cobini in Gastein eingefunden hat, woselbst bekanntlich auch der Deutsche Reichskanzler sich aufhält, bleibt allen kühnen Schlußfolgerungen der weiteste Spielraum überlassen. Unterdeß hat der heilige Vater in Rom nicht verabsäumt, seinen eigenen Ansichten über Politik Ausdruck zu verschaffen. Wenn es nach seinem Willen ginge, müßte die Kirche eine viel größere Freiheit besitzen, ja sogar — was sehr bezeichnend ist — die Gesetze dürften nicht ohne die Anerkennung der Kirche gegeben werden, weil der Staatsbürger aus heiliger Scheu und nicht aus Furcht gehorchen müsse. Die Fürsten und die Völker werden von einem mächtigen und finsteren Ungewitter herumgeschleudert (Anspielung auf die Svcialisten!) und ruhig und sicher zu sammeln, so müsse man die Kirche wieder in jenen Zustand der Souveränctät, der Freiheit und der Unabhängigkeit zurückversetzten, in welchem sie wirksam ihre wohlthätigen Einflüsse zu Gunsten der menschlichen Gesellschaft entwickeln könne. Wir haben nur wenige — aber die gewichtigsten Punkte aus dem Gedankengange Leo's XIII. hervorgehobcn. Er sagt offen und klar, was er will und man weiß nun, was man eigentlich schon längst gewußt hat, daß der Staat ans solcher Grundlage zu einem dauernden Frieden mit der Kirche nicht gut kommen kann. Daß der Papst einmal seine Wünsche und Hoffnungen ausspricht, ist ihm nicht zu verübten, wir wollen aber bemerken, daß es jedem Anderen auch sehr angenehm wäre, die Weltordnung nach dem eigenen Jdcengange construiren und regieren zu können.
Moritz Basch erzählt in seinem Aufsatze: „Bismarck in Varz in" vielerlei Interessantes. Z. B: „Wir sprachen vom böhmischen Feldzug 1866: da erzählte Bismarck Folgendes: Im Kriegsrathc za Nikolsburg, der aas meiner stabe gehalten wurde, wollten die Anderen den Feldzug weiter fortsetzen, nach Ungarn hinein. Ich aber war dagegen — die Cholera, die ungarischen Steppen, die bedenkliche Frontveränderung, politische Rücksichten und — Anderes, was ich zu überlegen gab. Sie aber blieben dabei und vergebens sprach ich noch einmal gegen den Plan. Da ging ich aus der Stube hinaus in die Kammer, die blos durch einen Bretterverschlag getrennt war, schloß ab und warf mich auf's Bett, wo ich laut weinte vor nervöser Aufregung. Da wurden sie drüben nach einer Weile Alle still und die Sache unterblieb." Wieder an einem anderen Abend unterhielt man sich vom Ausgange des Krieges mit Frankreich und der Minister erzählte: „Der König wollte mir, als ich Fürst wurde, Eisah und Lothringen in's Wappen geben. Ich hätte aber lieber Schleswig-Holstein d'rin gehabt: denn das ist die
diplomatische Campagne, auf die ich am stolzesten bin."-
Eines Abends, nachdem er eine Weile vor sich hingesonnen hatte, klagte Bismarck, daß er von seiner politischen Thätigkeit wenig Freude und Befriedigung gehabt. Er habe damit Niemand glücklich gemacht, sagte er, sich selbst nicht, seine Familie nicht, auch Andere nicht. Wir protestirten. Er aber fuhr fort: „Wohl aber Viele unglücklich. Ohne mich hätte es drei große Kriege nicht gegeben, wären 80000 Menschen nicht umgekoni men, und Eltern, Brüder, Schwestern, Wittwcn trauerten nicht. Das habe ich indeß mit Gott abgemacht. Aber Freude habe ich wenig oder gar keine gehabt von Allem, was ich gethan habe, dagegen viel Verdruß, Sorge und Mühe," was er dann noch eine Zeit lang weiter ausfiihrtc. Wir schwiegen befremdet, aber ich hörte später, daß er in den letzten Jahren schon wiederholt sich in ähnlicher Weise geäußert habe. —
Münster. Großes Aufsehen erregt hier der so plötzliche Tod eines in den besten Jahren stehenden angesehenen Mannes. Anfangs hieß es, derselbe sei an der Unterleibs-Entzündung gestorben. Jetzt hat es sich jedoch herausgestellt, daß der Enschlafene sich wegen eines langjährigen Leidens mit einem Quacksalber in Holstein in Verbindung gesetzt hatte, von dem derselbe denn auch einige Pulver erhielt. Nach dem Tode, der vor 8 Tagen erfolgte, ist der Rest der Pulver von einem hiesigen Apotheker untersucht und in demselben eine so große Quantität von Arsenik gefunden worden', wie sie niemals verordnet werden darf. Wir sind gespannt darauf, wie sich die dunkle Geschichte aufklärt. Jedenfalls dient der vorliegende Fall zur Warnung für Kranke vor den gerade in neuerer Zeit sich bereit machenden Quacksalbern.
