Spaichingen, 29. Septbr. Dem Vernehmen desHeub. B." nach entgleiste der Zürich- Stuttgarter Schnellzug heute Vormittag auf der Haltstelle Herblingen zwischen Schaffhausen und Singen. Die Maschine entgleiste nach rechts und stürzte um, die nachfolgenden Wagen gingen nach links aus den Schienen, stürzten jedoch nicht um. Der Lokomotivführer erlitt einen Beinbruch und zwei Rippenbrüche, der Zngmeister wurde ebenfalls verwundet, die Reisenden kamen mit dem Schrecken davon und hatten nur den Nachtheil der Anschluß- Verspütung. Der Grund der Entgleisung ist noch nicht bekannt.

Heidelberg. (Warnung vor Wechseln.) Das Heidelberger AintsblaN", welches theoretisch die allgemeine Wechselsähigkeit verlheidigt, findet sich bemüßigt, trotz alledem folgende Winke für die Praxis ,;n geben: Bauers­leute, Handwerker, Arbeiter, unterschreibt nie einen Wechsel! Warum nicht? l) Ihr könnt Eure einmal gegebene Unterschrift nicht wieder zurücknehmen, so gerne ibr es auch thälet. 2) Der Wechsel muß am Verfalltage ohne Weigerung bczablt werden, und zwar an den, welcher denselben in Händen hak. Dieser hat gar nicht zu fragen, ob ihr die Schuld habt oder nicht. 3) Seid ibr nicht un Stande zu bezahlen, so folgt sofort der Protest, Wechselklagc und Beilreibung, alles mit vielen Kosten verbunden. In wenigen Tagen habt ihr den Gerichtsvollzieher im Hause, und was das zu bedenlen hat, braucht wohl nicht erklärt zu werden. 4) Einreden können Euch vor dem Bezah­len gar nicht retten. Es kann auch nichts Helsen, daß ihr sagtf ihr wäret gar nichts oder ihr wäret nicht so viel schul­dig, auch nicht einmal, daß ihr lagt, ihr hättet nicht so viel unterschrieben. Ihr habt Euren Namen unter den Wechsel geschrieben und müßt zahlen, so viel daraus steht. Und wenn euch auch verjpro den wäre, der Wechsel sollte nicht in Umlauf gesetzt oder er soll am Verfalltag prolognirt werden, so nützt es euch nichts, aus dieses Versprechen euch zu berufen. 5) Wenn ihr eine Schuld habt, versuchet alles Mögliche, sie zu tilgen: verkaufet oder entzieht euch lieber etwas, sollte es euch auch bart ankommen aber unterschreibt keinen Wechsel da­für. Ihr übergebt euch in den meisten Fällen einem wild­fremden Menschen auf Gnade oder Ungnade, v) Sprecht euch über eure Lage aus und sragt ehrliche Leute um Rath: Schulden schänden nicht, wenn sie nicht auf schlechte Weise ge­macht sind. Wenn der Wechseleigenthümer auch Wort hält und nicht über eure Geldverlegenheit spricht, am Ende, wenn euch Haus und Hof verkauft wird, wird eure Lage doch aller Welt offenbar. 7) Bei allem was ibr thut, bedenket das Ende. Mein seliger Großvater war ein kluger Mann und golden war der Rath, den er immer wiederholte:Thu', was du willst, aber keinen Wechsel unterschreibe." 8) Schneid dir diese War­nung aus dem Blatt heraus, klebe sie an der Innenseite deiner Schlafkammcrthüre und lies sie wenigstens alle Sonntage ein­mal ankmerkiam durch. Du und die Deinen fahren wohl dabei.

Frankfurt, 30. Septbr. Gestern Abend geriethen zwei Männer, welche in einem Keller in der alten Rothhofsiraße Aepfelwein in Schläuche füllten, durch die sich entwickelnden Gase in große Lebensgefahr. Sie wurden bewußtlos, der eine stürzte sogar voni Faß herab und streifte dabei einen Spunden, wodurch der Aepfelwein auslief. Einige beherzte Männer drangen in die gefährli­chen Räume ein und waren so glücklich, allerdings mit der größten Anstrengung, die Beiden herauszu­schaffen. lieber eine Stunde dauerte es, bis sie wieder zu sich kamen.

