und Polizeipräsidenten empfangen worden und im königlichen Wagen nach dem russischen Botschaftshotel gefahren. Der Großfürst hatte jeden offiziellen Empfang verbeten und empfängt auch die zum Ehrendienst befohlenen Personen erst im Botschaftshotel.
Berlin, 19. Nov. Im Laufe des Nachmittag fuhr der russische Thronfolger bei dem türkischen, französischen, österreichischen und englischen Botschafter und beim Feldmarschall Moltke vor. Der Kaiser, das Großfürstenpaar und die preußischen Prinzen wohnten der heutigen Opernvorstellung bei.
Die christlich-soziale Agitation (so schreibt die Nat.lib. Korr.) hat zum neuesten Gegenstand ihrer Angriffe sich die „schlechte Presse" erwählt. Wenn man die Auseinandersetzungen des Hofpredigers Stöcker hört, so sollte man glauben, wir leben in einer Zeitungswelt, nicht nur von bodenloser Unkenntniß und Oberflächlichkeit, sondern auch von den verwerflichsten und sittenlosesten Bestrebungen, in einer Zeitungswelt, deren vorzüglichstes Bemühen es ist, alle staatlichen, sittlichen, religiösen Einrichtungen in den Koth zu ziehen. Reichsbote und Kreuz,ztg. fast allein bilden in diesem allgemeinen Verderbnis; rühmliche Ausnahmen. Und wie will Herr Stöcker diesen betrübenden Erscheinungen entgegentreten? Er will beim Landtag (!) um Verschärfung der Preßgesctze petitioniren; er will die Strafbestimmungen gegen Preßbeleidigungen verschärfen, er fordert die obligatorische Unterzeichnung aller größeren Artikel mit dem Namen des Verfassers ic. Wahrhaft kindliche Mittel der Abwehr, wenn wirklich ein solcher Nothstand in der deutschen Presse vorläge, wie Stöcker behauptet! In der That aber muß jeder billige und gerechte Beurtheiler zugeben, daß die deutsche Zeitungspresse im großen Ganzen sich vor der Presse aller andern Länder auszeichnet, nicht durch äußern Glanz, wohl aber durch Ehrenhaftigkeit der Gesinnung, Ucberzeu- gungstreue und ernstes geistiges und sittliches Streben. Aus keiner Presse der Welt wird man so viel gediegene sachliche Belehrung und ernste Anregung schöpfen können, als aus den meisten, oft äußerlich recht unscheinbaren deutschen Blättern. Eine professionsmüßige Skandal- und Revolvcrjournalistik, die sonst allerwärts zu den Auswüchsen der TageSpresse gehört, existirt nirgends in Deutschland; vor einigen Jahren war einmal ein vielversprechender Anfang dazu gemacht; der reichte aber mit seinen Fäden weit mehr in christlich-soziale als in liberale Kreise.
Die „tragenden Kühe mit dem Rosenstock auf dem Kopse", wie eine Petersburger Zeitung die deutschen Frauen genannt hat, haben ihren Ritter- gesunden. In Berlin setzte sich Jemand sofort hin und schickte dem betr. Redacteur folgenden Brief: „Berlin, 30. Okt. Es ist Ihr Glück, Herr R., daß Sie in einer von Berlin entfernten Stadt wohnen; denn sonst würde ich Sie für Ihren nichtswürdigen Artikel über die deutschen Frauen exemplarisch bestrafen. Da ich aber in Folge der uns trennenden Entfernung dies nicht thun kann, so betrachten Sie sich als von mir gehörig gezüchtigt. B. Nochstetter, Oranienstraße 22." Er erhielt folgende Antwort: „Geehrter Herr! In demselben Augenblicke, da Sie Ihren Stock gegen mich erhoben, gelang es mir, einen Revolver aus der Tasche zu ziehen und Sie stehenden Fußes zu erschießen. Ich ersuche Sie deß- halb, sich als erschossen zu betrachten. Meine Adresse: Petersburg, Wladimirskaja 14."