sKeine Tuberkulose mehr.j Von Innsbruck aus wird diese freudige überraschende Kunde der Welt mitgetheilt und zwar kommt dieselbe aus der Klinik des Professors Prokop v. Rokitansky, wecher im benzoesauren Natron das souveräne Gegengift gegen die Tuberkulose gefnnden haben will. Es wurden mehrere Beispiele von Kranken angeführt, die, bereits sehr herabgekommen, nach kurzem Aufenhalte und Anwendung des genannten Mittels im Spitale geheilt entlassen wurden. Die ärztliche Welt wird wohl diese Verheißung einer genaueren Prüfung unterziehen, so daß wir bald erfahren, ob und was an dieser Sache ernst zu nehmen.
Straß-urg, 21. Sept. Die erhebendste Kundgebung der Freude ützpr die Anwesenheit des Kaisers im Reichslandc war auf den heutigen Lag Vorbehalten. Bei dem Wcißthurm- thor hatte sich die jugendliche Bevölkerung des Kreises Erstem
zu einem stattlichen Aufzuge gesammelt. Der Zug wurde eröffnet durch berittene Musiker in altbäuerlicher Tracht und bestand selbst aus 130 stattlichen Reitern auf eleganten Pferden und 32 theils mit vier, theils mit sechs Pferden bespannten Wagen, auf dem etwa 450 Mädchen der Krcisorte in ihren Volkstrachten Platz genommen hatten. In den Zug waren außerdem Musik-Chöre aus Eistcin und Jllkirch eingereiht. Dieser festliche Zug bewegte sich im Zickzack durch die Hauptstraße» der Stadt nach der Wohnung des Kaisers. Hier an- gekommen begaben sich der Kreisdirektor Böhm und eine Deputation, bestehend aus dem Reichstags-Abgeordneten Dr. Rack von Benfeld, fünf Bürgermeistern und acht Mädchen, letztere in Elsässer Volkstracht zu dem Kaiser und der Kaiserin, um dieselben Namens des Kreises zu begrüßen. Der Kaiser und die Kaiserin sprachen ihren Dank aus, und richteten freundliche Worte an alle Mitglieder dieser Deputation. Insbesondere unterhielt sich die Kaiserin mit den Mädchen. Hierauf setzte sich der Zug in Bewegung. Der Kaiser, die Kaiserin, der Kronprinz, der Großherzög und die Grvßherzogin von Baden und die übrige» Fürstlichkeiten nahmen auf der Terrasse nach der Straße zu Platz. Es war ein erhebender Anblick, als Reiter und.Wagen in festlich gehaltenem Schritte desilirten, die schmucken Burschen zu Pferde dem Kaiser und der Kaiserin laute Hochs zuriefen und die lieblichen Mädchen ihre Grüße durch fröhliches schwenken der Sacktücher darbrachten. Eine solche freudige aus dem Herzen kommende Huldigung im alten, neuen Reichslande mußte wohlthuhend den Kaiser und die Kaiserin berühren, lockte sie doch manchem Zuschauer Thräncn in die Angen. Der Festzug bewegte sich sodann nach Tivoli, wo ein Festmahl von 500 Gedecken für die Theilnehmer bereitet war. Um 4 Uhr erfolgte die Rückfahrt nochmals an der Präfektur vorbei. Der Kaiser sah dem Zuge auch aus der Rückfahrt vom Balkon ans zu, begrüßt von tausendfältigem, sich stets erneuendem Hochrufen. Heute Abend findet bei dem Kaiser ein.Diner zu 130 Gedecken statt. Die Kaiserin und die Großherzogin von Baden reisen noch heute nach Baden ab.
