Gambetta. Wer ein großes Geheimniß trägt, darf es nicht auf seiner Zunge tragen und nicht so viel sprechen.

Die Rede Gambettas in Cherbourg, die wir erwähnt haben, hat einen ersten Theil gehabt, der sehr merkwürdig ist. Der Mann versteht's, von sich reden zu machen in der Welt; denn er redet selbst. Man höre! Auf die Toaste, die der Präfect und die Vertreter der Stadt auf ihn ausbrachten, antwortete er: Ich bin gerührt von ihren Worten, ich kann aber nicht ganz znstimmen. Sie bezeugen mir Ihre Be­wunderung und Ihr Vertrauen; ich weise die erstere zurück, sie gebührt nur den Todten; ich bitte aber um Ihre Zuneigung und Ihr Vertrauen. Ich bedarf des­sen in dieser Zeit. Ich vergaß nie, wer ich bin, wo­her ich komme und wohin ich gehe. Ich ging aus dem untersten demokratischen Kreise, aus dem Arbei­terstande', hervor und gehöre demselben gänzlich an. (Stürm. Beifall.) Die Zeitumstände machen diese Erklärung nöthig. Weder zur Zeit des Unglücks, noch jetzt strebe ich nach der Diktatur. Nur Diener der Demokratie, ihr in meiner Stellung dienen das wollte ich vor 10 Jahren und dazu kam ich hieher. Ich versuchte (1870) die Kräfte des Vaterlandes zur höchsten Anstrengung anzuspornen, aber das Glück wendete uns den Rücken. Seitdem entschlüpfte uns kein Wort des Uebermuthes oder der Verwegenheit.

Er schloß seine Rede mit den (schon berichteten) Worten: Wir wollen, daß Frankreich unverringert behalte, was ihm blieb, damit wir erfahren können, ob hienieden noch eine Gerechtigkeit walte, die ihrer- zeit zur Geltung gelangen.

In Saarlouis ist durch Feuerwerk, welches von Unberufenen auf dem Kirchthume abgebrannt wurde, der obere hölzerne Theil desselben in Brand gcrathen. An ein Löschen war nicht zu denken. Er brannte total nieder. Die herabsallenden Glocken durchschlugen das Kirchengewölbe. Auch der schiefer- gedeckte Dachstuhl geriet!) in Brand, so daß selbst aus dem Innern der Kirche nur wenig gerettet werden konnte. Orgel und Orgelchor sind zerstört, die Betstühle haben namentlich durch Wasser gelitten. Ein neben der Kirche stehendes Haus wurde im Dachwerk durch den herabstürzenden Thurm beschädigt.

Für eine neue Restauration empfiehlt der PariserFigaro" die Firma:Zum Or. Tauner."

Rußland.

Thut man einmal einen tiefen Blick in die communale Verwaltung unseres Landes, so kommt man zu der Ueberzeugung, daß es gar traurig um uns bestellt sei. Die Fälle von Unterschlagungen, Betrug und Diebstahl in städtischen Kassen sind im ganzen Reiche an der Tagesordnung. Der Schlend­rian ist aber auch ein außerordentlich großer. In Opotschka ist die landständische Kasse geleert und man weiß nicht durch wen und hat daher auch keinen Schuldigen. In der Stadt Rjasan, in Orel, in Litin und anderswo werden über die städtischen Summen Abrechnungen gar nicht gegeben, oft nicht einmal gefordert eine Thatsache, die erweislich nicht blos in den genannten, sondern auch noch in vielen anderen städtischen Verwaltungen stattfindet. So kommt es denn auch, daß hier die landständische Kasse geleert, dort die städtischen Gelder abhanden gekommen sind. Nicht nur, daß sie unerträglich hohe Steuern zu zahlen haben, es kommt vor, daß sie zum zweiten, oder gar auch, daß sie zum dritten Male ihre Abgaben entrichten müssen, weil die Dorf­ämter alles verwirthschaftet haben.

