Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.
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Donnerstag den 23. Mnr^.
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1880.
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Chinesische Socialdemokralcn.
Gewiß lvird unfern Lesern die lleberschrift absonderlich klingen, in einem Lande, wo der Kaiser als „Sohn des Himmels" zu einem Halbgotte gestempelt worden ist. wo dieser die unumschränkteste Macht genießt, in einem solchen Lande blühte zum allerwenigsten für socialdemvkralische Redner auch nur ein einigermaßen brauchbarer Weizen, aus dem ein- sachcn Grunde, weil der Chinese mit einem starren conservativen Charakter mit Jedem, der sich gegen die bestehende Ordnung auflehnt, noch weit bündiger und kürzer umspringen würde, als der deutsche Reichstag seinerzeit mit den Socialdemokraten.
Trotz alledem hat China, das uns nun eben in allen Dingen voraus zu sein scheint, die Social- demvkratie schon gekannt, als wir Deutsche noch in aller Naivität uns mit einem Schafpelze als Kleidung und mit einem Bärcnschinken als Nahrung begnügten und in einem geglückten Raubzuge gegen irgend einen Nachbaren das höchste Glück sahen, welches dem Menschen ans Gottes schöner Erde überhaupt nur beschicken sein könne.
Bor neunhundert Jahren — die damals schon längst erfundene chinesische Buchdruckerkunst hat uns die Thatsachen getreulich bis auf den heutigen Tag überliefert - besaß China einen Mann, der im Sinnen und Trachten unserem Lasalle auf ein Haar glich!
Gerade wie Lasalle erträumte auch dieser Mann alle Glückseligkeit des Volkes von einer totalen Umwälzung alles Bestehenden, indem er, wie es gleichfalls neunhundert Jahre später der deutsche Arbeiterapostel gethan, an Stelle der Privatthätigkeit die Arbeitsvertheilung durch den Staat, an Stelle des Reichthnms, des Luxus die unabänderlichen Regeln der Rechtschaffenheit eingesetzt wissen wollte.
Und noch mehr gewinnt diese überraschende Nachricht auch Bedeutung, wenn man erfährt, daß diese in Deutschland oft genug als Phantom verspotteten und ebenso bitter und leidenschaftlich verfochtenen Ideen in China volle fünfzehn Jahre hindurch thatsächlich zur Geltung gebracht worden sind.
Der chinesische Lasalle gewann einen solch' mächtigen Einfluß, daß der chinesische Kaiser seinen Ideen uachgab.
Das gesammtc Grundeigenthum des ungeheuren chinesischen Reiches, das eine größere Einwohnerzahl als ganz Europa besitzt, ward Eigenthum des Staates: Es gab kein Grundeigenthümcr und keine Besitzenden mehr, vielmehr war ein Jeder nur der Arbeiter des Staates.
Dem einzelnen Bauern ward das Saatgut zugewiesen, und nach dem Klima der zweckmäßigste Körnerban empfohlen. Es ward für jede Provinz eine eigene Behörde eingesetzt, die keine andere Aufgabe hatte, als die beste Nutzbarmachung des Ackerbodens möglich zu machen.
Der Gewerbebetrieb, in dem die Chinesen noch heute in vielen Fächern nicht von dem chemie- und maschinenkundigen Europa übertroffcn werden, ward auf das Großartigste geregelt. Es gab in einer Stadt keine Handwerker mehr sie alle mußten unter strenger Beaufsichtigung von Beamten arbeiten.
Die Arbcitseinthcilung war damit auf die denkbar höchste Stufe gebracht.
Und um nun diese riesenhaften Umwälzungen zu ermöglichen, ward den Begüterten eine solch' hohe Steuer aufgelegt, daß schon nach wenig Jahren nirgend mehr ein Capital auszntrciben war. Das Geld befand sich mit einem Worte nur in den Händen des Staates.
