bedeutende. Früher war es Gebrauch, daß sie, wie ihre Kollegen in den übrigen Ministerien, gegen Spätnachmittag die Amtsräume verließen, um für den Rest des Tages nicht dorthin zurückzukehren. Jetzt ist das anders. Mit jedem Postzuge ist eine Sen­dung des neuen Chefs zu erwarten. Jedes Akten­stück von irgend einer Bedeutung läßt er sich vorlegen und schickt es. mit zahlreiches und dringenden Rand­bemerkungen versehen, zurück. In jedem Augenblick kann eine Depesche von ihm einlaufen, worin er aus das schleunigste weiteres Material zur Bearbeitung einer lär Fragen, die er in Angriff genommen hat, Arbeiterversicherung, volkswirthschaftlicher Senat rc. fordert; so kommt es, daß die Beamten sich freuen müssen, wenn sie bis zur Abfahrt des letzten Zuges nach Friedrichsruh, um 11 Uhr Abends, Alles ser- tiggestellt haben. Freunde des Weltfriedens dürfen sich mit Fug und Recht dieser Mittheilungcn freuen, denn jener kann unmöglich bedroht sein, wenn der leitende Staatsmann der ausschlaggebenden Groß­macht in der geschilderten Weise seine ganze Kraft und Arbeit an die Lösung wirthschaftlicher Fragen setzt.

DasBerl. Tagbl." schreibt: Wie uns mit- getheilt wird, hat Hr. v. Puttkamer neuerdings an alle Directoren höherer Schulen ein Rescript erlassen, worin die neue Orthographie auch im amtlichen Ver­kehr mit dem Cultusministerinm ihnen untersagt wird, weil in allen Ressorts der Staatsverwaltung auch in der äußeren Form Einheit walten müsse."

Hamburg, 30. Septbr. Vorgestern Morgen entsandte ein hiesiger Fondsmakler seinen Lehrling mit einer Orientanleihe über 10,000 Rubel zur Wechslerbank. Der junge Mann kehrte aber nicht in das Bureau seines Chefs zurück und hat auch, wie die angestellten Nachforschungen ergeben haben, bei dem erwähnten Bankinstitut seinen Auftrag nicht effektuirt. Man befürchtet deshalb, daß dem Ver­schwundenen ein Unglück zugestoßen ist. Die Eltern desselben, welche sehr wohlhabend sind, haben vor­läufig dein Fondsmakler Ersatz geleistet.

Bisher haben die Photographen sich für berechtigt gehalten, die in ihrem Atelier.gefertigten Bildnisse ohne Zustimmung der Betreffenden durch Anshang in den Schau­kästen oder Schaufenstern dem Publikum oorzulegcn, um sich damit zu empfehlen: Dem ist jetzt ein Ende gemacht, indem das Reichsgericht in Leipzig ausgesprochen hat, daß dies Verfahren einen strafbaren Eingriff m das durch tz. 7 des Reichsgesetzes über Photographien vom tO. Jan.'187V geschützte Recht des Bestellers eines photographischen Bildnisses enthalte.

OesterreichUngar«.

Wien, 6. Okt. Zwischen den Mächten finden zur Zeit lebhafte Verhandlungen statt über die der Pforte in Wort und That zu ertheilende Antwort auf deren letzte Note. Die dadurch entstehende Pause dürfte mehrere Tage dauern.

Prag, 4. Okt. (Kaiserl. Spende.) Der Kaiser hat der evangelischen Filialgemeinde in Ischl 500 Gulden zur Anschaffung von Kirchenglocken ge­spendet und dabei gestattet, daß zwei dieser Glocken nach seinem und weiland Kaiser Josephs II. Namen benannt werden.

Wie dem Berl. Tagebl. heute aus Wien tele- graphirt wird, veröffentlicht die Bohemia ein Tel. aus London, welches besagt, daß die englische Re­gierung, falls die neuen türkischen Propositionen un­annehmbar wären, Vorschlägen will, ein Kollektiv- Ultimatum an die Pforte zu richten. Der Inhalt desselben soll die Aufforderung an die Pforte sein, die Lösung der montenegrischen, griechischen und arme­nischen Frage ohne Aufschub zu vollziehen, es würde sonst eine Flottensendung in das ägäische Meer und dessen benachbarte Gewässer (also Dardanellen und Bosporus) erfolgen.