Straß bürg. Die bei der Parade betheillgten Truppen waren folgendermaßen zusammengesetzt: 16 Bataillone preußischer Infanterie, rekrutirt auS Lauenburg, Schleswig-Holstein, Pommern, Schlesien, Brandenburg, Rheinland und Ostpreußen, 6 Bataillone Bayern, 3 Bataillone Würtemberger, 3 Bataillone Sachsen, 3 Bataillone Brannschweigcr, 35 Schwadronen preuß. Ulanen und Dragoner, 5 Schwadronen bayer. Chevaulegers, 1 badisches Pionier-Bataillon und 3 Artillerie-Regimenter.
— Einem Bericht der „Köln. Ztg." über die Parade entnehmen wir noch folgendes: Durch den vorgestrigen Regen war das Paradefeld grundlos aufgewcicht und so der Parademarsch grenzenlos erschwert. Als das erste Infanterie-Regiment defilirte, waren die weißen Paradehosen bis über die Knie mit Schmutz befleckt, und deutlich sah man, welche Anstrengung nöthig gewesen war, um bei jedem Schritt die Füße aus dem zähen Lehmboden zu ziehen. Alle Augenblicke blieben Stiefel im Schlamme stecken und in Strümpfen mußte Mancher vorbeimarschiren. Als der Kaiser dies sah, gab er Befehl, die verlorenen Stiefel zu sammeln, so daß bald eine Reihe aufgelesener Stiefel an der Seite des Paradeplatzes stand. Trotz solch unerhörter Bodenschwierigkeit desilirten die Truppen verhültnißmäßig ausgezeichnet, wenn auch natürlich ein ganz glatter Vorbeimarsch unmöglich war. Minder vortrefflich ausgebildete Truppen wären in gleichen Verhältnissen außer Rand und Band gcrathen. — Die auf den Tribünen zahlreich anwesenden Franzosen schauten mit getheilten Gefühlen aus die Parade. Die angeborene Vorliebe für militärische Schauspiele ließ sic oft in lautes unverhohlenes Entzücken ausbrechen, andererseits kam aber auch das Gefühl des Neids zum Ausdruck.
Metz, 22. Sept. Die Stadt ist bereits festlich geschmückt. Die Via trirmixllalw ist über einen Kilometer lang. Die „ Lothringer Zeitung" erfährt, daß der Kaiser schon am Dienstag Abend um 7Vi Uhr eintreffen und am Donnerstag um 2Vs Uhr Nachmittags abreisen werde. — Wie die „Nordd. Mg. Ztg." hört, wird die Begrüßung des Kaisers in Metz durch Spezialgesandte der Nachbarländer mit Rücksicht auf die nur kurz bemessene durch militärische Obliegenheiten ausgefüllte Dauer des kaiserlichen Aufenthalts in Metz auf Wunsch des Kaisers diesmal unterbleiben.
Oesterreich—Ungar«.
Wien, 22. Sept. Fürst Bismarck ist gestern Abend um 9 Uhr 50 Min. hier eingetroffen. Der Perron war von einem distinguirten Publikum auf's dichteste angefüllt. Prinz Reuß, der deutsche Generalkonsul Mallmann und das ganze deutsche Botschafterpersonal war am Bahnhof anwesend. Eine Viertelstunde vor Ankunft des Zuges trafen Andrassy und der vom Kaiser zur Begrüßung entsendete, dem Fürsten Bismarck zur Dienstleistung zugetheilte Hauptmann v. Steininger ein. Als der Zug einfuhr, erbrausten stürmische Hochrufe, welche andauerten, so lange die Familie des Fürsten im Bahnhof anwesend
war. Mit Fürst Bismarck kamen an die Fürstin, Graf Wilhelm, die Fürstin Odescalchi und die Gräfin Alten. Die Begrüßung zwischen Bismarck und Andrassy war eine überaus herzliche. Die Herrschaften verließen sodann den Bahnhof, die Fürstin Bismarck am Arme des Prinzen Reuß, Bismarck mit Andrassy in lebhaftem Gespräch, und begaben sich in vier Hofwagcn, in deren erstem die Fürstin Bismarck mit Prinz Reuß, im zweiten Andrassy mit Bismarck saßen, in das Hotel Imperiale. Das Publikum stand auf der Straße dichtgedrängt und begrüßte die Herschaften vor dem Hotel in lebhafter Weise.
