Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt sür den Oberamts-Bezirk Nagold.
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Samstag den 29. November.
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_ Redaktion des Gesellschafters.
Tages-Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
Stuttgart. Wie das N. T. aus zuverlässiger Quelle erfährt, hat Herr Hotelbesitzer Silber das Gebäude der Volksbank, Dorotheenstraße Nr. 6, um den Preis von 115,000 gekauft, in der Absicht, sein Hotel zu vergrößern und im Parterre ein feines Cafb- und Bierlokal zu errichten.
Stuttgart. Der Prozeß Hackländer, welcher so lange Stoff zu müßigem Gerede abgeben mußte, ist nunmehr definitiv und in höchster Instanz dahin entschieden, daß durch die Gnade des Königs zwei Drittheil der auf ca. 140,000 ^ veranschlagten Strafe nachgelassen worden sind.
Stuttgart, 27. Nov. Fürst Gortschakoff hat nach zweitägigem Aufenthalte heute Mittag 12 Uhr seine Reise fortgesetzt. (Fr. I.)
Wildbad, 25. Nov. Gestern kam Herr Kom- merzienrath Krupp mit Begleitung und Bedienung von Essen zum Kurgebrauche hier an. Derselbe nahm Absteigquartier im Hotel Klumpp.
G Rottweil, 28. Novbr. (Strafkammer.) Der Viehhändler Simon Ullmann von Rottweil wurde heute wegen eines Vergehens des Betrugs zu zwei Monaten Gesäng- mß, 500 Geldstrafe, im Falle der Uneinbringlichkeit der letzteren zu weiteren 6 Wochen Gefängniß und 80 Gerichts- gebiihr, Taglöhner Carl Hummel von Dietingen wegen Beihilfe zu diesem Betrug zu 4 Wochen Gefängniß verurtheilt. Der Fall verdient, wegen der Raffinirtheit des Betrugs, in weiteren Kreisen bekannt zu werden. Ullmann übernahm im Wege des Tausches von einem Maurer in Rottweil eine Kuh, die ihm ausdrücklich als mit einem bedenklichen Husten behaftet bezeichnet worden war, um 120—130 am selben Tage noch verbrachte er sie nach dem l/z Stunde entfernten Altstadt- Rottweil und stellte sie einem Küfer Maier in den Stall, von dem er wußte, daß er eine Kuh kaufen wolle. Die Bedenken des Maier wegen des Hustens und des schlechten Aussehens der Kuh wußte Ullmann zu beschwichtigen durch das Vorbringen, er bringe die Kuh eben von der Bahn, er habe sie in Bräunlingen in Baden gekauft, wenn die Kuh sich von der weiten Reise erholt habe, werde sic ganz recht sein. Am andern Tag kam wie zufällig der Mitangeklagte Hummel in das Haus des Maier, kaufte in dessen Kramladen einige Cigarren, sprach davon, er habe an Ullmann eine Kuh verkauft, er sei von Bräunlingen, Ullmann habe ihm aus Verseheik an dem Kaufpreis von 200 4L 10 zu wenig gegeben, die er jetzt holen wolle. Als Maier dem Hummel sagte, er habe von Ullmann eine Kuh im Stall, die dieser von Bräunlingen gebracht habe und dem Hummel die Kuh zeigte, bezeichnet«: Hummel diese sofort als die von ihm an Ullmann verkaufte, brach in Lobes-Erhebnngen über die Kuh aus, versicherte, Ullmann habe ihm solche um 200 4L abgekaust. An demselben Tage Nachmittags kam Ullmann zu Maier und bestimmte diesen, der durch das erlogene Vorbringen Hummel's getäuscht war, ihm die Kuh um 180 4L abzukaufen, das Befinden der Kuh besserte sich nicht, die Sachverständigen bezeichnen sie als lungenkrank und nur 90 -100 4L werth. Das Gericht verwarf die Einrede des Verlheidigers, daß in der Handlungsweise des Ullmann nur erlaubte Anpreisungen, wie sie bei jedem Handel Vorkommen, liegen, erblickte vielmehr hierin den Thatbcstand eines Betrugs, in dem Verhalten des Hummel den einer Beihilfe zum Betrug und erkannte wie Eingangs erwähnt.
Murrhardt. 25. Nov. Ein um Stadt und Bezirk verdienter Mann, der frühere Landtagsabg. Nägele, ist heute nach langer Kränklichkeit gestorben.