Eine entsetzliche Scene hat sich in der vergan­genen Woche in einem Petersburger Jrrenhanse abge­spielt. Zwei der dort internirten Kranken hatten -- ein Plan, wie er nur in dem blöden Hirn eines Irren entstehen kann

beschlossen, ein Erdrosselungsexpcrimcnt an sich zu machen, und zwar sollte nach Abmachung der eine Irre dem anderen eine ans dem Bettlaken gedrehte Schlinge um den Hals legen, sie znziehen, genau alle Erscheinungen, die während des To- dcskampfcs sich bemerkbar machen, notiren, die Pulsschläge zählen u. s. w., und hierauf später an sich selbst die Prozedur vollziehen. Gesagt, gethan. Die Schlinge wird dem Einen nur den Hals gelegt, zugezogen, und nun macht der Beobachter kaltblütig seine Notizen über den Pulsschlag, die Nervener­schütterungen, Gcsichtsverzerrungen u. s. w., so lange, bis das letzte Zucken vorüber ist; dann begibt er sich, da ihm diese Todcsart doch nicht ganz convenirt, zum Inspektor und rap- portirt:Es ist gelungen, er ist todt."Wer?" fragt der Inspektor.Mein Versuch ist gelungen; ich habe meinen Kameraden erdrosselt, mich selbst aber besonnen. Bitte daher der Polizei darüber Anzeige zu machen, daß ich einen Men­schen getödtet habe." Die Bestürzung des Jnspekwrs, nachdem er sich von der Wahrheit der Aussage überzeugt hatte, kann man sich leicht vorstellen.

Amerika.

Interessant ist mit diesem Berichte in voriger Nummer

über vr. Tauner zusammcngcbalten der Brief einer amen- konischen Dame, welche selbst Doktor der Medizin ist, des Fräuleins Ethel Walter. Derselbe lautet:Alles Humbug! Nichts als amerikanischer Humbug! Der ehrenwerthe Doktor hat ganz einfach die Wand am Kopfende seines Bettgestelles durchbohrt, ebenso den korrespondirenden Fußboden, aus wel­chem das Bett fixirt ist; denken Sie sich noch eine Kautschuk­röhre, welche mit dem unterhalb kommunizirenden Zimmer in Verbindung steht, die obere Mündung dieser Röhre in der Höhe des Kopfkissens, dann haben Sie die ganze Mystifikation schon erratheli. Nehmen Sie noch weiter an, daß in der unteren Etage eine sehr liebenswürdige junge Dame wohnt, die es vorzüglich versteht, Kraftbrühen, Schleimsuppen, Creme und Extrakte zu bereiten, auch solche, welche ganz wie Galle aus- sehen, aber wie Sorbet schmecken. Wer an australisches Roast­beef, edle Seefische und lucullische Mahlzeiten gewöhnt ist, kann es bei Turtle-Brühe und ähnlichen Variationen, deren Servirung durch im Voraus verabredete Zeichensprache in mehr oder weniger unbewachten Augenblicken erfolgt, aller­dings nicht lange aushalten, ohne zuweilen von Erbrechen heimgesucht zn werden. Alle anderen unkontrolirbaren Symp­tome sind mehr oder minder simulirt, um die Comödie desto drastischer all oeuio8 zu demonstriren. Eine klciue, leicht zu verbergende Kautsch ulspitze wird an das obere Orifizium des Kanalcs eingesügt und dann kann man sangen nach Herzens­lust. Lassen Sie übrigens selbst nicht bestochene Wächter mit Argusaugen aufpassen, Sie werden nicht verhindern können, daß sie zur Nachtzeit in ihrem Eifer erlahmen, und es wird sich innerhalb 24 Stunden immerhin ein Moment finden, wo man seinen Kopf in der Nähe des Bettstollens in das Kopf­kissen kehrt, um die unten bereitstehende Schale sich zu Gc- müthc zu führen. Wenn es auch in den hier maßgebenden Kreisen ein offenes Geheimniß ist, so bleibt doch die Presse solchem Gebühren gegenüber gleichgültig, weil solche Reklamen- macherci, wenn sie auch noch so geschickt ist und noch so viel Staub auswirbelt, doch sür amerikanische Verhältnisse zu un­schuldig, weil zu alltäglich ist.

Kandel L Verkehr.