Oesterreich—Ungarn.
sLynchjustiz.j Ein bemerkenswerther Fall von Lynchjustiz unter den Bauern wird dem „Ssibir" aus dem Turins- kischen Kreise gemeldet. In einem in diesem Kreise gelegenen Dorfe drohte ein Bauer, er würde das ganze Dorf in Brand stecken. Als dieses bekannt wurde, versammelten sich die übrigen Bauern und beschlossen, den Manu, der die Drohung ausgesprochen, zu ertränken. Das grausame Urtheil wurde auch sofort ausgeführt.
Frankreich.
Paris, 15. Nov. Bis heute Mittag waren 364 Bäcker auf den von den Gesellen in ihrem Meeting sormulirten höheren Tarif eingegangen nnd weitere Beitrittserklärungen stehen in Aussicht. Man zählt in Paris im Ganzen 1700 etablirte Bäcker. Die Gesellen haben übrigens da, wo der Tarif nicht gewährt wurde, nicht ihre Arbeiten eingestellt, sondern nur den Dienst verlassen und einen Nachfolger geboten, meistens also nur ihren Platz gewechselt. Dieser den Arbeitgebern natürlich sehr unbequeme Wechsel soll alle 24 Stunden erneuert werden und nach der Meinung der Gesellen dieselbe Wirkung üben, wie ein eigentlicher Strike. — Der Tischlerstrike
neigt seinem Ende zu und zwar behaupten die Meister das Feld: von 20000 haben schon über 10000 die Arbeiten wieder ausgenommen.
In Frankreich strebt angesichts der herannahenden Wiedereröffnung der Kammern Alles fortgesetzt nach Einigung; die beiden maßgebendsten Präsidenten, derjenige der Republik und derjenige der Depu- tirtenkammer, hatten eine mehr als einstündige Unterredung und sollen über alle wichtigen Fragen nunmehr vollkommen cl'sooorcl sein. Die allgemeine Begnadigung wird mit großer Majorität verworfen werden, der Ferry'sche Artikel 7 soll, wenn auch vielleicht nach harten Kämpfen sdurchgesetzt werden, die Hauptleute der Infanterie sollen Pferde erhalten und was dergleichen Einzelbestimmungen mehr sind, über die sich die Gemüther der Deputaten wie der Senatoren zum Theil mehr als nöthig erhitzen werden. Die republikanischen Organe, die nicht müde werden, die Vorzüge der gegenwärtigen inneren Situation Frankreichs in den blühendsten Farben zu schildern,- behaupten, daß es sonst ganz friedfertig in Frankreich zugehe.
Die letzte Börsenpanik in Paris wird von deA Blättern den Preußen zugeschrieben. Es sollen, so schreiben die Blätter, und so schreit es das Publikum nach, deutsche Spekulanten gewesen sein, welche die Kurse so zum Stürzen gebracht haben, und die sich auf Kosten des guten Ansehens der Republik die Taschen füllen wollten. Das sei die Jmmoralität und den Skandal auf die Spitze getrieben! Ganz Frankreich zeige sich wuthentbrannt darüber; Herr Grövy müsse eine Enquete einleiten lassen, die ohne Zweifel ergeben werde, daß die Verkäufer der franz. Rente, die Chefs der Baisse, alle Deutsche seien; die Namen der „Verlästerer der französischen Fonds" müßten der öffentlichen Verachtung preisgegebcn werden w. Nichts ist zu einfältig, als daß es nicht Glauben fände, wenn nur die „PrussieuS" dabei die Hände im Spiel haben sollen.
