vvn mehr als 300 Wirthen dürste genügen, um alle Hungrigen und Durstigen, und wäre die Zahl noch so groß , zu befriedigen, wobei wir die Bemerkung nicht unterlassen wollen, daß die amtliche Controle über die Getränke aufs Gewissenhafteste ausgeübt wird. Auch ein Kletterbaum für Alt und Jung wird hener wieder aufgestellt. Neben einer sorgfältig ge­troffenen Auswahl in Schaubuden « Wahrsagerinnen und alle unmoralischen Schaustellungen sind nicht zugelassen« wird die über die Bvlkssesttage im Garten des Hotel Herrmann sich prodnzirende Ricc-Hagen- beck'sche Nubierkarawane mit 15 Nubiern, Elephanten, Dromedaren, Giraffen, Zebu, wilden Eseln :e. und einer großen ethnographischen Sammlung des Beleh­renden und Interessanten ungemein viel bieten. Und so können wir denn unsere Einladung zum Besuche des Volksfestes ergehen lassen unter der zuversicht­lichen Voraussicht, daß Niemand Neue empfinden wird, unserem Ruse Folge geleistet zu haben.

Untertürkheim, 18. Sept. Am 16. d. M. wurde nach demSch. M." hier durch Landjäger Bopp anS Cannstatt ein Stro hm er verhaftet, nach seinen. Papieren Faaß, Goldarbeitcr aus Kalmbach, O.A. Neuenbürg. Er betrug sich gegen den Land­jäger und einige anwesende Gemeinderathsmitglieder in der gröbsten Weise, schlug dem Landjäger in daS Gesicht, daß er blutete, weßhalb er an das K. Ober- amtsgerichr eingeliefert wurde. Nun stellt eS sich heraus, daß er ebne Zweifel einer von den zwei Burschen ist, welche in der Nacht zuvor eine ver- wittwete Wirthin in Enzweihingen ermordet und ansgeraubt hatten. Gestern wurde ein gleicher Strolch, zweifelsohne sein Mitgenosse, in dem be­nachbarten Orte Obertürkheim verhaftet und an das Gericht eingeliefert.

Spaichingen, 17. Sept. In Rathshausen starb in Folge des Genusses von Tollkirschen der 4jährige Sohn des E. Dannecker dahier eines schmerz­lichen Todes. In einem unbewachten Augenblicke lies das Kind vom Felde in den Wald, um da Him­beeren zu suchen, fand daselbst Tollkirschen in Menge und hat wahrscheinlich eine große Portion derselben verzehrt.

Neckargemünd, 10. Sept. Dem Weinhänd- ler Menzer dahier ist vom König von Griechenland der Erlöserorden verliehen worden als Anerkennung seiner Thätigteit für Einführung griechischer Weine in Deutschland.

Karlsruhe, 18. Septbr. Die gegen Jakob Brezing von Haiterbach wegen Ermordung des Jagdaufsehers Britsch von Pforzheim ausgesprochene Todesstrafe wurde durch die Gnade Sr. K. Hoheit des Großherzogs in lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewandelt.

Mainz, 15. Sept. An einem Kirschbaum in der Gmarkung Kastcl wurde gestern die zweite Ernte vorgenommen. Die Besitzerin des BanmcS erlöste von einem Engländer für das Pfund Kirschen 2 o/L

Mainz, 18. Sept. Ein hiesiger Volksschul- lehrer bemerkte in der letzten Zeit unter seinen Zög­lingen eine auffallende Trägheit und Unaufmerksam­keit beim Lernen, ohne daß er einen rechten Grund dafür zu finden vermochte. Der fortgesetzten Auf­merksamkeit des Lehrers ist es jetzt gelungen, die Ur­sache dieser auffallenden Erscheinung zu entdecken. Er fand nämlich unter den Schülern in großer Zahl Bilder mit äußerst unsittlichen Darstellungen, die immerwährend die Wanderung durch die Klasse machten. Wer die Bilder unter die Schüler gebracht, konnte noch nicht erißittclt werden, da man indes; vermnthet, daß dieselben direkt bezogen worden sind, so ist gegen den in Stuttgart wohnenden Verlags­händler Untersuchung erhoben worden.

