größten Greuelthaten verübte und die Straßen unsicher machte. So hatte dieselbe erst neulich einen von ihr gefangen genommenen türkischen Kaufmann, weil dessen Familie das geforderte Lösegeld von 60,000 fl. östreichischer Währung nicht erlegen wollte, unter großen Martern abgeschlachtet. Der neue Gouverneur von Smyrna, Midhat Pascha, schickte nun eine starke Militärabtheilung aus, welche deren Schlupfwinkel bald entdeckte und dieselben, da sie sich nicht ergeben wollten, durch Flintenkugeln niederstreckte. Deren Köpfe wurden eingesalzen und nach Smyrna geschickt, wo man sie für drei Tage öffentlich ausstellte. Nachher wurden die Köpfe, da deren frühere Eigenthümer der griechischen Kirche angehörten, von einem Priester eingesegnet und in einem Grabe beiqesetzt.
Afrika.
Als die Hungersnot!) in Estifa am größten war, bat eine muhamedanische Frau einen Juden, sie in sein Haus aufzunehmen und er that's aus Barmherzigkeit und behielt sie auf ihre Bitte bei sich. Die Fanatiker fanden es aber als unerträglich, daß eine Gläubige in dem Haus eines Juden wohne und verklagten den Juden bei dem Gouverneur in Tanger. Dieser ließ den Juden kommen, ihn sofort zu Tode prügeln und die Leiche an Händen und Füßen an den Boden nageln. Die europäischen Gesandten dringen auf Abberufung des Wütherichs.
Kandel L Gerkeyr
Marbach. Wein ist auch hier sehr wenig in Anssicht, doch scheint der Preis trotz der noch zweifelhalten Qualität ein sehr hoher zu werden, da, wie man hört, für hiesiges Gewächs schon 200 per 3 Hektoliter geboten morden sein soll. —
Cleebronn. Weißer Rißling 67 gemischte Ware 04 ^ll per Hktl. — Markelshcim. Voraussichtlicher Ertrag auf hiesiger Markung gegen 4—500 Eimer. — In Bordachzimmern verspricht die Qualität des Neuen recht gut zu werden, und die Quantität ist dort sehr befriedigend; es gibt manche Weingärtner, die einen reichen Ertrag zu hoffen haben. (Auch die Berichte aus der Pfalz bezeichnen die Qualität des heurigen Mostes als eine vorzügliche.)
Tübingen, 8. Okt. Bei starken Zufuhren an Obst und Kartoffeln entwickelte sich heute auf dem Wochcnmarkt ein lebhafter Verkehr zu steigenden Preisen. Aepfel kosteten per Sack 14—15 ^rl, Birnen 14 50 bis 16 „6, Kartof
feln 5 — 6 Kraut wurde das Hundert verkauft zu 8—9 — In Hopfen fand in letzterer Zeit hier ein starker Umsatz zu 30—40 ^ per Ctr. statt; der letztere Preis ist der häufigste. Der Vorrath an sackbarer Waare ist noch ziemlich groß. -- Auf dem Bahnhof wird der Ctr. Obst zu 8 -L bis 8 „ttl 20 verkauft.
Heilbronn, 7. Okt. sKartofsel- und Obstmarkt.j Preise bei rochen Kartoffeln 2 80 h bis 3 .ich bei gelben
2 -til 20 bis 2 50 beim Obst 7, 8 und 9 pr.
Ztr.; gcür. Obst zn 3 bis 4 pr. Sri. verkauft.
Nürnberg, 7. Okt. (Hopfen.) Die flaue und gedrückte Stimmung, welche seit Beginn dieser Woche herrschte und die Preise täglich abbröckeltc, zeigte sich auch heute. Es notircn: Markthopfen prima 45—50, mittel 30—45, gering 25—30, Badische prima 70—90, secunda 45—70, Württembergs prima 70—100, secunda 40—70, Elsässer prima 60—75, s ecunda 40—60 .tä _ _ ,
— Banting-Kur auf natürlichem Weg. Ein Schweizer Bauer hatte seinen Sohn in der Akdemtenschule zu St. Gallen besucht und sich gegenüber einem St. Galler Herrn unzufrieden über das Befinden seines Sohnes dahin geäußert : „Mein Franzepp hätt im Recrutencurs wenigstens 7 Pfund im G'wicht abg'noh." „Das ist ganz natürlich erwiderte der St. Galler, „denn in der Kaserne müssen sich d'Recrute wüsche!"
Frankfurter Gold-Cours vom 9. Oktober 1880.
20 Frankenstücke . . .16 12—16 ^
Englische Sovereigns.20 „ 29—34 „
Russische Imperiales.16 „ 69—74 „
Dukaten.9 „ 60—65 „
Dollars in Gold.4 „ 21— 24 „
Golbkurs der A. Staatskassen-Verwaltung vom 8. Oktober 1880.
20-Frankenstückc.16 12 -l.