(Zur Beschränkung der Wechselfähigkeit.) Die HeilbronnerN.-Ztg." schreibt: Die vom Reichstag dem Reichskanzler zur Erwägung anheim gegebene Frage,inwie­weit es geboten erscheine, die allgemeine Wechsclfähigkeit ein­zuschränken, namentlich durch Anlage von Registern dafür zu sorgen, daß nur die in denselben eingetragenen Personen nach Erfüllung bestimmter, in dem Gesetze näher festzusetzender Be­dingungen die Wechsclfähigkeit erlangen", ist von der württ. Regierung auch den hierlandischen Hand els-und Gewerbe- Kammern zur Begutachtung unterbreitet worden. Bei dem Netze von Genossenschafts- (Gewerbe- oder Handwerker-) Ban­ken, welches über unser Land ausgcspannt ist es bestehen weil über 400 solcher Banken in Württemberg und bei dem Umstande, daß diese ja vorzugsweise mit Handwerkern, Kauf­leuten kleineren Betriebs, und auch mit Landwirthcn arbeiten, und endlich bei dem Umstande, daß bei diesem Geschäftsbetrieb, welcher jährlich nach vielen Millionen rechnet, der Wechsel nicht entbehrt werden kann, ist zu erwarten, daß die Handels­und Gewerbe-Kammern unseres Landes sich gegen die Be­schränkung der allgemeinen Wechselfähigkeit aussprechen werden.

Hewkllken.

Von Mrs. Jane G. Austin.

(Fortsetzung.)

Als Victor von dem Begräbniß nach Hause kam, suchte er sogleich seine Herrin auf.

Er fand sie in ihrem Salon auf- und abschrei­tend, wie eine Wahnsinnige. Nachdem Victor kaum die Thür hinter sich geschlossen, flog sie auf ihn zu, faßte ihn am Arm und fragte ungestüm: Wo kann man Blausäure bekommen?

In jeder Apotheke; doch nur auf ärztliche Ver­schreibung; kaufen kann man sie nicht, Madame?

Aber sie muß, sie soll gekauft werden! rief die junge Frau und ihre Augen glühten vor Aufregung.

Unmöglich, Madame, erwiderte Victor kalt. Darf ich aber fragen, wozu Sie das Gift gebrauchen wollen!

Um Mr. Floyd und mich vor Schande zu be­wahren.

Ist Mr. Floyd wieder in Schulden?

Er befindet sich im Gefängniß wegen Fälschung! antwortete Mrs. Murray, an einem Sessel niedersinkend. Victor stand einige Zeit schweigend und blickte auf sie nieder. Dann reichte er ihr die Hand und sagte ruhig und respektvoll:

Bitte, stehen Sie auf, Mrs. Murray, ich habe ihnen etwas Wichtiges mitzutheilen.

Lucia Murray erhob sich mit Victors Hülfe und nachdem sie sich auf einen Stuhl niedergelassen und ihre Augen mit den Händen bedeckt hatte, fragte sie erwartungsvoll:

Nun Victor?

Madame, der Mann, welcher neulich überfahren wurde und den ich täglich im Hospital besuchte, ist gestorben und hat mich zu seinem Erben eingesetzt.

So wollen auch Sie mich verlassen! unterbrach ihn Lucia Murray in größter Aufregung.

Verzeihen Sie, Madame, darüber sollen Sie selbst entscheiden. Das Vermächtnis besteht aus sechs- zig Tausend Dollars. Ich, Madame, Ihr ergebener Diener Victor Pelletier, habe diese Summe hier in

meiner Tasche, während Sie, meine Herrin, jetzt mit­tellos sind.

Ganz und gar. Ich bin eine heimathlose Bett­lerin, sagte die junge Frau in höchster Aufregung. Sie sehen also Victor, daß es absolut nothwendig ist, mir dieses Gift zu verschaffen.

Madame, ich habe noch einen andern Ausweg vorzuschlagen.

Sie? Was wollen Sie edel und hochherzig sein, und Floyd zur Flucht verhelfen ihn in den Stand setzen, dieses Land zu verlassen? Sie faltete ihre Hände und schlug ihre leuchtenden Augen zu Victor empor, der sich in Verzückung zu ihr nieder­gebeugt hatte. Im Uebermaß seiner so lange zurück- gehaltenen Gefühle sank er neben dem Stuhl seiner schönen Herrin auf's Knie.

