Obgleich der Handwerkerstand gegenüber dem Kapitalbetriebe außerordentlich abgenvmmen hat, so ist doch aus diesem Gebiete immer noch vieles vor der gänzlichen Proletarisirung zu retten und durch Zusammenschluß und gegenseitige solidarische Hilfe zu erhalten. Bei gutein Willen ist dies nicht schwer. Die wichtigste Frage ist, ob die Innungen freiwillig oder zwangsweise sein sollen. Das letztere scheint uns allerdings das richtige, doch sprechen sich die meisten Autoritäteil im Gewerbewesen, so Freiherr v. Hertling. in Anbetracht der heutigen Zustände dagegen aus, und wir halten diese Frage daher zur Zeit noch nicht für spruchreif. Wer aber unserem Handwerkerstand statt der Phrasen Brot geben will, der muß mit der absoluten Gewerbefrciheit — und nur um diese handelt es sich — brechen und sich dem Jnuungsgedanken znwenden. Nur jene großartige Unkenntniß des deutschen Mittelalters, die heutzutage noch so sehr verbreitet ist und sich trotzdem oft ausdringlich ihrer „Bildung" rühmt, kann im Jnuungsgedanken ein Schreckgespenst sehen und sich davor entsetzen. Bei näherer Prüfung wird man dagegen sehen, daß die Zunst erst mit dem Zerfall des Mittelalters und besonders in der schlimmsten Zeit unseres Volkes entartete, daß aber ihr Grundgedanke: Gegenseitiger Zusammenhalt der Berussgenossen in der strengen Zucht und Schulung der Arbeit, wie bei den Freuden der Erholung, durch das ganze Leben hindurch — daß dieser Grundgedanke des Handwerks goldenen Boden ausgemacht hat. den wir ihm so gerne wieder wünschen,
Tie Scknlstelte in Alüniüra wurde dem prov. Schullehrer Lenze daselbst definitiv übertragen.
Tages-Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
,P) Am 6. d. M. feierte der Liederkranz in Eutingen seine Fahnenweihe. Bon Nah und Fern waren Gaste und Schroetter Vereine zum Feste zahlreich erschienen. Um 9 Uhr war Gottesdienst, wo die Fahne durch den Ortsgeistlichen geweiht wurde. Mittags Festessen im Waldhorn : ein hiebei ausgebrachter Toast auf Se. Mas. den König fand freudigen Widerhall. Nachmittags 2 Uhr Festzug ans den reichlich gezierten und beflaggten Festplatz, wobei der Abgeordnete des Bezirks Hr. Schullehrer N u ß- baumer die Festrede hielt, welche allgemeinen Beifall fand. Neben der geschichtlichen Entwicklung des Gesanges sprach er über den Einfluß desselben auf Bildung und Sitte des Volkes, über die Macht desselben bei politischen Bestrebungen, besonders in den Kriegsjahren 1870/71, über die Einwirkungen der Gesangvereine auf Veredlung des Volksgesanges und Ausmerzung unsittlicher Lieder und Gassenhauer. Der Rest des Tages war der geselligen Unterhaltung gewidmet, wobei die edle Gefangspslege in wirklich lobenswerther Weise zu Tage trat. Die Kühle des Abends trieb die meisten Gäste in die Wirthschafts- lokale. wo noch manches heitere Lied ertönte, mancher Händedruck und Freundschaftskuß dem Tag den Ausdruck eines schönen frohen Festes gab.
(Kgl. Landgericht Tübingen.) Auszug der Liste der Geschworenen für die Schwurgerichtssitzungen des II. Quartale- 1880, beginnend am 14. Juni d. I. Bauer, Florian, Schlosser von Ergenzingen, Bühler, Jak., Lamm- wirtb und Gemcinderath von Neusten, Lustnauer, Wilhelm, Holzhändler von Höfen, Lutz, Johannes, Oekonom von Warth, Majer, Karl, Schlosser von Hirsau, Sailer, Johs., Mczger von Mtenstaig, Schl allerer, Gustav, Seifensieder von Calw, Schrade, Ludwig, Gemeinderath von Nufringen, Seeg er, Michael, Bauer von Altenstaigdorf, Störr, Gottlob, Bäcker von Calw, Bolz. Christian, ssu.. Holzhändler von Wildbad.
