Mein Gott! rief der Arzt theilnehmend; Sie haben doch nicht Schaden genommen?
Es ist gerade nicht viel gewesen, wenigstens nicht so viel, daß ich deßwegen Ihnen unter die Hände gerathen müßte, Herr Doctor! sagte Kölöny mit leichtem Lächeln.
Nun das ist gut kür Sie' antwortete dieser auf den Scherz eingehend, indem er dem Ungarn lächelnd mit hem Finger drohte. Plötzlich aber fügte er betroffen hinzu, indem er seinen Blick auf die weiße Weste des Ungarn richtete: Aber mein Gott, was ist das? Sie bluten! Haben Sie sich den so bedeutend verletzt?
Herr Jesus, ja! rief die Baronin erschreckt, einen Schritt" zurückprallend. Es ist wirklich Blut! Ich bitte Sie um des Himmels willen, lassen Sie sich verbinden. Welch ein Glück, daß der Doctor gekommen ist. Der Himmel selbst hat ihn hierher geführt!
Oder der Teufel! murmelte der Ungar leise vor sich hin, dann aber, sich mit einem verbindlichen Lächeln zu der Gräfin wendend, nachdem er einen flüchtigen Blick auf die Weste geworfen, aut welcher ein großer rother, nasser Fleck sichtbar war, sagte er, den Rock zuknopfend: Es ist in der That ganz unbedeutend, Frau Gräfin; gewiß nicht. Es ist .... es ist das Glas von meiner Ubr, das ich bei dem verwünschten Fehltritt meines Pferdes zerbrach und das mich ein wenig geschnitten hat. Nichts weiter. Sie sehen, daß ich die Schramme nicht weiter geachtet habe.
Aber der Doctor überzeugte sich, daß er die angebliche Schramme doch nicht so leicht genommen, wie er angab, denn als Kölöny einen leichte» Jagdrock zuknöpfte, sah man unter demselben deutlich eine wulst- artige Erhöhung, wie einen Verband, um die Brust befestigt. Ein unheimlicher Verdacht zog durch seine Seele.
Aber gehen wir! Begleiten Sie mich vielleicht, Herr Doctor! fuhr Kölöny fort, seine Augen so fest auf den Doctor richtend, als wollte er jeden Gedanken in der Brust desselben lesen. Ich wollte nicht vorüber reiten, ohne der Gräfin guten Abend gewünscht zu haben. Jetzt, wo ich diesen Zweck erreicht, will ich fort. Ich denke, unser Weg gebt ein gutes Stück zusammen.
Der Doctor verneigte sich, zum Zeichen, daß er den Vorschlag anuehme. Beide verabschiedeten sich am Gartemhor bei der Gräfin. >
Um zehn Uhr! flüsterte der Ungar ihr leise, aber mit fester Stimme zu. Sie müssen kommen. Alles Unheil fall; aus Ihr Haupt, wenn Sie nicht Wort balten!
Und er 'Sh sie mit seinen funkelnden Augen so drohend an, daß sie fast unwillkührlich erwiderte: Ich werde dorr sein!
In der That führte der Weg, welchen die beiden Männer znrnckzulegen hatten, sie eine bedeutende Strecke weit zusammen: indessen wäre es, wenigstens was die gegenseitige Unterhaltung anbetraf, ziemlich gleichgültig gewesen, ob sie allein, ob sie mitsammen denselben zurückgelegt, denn Jeder von ihnen war einsilbig und schweigsam, Jeder überließ sich seinen eigenen Gedanken. Der Doctor beobachtete indessen seinen Gefährten ziemlick stark.
Die Verletzung, die derselbe empfangen, mußte jedenfalls ungefährlich sein, denn er hatte sich mit seiner gewohnten Leichtigkeit in den Sattel geschwungen und saß so fest und grad wie sonst auf dem Pferde: aber es dünkte den Arzt doch wunderbar, daß sich an den Kleidern des Barons nicht die mindesten Spuren eines solchen Unfalls fanden. Sein Anzug war so sorgsam geordnet, wie jederzeit.
Einige Male versuchte Bärmann, die spärliche Unterhaltung auf diesen Gegenstand zu lenken, indem er sich nach dem Befinden Kölöny's erkundigte und von den Folgen sprach, welche eine derartige Vernachlässigung nach sich ziehen könne: aber Jedesmal gab der Andere kurze und ausweichende Antworten. Ich bin Ihnen sehr für Ihre Sorgfalt und Ihre Teilnahme verbunden, sagte er endlich, aber lassen wir diesen Gegenstand fallen, lieber Doctor. Es ist mir unangenehm, davon zu sprechen. Ein Reiter redet nicht gern von seiner Ungeschicklichkeit. Wenn Ihnen aber wirklich so viel an meinem armen Leichnam gelegen ist, so kommen Sie morgen Vormittag zum Frühstück zu mir, da will ich mich Ihren Händen prsisgeben. Kommen Sie? Gut ich erwarte Sie bestimmt. Apropos, wann geht der Mond auf?