Wien, 22. Sept. Fürst Bismarck konferirte heute fast 3 Stunden mit Andrassy und letzterer äußerte sich im höchsten Grade befriedigt von dem Resultat der Unterredung, welche ein vollständiges Ein verständlich Deutschlands und Oesterreichs in allen schwebenden Fragen und die Möglichkeit einer friedlichen Geltendmachung der Interessen beider Reiche ergab. Nach der Konferenz wurde Bismarck vom Kaiser empfangen. Andrassy und Bismarck besuchten zusammen den Grafen Taaffe und Baron Hay- merle. Der Kaiser machte Andrassy einen Besuch im Hotel. (Ldsztg.)
Wien, 23. Sept. Fürst Bismarck wurde gestern Nachm, in ^ständiger Audienz vom Kaiser empfangen. Nachm. 3 Uhr stattete der Kaiser Bismarck im Hotel einen Vsstündigen Besuch ab. Um 4Vs Uhr fand im Schönbrunner Schlosse Hoftafel statt, worauf der Kaiser, der Abends zur Jagd reiste, sich von Bismarck verabschiedete. (Ldsztg.)
Wien, 23. Sept. Aus guter Quelle verlautet: Fürst Bismarck und Graf Andrassy haben sich, um ein freundschaftliches Verhältniß zwischen Oesterreich- Ungarn und Deutschland auch auf dem Gebiete der materiellen Interessen zum Ausdrucke zu bringen, bei ihren PouparlerS prinzipiell geeinigt, möglichst weitgehende Tarifs- und Verkehrs-Erleichterungen zwischen beiden Staaten eintreten zu lassen, zu deren Vereinbarung spezielle Delegirte sogleich entsendet werden, um die betr. Vorlagen noch im Laufe des nächsten Jahres vor die Parlamente bringen zu können. Betont wird, daß das deutsch-österreichische Bündniß sich gegen Niemanden kehrt, sondern nur die Erhaltung des europäischen Friedens bezweckt: im Momente der Gefahr allerdings würde es sich in der gemeinsamen Abwehr der Gegener äußern, wie dies ja selbstverständlich ist.
Die Wiener Blätter geben ausführliche Beschreibungen von der Ankunft des Fürsten Bismarck. Die „Presse" sagt, noch nie sei einem auswärtigen Staatsmanne in Wien ein so warmer Empfang zu Theil geworden, wie er heute dem Fürsten Bismarck bereitet worden sei. In entschiedenster Weise wird erklärt, daß eS zu den schönen Errungenschaften der Bismarck'schen Politik gehöre, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Oesterreich und Deutschland auf dem Wege vertrauensvoller Gegenseitigkeit erreicht zu haben.
Pest, 23. Sept. Tisza reiste gestern Abend nach Wien ab; er besucht heute wahrscheinlich den Fürsten Bismarck.
Spanien.
Madrid, 21. Sept. In Katalonien ist eine 28 Köpfe zählende republikanische Bande aufgetaucht. Die Behörden leiteten eine energische Verfolgung derselben ein; 8 Mitglieder sind bereits verhaftet; Papiere, welche noch eine große Anzahl anderer Personen kompromittiren, fielen in die Hände der Regierung. England.
London, 22. Sept. Der Standard betont das herzlichste Einvernehmen Deutschlands mit Oesterreich. Es sei die beste Bürgschaft des europäischen Friedens. Ein gemeinschaftlicher Angriff Rußlands und Frankreichs auf Deutschland würde wahrscheinlich Oesterreich und England auf Deutschlands Leite ins Feld bringen.
Rußland.
Wir leben einmal in der Zeit literarischer Rücksichtslosigkeiten. Vornehmlich ist es die russische Presse, welche diesem Zweige schriftstellerischer Thätigkeit volle Würdigung widerfahren läßt. So bildet z. B. die blutige Niederlage der Engländer in Kabul für sie ein gefundenes Fressen. Zu ihrem Lieblingsthema gehört es. durchblicken zu lassen, daß es hier nicht so glatt abgehen werde, wie England wohl wünschen möchte. England mag es sich Wohl - sagen sie — bei dieser Gelegenheit einige Millionen Pfund-Sterling und einige Tausend Soldaten kosten