für jeden Kopf der Bevölkerung in Reichssilbermünzen nur den Betrag von zehn Mark gestattet. Andererseits weiß daS Reichsschatzamt keinen Rath, wie es mit dem Ueberfluß an Silber sich abfinden soll, indem der Kurs des Silbers ein sv niedriger, daß dasselbe sich mir mit einem ungeheuren Verluste verkaufen läßt. Jetzt soll der Betrag etwas über 2 Mark erhöht werden, so daß der Gesammtbetrag der auszumünzcndcn Silbcrmünzcn um 100 Millionen Mark gesteigert werden würde. Der Reichstag wird nächstens hierüber zu entscheiden haben.
Ein Telegramm der „F. Z." meldet: Nach Ablauf des Jnterimistikus wird Fürst Hohenlohe zum Stellvertreter deS Reichskanzlers und Viceprä- sidenten des preußischen Staatsministeriums, Graf Hatzseldt zmn Staatssekretär des Auswärtigen ernannt werden. Graf Stolberg wird sich alsdann in das Privatleben zurückziehen. Radowitz wird sich zur interimistischen Uebernahmc des Botschafterpostens in Paris gegen Ostern dorthin begeben. — Nach Bennigsen's heutiger Erklärung in der Militärgesetzdebatte, wonach die überwiegende Mehrheit der Nativnalliberalen für die unveränderte Annahme des Militärgesetzes stimmen wird, ist dessen Annahme mit 30 -40 Stimmen Majorität gesichert.
Klausners Fortschrittliche Korrespondenz berichtet folgendes: „Seit einigen Tagen erzählt man sich in parlamentarischen Kreisen von neuen Friktionen, denen der Reichskanzler Fürst Bismarck wieder ausgesetzt sein soll. Fürst Bismarck sei unbedingt für eine entschiedenere Haltung Rußland gegenüber und sträube sich gegen jedes Paktiren, welches auch nur den Schein schwacher Nachgiebigkeit an sich tragen könnte. Daß die persönlichen Neigungen unseres Kaisers inehr zu Rußland oder richtiger zu dem russischen Czaren gewandt sind, ist bekannt genug. Die neuesten Borkommnisse von Petersburg und Moskau mögen dazu beigetragen haben, daS Gefühl der Solidarität neu zu beleben und das Resultat ist: Fürst BiSmarck hat über neue Friktionen zu klagen. In unseren Augen ist kein Zweifel daran, daß die Friktionen neuesten Datums genau so enden werden, wie die Friktionen früherer Tage. Nachdem einmal Kaiser Wilhelm auf ein Entlassnngsgesuch des Fürsten Reichskanzlers die Randbemerkung geschrieben: „Niemals!" seitdem ist es nicht möglich, daß Deutschland eine andere Politik befolgt, als diejenige, welche der Fürst Reichskanzler für die richtige hält."