Dem „Werdauer Wochenbl." entnehmen wir folgende Zeilen: „In Mülsen St. Jakob ist am 11. d. der Weber Fr. Klitsch in seiner Wohnung verhungert. Man schreibt von dort, daß er zu denen gehörte, welche sich noch scheuen, das Brod vor den Thüren zu suchen. Es sind, wie sich nunmehr durch
Aussage seines hinterlassenen zwölfjährigen Knaben herausstellt, oft Tage vergangen, ohne daß er den Hunger stillen konnte."
Berlin, 27. Novbr. Die Gräfin Rantzau, Tochter des Fürsten Bismarck, ist vorige Nacht von einem Knaben entbunden worden. (Fr. I.)
Berlin, 27. Nov. Der Kronprinz traf heute Mittag 12^/- Uhr hier ein. (Fr. I.)
Generalpostmeister Stephan hat sich nach Var- zin zum Reichskanzler begeben. Man bringt diese Reise mit der reichsgesetzlichen Regelung gewisser Clasfen des Versicherungswesens in Verbindung, und glaubt auch, daß Hr. Stephan in Sachen des Gesetzes über die Eisenbahntarifc gehört werden würde. Dieses Gesetz wird dem Reichstag in nächster Session zngehen.
Der Bundcsrath wird (so schreibt die „Nat.-Z.") im Dez. und Jan. eine ganz besondere Thätigkcit zu entfalten haben, da es in der Absicht liegt, den Reichstag möglichst früh, d. h. in den ersten Tagen des Februar zu berufen. Für den nächsten Reichstag sind mit Bestimmtheit zu erwarten neben dem Budget das Gesetz über die Verlängerung der Etatsund Legislaturperioden, die Brausteuer, die Börsensteuer und mit ziemlicher Gewißheit das Gesetz über die Eisenbahntarife, ganz abgesehen von der Möglichkeit der Einbringung des Versicherungsgesetzes. Von anderer Seite berichtet man, daß es in der Absicht der Reichsregierung liege, dem nächsten Reichstage den Entwurf eines Reichsmilitärgesetzes und zwar (mit der Forderung eines erhöhten Friedenspräsenzstandes der Armee vorzulegen. Das gegenwärtig geltende Gesetz ist, wie bekannt, nur bis zum Jahre 1881 in Giltigkeit. Ferner beabsichtigt die Reichsregierung, bereits dem nächsten Reichstage eine Vorlage zu unterbreiten, welche die Verlängerung des Sozialistengesetzes bezweckt. Dasselbe hat nur bis zum 31. März 1881 Giltigkeit; man glaubt aber in maßgebenden Kreisen auch nach dem angedeuteten Termin unter keinen Umstünden der Waffen, die das Gesetz den Behörden in die Hand gibt, im Kampfe gegen die Bestrebungen der Sozialdemokratie entbehren zu können. Der Reichshaushaltsetat für 1880 bis 81 ist bereits in allen seinen Theilen festgestellt, aber noch nicht definitiv abgeschlossen. Es ist der erste Etat, der vom Reichsschatzamt ausgearbeitet ist und vom Unterstaatssekrekär desselben, Scholz, eingebracht und vertreten werden wird.
Deutschland besitzt die schwerwiegendsten Interessen daran, in Südostafrika festen Fuß zu fassen. Namhafte Autoritäten, wie Ernst v. Weber treten auf Grund langjähriger Erfahrungen in Südafrika mit aller Entschiedenheit für Erwerbung einiger Punkte auf der Ost- wie Westküste von Afrika von Seiten Deutschlands zur Anlegung von Handelssactoreien ein. Schon vor mehr als vier Jahren hatte Ernst v. Weber, welcher damals für Erwerbung der Dela- goa-Bai und die allmälige Sicherung der Herrschaft in Transvaal begeistert war, seiner Idee über Gründung eines deutsch-afrikanischen Zukunftsreiches in einer Denkschrift Ausdruck gegeben, die er im März 1875 von Südafrika aus an den Kaiser und den Fürsten Bismarck sandte. Diese Eingabe, welche vom patriotischen Geiste beseelt war, hatte nur den Erfolg , daß der Reichskanzler ihm für seine vaterländische Gesinnung volle Anerkennung aussprach, jedoch seitens der Regierung ein Entgegenkommen gegen seine Projecte nicht in Aussicht stellte. Angesichts der immer näher rückenden Aussicht eines vollständigen Aufgehens in das britische Colonialreich in Ssid- Äfrika, welches dadurch die Oberhand auf dem gan
zen afrikanischen Continente sich sichert, richtet Ernst v. Weber seine Ermahnungen an das deutsche Volk, damit es ohne Rücksicht auf Staatshülfe kräftigst selbst Hand anlege und eine Kette deutscher Handelsstationen am Sambesi errichte, wohin sich die von den Engländern vertriebenen Bocrs zurückziehen und verstärkt durch arbeitsame deutsche Auswanderer ein neues unabhängiges Reich begründen können.