In einer Versammlung in Batignolles hielt der nicht bestätigte Gemeinden,th Humbert am Sonntag eine Rede zmn Besten der Wiltwen der Deportirten. Dabei erzählte er seine Leidensgeschichte nnd zeigte u. a. die Danmschranven, die man den Galeerensträflingen anlege, nm sie znm Geständnis; zn bringen. Mehreren derselben habe man den Danmen abge- zwiclt. Die Rede wnrde mit stürmischen Znrnsen ausgenommen nnd die Versammlung trennte sich unter dem Rufe: „Es lebe Humbert! Es lebe die Amnestie!" Was an den Erzählungen Hnmberts über die grausame Behandlung der Galeerensträflingen ist, wird der Ausschuß untersuchen, den der Marincminister ernannt hat, um in Neukaledonien diese Frage einer näheren Prüfung zn unterwerfen. Der „National" meint, daß eine solche „Enquete" ganz unnütz sei, „da es feststehe, daß man die Galeerensträflinge ans unmenschliche Weise behandle". Um dies darzuthun, veröffentlicht er eine Reihe von Briefen, ans denen hervorgeht, daß man nicht allein die Daumschrauben anwendet, sondern auch für das geringste Vergehen das Aus- peitschen anordnet. Ans einmal kann man nicht weiter als 25 Hiebe crtheilcn; bei vielen Berurtheilten muß schon beim achten Hieb das Peitschen eingestellt werden, weil der neunte den Tod zur Folge haben würde. Und doch wurden Sträflinge bis zu 250 Hieben verurtheilt. Nach jeden 25 Hiebe» werden sie dann in eine Zelle gebracht und erhalten, wenn sie wieder hergestcllt sind, weitere 25 Hiebe, bis sie ihre volle Strafe haben. Sträflinge suchten der Marter dadurch zu entgehen, daß sie einen Mord begingen: sic wurden daun nämlich nicht mehr gepeitscht, sondern hingcrichlct. Humbert maß die Schuld an dieser schlechten Behandlung dem Bischof von Vitt und den Maristcn- Mönchcn bei, welche die Herren auf der Insel spielen. Hier ertönten vielfach die Rufe: „Nieder mit dem Papstthum! Nieder mit den Mönchen! man muß sie verbrennen!" worauf der Präsident erwiderte: „Was Ihr laut sagt, Jedermann denkt es; es ist also unnütz cs zu sagen."
England.
London, 19. Nov. Reuter's Bureau meldet aus Konstantinopel: Der Sultan genehmigte das von der Pforte vorgelegte Reformprojekt für die europäischen und asiatischen Provinzen der Türkei, die Ausführung sollen Provinzialkommisstonen überwachen. Der Sultan anerkannte das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit, der Botschafter Mu- surus telegraphirte der Pforte: Salisbury sei von seinen Erklärungen befriedigt, er glaube, er habe Salisbury auch von der Unbegründetheit des Gerüchtes, betreffend eine Annäherung der Türkei an Rußland überzeugt. (N. T.)
Kaum ist der Zulu-Krieg zu Ende geführt, so sehen sich die Engländer einer neuen Verwicklung in Süd-Afrika gegegenüber. Den Boers der annectirten Republik Transvaal war es sehr willkommen, daß Englaiids Macht sie von ihren Bedrängern aus dem Zulu-Lande befreite, und sie haben ihr auch Heerfolge geleistet, aber sie erheben von neuem Protest gegen die Besitznahme ihres Landes. Sie verweigern die Zählung der Stenern; ihre Richter weigern sich im
Namen der Königin Recht zu sprechen, und als die Engländer die Pression ausübten, jedem Boer, der seine Steuerquittung nicht vorzeigen könnte, den Ankauf von Waffen und Munition zu verweigern, haben diese sich mit Gewalt solcher Vorräthe bemächtigt, gleichzeitig aber Summen Geldes in den Magazinen hinterlassen, um ihre That nicht als Raub erscheinen zu lassen. Die Boers halten Meetings, um sich über geeignete Maßregeln zum Widerstande zu berathen, und obgleich angesichts des ungeheuren Apparats, den man englischerseits zur Verfügung hat, ein solcher Widerstand als waghalsig und gänzlich aussichtslos erscheinen muß, so ist es doch, um ein schottisches Sprichwort zu gebrauchen, „ein weiter Ruf bis zur Themse", und die Macht und Kraft Britaniens, das über den ganzen Erdkreis für Hilfe zu Gunsten seiner Conolial-Länder zu sorgen hat, ist am Cap nur durch wenige, vom Zulu-Kriege erschöpfte Bataillone repräsentirt.
