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1879 ,
Mge MM Gesell sclmfter.
Samstag den 19. Juli.
Auf postalischem Umwege.
Humoreske von Heinrich Köhler.
(Fortsetzung.)
„So ist die Annonce nichts weiter, als eine iu- directe Aufforderung zu persönlichem Verkehr u. s. w. u. s. w., dann wird die unbekannte Einsenderin sich durch mein Schreiben nicht sehr animirt fühlen, denn ich habe absichtlich jede dahin zielende Acußernug vermieden, in anderem Falle — wir werden ja sehen! doch nun zu meiner Visite — man wird mich längst erwarten."
Damit verließ er das Gasthaus, vor dem er vor einigen Stunden mit dem Porsonenwagen an- gelangt war, warf unterwegs den Brief in einen dazu bestimmten Kasten und suchte dann das Haus seines Onkels, des Maurermeisters Buchholz ans.
Er hatte sich bald zurecht gefragt und musterte das hübsche zweistöckige, mit allerlei architektonischem Zierrath geschmückte Haus mit wohlgefällig verdrießlicher Miene.
„Also diese Mauern bergen den Engel, der mir mein zukünftiges Paradies bereiten, oder, wenn ich gutmüthig genug dazu wäre, vielleicht auch die Schlange, die mich aus meinem jetzigen, dem fröhlichen ungebundenen Junggesellcnleben vertreiben soll." Mit diesem Monolog betrat er das Haus und klopfte gleich darauf an die Thür der Beletage, die den Namen seines Onkels trug.
Eine ältliche etwas corpulente Dame von angenehmen Gesichtszügen öffnete ihm — es war die Tante. Sie errieth sofort, wen sie in dem Ankömmling vor sich habe und der Empfang war von ihrep Seite ein äußerst herzlicher, „zweckentsprechender", wie der junge Mann, der sich sehr gemessen verhielt, ihn im Stillen deutete.
„O, wie haben wir uns auf Ihre Ankunft gefreut!" rief die Dame nach den ersten Begrüßungen, „mein lieber Eugen: ich darf Sie doch so nennen?"
„Nennen Sie mich immerhin so," bemerkte Eugen trocken.
Die Tante schien das seltsame Verhalten nicht zu bemerken; sie drückte den Gast in einen Lehnstuhl und nachdem die ersten Fragen nach dem Wohlergehen der Mutter u. s. w. abgethan waren, wandte sie sich mit den Worten nach der nächsten Thüre:
„Aber Sie werden wünschen, Ihre Cousine Ella kennen zu lernen, ich begreife nicht, daß sie noch nicht hereingekommen, sie war doch vorhin hier im Nebenzimmer."
„Sie hat es so eilig, als ob sie uns heute schon verheirathen möchte," dachte unser Held und laut sagte er: „O bitte, bitte, bleiben Sie doch, Tante, Ella wird gewiß von selbst kommen."
„Ei, ei, das klingt nicht sehr galant."
„Ich versteh's nicht besser," war die trockene Entgegnung.
Die Tante drohte mit dem Finger.
„Ei, die Mutter hat uns doch ganz anders geschrieben — "
„Die Mutter — das ist wohl möglich," siel ihr Eugen gedehnt in die Rede.
„Das hauptstädtische Leben hat den jungen Herrn etwas blastrt gemacht," scherzte die Tante, da werden Sie sich nun wieder bei einem natürlichen ungezwungenen Umgang hier erfrischen."
„Ich muß auch gestehen, daß mir jeder Zwang zuwider ist," entgegnete ihr Neffe vieldeutig. Nach diesen Worten öffnete sich die Thür und auf der Schwelle erschien ein junges Mädchen, das zögernden Schrittes in's Zimmer trat. Daß Ella erst achtzehn Jahre zählte, wußte ihr Cousin bereits, aber daß sie von so lieblicher anmuthiger Schönheit war, das hatte selbst ihr Bild ihm nicht verrathen können. Eine mittelgroße schlanke Gestalt, in vollsten, entzückendsten Ebenmaß, auf der ein Gesicht ruhte, das ein weiches, schönes Oval bildete, aus dem ein paar tiefblaue Augen unter langen, dunklen Wimpern blickten. Dazu kam ein kleines, rothes, schwellendes Mündchen, um das in diesem Momente ein allerliebster, moquanter Zug
spielte — Alles in Allem ein Mädchen, das selbst das Herz des blasirtesten Roues zu schnellerem Schlage gebracht hätte, wie viel mehr das Eugens, der das durchaus nicht war.