Aber auch jede Ersparnis; ward unmöglich gemacht durch eine Besteuerung, welche grundsätzlich die Hälfte des Vermögens beanspruchte.
Auch damit war es nicht genug.
Die gesammte Industrie, sämmtliche Bankgeschäfte, kurz, die gesammte Geschäftsthätigkcit ward in die Hände des Staates gelegt. — Selbstständig durfte eben Niemand sein — ein Jeder hatte seinem Vorgesetzten zu gehorchen.
Niemals zuvor sind socialdemokratische Lehrsätze mit einer solchen Energie und in einem solch' großartigen Umfange in Anwendung gebracht worden.
Wie cs möglich war, eine solch' unglaubliche Umwälzung in dem gewaltigsten Reiche der Erde zu bewerkstelligen, erscheint etwas wunderbar. (Schluß s.)
Oteslorbkn: In Brooklyn Pastor C. W. T. Tlt'imlo ans Wildberg: Barbara Schell Hammer, gcb. Schüttler, 36 I. alt, aus Altensteig, in Detroit, Mich.; Jakob Schaible aus Agenbach, O.A. Calw, 85 I. alt, in Manchester, Mich. (Der Verstorbene war ein alter Veteran, welcher den Feldzug von 1814 milmachtc.) (Schw. M.)
^ ^ Tag es-Neuigkeiten.
' Z " Deutsches Reich.
^ Altenstaig Stadt, 23. März. Letzten Freitag wurde die hiesige Fortbildungsschule vom wissenschaftlichen Visitator, Hr. Professor Hertter aus Calw, geprüft. Außer dem Zeichenunterricht genießen die Fortbildnngsschüler in 5 Wochenstunden Unterricht im gewerblichen und geometrischen Rechnen, in der Physik, im Aufsatz und in der Volkswirth- schaft inclusive eine religiöse Abendstunde am Sonntag. Der Visitator sprach sich gegen Lehrer und Schüler in befriedigender Weise aus. Unter die besten Schüler wurden Preise im Gesamtwerthe von 21 22 ausgetheill. - Letzten Samstag hielt
Hr. Postverwalter und Verwaltungsaktnar P sind er von hier vor einer überaus zahlreichen Versammlung im Baum seine Wahlrede als Candidat für die Stelle eines Stadtschnltheißen. Er suchte die Bortheile eines einheimischen Bewerbers zu beleuchten und versprach, die größte Sparsamkeit im Gemeindehaushalt zu beobachten, auch ganz sich seinen Funktionen als Ortsvorstand hinzugeben, und seine 2 andern Geschäfte durch geprüfte Gehilfen versehen zu lassen. Nächsten Donnerstag werden sich noch 3 weitere Bewerber der Bürgerschaft vorstellen und den 5. April wird die Wahlschlacht geschlagen werden.
Brandfälle: Am 20. März in Friedrichs- Hafen der Dachstock eines Wohnhauses in der Friedrichsstraße; am 19. März in Locherhof (Rottweil) ein Wohnhaus sammt Scheuer.
Ravensburg, 21. Mürz. Mit dem heutigen ersten Markt nach dem Josefstag begannen hier wieder die sogenannten Kindermärkte, an welchen zahlreiche Kinder, theilwcise vom 8. oder 9. Lebensjahre an aus der Schweiz, ans Tyrol und Vorarlberg sich bis Simon und Jndä <28. Okt.) an die Landwirthe der Nachbarschaft und bis ins Badische hinein zum Viehhüten u. dgl. verdingt werden. Die Löhne sind ziemlich beträchtlich, indem z. B. für einen Knaben von 14—16 Jahren 22—30 Gulden und mehr nebst doppelter Kleidung gefordert und bezahlt werden. (Sch. M.i
Zwiefalten, 21. März. Wie verlautet, soll in dem hiesigen Irren hau sc Vorsorge getroffen werden, den Raubmörder Waibel ans Stuttgart nntcrznbringcn. Vor ein Schwurgericht wird Waiöel nicht gestellt, sondern, als unheilbar irrsinnig, binnen Kurzem hierher eingeliefcrt werden.