Ich weiß wirklich nicht genau, entgegnet; der T octor etwas verwundert. Aber ich glaube etwa um
halb, elf Uhr. Ja, ja, um halb oder um ein Viertel auf elf.
So früh! rief der Ungar hastig, indem er noch einen Zusatz zwischen den Zähnen murmelte, den indessen der Doctor nicht verstand.
Sie setzten ihren Weg schweigend fort, bis sie endlich den Kreuzweg erreichten» welcher zu dem Gute Kölöny's führend, die Landstraße, der der Doctor folgen mußte, grade auslief.
Also auf Morgen Doctor! sagte der Ungar, sein Pferd anhaltend, und reichte ihm die Hand. Es lag eine Art von heimlichem Spott in dem Klange seiner Stimme.
Auf Morgen! entgegnete dieser, ihn scharf an- blickend.
Gute Nacht, Doctor!
Gute Nacht, Baron!
Er gab seinem Pferde einen leichten Schenkeldruck und das feurige Thier galoppirte davon. Der Doctor sah ihm eine Zeitlang kopfschüttelnd nach. — Es steckt unter allen Umständen etwas Sonderbares, Umheimliches hinter ihm, sagte er nach einer Pause. Eine räthselhafte Erscheinung bleibt er unter allen Umständen. Hm, hm, sonderbar, daß er sich weigerte, die Wunde untersuchen zu lassen! .... Es ist nicht gut möglich .... Und doch, doch! . . . Nun, wir werden ja morgen sehen! Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen einer Schußwunde und dem Schnitt eines Uhrglases! Wir wollen sehn! wir wollen sehn!
Mit diesen Worten machte sich der würdige Jünger des Aeskulap wieder auf den Weg u. schleuderte, nachdem er zuvor seine Pfeife angezündet, noch immer sinnend und grübelnd der Stadt zu. Und das Nachdenken über die wichtigen Gegenstände, welche seine Seele erfüllten, nahm seine Aufmerksamkeit in dem Grade in Anspruch, daß er ganz und gar des Rauchens vergaß, und als er endlich bemerkte, daß er schon über eine Viertelstunde zurückgelegt habe uns die Pfeife längst ausgegangen sei, dachte er daran, sie wieder in Brand zu setzen. Er suchte in seinen Taschen nach dem Feuerzeug, Stahl, Stein u. Schwamm, Gegenstände welche damals, wo man Eure neumodischen R-sibzündbölzchen noch nicht erfunden hatte, für den Raucher unentbehrlich waren und die er in einer kleinen, gestickten Tasche verwahrte, die er von der Gräfin geschenkt erhalten.
Aber er fand nichts davon und endlich erinnerte er sich, daß er die Tasche ans einen großen Stein am Wege gelegt, als er den brennende» Schwamm auf den Tabak gethan, und daß er wahrscheinlich in der Zerstreuung das Fenerzeng dort habe liegen lassen. Es blieb ihm natürlich nichts weiter übrig, als znrückznkehren, und er beeilte sich, den Ort jo schnell als möglich wieder zu erreichen, den» eS wäre ihm sehr unangenehm gewesen, die Tasche zn verlieren. Indessen war er so glücklich, sie unversehrt und an dem Orte zn finden, wo er sic hingelcgt, und nun beeilte er sich, da es inzwischen schon dunkel geworden, sich ans den Heimweg zu machen. In diesem Augenblick hörte er den Huflchlag eines Pferdes und sah in der schwachen Dämmerung der Sterne die Umrisse eines Reiters, der aus demselben Wege heranknm, den vorher der Ungar cingeschlagen hatte. Er konnte die Gestalt nicht erkennen, aber von eitler unbestimmten Ahnung getrieben, trat er rasch hinter den dicken Stamm eines alten Weidenbaumes, der an der Straße stand. Der Reiter wendete kurz um die Ecke und schlug die Richtung nach dem gräflichen Schlosse ein: der Doctor aber erkannte in demselben Kölöny.
Wie vom Blitze getroffen stand Bärmann da. Was war, was bedeutet das? Der Gras ivar sein alter, langjähriger Freund; sollte die Gräfin wirklich — — — Unwillkührlich wendete er seine Schritte ebenfalls nach der Seite des Schlosses hin. Ein neuer, schrecklicher Verdacht hatte sich seiner Seele bemächtigt. Aber bald blieb er wieder stehen. Was wollte er thun? Er wollte den Spion, den Lauscher machen; er beschuldigte schon in seinem Innern eine Frau, deren Betragen ihm jederzeit Hochachtung ein- geflößt hatte! Und auf welche Gründe hin? Wie leicht konnte auch irgend ein anderer Grund einen so ungewöhnlichen, ercentrischen Menschen, wie diesen Kölöny, zu seinem nächtlichen Spazierritt veranlassen? Welches Recht hatte er denn zu einer solchen Anklage. Aber ein unbestimmtes Gefühl, eine Art von Ahnung, die sich ihm aufdrängte, sprach säst noch lauter, als jene Vermuthungsgründe. Und doch bezwang er sich.