Man sollte nicht meinen, daß in Berlin, der „Metropole der Intelligenz", so krosser Aberglaube herrschte, wie aus folgender Mitiheilung des „Börsen-Cour." hervorgeht: „Vor Kurzem hatte sich in einem Hanse der Friedrichstadt ein Arbeiter erhängt. Etwa 4 Tage später, nachdem der Selbstmörder beerdigt war, erschien bei der Wittwe desselben eine feine gebildete Dame von eleganter Haltung. Die Dame schien sehr verlegen; sie wünschte die Wittwe zu sprechen. Sie wolle nur - sagte sie — anfragen, ob die Wittwe sich vielleicht noch im Besitze des Strickes befinde, an dem sich der Mann aufge- hüngt habe. Wenn dies der Fall sei, bitte sie, gegen anständige Bezahlung, um Ueberlassnng der hänfenen Schnur. Als die Wittwe bejahte, gleichzeitig aber auch anfragte, zu welchem Zwecke die Dame den Strick haben wolle, äußerte sich dieselbe wörtlich dahin: „Eine alte Frau hat mir gerathen, ich müsse stets ein Endchen von einem Stricke eines Erhängten bei mir tragen, dann werde mein Geliebter, der mich verlassen, wieder zu mir zurückkehrcn und das Glück mir stets hold bleiben". Die Wittwe schüttelte freilich den Kopf bei diesen Worten, holte aber eine Zuckerhutschnur hervor - angeblich den Strick des Gehängten — und händigte den Talisman der Dame ein, welche der Wittwe ein Zwanzigmarkstück dafür schenkte. So geschehen im November des Jahres 1879!
Oesterreich—Ungarn.
Wien. Meldungen über ungewöhnlich starke Ansammlungen russischer Truppen in Polen sind durch ein sehr kategorischer und sowohl nach Berlin wie nach Wien gerichtetes offizielles Petersburger Dementi erledigt.
Pest, 20. Nov. In Debreczin wurden dieser Tage 2 übel berüchtigte Frauenzimmer wegen eines ihnen zur Last gelegten Diebstahles eingezogen, bei welcher Gelegenheit die Eine der Beschuldigten ein umfassendes Geständniß über einen vor 3 Jahren verübten Raubmord ablegte. Ein Reisender deutscher Zunge, der im Sommer 1876 nach Debreczin kam, hatte Abends einen Spaziergang unternommen, auf welchem sich ihm 3 Dirnen anschlossen, welche sich in ein Gespräch einlassend, ihn durch die Szechenyi- gasse zwischen die Gärten hinauslockten. An einer einsamen Stelle übersielen die Dirnen von rückwärts den nichts Böses ahnenden Fremden und erdrosselten ihn mit Beihilfe der Dritten. Nachdem sie ihn feiner Barschaft von 300 fl. beraubt hatten, hängten sie den Ermordeten an einem nahen Gartenzaune auf. Die Polizei setzte die Untersuchung in dieser Angelegenheit fort und soll auch die andere Verhaftete ihrer Mitschuld bereits geständig sein.
Frankreich.
Neber den Gesundheitszustand des Prinzen Napoleon lauten die Nachrichten ungünstig. Der Prinz lautet an Diabetes (Zuckerharnruhr), zu der noch anderweitige Komplikationen hinzugetreten sind.
Die französische Regierung hat Ursache, mit dem Ergebniß des Besuchs des Grafen de St. Ballier in Varzin zufrieden zn sein. Nicht nur werde der französische Botschafter von Fürst Bismarck persönlich in sehr artiger und freundlicher Weise empfangen, sondern der deutsche Reichskanzler machte ihn mit den zwischen Oestreich und Deutschland geschlossenen Abmachungen bekannt. Die Herrn de St. Ballier mitgetheilte Informationen sind dazu angethan, den Glauben zu bestärken, daß die zwischen den beiden Reichen getroffene Verständigung in keiner Weise gegen Frankreich gerichtet sei, und daß zwischen Deutschland und Oestreich kein Alliancevertrag bestehe, durch welche eine Macht die Aneignung fremden Gebietes der anderen garantirt.