Wo befinden sich die russischen Truppen? Man' hat sehr oft von St. Petersburg aus die Behauptung zu widerlegen gesucht, daß fast die ge- sammte Streitmacht des russischen HeereS nahe den Grenzen lagert, so daß man in Deutschland füglich in einem schweren Zweifel über diesen wichtigen Punkt sich befand. Seitens des Hauptmannes E. v. Tröltsch ist nunmehr jüngst eine Karte,herausgegeben, welche die Garnisonsorte der russischen Truppen in kräftigen Farben angibt. Diese Karte macht sofort einen eigenthümlichen Eindruck, er läßt sich znsam- menfassen in den zwei Worten: Entblößung des inneren Rußlands von Truppen und Massirnng derselben an der westlichen Grenze, besonders aber in Polen. Dieses ist in so augenfälliger Weise der Fall, daß sich die Karte nach Westen zu fast dunkel abschattirt, während im Innern des Landes allein drei große Flecken, von der Größe etwa des Königthums Bayern, sich bemerkbar machen, auf denen sich auch nicht eine Truppe befindet. Besonders sind es Cavallerie - Regimenter, welche fast in einer fortlaufenden Kette sich längs der Westgrenze hinziehen, oft auf je 3 deutsche Meilen. Abgeschwächt wird der im ersten Augenblicke wirklich überraschende Eindruck durch die Betrachtung mehrerer nicht zu unterschätzender Umstände. Die noch immer mangelhafte Organisation der russischen Mobilmachung, welche sich im letzten Kriege so augenfällig machte, fordert den organisatorisch überlegenen Armeen Deutschlands- und Oestreich-Ungarns gegenüber eine schon im Frieden ausgeführte Vorschiebung der festen Truppenmassen, die unruhige Gesinnung Polens verlangt eine, wenn auch nicht so massenhafte Anhäufung von Truppen in dieser Provinz, und endlich die auch recht dürftige Ausstattung des Landes mit Bahnen eine rechtzeitige Grenz-Aufstellung, besonders der viel Transportmittel in Anspruch nehmenden Cavallerie-Regimenter. Wenn alle diese Verhältnisse auch die eigenthümliche Zusammenhaltung der russischen Truppen nahe der deutschen Grenze veranlaßt haben mögen, so fordert dieselbe doch gebieterisch,
daß Deutschland aus der Hut zu..bleiben und seine Armee auf der höchsten Stufe der Widerstandskraft zu halten verpflichtet ist.
Eins der seltensten Jubiläen, die Wohl jemals einem Sterblichen zu feiern beschieden sind, hat der Pastor zu Accum im Jeverlande gefeiert. Er beging nämlich am 10. Febr. d. I. in seinem 97. Lebensjahre sein 75jähriges Dienstjubiläum und ist dabei noch recht rüstig.
Italien.
Im Vatikan hat das angekündigte Consistorium stattgefnnden, in welchem 5 Cardinäle den Cardin als- hut erhielten und 48 Bischöfe ernannt wurden.
Schweiz.
Basel, 28. Febr.. Die „Basler Nachrichten" sind in der Lage, ans zuverlässiger Quelle die gestrige Behauptung des Petersburger Telegramms, betreffend Wem Sassulitsch dementiren zu können. Der Bundesrath hatte keine amtliche Kenntniß von dem Aufenthalt der Sassulitsch in der Schweiz und es ist auch kein Auslwserungbegehren gestellt worden. Die Sassulitsch habe sich zuerst in Genf und dann in Zürich aufgehalten. Es seien keine Mittheilungen über sie an die russische Polizei erfolgt. (N.-Ztg.) ,
Göschenen, 29. Febr. Der Durchschlag ist heute früh 11 Uhr 10 Minuten erfolgt. Jubelbe- grüßnng des Tunnelpersonals der beiden Seiten an der passirbaren Oeffnung. Ansprache des Tunnel- inspektvrs Kaufmann. Zusammentreffen in Axe und Höhe ganz genau. Sofort starke Luftströmung von Noed nach Süd eingetreten. Medaillenvertheilung an die Arbeiter auf Tribünen unter Flaggen der drei Staaten. Herrliches Wetter. Festbankett Mittwoch in Airvlo. (Schw. M.)
Frankreich.
Paris. Die Spionenriecherei ist in Frankreich wieder an der Tagesordnung. Nachdem am 11. Febr. in Pnylaurens (Departement Tarn), wie schon gemeldet, zwei preußische Offiziere, welche Pläne und Skizzen angefertigt haben sollten, vom Maire verhaftet, dann aber, als sie sich als ein Maler und ein Handlnngsreisender entpuppten, vom Präfekten entlassen worden, wird nun abermals die Arreti- rung eines deutschen Offiziers gemeldet, der in der Nähe von Reims in üaAranti ertappt wurde, als er die photographische Aufnahme der neuen Festungswerke versuchte. Eine Schildwache auf Fort Bossu soll den Spion bemerkt und dingfest gemacht haben. Wie übrigens ein Correspondent des „Berl. Tagebl." von antorisirter französischer Seite hört, ist auch an dieser zweiten Geschichte kein wahres Wort. Daß die Pariser Presse die falsche Meldung zu Allarmartikeln ausbeutet, versteht sich von selbst. Selbst der als officiös geltende „National" schildert in tendenziöser Weise, daß die französische Grenzbevölkerung in der höchsten Aufregung sich befinde, weil in der Champagne, Franche-Comto und in Franzis - sisch-Lothringen zahlreiche Briefe befreundeter deutscher Offiziere cirkuliren sollen, welche ankündigen, daß in der deutschen Armee man sich offen auf einen neuen Feldzug vorbereite und daß bei den Regimentern neue Karten des deutschen Reichs vertheilt werden, auf denen die Stadt Dijon zu Deutschland geschlagen ist. In der Gegend von Langres und Dijon sieht man laut dem „National" auch massenhaft fremde Offiziere, „die nicht bloß zum Vergnügen reisen."