Samstag früh rückten das Feldartillerieregiment von Ludwigsburg, sowie das Feldartillerieregiment und Fnßartillerieregiment von Ulm zu 14tägigen Schießübungen nach dem Schießthal bei Griesheim ab.
In Schorndorf feuerte am Samstag Abend ein 24 Jahre alter Fabrikarbeiter mehrere Schüsse auf ein jüngeres Fabrikmädchen, sodann je einen Schuß auf seine Schwägerin und alsdann auch auf sich selbst ab. Die Schwägerin wurde nicht getroffen und das Mädchen nur unbedeutend verletzt. Der Thäter dagegen, welchen verschmähte Liebe zu der Fabrikarbeiterin geleitet hat, ist schwer getroffen und sein Zustand bietet wenig Hoffnung auf dessen Wiedergenesung dar.
Mezingen, 5. Juni. Heute Bormittag war Bierbrauer Linder vo» hier damit beschäftigt, in den Schuppen aus ieinem Bierleller leere Fässer einzuführen. Kaum war er zu Hau-'e angetvmmen. um eine weitere Fuhre zu holen, als
er auch schon die Nachricht erhielt, daß sein Schuppe», de» er inzwischen offen gelassen hatte, ebenso die neue, auf dem Keller erbaute Wirthschaft lichterloh brennen. Als die Feuerwehr zur Stelle kam, waren beide Gebäude beinahe niedergebranut. Man hat allen Grund, anzunehmeii, daß das Feuer von böswilliger Hand angelegt worden ist. (N. T.)
Sulz, 6. Juni. In nicht geringer Aufregung befindet sich unsere Stadt wegen eines in der Nacht vom 4. aus deir 5. Juni erfolgten Einbruchs in das hiesige Ratyhaus, des dritten innerhalb 3 Jahren. Die Ausbeute war übrigens eine geringe: sie bestand aus 4 80 L in Sporteln und aus 8 70 L,
die auf einem nebenstehenden Tische lagen. Von dem frechen Burschen hat man bis jetzt noch keine Spur.
Mainz, 7. Juni. Ein Extrazug mit circa 300 Mitgliedern des auf einer Lnstpartie begriffenen Vereins „Moguntia" hatte von Heidelberg heimkehrend, gestern Abend 10 Uhr bei Lampertsheim einen Zusammenstoß; dem Vernehmen nach sind viele Personen verwundet.
Berlin, 6. Juni. Politische Kreise legen eine große Bedeutung dem Artikel der „Köl. Zeitung" im heutigen ersten Blatte bei, betitelt: „Fürst Bismarcks Urtheil über die Lage", welcher ein Gespräch des Reichskanzlers über die Kirchenvorlage mit einem hochgestellten Diplomaten wiedcr- giltt, worin der Reichskanzler sich entschieden dagegen ausspricht, daß er gegen das Zustandekommen des Kirchengesetzes gleichgiltig sei, und auSsührt, daß er die Vertretung desselben im Landtage aus Gesundheitsrücksichten nicht übernehmen könne und auch sich nicht der Gefahr anssetzen wolle, mit Aufbietung seiner letzten Kräfte öffentlich in den Wind zu reden. Er werde sich in Zukunft aus die Arbeiten beschränken, welche die auswärtigen Beziehungen des Reichs mit sich brächten. iN. T.)
Berlin, 7. Juni. Bisher hatte man Denjenigen nicht ermittelt, wer der glückliche Gewinner des Haupttreffers der Hunde-Lotterie war, und in der Thar hatte der Betreffende von seinem Glücke selber nichts gewußt. Gestern Vormittag ging der Besitzer des LooseS — der Diener eines hiesigen Bankdirektors — aus und nahm sich vor, im Vorbeigehen doch einmal irgendwo einen Blick in die Liste zu thun. Er entdeckte bei diesem Anlaß, daß ihm Fortuna hold gewesen sei und daß er das silberne Thee-Service im Werthe von ca. 5000 vtL gewonnen habe. Uebrigens gedenkt der Glückliche dieses gewonnene Silder nicht zu „versilbern", sondern, da seine Verhältnisse ihm dies erlauben, selbst Besitzer des hübsch aus gestatteten Gewinnes zu bleiben.