Berlin, 16. Sept. In parlamentarischen Kreisen trägt man sich mit der Idee, den abgetrete­nen Landwirthschaftsminister Dr. Friedenthal für die Stellung eines Ersten Präsidenten des preu­ßischen Abgeordnetenhauses in Vorschlag zu brin­gen, weil man diesen versöhnlichen Mann am ehesten für geeignet hält, die Stimmen der Mehrheit auf sich zu vereinen.

Berlin, 17. Sept. Die Noth der Zeit wird durch nachstehenden Fall illnstrirt. Ein hiesiger Groß­händler suchte durch Inserat vor einigen Tagen einen Hausdiener, der gleichzeitig ab und zu einen kleinen Wagen durch die Stadt zu schieben hat. Nicht we­niger als 183 Anerbietungen erhielt er, die Mehrzahl darunter waren gelernte Professionisten, 32 waren Kausleute, von denen 9 selbstständig gewesen. Dem

Briefe eines der letzteren entnehmen wir folgende Stellen:Ich bin, glauben Sic mir, der äußersten Verzweiflung nahe, da es mir unmöglich ist, für meine Frau und 4 Kinder, die früher gute Tage gesehen, das nothdürftige Brod zu schaffen. Erlassen Sic mir, Ihnen mein Elend im Detail zu schildern es ist namenlos. Bitte flehentlich, geben Sie mir die vakante Stelle, was sie cinträgt, muß reichen, und wenn es noch so wenig ist. Ich bin auf dem Punkte, mich und die Meinen dem Jammer für im­mer zu entrücken haben Sie Erbarmen und ver­hüten eine Sünde." Der Großhändler hat nun zwar den bedauernswerthen Mann nicht als Haus­diener engagirt, aber sofort zwei Körbe Viktualien und ein Geldgeschenk an ihn gelangen lassen. Am Nachmittag desselben Tages aber ist dem bcdauerns- wcrthen Manne dauernd geholfen worden. Er hat infolge jenes Briefes eine Komptvirstellc erhalten.

Berlin, 19.Sept. Privattelegramm derNordd. Allgem. Ztg." aus Deutsch-Krone: Das hiesige Kreis­gericht verhandelte heute eine Anklage gegen den ehe­maligen Bischof Ledochowski wegen llebertretung der Maigesetze (betreffend die Verhängung der großen Exkommunikation gegen den staatstreuen Probst Lizak in Schrotz) und verurtheilte Ledochowski zu j2000 Strafe, event. 70 Tage Gefüugniß und zur Erstat­tung der Kosten.

Berlin, 19. Sept. DerNat. Ztg." wird aus Wien von unterrichteter Seite telegrapyirt: Fürst Bismarck und seine Gemahlin, sowie sein Sohn Graf Wilhelm treffen morgen Freitag Abend in Wien ein. Wenn auch der ostensible Zweck des Besuches, welchen der deutsche Reichskanzler macht, ein Act der Höflichkeit gegenüber dem Grafen Andrassy ist, so wird doch in maßgebenden Kreisen schon heute die große politische Bedeutung und Tragweite dieses Be­suches zugegeben, zumal es der speeielle Wunsch des deutschen Reichskanzlers sein soll, persönlich den Kai­ser Franz Joseph mit seinen Anschanungen über die politische Situation des Contincnts bekannt zu machen. Trotzdem erscheint es gcrathen, die Erwartungen auf concrete Ergebnisse, wie etwa formellen Abschluß einer österreichisch-deutschen Allianz zu mäßigen. Das Tagbl." bemerkt dazu: Auch sehr hoch gespannte Erwartungen würden noch befriedigt werden können, wenn der formelle Abschluß einer österreichisch-deut­schen Allianz unterbleibt. Die Reise des Fürsten Bis­marck nach Wien ist ein so demonstrativer Aet, daß es keinem Zweifel unterworfen sein kann, wie, ab­gesehen von Formularien der Abmachungen, um die es sich handeln könnte, eine über den Augenblick hinaus reichende Verständigung bereits vollzogen ist. Der deutsche Reichskanzler würde das Gewicht seines persönlichen Eintretens nicht an ein Unternehmen hängen, dessen er nicht nach jeder Seite hin sicher ist. Die Offenheit, mit welcher die große politische Thatsache der Welt angekündigt wird, enthält die beste Beruhigung dafür, daß sie einzig zur Sicherung und Befestigung des europäischen Friedens bestimmt ist.