Er machte bei denn Anblick des Mädchens un- willkührlich eine Bewegung, als wollte er von seinem Sitze aufschnellcn, aber daun besann er sich schnell, daß cs ja die „octroyrte" Gattin sei, und er erhob sich mit so nachlässiger Bequemlichkeit, daß selbst die gutherzige alte Dame ihn verwundert anblickte und man hätte glauben sollen, daß er sich noch in jenem Altersstadium befände, das man mit dem drastischen Ausdrucke „Flegeljahre" zu bezeichnen pflegt. Dem entsprechend näherte er sich auch dem Mädchen, das nicht weit von der Thür stehen geblieben war, und reichte ihm kühl die Hand, in die sie eben so kühl die Fingerspitzen ihres weißen, hübschen Händchens legte, und sagte dazu in gleichgültigem Tone:
„Guten Tag, Cousine Ella."
Es ließ sich schwer beurtheilen, ob die Miene des Mädchens mehr Verwunderung oder Empörung ausdrückte, anfänglich hatte sich entschieden leiser Trotz in dem hübschen Gesicht ausgedrückt, der dann jene Metamorphosen annahm. Endlich bemerkte sie mit unverkennbarem Spott:
„Sie also sind der Herr Vetter aus der Residenz?"
Auf das letzte Wort legte sie einen besonderen Accent.
„Jawohl, der bin ich," war die ebenso geistreiche wie lakonische Erwiederung.
„Die Herren unserer Stadt werden sich über die prächtige Requisition freuen — es wird ihnen nun bald nicht mehr an der großstädtischen Tournüre, deren sie sich so gern befleißigen, mangeln," fuhr sie in ironischem Tone fort.
„Vielleicht gibt es auch noch Andere, die sich, wenn auch vergeblich, über die Acquisition freuen," entgegnete Eugen phlegmatisch.
„Daran ist nicht zu zweifeln. Es wird Ihnen gehen wie Cäsar, von dem es heißt: Er kam, sah und siegte."
„Ich fürchte nur, daß ich meine Siege nicht zu benutzen verstehen werde," sagte Engen im möglichst ruhigem Tone, während er sich innerlich nicht wenig ärgerte. „Das ist ein boshaftes Geschöpf trotz oder wegen ihres hübschen Lärvchens," dachte er „und glaubt mich schon so sicher zu haben, daß sie es gar nicht mal für nöthig hält, wenigstens für den Anfang ihren eigentlichen Eharacter zu verleugnen."
Frau Bnchholz hatte dem Zwiegespräch der Beiden mit einigem Erstaunen zngehört. Sie schüttelte leise mißbilligend den Kopf und fand, daß das Bild, das sie sich nach den Briefen von Eugens Mutter von diesem entworfen, mit dem Original nicht ganz übereinstimmte. Doch suchte sie schnell zu interveniren.
„Wir hatten schon gestern Ihre Ankunst erwartet, lieber Eugen," sagte sie, „mein Mann hat gestern zweimal und heute Vormittag ebenfalls die Ankunft des Personenwagens erwartet; nur gerade heute Nachmittag ging es nicht, da er beschäftigt war — wir hätten Ihnen gern einen freundlichen Empfang bereitet."
„O, sehr freundlich! Das ist ja nun auch jetzt noch geschehen," bemerkte Eugen sarkastisch.
'„Der Herr Vetter hat sich gewiß sehr schwer von der Residenz losreißen können, es ist auch eine starke Zumuthung, diese mit einem obscuren Städtchen von 20000 Einwohueru vertauschen zu sollen," machte sich Ella wieder geltend.
„Der Abschied wurde mir in der That schwer," replezirte Eugen, „aber ich werde mich nun, wie die Tante sagt, an dem natürlichen, ungekünstelten Ton, der hier herrscht, geistig erfrischen — davon bin ich jetzt schon überzeugt."
