Der Gesellschafter
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oderamts-Bezirk Nagold.
j
Erscheint wvchcmlich 3mai and kvstc! halbjährlich hier (ohne Trägeriohn) l t!0 4, ß, dem Bezirk 2 außerhalb des Bezirks 2 40 4.
Samstag den 17. April.
s Jnsertionsgebühr für die 1 spaltige Zeile aus ge- ^ wohnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 4, bei mehrmaliger je 6 4.
j_i
1880.
Amtliches.
An die K. Pfarrämter.
Die Einsendung der Berichte, beziehungsweise Fehlberichte über die Wirttcrabendschulen (?lbl. I 312, 1384, 2458; wird in Erinnerung gebracht.
Altenstaig, 14. April 1880.
K. Bezirks- Schulinspektorat.
_ Mezgcr. _
Schullehrer Hezer zu Rolhjelden wurde am I'!. d. in den Ruhestand verseht._
Tages-Neuigkeiten.
Deutsches Reich. ^
" Nagold, 16. April. Der von der Stadt Altenstaig ihrem in wenigen Tagen von dort scheidenden Stadtschultheißen Richter gestern Abend in der Traube veranstaltete Abschied war ein wirklich ehrenvoller und herzlicher, und wurde demselben hiebei ein schöner silberner Pokal, gewidmet von einem größeren Theil der Bürgerschaft, und eine werthvolle goldene Uhr als dankbares Angebinde seiner Kollegen und auswärtigen Freunde überreicht. Nähere» Bericht hierüber lassen wir im nächsten Blatte solgcn.
Stuttgart, 15. Apr. Seine Majestät der König befindet sich ans dem Wege der Genesung, bedarf aber noch großer Ruhe. (N.-Ztg.)
Stuttgart. Das Umsichgreifen des ans Amerika importirten Methodismus, der in unserem Scktenlvcsen zugänglichen Laude viel Boden gewonnen und schon vielfach störend in den kirchlichen Frieden der Gemeinden eingerissen hat, hat jetzt einen Erlaß des evangelischen Consistoriums veranlaßt, welcher der bisherigen Duldung und zuwartenden Haltung ein Ende macht und einen bestimmten Strich zwischen den Kirchenangchörigen und den Angehörigen jener Sekte zieht.
Ravensburg, 15. April. Heute früh um 6 Uhr ist Rapp's Enthauptung ohne Störung erfolgt; Rapp war gefaßt und ruhig. (Sch. Bl.)
Mczingen, 13. April. Vorgestern wurden die Bewohner der mittleren Stadt durch die Nachricht es brenne im Nathhanse, in großen Schrecken versetzt. Ein Fechtbruder der schlimmsten Sorte, welcher wegen einer Prügelei eingesetzt war, hatte den Strohsack im Arreste angezündet, mußte aber seine Frevelthat fast mit dem Tode büßen, da das Lokal mit Qualm ganz ungefüllt war. Derselbe ivurde zur Bestrafung dem Kgl. Obcramtsgerichte übergeben.
In Bochum wurden in der Nähe „Prinz Regent" unter einem Strauche versteckt ca. 15 000 Mark falsches schlecht geprägtes Geld in 10, 20 Z, 1 und 2 Markstücken gefunden.
Berlin, 12. Apr. Der Schluß der Reichstagssession ist für das Ende der ersten Maiwoche
in Aussicht genommen. . Fürst Hohenlohe trifft
spätestens bis zum 18. d. M. hier ein. Unmittelbar darauf begibt sich Herr v. Radowitz nach Paris.
Berlin, 13. April. In der gestrigen Bundesrathssitzung betonte der Bevollmächtigte Württembergs die Nothwendigkeit, derartige Aenderungen in der Geschäftsordnung des Bundesraths vorzunehmen, daß Vorgänge wie bei der Abstimmung vom 4. d. M. vermieden werden dürften. Verfassungsänderungen werden sicherem Vernehmen nach keinerseits beabsichtigt. Die Anträge auf die erforderlichen Aenderungen an der Geschäftsordnung dürfte Preußen überlassen bleiben. (Sch. M.i
Berlin, 13. April. Die Gewerbeordnungs- Kommission des Reichstags hat mit 13 gegen 7 Stimmen den Antrag von Soden's angenommen, wonach..Schauspiel-Unternehmer zum Betriebe ihres Gewerbes der Erlaubniß bedürfen, die Erlaubnis; aber zu versagen ist, wenn die. Behörde auf Grund von Thatsachen die Ueberzengung gewinnt, daß den
Nachsnchenden die zum Gewerbebetriebe erforderliche Zuverlässigkeit besonders in sittlicher, artistischer und finanzieller Hinsicht abgeht. iTüb. Ehr. >
Berlin, 15. April. Der würrr. Ministerpräsident Mittnachl war mit dem württ. Gesandten v. Spiuemberg und dem Abg. v. Varnbüler ge. stern beim Reichskanzler zum Essen. (Sch. Bi.