AusSachscn, 25. Sc'pt. Zwei merkwürdige Erkennt­nisse sind in dieser Woche gefällt worden. Das Schwurgericht Bautzen verurtheiltc eine Dieustmagd, die ihre ersten drei un­ehelichen Kinder jedes ungefähr ein Vierteljahr nach der Ge­burt erwürgt oder vergiftet hatte und beim Versuche, das vierte zu tödten, entdeckt worden war, wegen Mords zum Tode und außerdem wegen versuchten Mords zu bjähriger Zuchthausstrafe und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht. Wenige Tage später belegte das Schwurgericht Dresden einen Hand­arbeiter, der in grauenhaft bestialischer Weise ein 4jähriges Kind gcmißbraucht hatte, wegen Rothzucht mit tödtiichem Er­folge zu lebcnswieriger Zuchthausstrafe und außerdem wegen Diebstahls noch zu 1 Jahr Zuchthaus.

Verwundertes Kopfschütteln erregt ein Wahr­spruch der Geschworenen in Gera. Der Handels­mann Friedrich aus Weimar war der Körperver­letzung mit nachfolgendem Tode angeklagt. Er war mit seinem erwachsenen Sohne Carl im Stall in Streit gerathen und stand schon länger nicht auf gutem Fuß mit ihm. Als er ein Pferdekummet aufhing, stieß er den Sohn damit vor die Brust, der Sohn packt ihn, wirft ihn über ein Gatter in den Gänsestall und drückt ihn noch zweimal nieder. Da zieht der Vater es ist dunkel im Stall sein Messer und floßt nach dem Sohn. Es wird still und bald darauf finden Mutter und Schwestern den jungen Mann todt in seinem Blute liegen: er war mitten ins Herz getroffen. Die Geschworenen ver­neinten die Frage der vorsätzlichen Körperverletzung und sprachen den Angeklagten frei.

Mainz. Am Samstag nach 10 Uhr ging der Packet- postträger B. von Kastel mit einem Beutel voll Postpacketcn von der Post nach dem Bahnhof der nassauischen Staatsbahn. Sein Weg führte durch die Mainzer Straße. Als der Beamte

an dem Hause des Kolonialwaareuhandlers N. vorüber kam, wurde ihm aus dem parterre gelegenen Fenster dieses Hauses plötzlich eine stark ätzende Flüssigkeit in das Gesicht und über den Körper gegossen. B. ließ den Postbeutcl, in welchem sich 12,000 ÜL an baarcm Gelbe befanden, zur Erde fallen und schrie vor Schmerz laut aus. Man hatte ihm Vitriolöl in das Gesicht und über die Kleider gegossen. Die Brandwunden, die der Unglückliche davongetragen, sind zum Glück nicht bedeutend, doch sind sowohl seine Kleider als auch der Postbeutel fast voll­ständig von dem Vitriol vernichtet worden. Das Verbrechen ist von der Tochter des Kolviiialwaarenhaudlers N. verübt worden, lieber die Motive dieser Uuihat verlaute» verschiedene Gerüchte, die übrigens alle dahin gehen, daß der Postbote um ein zartes Verhältniß, in welches das Mädchen verflochten war, gewußt, und daß derselbe sich darüber verschiedene Male ge­äußert habe. Schon vor einem Jahre soll das Mädchen dem Beamten deßhalb gedroht haben.

Wie viel Schmerzen stillt das Chloroform bei schweren Krankheiten und bei schweren Operationen. Es macht die Kranke» unempfindlich, ist aber unbedenklich, weil es die Thä- tigkeit des Herzens und der Lungen herabmindert und die Ge­fahr einer Herz- oder Luugenlähmuug mit sich führt. Diese Gefahr fällt weg bei Anwendung zweier anderer, dem Chloro­form ähnlicher Stoffe, des Methiichiorvsorm und des Monochloranthyleuchlorid, die ebenfalls schmerzlos machen. Dr. Tauber in Jena hat über diese beide» neuen Mittel Vorträge und Experimente in der Naturfvrschcrversamm- luug in Danzig gehalten und sie an sich selbst erprobt. Ver­suche an Fröschen mit dem ersten Mittel führten bei 5 Tro­pfen vollständige^Schmcrzlvsigkeit für 12-15 Minuten herbei, bei 10 Tropfen für 45 Minuten. Bei Kaninchen 20 Tropfen für 1-4 Minuten: bei Hunden 40 Tropfen für 17 Minuten. Als Tauber in der Langenbeck'schen Anstalt sich selber narkoti­schen (betäuben, tieß, wurde er 5pz10 Minuten vollständig schmerzlos, er spürte weder tiefe Nadelstiche noch das Ansrei­ßen von Haaren: die Athmung war so ruhig, der Puls 48 Schläge. Bei dem zweiten Mittet (s. o.) war die Wirkung noch rascher und erfolgreicher, selbst bei geringen Gaben.