Neue Gruppirung der politischen Parteien: Nattonalelerical. Clericalliberal. Soeialeentral. Freu- dalclerieal. Socialliberal. Socialfeudal. National- seudalclerical.Socialclericalliberalnational.Bismarcial. Wir glauben damit der Sucht nach schönklingeuden fremdländischen Worten vollkommen Genüge geleistet und unsere schöne deutsche Sprache um einen ganzen Schatz politischer Kunstansdrücke bereichert zu haben!

In Suhl sind schon vor längerer Zeit 30000 Cavallerie-Revolver von der preußischen Regierung bestellt worden. Es gibt also wieder zu arbeiten.

Straßburg, 18. Sept. Nachdem Kanonen­donner von den Festungswällen die Ankunft des Kai­sers gemeldet, trafen der Kaiser, die Kaiserin, der Kronprinz, die Großhcrzogin von Baden nebst ho­hem Gefolge um 3 Uhr im Bahnhofe ein. Zur Be­grüßung waren anwesend: der Oberpräsident v. Möl­ler, Bczirkspräsident v. Ledderhose, Bürgermeisterei- Verwalter Back, General von Franseky und Gouver­neur v. Schkopp, sowie sämmtliche Generäle und AbthcilungSchefs. Auch der Großherzog vvn Baden, seit gestern hier anwesend, war erschienen. Im Bahnhofe war eine kombinirte Ehrenkompagnic auf­gestellt, die eine der Hälfte bestand aus Bayern, die andere Hälfte aus Sachsen, Württembcrgern und Braunschweigcrn. Bei der Einfahrt präscntirte die Mannschaft, die Musik spielte die Nationalhymne. Im Empfangssalou überreichten Fräulein Schkopp und Fräulein Bauer der Kaiserin und der Großher­zogin Bouquets. Vor dein Bahnhof nahm der Kai­

ser das Defiloe der Ehrenkompagnic ab, schritt dann die Front der aufgestellten Kriegervereine entlang, mit Vielen freundliche Worte wechselnd, und stieg hierauf mit der Kaiserin in einen vierspännigen offe­nen Wagen und fuhr bei prächtigem Sonnenschein unter Glockengeläute, brausendem Jubel und Hoch­rufen in die festlich geschmückte Stadt nach seiner Wohnung im Bezirkspräsidium, wo die höhere Töch­terschule und die Frauen - Industrieschule Aufstellung genommen hatten und Bouquets und Kornblumen warfen. Im zweiten Wagen befanden sich die Hof­dame Gräfin Brandenburg und Graf Lehndorfim dritten Wagen der Gioßherzog und die Großherzv- gin von Baden, im vierten Wagen der Kronprinz und der Kronprinz von Schweden. Lebhafte Hoch­rufe wurden dem Feldmarschall Grafen Moltke." Um 4 Uhr findet Familicndiner, um 8 Uhr großer Za­pfenstreich statt.