Dem Hofprediger Stöcker soll sein Auftreten und sein Reisen als Agitator der „chrichsilich"- sozialen Partei au maßgebender Stelle sehr verübelt werden und demselben nicht undeutlich zu verstehen gegeben fein, daß dies anfhöreu müsse, da es mit der Würde seines Amtes durchaus nicht zu vereinbaren sei.
In Berliner Kreisen erzählt man sich, die Engländer hätten in Afghanistan eine große Niederlage erlitten, und zwar soll es das Corps des Generals Roberts — also das stärkste —- sein, welches von den Afghanen angegriffen und geschlagen wurde. Bestätigung abzuwarten.
Auch in Deutschland ist's eine hohe Ehre, in den Reichstag gewählt zu werden, und sic ist auch in Deutschland etwas kostspielig: denn cs gibt keine Diäten in Berlin. In England aber ist die Ehre noch viel kostspieliger. Viele Bewerber um Sitze im Parlament lassen sich die Ehre der Wahl viele tausend Pfund Sterlinge kosten, im Durchschnitt 5 bis 6000 Pfund, und manche Lords haben die Ehre schon 50 000—100 000 Pf. St. kosten lassen. Auch die Parteien wenden viel Geld auf. Zu den Wahl- kosten der liberalen Partei bei dem jüngsten Wahlkampf steuerten Lord Roseberrh 60 000, Lord Derby 30000 und der Fabrikant Morley 10 000 Pfund Sterling bei.
Wie die Post hört, hat Fürst Bismarck die Pathenschaft bei dem jüngsten Sohne des Herrn v. Radowitz übernommen, der am 1. April geboren und in diesen Tagen auf den Namen Otto getauft worden ist.
Die Deutschen in Mexiko haben die Summe von 12 978 für die Nothleidenden in Oberschlesien unter sich gesammelt und dem Hamburger Hilfs- Komite übersandt.
Bei der namentlichen Reichstagsabstim inung am 9. über den Antrag Stauffenberg (nur dreijährige Giltigkeit der neuen Heereseinrichtung) stimmten aus Württemberg mit der Mehrheit (180 gegen 104) gegen den Antrag: Heim, Hölder, Fürst Hohen- lohe-L., Müller, v. Ow, Römer, Stälin, v. Varn- büler, Werner: für den Antrag: Buhler, Härle, Graf Waldburg-Zcil; krank: Leonhard; beurlaubt: Graf Bissingen, Knapp; ohne Entschuldigung fehlend: Schwarz. Geß' Mandat ist erledigt. — Bei der darauf folgenden Gesamtabstimmung über Z. 1 der Militärnovelle (angenommen mit 186 gegen 96) war das Verhältnis; der Württemberger zur Mehrheit und Minderheit genau dasselbe. (Sch. M)
Die Kanzler-Krisis will noch immer nicht ganz zum Abschluß gelangen. Man fährt fort, Gerüchte herumzutragen, wonach der verhängnißvolle Schooß der Postanweisnngsstempel-Krisis auch Personalver- änderungen in der obersten Reichsbehörde zu gebären im Begriff stehe, und nennt insbesondere den Staatssekretär des Innern Hofmann und den Generalpostmeister. Indes; wird man woyl thun, auf diese Ausstreuungen bis aus Weiteres kein Gewicht zu legen.
Der Reichskanzler lehnt die Anträge auf Einführung eines Ausfuhrzolles für Lumpen ab.
Es heißt, daß der Fürst Ernst von Leiningen, Admiral der englischen Flotte, die Absicht haben soll, in den deutschen Marinedienst überzutreten.