Wien, 2. Okt. Gestern Vormittag spielte das jüngste fünsjährige Töchterlein des griechischen Königs mit den Ge­schwistern in dem zur Hofbürg gehörenden Kaisergarten. Nach einiger Zeit wurde zum Schrecken des Aufsichtspersonales die kleine Prinzessin »ermißt. Nach langem Hin- und Herrennen und Suchen gewahrte mau die Prinzessin auf dem Wipfel eines Baumes, von dem sie erst, nachdem ihr diesüßosten" Versprechungen gemacht worden waren, heruntergelockt wer­den konnte.

Ueber den neulich erwähnten Versuch, massen­hafte sozialistische Schriften in Oesterreich einzu­schmuggeln, verlautet jetzt Näheres. In Bambus­stöcken, die ausgehöhlt waren, befanden sich die Schrif­ten, die aus England kamen und in Oesterreich hätten verbreitet werden sollen. 3 Adressaten der Bambus- rohrsendimgen wurden neuerdings verhaftet.

Die Mißernte in Südthrol hat mehrere Bv- zener und Ucberctschner Weinhändler veranlaßt, Trauben aus Neapel zu beziehen. Da entdeckten die Fimmzbeamtsn, daß für dieselben der Einfuhrzoll

wie für Wein zu bezahlen sei. Da dies nicht geschah, wurden die Trauben in Ala angehalten und dürften sich noch dort befinden. Man spricht von .1500 Waggons voll Trauben und von ein« Zollforderung, die das nette Sümmchen von 180 000 fl. ausmacht. In den betheiligten Kreisen herrscht die größte Auf­regung. (Mit dem befürchteten Zoll von 12 Pr. Ctr. für nach Deutschland eingeführte Trauben ist es vorläufig nichts. Der ganze Schrecken kam von einer einseitigen Auslegung des Zollgesetzes durch eine bayerische Zollbehörde her.)

Frankreich.

Paris, 5. Okt. DemNational" zufolge hat die Regierung in dem heutigen Ministerrathe be­schlossen, die Schmutzpresse, welche immer bedenk­licher um sich greift und, wie man beobachten mußte, in den Umgebungen der Gymnasien und Lyceen be­sonders starken Absatz findet, mit dem größten Nach­druck zu bekämpfen und die geeigneten Weisungen zu diesem Behuf an die Staatsanwaltschaften zu er­lassen.

Paris, 6. Okt. Nachrichten aus London zu­folge wird die türkische Note als unannehmbar be­trachtet. Alle Mächte sollen die Aufrechterhaltung des europäischen Concertes wünschen und Vorschläge Englands erwarten. Man glaube, die Blokirung tür­kischer Häfen werde vorgeschlagen werden.

Paris. Laut gestern sind die Trommler aus dem französischen Heere entfernt worden. Das­selbe erlangt dadurch 8000 Kombattanten mehr.

Die aus Frankreich ausgewiesencn Jesuiten su­chen, einem Erlaß des italienischen Justizministers zufolge, ihre Ordenshäuser in Jtalin wieder herzu­stellen.

Frankreich hat seine Zuckersteuer von 69 auf 63 Franks für 100 Kg. ermäßigt. Das macht fürs Jahr 82 Millionen Franks aus, die in den Taschen der Franzosen bleiben.

Vieles geben uns die jüngsten Pariser Ereig­nisse zu denken. Es hatte dortselbst die Regierung einzelnen Personen untersagt, eine öffentliche Demon­stration zu Gunsten des Friedens und der Fern­haltung von den orientalischen Angelegenheiten ab­zuhalten. Hierüber ist es nun zu ernstlichen Un­ruhen gekommen. Bisher hielt man im Allgemeinen die Pariser Bevölkerung für überaus kriegslustigen Sinnes nach den neueren Erfahrungen scheint es wenigstens mit einem Theil derselben nicht so schlimm bestellt zu sein. Viel darf man aber überhaupt nicht auf die Pariser Stimmung geben.

Italien.