Ich will es thun, Madame, aber ach, ich bin nur ein menschliches und deshalb selbstsüchtiges Wesen. Ich will den Mann, welchen Sie lieben, retten und ihn mit Geld versehen, daß er in einem andern Lande ein neues Leben beginnen kann, aber es geschieht nur unter einer Bedingung einer einzigen nur.

Sie ist schon zugestanden.

Nicht so schnell, Madame. Gestatten Sie mir zuerst die offene Erklärung, daß ich Sie bis zum Wahnsinn liebe. Ich zog es vor, in Ihre Dienste zu treten, statt unabhängig in meinem Vaterlande zu leben, nur um Ihnen immer nahe zu sein. Von Tag zu Tag habe ich Sie mebr lieben gelernt. Wä­ren nicht diese Umstände zusammengelommen, Ihr Ruin, Mr. Floyd's Verbrechen und die unerwartete Erbschaft, so würde ich mir niemals erlaubt haben, meine Gefühle für Sie auszusprechen. Jetzt aber wage ich Ihnen einen Vorschlag zu machen. Lassen Sie sich herab und werden sie meine Gattin. Bevor wir zum Altar gehen, werde ich Floyd's Schuld tilgen, ihm zur Flucht verhelfen und ihm so viel Geld in die Hand geben, als er für sein Fortkommen in einem fremden Lande gebraucht.

Lucia erhob stolz das Haupt und starrte Victor an.

Diener werden immer unverschämt, wenn ihre Herrschaften im Unglück sind, aber diese Frechheit übertrifft denn doch alles.

Victor erhob sich, verbeugte sich tief und sagte:

Das scheint Ihnen nur im ersten Augenblick so, Madame; wenn Sie aber ein wenig überlegen und diese drei Punkte ins Auge fassen Mr. Floyd's Schande, Ihre eigene vollständige Machtlosigkeit, meine tiefe, achtungsvolle Liebe für Sie und sechzigtausend Dollars, so dürsten Sie wohl zu einer andern Ansicht kommen. Ich werde mich jetzt zurückziehen, und wenn Sie es erlauben, morgen früh mir eine Antwort holen?

Gehen Sie jetzt, unter allen Umständen gehen Sie, sage ich.

Also bis morgen, Madame.

Am nächsten Morgen hatte Victor eine lange Unterredung mit Mrs. Murray. Er wiederholte seine Werbung um ihre Hand und schilderte mit beredten Worten seine schon Jahre lang dauernde glühende Liebe für sie, während sie ihn beschwor, von seinem Vorhaben abzuhalten, da sie nur Floyd allein auge­hören könne und wolle, den sie schon vor dem Tode ihres Gatten gekannt und geliebt habe. Sie beschwor ihn, Floyd zu retten und den Lohn für solch' edeles Handeln in ihrer lebenslangen Dankbarkeit zu finden. Victor blieb unerbittlich und unter einer Fluth von Thränen willigte sie nach stundenlangem Sträuben in sein Verlangen.

(Fortsetzung folgt.)

Allerlei.

Welche Stellung die Dorfschullehrer im vorigen Jahrhundert einnahmen, das geht deut­lich aus einem Schulreglement der Provinz Ost­preußen aus dem Jahre 1736 hervor. Dort heißt es nach Aufzählung alles dessen, was der Schul­meister als Aequivalent für seine Leistungen erhalten soll (4 Thaler jährlichen Gehalt, die Erlaubnis), ein Schwein halten und einige Gänse auf die Gemeinde­wiese treiben zu dürfen rc.), für den Fall, daß alles dies für seinen Unterhalt nicht ausreichen sollte, am Schluß :Itsm soll dem Schulmeister gestattet sein, 6 Wochen jährlich auf Tagearbeit zu gehen."

viss ckism äoest. Erster Zcitungsleser: Also Preuße» schick! Offiziere und Beamte nach der Türkei? Früher sagte doch der Kanzler, daß die gesunden Knochen auch nur eines Landwehrinannes ihm schon viel zu thener wären, um sie der Orient-Politik zn opfern! Zweiter: Wie man hört, werden auch nur Kantschnck-Männcr dahin geschickt!