England steht, wenn nicht Alles täuscht, an der .Schwelle großer Ereignisse, indem es nach längerer .Zeit sich wieder ernstlicher in die orientalischen Wirren 'mischte. Das offenbare Hauptziel Englands gipfelt nur in dem Wunsche, das weitere Anschwellen der russischen Macht um jeden Preis zu verhindern. England ist überhaupt von jeher ein Gegner desjenigen Staates gewesen, der sich in Europa eine hervorragende Stellung verschaffen wollte. Die Kräfte der Staaten müssen sich unter einander die Waage halten und England selbst — nun das soll obenauf sein. Kraft dieser Grundsätze war England ein Gegner Ludwig XIV., ein Feind Friedrich des Großen, ein Feind Napoleon I. und ist jetzt ein Widersacher der russ. Weltmachtspolitik. Mit mathematischer Genauigkeit läßt sich vorausbestimmen, daß England dann wieder einer der eifrigsten Gegner des deutschen Reiches sein wird, wenn Letzteres seine Macht und seinen Einfluß über seine jetzigen Grenzen hinaus zu erweitern, sich etwa bestreben sollte. Für englische Staatsmänner kann cs darum gegenwärtig gar keine Frage sein, daß das beständige Anwachsen des russ. Riesenreiches die größte, um nicht zu sagen die einzige Gefahr des zertheilten und uneinigen Europas ist. Die Dinge haben sich seit dem Anfänge dieses Jahrhunderts, wo Schiller sang:
Zwei gewaltige Nationen ringen Um der Welt alleinigen Besitz,
sehr verändert. Damals war England und Frankreich gemeint, jetzt sind es England und Rußland. Und obgleich wir große Ursache haben, zu wünschen, daß es anders wäre, läßt sich doch nicht verkennen, daß England, die uns ungefährliche Macht, welches vermöge seiner insularen Lage gar nicht daran denken kann, in Europa Eroberungen zu machen, verhält- nißmäßig im Sinken seiner Macht begriffen ist, Rußland im Steigen.
Kandel L Werkeyr.
Stuttgart, 17. Nov. (Landesproduktenbörse.) An yeutiger Börse war das Geschäft bei unveränderten Preisen ziemlich rußig, indem sich die Umsätze auf den laufenden Bedarf beschränkten. Wir notircn per 100 Kilogramm: Walzen, bayer. -,4t 26—27, russ. -4L 26.50, amerik. 26.75, Kernen 25.60— 26.75, Dinkel „kä 16, Roggen, russ. 18.75, Kohlreps -.4L 24, Haber -4L 14.20—„4L 15. Mchlpreise per 100 Kilogramm: Nr. 1: -.4L 35.50—39.50, Nr. 2: „4L 35.50—36.50, Nr. 3: „4L 31—32, Nr. 4: „4L 26—27.
Mannheim, 17. Nov. Seit unserem letzten Berichte hat sich hier die Situation wenig verändert, trotzdem Newyork wieder steigende Preise meldet und auch die englischen, französischen und russischen Märkte fester und höher sind. Die Umsätze blieben hier klein: die Msthst„ sind für die nächste Zeit versorgt und da der Mehlabsatz gegenwärtig ein schwacher ist, so beobachten die Müller eine zuwartende Haltung. Gegenwärtig sind die Notirungen: Waizen amerik. Winter „4L 283/4, dtv. amerik. Sommer -4L 25yz, dto. Saxonska „4L 251/2—26, dto. nordd. „4L 251/4—26, dto. hierländischer -4L 26—27. Roggen hierläudischer „4L I81/2—19, dto. Champagner „4L 193/4 bis 20, dto. russ. „4L 171/4—131/2, Gerste Pfälzer 20—21, dto. badische „4L 191/2—20. Hafer badischer „4l 151/2, dto. württ. „4L 16, dto. Pfälzer „4L 143/4.
Mir meine erste Aielre endete.
Original-Humoreske von Robert Lemke.
Nachdruck verdaten.
„Warum sollte ich ?" hauchte sie mit hochklopfendem Busen. „Sie werden mir doch nichts zu Leide thun?"
„Und wenn ich doch", rief ich beherzt, sie umschlingend, „und wenn ich die Gelegenheit benutzte und einen Raub versuchte, der . . ."
„Um Gott, lassen Sie", lispelte sie kaum hörbar. „Man ruft uns!" Aber schon brannte der erste Kuß auf ihren gewährenden Lippen. „Fräulein Ro- salie!" ries es vom Saale, „Fräulein Rosalie, das Pfand, das Pfand!"