Die Gerüchte, daß die Curie die Absicht habe, die Anerkennung der Anzeigepflicht der Geistlichen von vorhergehenden Zugeständnissen der preußischen Regierung abhängig zu machen, erhalten Bestätigung.
Die Thronrede, mit welcher der Reichstag am 12. Februar eröffnet wurde, bezeichnet«: als eine Hauptaufgabe der diesmaligen Session die Weiterführung des Stenerresormwerks. Bis jetzt ist in dieser Richtung nichts geschehen. Die Brausteuer- vorlagc hat die erste Lesung passirt: der Stempel- steuereutwurf, dessen wunderliche Peripetien im Bun- desrath während der letzten Tage die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, ist bis jetzt überhaupt nicht an den Reichstag gelangt. — Es scheint indeß, daß man in leitenden Kreisen die Stencrfragc zum Kernpunkte des Restes der Session zu machen entschlossen ist.
Die pcn'imle Chronik des Bcrl. Momagsbl. besium die glücklich abgelcmftne Kcmzlcrkrisis wie folgt:
„Warum er'S gleich so übel nimmt, wird er. wie jen! geschehe».
Im Bundesrath 'mal üderstimmt, ick, kann es nicht verstehen:
Wenn ich an seiner Stelle war', den guten Württembergern Und andern Kleinen sollt' es schwer gelingen, mich zu ärgern! Und stände Sachsen-Weimars Stimm im Rathe mir entgegen, Do macht auch das mir keinen Grimm; ich wiird's mir überlegen :
Es ist ein klug regiertes Land, und manchmal will mir scheinen, Daß selbst den Großen an Verstand oft „über" sind die Kleinen.
So würde ich in solchem Fall gemüthlich raisonniren,
Ich ließe stets und überall die Andern opponiren;
Ich schlüge sie im Wortgefecht mit wucht'gen Redestreichen, Und säh' ich ein, sie haben Recht, so würd' ich ihnen weichen. Nur wenn's mein eigner Beamter war', der kriegte einen
Wischer
Von mir, und ich rief hinterher ihm zu: „Guten Morgen,
Herr Fischer!"
So thät' ich, wenn ich Kanzler wär': ich nähm nicht gleich das
Messer
Und schnitt das Tuch entzwei, doch Er und - Allah weiß
es besser."
Italien.
Rom, 12. April. Der Prozeß Antonelli- Lambertini, von welchem man glaubte, er sei zu Ende, fängt jetzt wieder von Neuem an. Die Gräfin Lambertini hatte bekanntlich verlangt, zum Beweise zugelassen zu werden, daß sie die Tochter des Kardinals Antonelli sei, und das Gericht wies dieses Verlangen zurück, weil ein regelrechter Zivilstandsakt (Taufscheins vorlag, der sie als legitime Tochter irgend eines braven Ehepaares auswies. Jetzt tritt die Gräfin den Beweis an, daß jener Taufschein falsch, daß ihre Titulareltern nicht ihre wirklichen Eltern seien. Man erwartet hier, besonders soweit die Mutter in Frage kommt, einigen Skandal von den Enthüllungen des Prozesses.
Schweiz. ^
Schweiz. Der moderne Sklavenhandel, der in Gestalt von Kindervermiethungen von der östlichen Schweiz nach Süddeutschland getrieben wird und seinen Hauptsitz in Ravensburg hat, ist schon oft gerügt worden. Der „Grütlianer" erhebt von Neuem seine Stimme dagegen. Derselbe schreibt: Seit Jahren, aber in stets zunehmender Zahl, werden Kinder von 6 bis 14 und 16 Jahren, die aus der Ostschweiz, Tyrol und Vorarlberg herbeigeführt werden, je für die Zeit von Anfangs April bis Ende Oktober an Bauernhöfe verdingt — und zwar von den eigenen Eltern und Angehörigen, in stillschweigendem Einverständniß mit den Behörden der Heimathge- meinde l Für kräftige Burschen und Mädchen erhalten die „Vermiether" 22 bis 30 fl.; jüngere und zartere Kinder dagegen werden schon eher bloß um's Essen „losgeschlagen". Klar, daß diese unglücklichen Geschöpfe, von schnödem Egoismus für die schönste Zeit des Jahres heimathlos gemacht, durch ein sol-