Berlin, 8. Juni. Der Bundesrath nahm heute unter dem Vorsitz des Reichskanzlers in erster Berathung mit großer Stimmenmehrheit den Antrag Preußens, betreffend Einverleibung der Unterelbe in das Zollgebiet, an. (Sch. B.)
Berlin. Von verschiedenen Seiten wird trotz des ergangenen Dementis als richtig bezeichnet, daß die Entsendung eines deutschen Geschwaders nach den ostasiatischen Gewässern angesichts der chinesischen Differenzen bevorstehend ist, und daß Graf Monts zum Chef dieses Geschwaders ausersehen ist. Dasselbe soll unter Anderm aus der Korvette „Moltke" eventuell „Stosch", sowie aus der „Hertha" gebildet werden. Von derjenigen Seite, welche eine deutsche Kolonisirung der Insel Borneo angeregt hat, wird gehofft und angestrebt, daß das deutsche Geschwader gleichzeitig Ordre erhalte, Borneo anzulaufen und die Kolonisationsfähigkeit dieser Sunda-Jnsel zu untersuchen.
Das Londoner Wochenblatt „World" macht beiläufig die Bemerkung, daß der deutsche Kaiser bei der letzten Parade pünktlich zur Sekunde auf dem Tempelhofer Felde eingetroffen sei, wogegen am selbigen Tage der Prinz von Wales bei der Parade im St. James Park eine halbe Stunde auf sich habe warten lassen. Nun sei die Entfernung vom königlichen Palais Unter den Linden nach Tempelhof mindestens sechsmal so groß, als die von Marlborough House nach dem Paradeplatz im genannten Park, Kaiser Wilhelm zudem 83, der Prinz von Wales aber erst 38 Jahre alt.
Fürst Gortschakoff war zwei Tage in Berlin und wurde hier sowohl vom Kaiser wie vom Reichskanzler empfangen. Es mag immerhin bedeutungsvoll erscheinen, daß der greise russische Staatsmann nicht mehr die in den letzten zwei Jahren geübte Taktik, den Fürsten Bismarck geflissentlich zu vermeiden, fortsetzte. Dennoch aber kann diesem Besuch, der selbstverständlich seitens des Fürsten Bismarck
im russischen Botschaftspalais erwidert wurde, keine besondere politische Bedeutung beigelegt werden. Gort- schakosf ist zwar noch Reichskanzler, aber so hinfällig, daß er es nur dem Namen nach sein kann; die Leitung der Politik ist ihm durch seine Krankheit wohl für immer entzogen. — In der kirchenpolitischen Kommission des Abgeordnetenhauses ist es wider alles Erwarten sehr schlecht, so daß man heute kaum noch große Hoffnung ans das Zustandekommen des Gesetzes durch eine liberal-konservative Majorität haben kann. Wenn die bisherigen ersten Entscheidungen über die ersten vier Paragraphen maßgebend für den ferneren Verlauf der Angelegenheit wären, so ist entweder ans pure Verwerfung des Gesetzes oder ans das Zustandekommen desselben durch eine ultramoiitan- konservative Majorität zu rechnen. Die Amendements zur Sicherstellung der Ausübung der diskretionären Gewalt sind bisher meist von freikonservativer Seite gestellt und von liberaler Seite unterstützt, aber nachdem sich Pnttramcr gegen sie erklärt, von der ultra- montankonservativen Majorität, welche 11 gegen 10 Stimmen betrug, verworfen morden. Die ttltramon- tanen haben zwar mehrfach Anträge zur Modifizirung des Gesetzes in ihrem Sinne gestellt, aber ohne Erfolg; und trotzdem stimmten sie schließlich mit den Konservativen für die Anfrcchterhaltung der Regierungsvorlage, ein Zeichen dafür, daß dieselbe ihnen doch noch immer