Berlin, 29. Septbr. Heute Mittag hierher gelangte Telegramme melden die glückliche Rückkehr des Prinzen Heinrich von seiner Reise um die Welt und die Begrüßung des Prinzen durch die kronprinzliche Familie. Der junge prinzliche See­mann hat sich aus seiner Welttour außerordentlich gekrüftigt: mir guten Erfahrungen und Kenntnissen dcreicherr, steh: er hinter einem Erlebnis;, das von unverlierbarem Werth für ihn ist. Was derPrinz Adalbert" der Wissenschaft mitgebracht hat, werde« wir aus einem Werke erfahren, dessen Abfassung unverzüglich in Angriff genommen werden wird. Man sagt, die Ausbeute für die Botanik, die Zoolo­gie, die Nautik und die Mechanik sei eine hocher­freuliche. Der Prinz selbst hat ein Tagebuch ge­führt, dessen Inhalt zunächst den Eltern gehört, für die das Tagebuch geschrieben wurde.

Berlin, 1. Oct. DemTageblatt" zufolge verlautet, daß Bismarck die geplante Arbeiteroersi- cherung durchaus unter Garantie und Aussicht des Reiches stellen und jede Privatoersicherung aus- schtießen will. Geheimrarh Tiedemann ist zu legis­latorischer Borarbeit auserseyen. Die neue In­struction des französischen Admirals in Ragusa geht dahin, im Einvernehmen mir den Mächten zu blei­ben. DerNat.-Ztg." zufolge hätte der König von Sachsen von Anfang an die.Einladung des Kaisers zum Dombaufest acceptirt. Zu hoffen sei, daß die Mehrzahl der deutschen Souveräne den Kaiser in Köln umgeben wird.

Berlin, 2. Oktbr. Der Bundesrath ist zum 20. Okt. einberufen.

Berlin. Mit Bezug auf die kommende Reichs­tagssession schreibt man derFr. Ztg.": Mit aller Entschiedenheit besteht der Reichskanzler da­rauf, daß der Reichstag zu einem definitiven Votum über die Steuervorlagen kommt, und er wird unter keinen Umständen es zulasten, daß man denselben etwa in der Commission ein Begräbniß bereitet. Fürst Bismarck ist auch entschlossen, diejenigen Con- sequenzen zu ziehen, welche eine abermalige Ablehnung der Steuerprojekte durch den Reichstag herbeiführen würden. Es soll dem Reichstage ein Promemoria über die Steuerreform zugehen mit einem vollstän­dig ausgearbeiteten Programm und es ist eine mög­lichst frühe Einberufung des Reichstags beabsichtigt, um eventuell dem Landtage in seiner Nachsession die nöthige Zeit für die Reform der Staatssteuer zu lassen. Die Regierung legt den allergrößten Werth darauf, daß noch vor den Neuwahlen zum Reichs­tage in der Stenerfrage dem Lande Klarheit ver­schafft werde, und sie wird alle Hebel in Bewegung setzen, um im Reichstage auch unter mancherlei Con- cessionen politischer Natur eine Majorität für ihre neuen Projekte sich zu gewinnen.

Der Voss. Ztg. wird geschrieben: Dem Bun- desrathe wird, wie man hört, bestimmt die Gelegen­heit geboten werden, den Antrag auf Ermäßigung

der Gerichtskosten zu erörtern und darüber Be­schluß zu fassen. Auch soll es keineswegs richtig sein, daß die preußische Staatsregierung sich einem solchen Anträge widersetzen werde. Jndeß ist es selbstver­ständlich, daß verschiedene Finanzminister diese Ein­nahmequelle nicht gerade gern entbehren möchten.

Die Germ, kommt in einem Artikel über das Kölner Dombaufest und die Katholiken zu dem Schlüsse: Wir zweifeln nicht, daß viel Volks von nah und fern an dem Kölner Feste theilnehmen, auch nicht, daß reiches Festgeprünge und lauter Ju­bel die Stadt erfüllen wird, aber das alles kann und darf die Katholiken nicht hindern, eine würdige Zurückhaltung gegenüber den Festlichkeiten zu be­wahren und den Jubel denen zu überlassen, die ohne den Erzbischof die Vollendung seiner Kathe­drale begehen zu können meinen.