Man kann nicht tief genug in die Seele der Landrvirthschaft eindringcn. In Billenhauscn in Bayern räumte ein fleißiger Landwirth die Dung- stättc einmal gründlich ans und fand unter diesem Schatz einen zweiten, nämlich 5000 Stück silberner Münze» aus dem 1-1. und 15. Jahrhundert und trug ihn heim: denn Geld stinkt nicht, wie ein weiser Mann sagte.
Halle, a. d. 2., 20. März. Heute Vormittag fand auf dem hiesigen Bahnhose ein Zusammenstoß zwischen zwei Personenzüge» statt. Die Magdeburger Maschine wurde ans dem Geleise geworfen, die Halberstädter Maschine drang in die Wagen. Eine Anzahl Packwagen ist völlig zertrümmert; in den Personenwagen hat eine furchtbare Verwüstung stattgefunden. Sechs Personen sind getödtet, 10 schwer verletzt. Das Wehegeschrei war entsetzlich. Ein Theil der Verwundeten wurde in die Klinik gebracht, von wo Leute mit Tragbahren her- beigeeilr waren, ein anderer in das Hotel „Russischer Hof." Nur Passagiere sind verunglückt, keine Beamten. Der lchuldigc Weichensteller hat sich sofort in einem leeren Güterwagen erhängt. Ilm 5 Uhr war der, Betrieb wieder hergestellt. Eine Untersuchungs-Kommission ist anwesend.
Der Ausschuß des Israelitischen Gemeindebundes in Leipzig richtet an die Vorstände der Bundesgcmeinden die Aufforderung, dahin zu wirken, daß die aus der Schule entlassenen jungen Leute sich statt dem Handel vielmehr dem Gewerbe widmen sollen. Nicht nur werde damit den Vorurtheilen gegen das Judenthum die Nahrung entzogen, es liege auch im Interesse der Leute selbst, da in Folge der neueren Gesetzgebung der Hausirhandel und der Erwerb durch Wanderlager bedeutend erschwert sei. Der Handwerkerstand dagegen nimmt eine ehrenvolle, gesellschaftliche Stellung ein: denn gefördert von den Sympathien des Volkes, von dem regen, lebendigen Streben deutschen Geistes, wirkt unser Handwerkerstand jetzt energisch dahin, das Kleingewerbe zn heben , dem Handwerker eine bessere Berufsbildung zu geben, ihm künstlerischen Geschmack einzuslößen u. s. s. So empfängt des Handwerks goldener Boden neue Kräftigung und trägt eine sichere, wenn auch manchmal bescheidene Existenz, während der Handel zwar dem Streben nach Reichthum günstigere Aussichten bietet, in sehr vielen Fällen aber auch zu gewagten, unsicheren und unehrenhaften Geschäften treibt. Das Circular schließt mit der Aufforderung, junge Leute, die sich dem Gewerbe widmen, durch materielle Unterstützung zu fördern.
Berlin, 21. März. Das „D. M.-Bl." meldet : Bei dem Empfange des Bundesraths, der unter Führung des Reichskanzlers Fürsten Bismarck erschienen war, sprach der Kaiser die bestimmte Hoff nung aus, daß auch in diesem neuen Jahre, welches er heute antrete, der Friede erhalten bleiben werde. (Es ist diese kaiserliche Aeußerung, so bemerkt ein Korresp. der „Fr. Ztg.", um so bemerkens- werther, als man in unseren militärischen Kreisen mit Sicherheit annimmt, daß es in nicht allzufcrner Zeit zum Kriege zwischen Deutschland und Rußland kommen werde. Es wird diese Ansicht von hohen Militärs getheilt, und ein bekannter süddeutscher Staatsmann außer Diensten iVarnbüler?), der zum