Die italienische Regierung hatte der demon­strativen Reise des Generals Garibaldi nach Genua mit Besorgniß entgegengesehen und Vorsichtsmaß­regeln gegen etwaige Ruhestörungen in Genua durch Verstärkung der Garnison getroffen. Indessen ist, wie aus Genua gemeldet worden, die Ankunft des Helden von Caprera erfolgt, ohne daß öffentliche Kundgebungen gegen die Regierung erfolgt sind. Wie man aus Rom berichtet, wird nunmehr die Regierung, die wegen des vorjährigen März-Auf- standes Verurtheilten, wozu auch Canzio, zu dessen Befreiung der Zug Garibaldi's nach Genua unter­nommen wurde, gehört, amnestiren; eine Maßregel, die der Regierung jedenfalls manche Unannehmlich­keiten ersparen dürfte.

Holland.

Rotterdam. Zu der Entführung und Ermor­dung eines Knaben im Haag liegen jetzt folgende Nach­richten vor: Wie bekannt, hat der Knabenräuber, bevor er das Kind ermordete, einen Brief an dessen Ellern gerichtet, in wel­chem er ihnen mittheilte, daß er das Kind umbringen würde, wenn ihm nicht bis zum 24. Septbr. aus eine in dem Briese besiimmt vorgeschriebene Art 75,000 fl. zugestcllt würden. DasRotterdamsch Nienwsblad" veröffentlicht in einer beson­deren Beilage eine zinkographische Nachbildung dieses Briefes, um die Habhastwerdung des Mörders zu erleichtern. Der Brief zeigt eine feste und klare Handschrist.Ich muß" - schreibt darin u. A. der Mördermeine Sachen retten. Gutwillig würdet Ihr mir doch nicht genug Geld dazu geben, darum mache ich es so, wobei ich mich gleichzeitig an der Mutter, welche ich hasse, in ihrem Sohne rächen kann." An einer andern Stelle des Briefes erklärt der Mörder, daß er kein kaltes holländisches Blut in den Adern habe." Beide Wendungen legen fast den Gedanken nahe, daß der Uebel- thätcr bei seinem Verbrechen nicht nur von Geldgier, sondern auch von persönlicher Rache getrieben wurde. Bis jetzt ist noch keine Spur von ihm entdeckt, obgleich derselbe die Frechheit gehabt haben soll, einem auderen holländischen Blatte noch eine Postkarte zu schicken, in welcher er weitere Frevclthaten an­kündigt. DemBerl. Tagbl." wird aus dem Haag mitgetheilt, daß der Vater des ermordeten Knaben, ein Herr Theophil Bogaardt, ein sehr reicher Manu, bereits 10,000 fl. für die ! Habhastwerdung des Mörders ausgesetzt hat.

Spaniev.

Auch in Spanien soll die allgemeine Wehr­pflicht eingeführt werden. Bei einem unter dem Vorsitze des Königs abgehaltenen Ministerrath hat der Kriegsminister solche für jeden spanischen Unter- than befürwortet. In den baskischen Provinzen werden die Geistlichen bezüglich ihrer Predigten überwacht, die zu Haß und Verachtung gegen die bestehenden Institutionen aufforderten.

England.

London, 4. Okt. Ein schreckliches Ung l'ü ck ereignete sich gestern zu Manchester in der römisch-katholischen Kirche deS heiligen Aloysius. Während die aus 4500 Personen bestehende Gemeinde den oberen Raum des Gebäudes verließ, war so eben die dritte Messe beendigt worden, brach einer der Querbalken, die von einer Mauer zur ander» reichen, zusam­men und 80 bis 100 Personen stürzten in das Schulzimmer, eine Höhe von nahezu 20 Fuß. Eine Frau blieb auf der Stelle todt und 20 andere Personen, von denen 56 Bein­brüche erlitten hatten, mußten nach dem Hospital geschafft werden.

Den Engländern wird von manchen Seiten der Plan zugetraut, den Herzog von Edinburg, welcher bekanntlich eine russische Prinzessin zur Frau hat, auf den Thron eines in Constantinopel neu zu gründenden Reiches zu erheben. Diese Zukunfts­musik dürste aber wohl keine große Zukunft, oder noch richtiger, wohl gar keine Zukunft haben.

Afrika.

In Südafrika zeigen die Basutos sich fast su widerspenstig, wie vormals die Zulus und es sind schon wieder 3000 Mann zu ihrer Niederwerfung unterwegs. Afghanistan wird mit auffallender Schnelligkeit von den britischen Truppen geräumt und nur in der Nähe von Candahar verbleibt eine größere Besatzung.