begehrenswerther erscheint, als nichts. Aber dieses Zusammengehen erscheint wirklich in mehr als einer Beziehung sehr bedenklich: die Konservativen können riskiren, daß sie schließlich bei der Schtußab stimmnng von dem Zentrum im Stich gelassen werden, da diesem doch an der Verwirrung, die daraus entsteht, mehr gelegen sein wird, als an einem Siege des Fürsten Bismarck. Was nmu von der Kommission hat hoffen und erwarten können, ist jedenfalls bisher noch nicht eingetreten: eine Verständigung zwischen Regierung. Liberalen und Konservativen. Die Liberalen scheinen entfernter als je von dem Standpunkt der Regierung zu sein. Der Prüfstein der ganzen Vorlage besteht in dem BischofSpara graphen: Bennigsen bezeichnete denselben als unan nchmbar, und Frhr. v. Zedlitz nur annehmbar, wenn die Rückkehr der Bischöfe von förmlichen Bedingungen abhängig gemacht wird : beide Standpunkte würden sich wohl noch leicht vereinigen und ausgleichen lassen. Dem gegenüber erklärte der Kultusminister, daß das Gesetz ohne die Möglichkeit der Rückberufung der Bischöfe für die Regierung werthlos sei: mit anderen Worten, es bestätigt sich, daß das Ministerium aus diesem Paragraphen eine Kabinetsfrage machen wird. Zur Beseitigung dieser Differenz ist noch keine Aussicht vorhanden. Uebrigens muß bemerkt werden, daß die erste Lesung, die wahrscheinlich einen sehr mißgestalteten Torso zu Tage fördern wird, noch nicht für das Schicksal des Gesetzes bestimmend ist. Bevor die zweite Lesung in der Kommission beginnt, werden Verständigungsverhandlungen mit dem Fürsten Bismarck stattfinden; erst dann wird sich ein definitives Urtheil über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Vereinbarung bilden lassen. Auf alle Fälle sind die Aussichten für die aesammte Lage der inneren Politik nicht trostreich.
Die „Frks. Ztg." theilt mit, ein hervorragender Führer der Konservativen habe geäußert: „Wir werden die Kirchcnvorlage mit dem Centrum und den Polen durchbringen müssen, da mit den Nationalliberalen dieses Mal nichts zu haben ist."
Dortmund, 8. Juni. Die „Westphälische Ztg." schreibt: Heute Morgen fand im Schacht 2 der benachbarten Zeche Neu Iserlohn eine Entzündung schlagender Wetter statt. Mehrere Bergleute sind getödtet. Am Mittag waren bereits 8 Todte zu Tage geschafft. (Schw. B.)
Zwei dunkle Geschichte» durchlaufe» die Zeitungen. Ju Eylan in Ostpreußen miethete ein junger fremder Mann eine Wohnung und zahlte ein Handgeld drauf. Pünktlich an dem bedungenen Tage kam eine Kiste und wurde in das Zimmer gestellt. Der Micther blieb aus, die Kiste aber verbreitete solchen Gestank, daß sie polizeilich geöffnet wurde. Da fand mau die Leiche einer jungen Frau und eines Kindes. Der Frau war eine Hand abgeschnitten, und die Herzgegend und die Kniegelenke trugen Wunden. Bon dem Verbrecher bis jetzt noch keine Spur- In Willebadcssen im Kreise Marburg wurden zwei Förster Gieß und Stcinsträtcr au demselben Morgen und in derselben Stunde von Wilddieben meuchlings überfallen und erschossen. Gieß wurde nach lebend gefunden und konnte seinen Mörder Hagenmeper nennen und nufschrei- bcn: dann starker. - - Die Gewehre der Förster waren nicht abgcschossen. - -
Oesterreich—Ungar«.
Wien, 6. Juni. Die Vorbesprechungen über