Der Ferry'sche Gesetzentwurf, welcher für Frankreich die Bedeutung der vielberüchtigten Maigesetze in Deutschland besitzt, kann so sicher wie Amen in der Kirche als angenommen gelten, nachdem jüngst die Hauptberathungen beendet worden sind. Zwar bietet die katholische Geistlichkeit alles Mögliche auf, den verhaßten Gesetzentwurf zu bekämpfen, allein sie trägt sich bereits jetzt selbst mit dein Bewußtsein, daß es ihr wenig nützen werde.
Ein probates Wittel, dem Besuch der Wirthshüuser während des Gottesdienstes Einhalt zu thun, hat eine Behörde in Frankreich erfunden. Sie machte bekannt: „Alle Zechgäste, welche an Sonn- und Festtagen während der Messe und Vesper in den Wirthshäuser» sich befinden, sind berechtigt, fortzugehen, ohne die Zeche zu bezahlen." Das Mittel half, die Wirthe gaben nichts mehr her.
Rußland.
St. Petersburg, 2. März. Der „Regierungsbote" bringt an seiner Spitze ein vom 22. Februar datirtes, von Fürst Bismarck kontrasignirtes Schreiben des Kaisers Wilhelm an den russischen Kaiser, besagend: „Die bevorstehende Wiederkehr des Tages, an dem Eure Majestät vor 25 Jahren die
Regierung angetreten haben, bietet Mir den erwünschten Anlaß, Meiner Freude darüber Ausdruck zu geben, daß die Freundschaft, die unsere in Gott ruhenden Väter verband, sich auch in unseren gegenseitigen Beziehungen bewährt hat. Im Rückblick auf die Zeit, in der sich diese Freundschaft bewährt hat, finde Ich die Zuversicht, daß sie bis an Mein Lebensende ungetrübt bestehen wird. Für Eure Majestät aber erflehe Ich von Gott, daß sein Schutz, der Sie in diesem Jahre und noch in diesen Tagen wunderbar behütet hat, Hvchdieselben Ihren Völkern und der Mission segensreichen Wirkens, welche die Vorsehung in Ihre Hand gelegt, noch lange erhalten möge. Mit besonderem Vergnügen benütze Ich diese für Hvchdieselben und Hochdero kaiserliches Haus so erfreuliche Gelegenheit, um die Versicherung Meiner wahren Hochachtung und unwandelbaren Freundschaft zu erneuern. Wilhelm."
Petersburg, 2. März, lim 10 Uhr Ständchen vor dem Winterpalais. Eine unabsehbare Volksmenge füllte beide Plätze vor dem Palais an. Der Kaiser erschien 100i auf dem Balkon, von Soldaten und der Volksmenge mit unbeschreiblichem Jubel empfangen. Er verweilte etwa eine halbe Stunde auf dem Balkon, fortgesetzt von freudigen Zurufen und Segenswünschen der zahllosen Menschenmenge begrüßt. Während die Musikkorps die Hymne: „Gott erhalte den Czaren" spielten, wurden 101 Kanonenschüsse gelöst. Zugleich begannen die Glocken sämmtlicher Kirchen zu läuten. Gegenwärtig (1W/s Uhr) beginnt in der Kirche des Winterpalais der Festgottesdienst. Die Stadt ist bis in die entlegensten Theile reich mit Flaggen geschmückt.