Nein, sagte er zu sich selbst, ein solches Benehmen wäre unwürdig. Die Gräfin ist über alle Zwei
fel erhaben, sie muß es auch mir sein. Schäme dich, schäme dich, alter Bärmann; dies ist nicht das Benehmen eines Ehrenmannes; — Und rasch kehrte er wieder um und schritt gegen die Stadt zu, mit dem festen Entschluß, sich jeden derartigen Gedanken aus dem Kopfe zu schlagen. Aber freilich das war leichter gesagt, als gethan. Wenn er noch Herr genug über sich war, sich jedes Versuchs, der Sache auf den Grund zu kommen, zu entschlagen, so vermochte er doch die Gedanken nicht zn bemeistern, die sich ihm unwillkührlich immer aufs Neue aufdrängten, während er, aus der nunmehr angezündeten Pfeife den Ranch in dichten Wolken von sich blasend langsam seinen Weg fortsetzte.
Aus diesen Gedanken wurde er durch bas Geräusch aufgeschreckt, welches eine Abtheilung von Reitern machte, die ihm entgegenkam. Er hörte Säbel klirren und sah, daß es ein Detaschement regulärer Kavallerie war, welches die Straße entlang zog. Erstaunt, was dies zu bedeute« habe, blieb er stehen, als der commandireude Offizier, den einzelnen Fußgänger bemerkend, zu ihm hinantrat, indem er sagte: Halt! wen baben wir hier? Wer sind Sie, mein Herr, wo wollen Sie hin?
Der Doctor war eben im Begriff, diese Fragen zu beantworten, als ein zweiter Reiter in Civilkleidung ebenfalls herankam und den Arzt erkennend sagte: Ach, das ist unser Freund, der Doctor Bärmann, Herr Riltmcister. Guten Abend Doctorchcn! Sie kommen wie gerufen. Vielleicht können Sie uns noch einige Notizen zu dem Geschäft geben, welches wir gerade Vorhaben.
Guten Abend, Herr Präsident! erwiderte der Arzt, der zu seinem nicht geringen Erstaunen in dem zweiten Sprecher den Polizeipräsidenten des Bezirks erkannt hatte. Aber ich bitte Sie, was bedeutet dies Alles? Sind wir etwa im Kriegsznstanoe?
Das nicht, lieber Doctor! Aber Sie sollen es gleich erfahre». Kommen Sie mit zurück. Ich lege Kraft meiner Amtsgewalt auf ihre Person ein wenig Beschlag, bis ich Sie gehörig ausgesragt habe. Oder wollen Sie »ns vielleicht ganz und gar Gesellschaft leisten? Es wird für Sic in psychologischer Hinsicht vielleicht ein merkwürdiger Fall sein.
Aber ich begreife nicht, erwiderte Jener. Was haben Sic vor?
Es gilt die Verhaftung dieses muthmaßlichen Leichenschändcr:, oder Vampyrs, wen» Sic lieber wollen, erwiderte der Präsident.
Wie! ries der ? octor erstaunt. Also hat man ihn, scheiuts wirklich entdeckt? Und wer ist es! Auf wem ruht dieser entsetzliche Verdacht?
Der Präsident beugte sich im Sattel herab.
Ha, meine Ahnung! rief der Arzt. Aber ich begleite e^ie, Herr Präsident! In diesem Falle habe ich Ihnen allerdings einige Miitheilungcn zu machen. _. (Fortsetzung folgt.)
Ostern!
Der alte Winter räumt das Feld,
Die Friilsttngsbvten kommen,
Die Vvglcin unterm Himmctszeit Sic Habens schon vernommen:
Sie bringen nun mit frohem Sang
Dem holden Frühling ihren Dank.
Im Feld, im Walde wird cS wach,
Biel tausend Knospen springen.
In allen Herzen hallt es nach,
Ein wundersames Klingen.
Im stillen Thal, auf Bergeshöh'u
Begeht Natur ihr Anscrsteh'n.
Und feierlich dazwischen tönt Die Osterglocke durch das Land,
Sie kündet, das; heut' fieggekront Der Menschheit Heiland auserstand:
Er, der sich selbst zum Opfer gab
Hat überwunden Tod und Grab!
O, tön' die frohe Botschaft laut In jedes arme Menschcuherz,
Das, zagend, nicht dem Frühling traut,
Und stumm bcharrt in seinem Schmerz.
Daß es die Trauer fahren läßt
Und froh begeht das Osterfest!
Räthsel.
Mein Erstes dringt herab vom hohen Himmelsraumc, Und vielfach sicht man cs an jedem Weihnachtsbaume, Das Zweite lieben sehr die Mädchen und die Frauen, In allerlei Gestalt kann mans an ihnen schauen.
Das Dritte braucht am meisten der Kleiderfabrikant: Es war zu Adam's Zeiten daher noch nicht bekannt.
Das Ganze aber ist dem Erste» bcigegeben:
Wenn man cs richtig führt, brnigt's diesem ncnes Leben Doch mns; man mit Bedacht die Ausführung verrichten: Denn schon ein cin'ger Zug das Erste könnt' vernichten.