Der spöttische Blick, den er bei den letzten Worten über Ella gleiten ließ, machte, daß diese erröthete und sich auf die Lippen biß; vielleicht hätte ein aufmerksamerer Beobachter, als ihr Cousin, bemerkt, daß sie j
mit aufsteigenden Thränen kämpfte. In diesem Momente erschien der Onkel Maurermeister und die peinliche Situation, die einzutreten drohte, wurde durch die gegenseitige Begrüßung der beiden Männer, bei der auch Eugen sich zwangloser gab, weil er überzeugt war, daß das „Project" hauptsächlich von den Frauen herrührte, aufgehoben. Der Onkel war ein sehr gesprächiger Mann und bald mit Eugen in ein Fachgespräch vertieft, dessen Faden dieser immer weiter spann, um sich nicht weiter um die Frauen kümmern zu brauchen, was er auch während der ganzen Dauer seines Besuches nicht mehr that.
Schade darum, ein hübsches Mädchen — würde sogar in der Residenz Furore machen — aber dieses Project, und dieser Eharacter — brrr! Der Himmel soll mich bewahren!" so monologisirte Eugen auf dem Wege nach dem Gasthof." Nun, ich habe mich in einer Weise indroducirt, die ihre Hoffnungen etwas herabstimmen wird und wenn nicht, dann müssen wir in der Zukunft noch etwas stärker auftragen."
Wenn er hätte die Wahrheit sagen sollen, dann hätte er sich gestehen niüssen, daß ihm nicht recht behaglich zu Muthe war. Sein insolentes Benehmen einem hübschen jungen Mädchen gegenüber, der er im ganzen genommen von den Frauen nicht klein dachte, wie heutzutage leider die Mehrzahl unserer jungen
— Greise, die sich mit vierundzwanzig Jahren schon einer wahrhaft sokratischen Weisheit erfreuen, lastete auf seinem Gemüth. Aber er gab sich das nicht zu
— und dann, die Umstände machten es ja nothwendig
— er wollte sich seine künftige Gattin frei wählen, nach eigenem Interesse. Welches große Interesse die Eltern Ella's freilich daran haben konnten, gerade ihn zum Schwiegersohn zu bekommen, war ihm nicht recht erklärlich, denn da diese in guten Verhältnissen lebten und Ella ihr einziges Kind war, so hätte es nicht an Bewerbern fehlen können — aber freilich, ihr Cha- racter — da lags. —
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— hSalicylsäure ein Gift.) Die in Bamberg erscheinende „Fundgrube" warnt vor der jetzt so häufigen und oft unvorsichtigen Anwendung der Scllicylsänre zur Conservirung aller möglichen Ge- nußmittcl. Bei längerer Aufbewahrung zersetze sich die Säure sehr leicht und entwickle daun geradezu giftige Eigenschaften. Auch als Mittel gegen Gelenkrheumatismus habe dieselbe schon sehr verderblich gewirkt. Ein wegen Rheumatismus mit Salicylsäure behandelter skrophuloser Knabe bekam nach 14 Tagen den Knochenfraß. In Wasser aufgelöst und zum Reinigen der Zähne benützt, wirke es bald verderblich aus die Zähne. Weitere Beispiele aus der medizinischen Literatur werden angeführt und es schließlich als ein Mißgriff bezeichnet, daß mau den Handel mit diesem gefährlichen Stoff völlig frei gebe. In Frankreich habe die Regierung den Zusatz der Salicylsäure zum Wein bei strengen Strafen untersagt.
— sDie harte Bedingung.; Schneider: „Sehen Sie, ich brauche mein Geld so nothwendig, ich werde vom Tuch- Händler gedrängt, der will auch bezahlt sein." Student: „Jetzt gehen Tic mir nun gleich vom Hals, Sie Unverschämter pumpen selbst und wollen bezahlt sein. Erst bringen Sie mir die Quittung vom Tuchhändier, dann bezahle ich Sie, eher nicht!"
Silben-Näthsel.
Erste Silbe.
Mich zeugt die Flur, wenn fleist'ge Menschenhände In reicher Saal den Samen ihr vertrauen;
Man sagt wohl oft, nichts Schön'res sei zu schauen,
Als wenn mau mich in voller Bliithe fände.
Zweite Silbe.
Ich trenne oft allein das Bös' und Gute,
Bald bin ich dick, bald dünn, bald Holz, bald Stein;
Ich schliche L-chmerz und hohe Freuden ein,
Und Niemand ist, der nicht an mir schon ruhte.
Das Ganze.
Wie wohl ist mir, umschlich' ich zarte Glieder!
I» meiner Näh' schlägt oft ein fühlend Herz.
Jetzt findet Ihr welch' sonderbarer Scherz!
Vielleicht mich unter diesen Zeilen wieder.
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I!
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