Straßburg, 19. Sept. Bei dem heutigen Paradediner trank der Kaiser auf das Wohl des 15. Armeekorps, welches sich heute meine ganze Zu­friedenheit erworben hat, da es bewiesen, daß eine gründliche Ausbildung und ein echt militärischer Wille alle Schwierigkeiten zu überwinden weiß, wenn es darauf ankommt, sich vor seinem Kicgsherrn zu zei­gen. DaS 15. Armeccorps cs lebe hoch!

Straßburg, 19. Sept. Zur Gallavorstellung war das Theater festlich beleuchtet und Kopf an Kops vom Publikum gefüllt. Als gegen 8 Uhr der Kaiser und die Kaiserin mit dem Großherzvg und der Groß- herzogin von Baden erschienen, ertönten begeisterte Hochrufe, die Musik intouirte die Nationalhymne, welche das Publikum stehend mitsang. Als die Aller­höchsten Herrschaften das Theater verließen, brach die dichtgedrängte Vvlksmassc auf dem Brogtieplatz in tausendstimmige Hochs aus. Wie bereits gestern, so waren auch heute zahlreiche Privathäuser und öf­fentliche Gebäude festlich beleuchtet.

OesterreichUngarn.

Wien, 18. Sept. Der Herzog vvn Würt­temberg erklärt: Nachdem die friedliche Besetzung des LimgebieteS durchgesührt sei, sei eine Verminde­rung der bosnischen OkknppationStruppen zu­lässig- . .

Wien, 19. Sept. Fürst Bismarck trifft erst morgen Abend hier ein.

Die europäische Lage hat seit den letzten Ta­gen eine gewaltig veränderte Physiognomie angenom­men. Die österreichischen Truppen sind in Nvvibazar cingerückt und wenn auch die türkischen Truppen sich weigern, aus diesem Fleckchen Erde abzuziehen trotz der anmarschirendcn Oesterrcicher so wird cs hier vorerst ohne Blutvergießen abgehen. Wenigstens ist uns die Genugthuung geworden, daß mit dem Ein­märsche der österreichischen Truppen der Berliner Vertrag in allen seinen Theilen nunmehr erfüllt ist. Die zwei Hauptbetheiligteu stehen jetzt einander ge­genüber ein Jeder auf dem rechtsmäßig ihm zu- slchenden Boden nur mit dem Unterschiede, daß Oesterreich im gegebenen Falle Konstantinopel schnel­ler erreichen kann, als Rußland. Die östreichffchen Truppen sind bis vor Mitrowitza, der ersten türki­schen Bahnstation vorgeschoben und ein Blick auf die Karte würde zeigen, daß es von hier bis zum gol­denen Home am Bosperus nicht allzuweit ist. Ruß­land steht diesseits der Donau, aber mit einem Fuße jenseits des Balkans. Das vvn ihm geschaffene und thatsächlich von ihm abhängige Bulgarien kann poli­tisch nur als ein russischer Vorposten betrachtet wer­den. Von dem Augenblick an, wo Oesterreich festen Fuß unbestritten in türkischen Landen gefaßt hat, wird Graf Andrassy sein Amt niederlcgen, während uuterdeß der russische Kanzler Fürst Gortschakoff seine von ihm abhängige Presse in Teufelszungcn gegen Oesterreich und Deutschland reden läßt. Freilich hat man in Europa diesen Allarmbläsereien weniger Be­achtung geschenkt, als erwartet und auch wohl erhofft sein mochte. Es hat sich Niemand recht eigentlich beunruhigt gefühlt ob dieser Hetzereien, als höchstens diejenigen Leute an der Börse, welche davon Vortheil erhofften. Für die nächste Zeit ist Rußland außer Stande, einen Krieg gegen irgend eine europäische Großmacht zu führen, Frankreich ist zu besonnen, um im russischen Interesse die Türkei zu zerstören und die eigene Existenz darüber zu gefährden und bei den übrigen Großmächten ist der russische Kanzler nun gar nicht eine geliebte Person. Wegen des ge­ringen Anklanges, den die russischen Gelüste nach Gebietserweiterung bei den europäischen Nati-