Kandel L Werkehr.

Wir brachten gestern eine demSt.-A." entnommene Notiz, nach welchervon jetzt ab für die mit den« Poststempel zu 5 und 10 bedruckten Briefumschläge (Couverts) ausser dem Wertkbetrage des Stempels eine den Herstellungskosten entsprechende Entschädigung von einem Pfennig für jeden Um­schlag erhoben wird." Unter dem Hinweis darauf, daß diese Einrichtung bei der Reichspost schon längere Zeit besteht, und daß in Württemberg die gestempelten Streifbänder bisher auch chon mit 33 4 per 10 Stück kt 3 ^ bezahlt werde» mußten, gibt dieDeutsche Reichs-Post" eine kurze Berechnung darüber, was diese neue postalische Maßregel der Staatskasse jährlich einträgt, nämlich das nette Sümmchen von mindestens 100,000 Mark. Nach dem imStaatsanzeigcr" vom 12. Jnni d. I. veröffentlichten Bericht des Staatsministers des Auswärtigen und der Berkehrsanstalten an den König über das Rechnungs­jahr vom 1. Juli 1878 bis 31, März 1879 (»jz Jahre) wur­den verkauft 2,880,492 Stück gestempelte Briefumschläge ä 5 4 und 5,397,051 Stück zu 10 zusammen 8,277,543 Stück; das fehlende Vierteljahr dazu geschlagen, ergibt einen Verkauf von über 12 Millionen Briefumschläge. 12 Millionen Pfen­nig aber sind 120,000 jährlich. Wenn nun auch der Ver­brauch der gestempelten Briefumschläge um 20 »j, abnehme u ollte, so hat doch dafür die Postverwcätung weniger Auslage n ür deren Herstellung und der Staatskasse verbleiben immer noch jährlich über 100,000

Stnttgart. Ans dem heutigen Wochenmarkt war we­nig Leben: die Preise hielten sich ziemlich hoch. So waren halbwegs schöne Trauben unter 30 4 nicht zu haben. Ita­lienische kosteten 45 bis 50 300 Säcke Mostvbst L 9

bis 9 30 per Ctr., alles abgesetzt.

Stuttgart, 5. Oktober. (Kartoffel- Obst- und Krautmarkt.) Leonhardsplatz: 300 Säcke Kartoffeln ä 3.

20 bis 3 M 50 pr. Ztr. Alles verkauft. - - Wilhelms- plaz: 1000 Säcke Mostobst L 8 «Hl bis 9 «4L -j pr. Ztr. Ver­kauf zieml. lcbbaft. Marktplaz: 8000 Stück Filderkryut s. 6 «6 bis 9 «4L pr. 100 Stück.

Aidtlingen, 5. Okt. DerHopfenhandelhat Heuer hier einen solch raschen Verlauf genommen, daß in wenigen Tagen 8 -900 Ztr, zu Preisen von 6080 «4L verkauft wor­den sind. Gestern wurden allein über 400 Ztr. von nur 2S Händlern und dem hiesigen Brauercibefitzer aufgckaust. Vorrath noch ca. 300 Ztr.

Rohracker, 4. Oktbr. Heute wurde hier der erste Frühwein zu 200 «4L per 3 Hl. verkauft. Gewicht nach OcchSle 80 Grad.

Heilbronn, 5. Okt. (Ledermarkt.) Die für die­sen Markt starken Zufuhren finden raschen Absatz. Eine Preis- bcsserung ist nur für Sohlleder zu verzeichnen.

Neueste».

Wien, 7. Oktbr. Ich erfahre von bestinfor- mirter Seite, daß die Aussichten auf Verständigung zwischen den Großmächten über Maßnahmen gegen die Pforte neuestens recht gut sind. Die Verstän­digung dürfte auf der Grundlage erfolgen, daß Europa einen wichtigen Punkt des Pfortenreiches beschlagnahme, um solchergestalt den Sultan zur Nachgiebigkeit zu zwingen. Die Hoffnung auf Er­haltung des europäischen Cone^rts wird heute com- petenten Orts lebhaft betont. (Fr. I.)

Auflösung des Silben-Räthsels in Nro. 120:

N othstan d."