In Preußen will man den Fieberheilbaum in die Volksschulen verpflanzen, in jede Schule ein paar Stück. Dieser Baum, auch blauer Gummi­baum, (suvalvptus Aloknlus genannt) soll ein Zer­störer der Fieberpilze und vielleicht auch der Diphte- ritispilze sein. Sicher ist, daß solche Gegenden, in welchen das Wechselfieber heimisch ist, durch An­pflanzung der betr. Bäume fieberfrei werden.

DieVoss. Ztg." meldet, daß eine gründliche Revision des Reichs-Strafgesetzbuches wegen seiner milden Bestimmungen geplant sei. Den Zeit­punkt für diese allgemeine Revision erachten nun mehrere Bundesregierungen, die preußische Regierung obenan, für gekommen.

Großes Aufsehen macht dieNordd. Allgem. Ztg." in Berlin mit einem Artikel, der folgendes fordert: 1) Prügelstrafe für Brutalitäts- und Unsitt- lichkcits-Vergehen stmd Verbrechen, 2) Ausschließung der Trunkenheit als Milderungsgrund für Verbrechen, 3) energisches Einschreiten gegen die Presse und namentlich gegen die Witzblätter wegen völliger Untergrabung jeder Autorität in Staat und Ge­meinde. Die betr. Zeitung steht bekanntlich in dem Rufe, daß Bismarck mitunter in sie hineinhancht.

Das Verbleiben Saint-Valliers auf dem Berliner Botschafterposten ist auf besonderen Wunsch des jetzigen französischen Ministers des Auswärtigen gesichert. Der Botschafter geht zur Begrüßung des Kaisers nach Baden-Baden und trifft Mitte Oktober wieder in Berlin ein.

Abg. Windthorst hat in Münster erklärt, daß das Centrum nach wie vor seine alte Taktik be­wahren und den Kampf auskämpfen wird. Windt­horst sagte, der Weg resp. die Mittel müssen sich richten nach der Kampfesweise des Gegners. Wir sind über dieselbe stets genau unterrichtet. Wir sitzen ihm aus den Fersen, vor jedem Ueberfall sind wir gesichert; im feindlichen Lager werden allerlei Exer- citien gemacht; die Bataillone trennen sich aber. O b auch manche aus der liberalen Fraktion austreten, sie sind doch in gleichem Maße durch Kompromisse kom- promittirt. Wir sehen das alles ruhig und kaltblü­tig an, wir ziehen uns in unseren Thurm zurück und machen zu gegebener Zeit unsere Ausfälle. Auch in der folgenden Session erwartet uns eine schwere Ar­beit. Man hat versucht, uns zu spalten und uns von unfern Wählern zu trennen, aber dieser Versuch ist kläglich gescheitert. Je nach den Bewegungen des Feindes werden wir Vorrücken und wir haben schon ein gutes Stück Weges zurückgelegt. So werden wir weiter arbeiten mit dem Bewußtsein, daß wir unserer Hintermänner sicher sind. Die Basis, auf der wir weiterbauen, ist die Zustimmung aller katholischen Herzen. Alle Welt soll es wissen, daß unter uns keine Spaltung besteht.

DasWiener Tagelbatt" meldet:Fürst Bis­marck soll der österreichisch-ungarischen Regierung, wie jetzt bekannt wird, thatsächlich einen Handels­vertrag von weitgehendster Bedeutung vorgeschlagen haben. Derselbe soll bei den diesseitigen Regie­rungen eine gute Aufnahme mit Rücksicht darauf gefunden haben, daß die längste Zollgrenze, welche beide Länder haben, eine gemeinschaftliche ist und daß die Produktion beider Länder auf landwirth- schaftlichem und gewerblichem Gebiete sich vielfach ergänzt. In letzterer Beziehung wird wohl Ge­wicht darauf gelegt, daß die deutsche Ausfuhr nach Oesterreich von 1864 bis 1875 fast auf das Drei­fache gestiegen ist. Von in der Regel gut unterrich­teter Seite wird sogar versichert, daß die. österrei­chisch-ungarische Regierung der Idee einer Zollver­einigung beider Staaten Sympathie entgegenbringe