Petersburg, 2. März. Nach dem Dankgottesdienst in der Kapelle des Winterpalais fand Empfangscour statt. Das diplomatische Korps war vollständig erschienen. Beiin Erscheinen des Kaisers auf dem Balkon am Morgen war Großfürstin-Thronfolger an seiner Seite. Die Großfürstin macht gc- wissermassen die Honneurs an Stelle der leidenden Kaiserin. (Schw. B.)
Türkei.
Konsiantinopel, 29. Febr. Auf den russischen Botschaftsrath Orow und den Oberst Comaroff wurde während eines Spazierrittes von zwei Individuen in unmittelbarster Nähe geschossen, nur das Pferd Comaroff's wurde verwundet. Die Verbrecher s ind entkommen. _ (W. L.)
Telegramm.
Nagold, 3. März, 1 Uhr 50 Min. Nachmittags. Brüssel. Gestern Abend nach Schluß der Vorstellung im Theater Mannain erfolgte, als der Hoswngen der Königin um die Ecke Rue Ecuguer bog, eine heftige Detonation. Das Gerücht ist verbreitet, es sei auf den Königinwagen geschossen worden; sofortige Untersuchung ergab, daß ein Individuum eine Petarde geworfen.
^4 ^ Kandel L Jerkehr.
Altcnstaig Stadt, 29. Februar. Die beute im Sternen hier abgehaltene Generalversammlung der h. Handwerkerbank (gegründet 12. Febr. 1868) ergab Folgendes: Einnahmen: Kassenbestand am 1. Jan. 1879: 11530,77 „6, Eintrittsgelder 102,00 „6, Monatseinlagen 17298,00 Zil, zurückerhaltene Vorschüsse nebst Zinsen und Provisionen 474047,50 ^6, auf- acnommenc Aulehen 118353,00 „6, Ersatzposten 21,63 Summa 621352,90 ^6 Ausgaben: Steuern 327,89 „6, Porto, Druck-, Berwaltungskosten re. 2284,26 ^6, ausbezahlte Dividenden 6536,15 „6, ausbczahlte Einlagen 6991,24 „6, ver- willigtc Vorschüsse 403865,91 „6, heimbezahlle Anlehen nebst Zinsen 183455,37 ^6, Ersatzposten 54,44 «6, Kassenbestand am 31 Dez. 1879 12837,64 „6 Summa 621352,90 Gesamtumsatz, einschließlich 226960-6 Prolongationen: 1456828,16 Mark. Vom Reingewinn mit 7326,71 „6 erhält der Verwaltungsrath als Tantieme 6vjg, der Reservefond ca. 500 ^6, der Rest trägt eine Dividende von 7»/„. Allgemeine Mittheilungen: An Zinsen werden erhoben: bei Vorschüssen auf laufendende Rechnung oder auf bestimmte Zeit 5chg, Berzugs- zinse 7<hg, Zinse werden vergütet: aus den Einlagen auf Conto-Corrent 4»jg, aus Darlehen unter 6 Monat 3chy, aus Darlehen auf 6 oder mehr Monate 4chg. a) Bestimmt wurde, daß vom 1. Juli 1880 an die laufenden Einlagen dividenden- bercchtigt sein sollen, b) daß das Maximum des dividendenberechtigten Guthabens ans 1000 ^6 fcstgestellt und o) weiter bestimmt werden solle, daß die Mehrcinlagen eine Dividende oder einen Zins von 5"/g erhalten sollen, wenn nicht vorgezogen wird, dieses Mehr znrückzuziehen — Für den ausgetretenen Vorstand, Hr. Stadtschnlthciß Richter, wurde Hr. Amtsnotar Dengler, als Controlcure Hr. Kaufmann Burghard und Hr. Hvlzhändler Maier, in den Bcrwaltnngsrath „die Alten" gcwähli. Anwesend waren ca. 100 Mitglieder von 263.