tags zu Ministern ernannt, damit sie nicht nöthig haben, ihre Mandate schon jetzt niederzulegen.
Berlin, 5. Juli. Hobrecht und Falk treten beide in's Privatleben. Andere Angaben sind irr- thümlich. — Der Reichstagsschluß ist bis zum 12. Juli erwartlich.
Berlin. Das; ein geraubter Kuß schon öfter Anlaß zur Jnjuricnklage gegeben hat, ja daß sogar der Staatsanwalt zuweilen gegen einen solchen Räuber eingeschritten ist, das wird den Lesern bekannt sein. In allen bisher vvrgekommenen Fällen war der Räuber aber ein Alaun. Nach den Ferien aber wird der Jnjurienrienrichter darüber zu befinden haben, ob cs einen Mann beleidigt, wenn ein Mädchen ihn ohne seinen Willen küßt. Ein hiesiger Rentier ist beim Skat neulich in die Lage gerathen, daß eine Kellnerin im Uebermuth ihm einen Kuß auf die Wange gab. Obwohl allseitig die Sache als ein harmloser Scherz aufgefaßt wurde, so hat der biedere Rentier doch in Anbetracht der Szene, die ihm seine bessere Hälfte zu Hause machte, als sie von dem Intermezzo erfuhr, die Beleidigungsklage gegen die kußlustige Hebe angestrengt.
Professor Reuleaux hat seinem ersten geflügelten Worte: Billig und schlecht! ein zweites nachfliegen lassen. das an die Handwerker gerichtet ist. Es lautet: Mehr Werkstätten, weniger Schaufenster! - - Es soll nicht alles Kaufmann werden.
Das Berliner Stadtgericht verurtheilte den Inhaber einer ortbopädischen Heilanstalt in Berlin, Becker, wegen fahrlässiger Tvdtnng der Tänzerin Adele Grantzow in Felge einer falschen Knr zn drei Monaten Gefängnis;.
Folgende Familiengeschichte wird aus Berlin dem „B. E." berichtet: Bor etwa 6 Wochen gicng das Dienstmädchen des Dr. H. mit dem etwa zweijährigen Kinde ihrer Herrschaft nach Moabit, nm dort in der Nähe von dem sogenannten Bvlmeshos bei Verwandten einen Besuch zu machen. Bei der Rückkehr nach Berlin ruhte das Mädchen ein wenig am Ufer des Wassers ans und setzte das Kind neben sich. Das Mädchen schlief ein, doch nach einiger Zeit hörte sie einen Schrei; sie wachte ans und' siehe da — das Kind lag im Wasser und wurde vom Strom erfaßt. Roch ehe sie vor Schreck um Hilfe rufen konnte, hatte ein ältlicher Mann, der eben an der Stelle vvrübergieng, seinen Nock abgcworfcn und war in's Wasser gesprungen. Er hatte bald das Kind erreicht, das er nach wenigen Minuten lebend und woblerhaltnu dcni Mädchen in die Arme legte. Voll Dank wollte sie ihm die geringe Baar- schast, die sie bei sich hatte, geben, er wies das Geschenk zurück. Das Mädchen bat ihn, er möge doch ihre Herrschaft, deren Namen und Wohnort sie nannte, anfsuchen, um deren Dank cinzuholen, denn sie werde, obgleich sie eigentlich den Fall zu Hanse verschweigen müßte, um sich wegen ihrer Unachtsamkeit Vorwürfe zu ersparen, doch Alles erzählen. Den nächsten Sonntag benützte auch der Mann seine freie Zeit und machte dem Dr. H. einen Besuch, lediglich nm zu erfahren, ob das Kind sich keine gefährliche Erkältung zugezogen habe. Mit unendlichem Dank kam ihm Dr. H. und seine Frau entgegen, aber sie wagten es nicht, ihm eine Belohnung anznbieten, denn sie hatten schon von dem Dienstmädchen die Art seiner Ablehnung erfahren. Auch die Großmutter des Kindes dankte ihm für seine hochherzige That, doch als sie ibm die Hand reichte und in's Antlitz sah, da konnte die alte Frau keine Silbe mehr sprechen. Endlich stotterte sie mühsam hervor: „Joseph — Du —." Der Mann wußte nicht wie ihm geschah, als er plötzlich so angeredet wurde — seine geschiedene Frau, die er mehr als 20 Jahre nicht gesehen, stand vor ihm! — „Theres, was machst Du hier im Hause?"
— fragte er und konnte sich kaum ausrecht halten. „Es ist ja mein -- unser Enkelkind, das Du gerettet hast, Joseph".
— Der Mann, der Jahre lang von Berlin entfernt war, kannte kaum seine Tochter, die er seit ihrem vierten Jahre nicht mehr gesehen. — „So ist diese Frau Doktorin hier unsere Emilie?" fragte er voll Aufregung. Die weitere Erklärung, die zwischen diesen Leuten stattfaud, können wir uns wohl ersparen. Als endlich der Mann sich wieder verabschieden wollte, hielt ihn seine Frau zurück. „Joseph, wollen wir wirklich wieder von einander gehen, nachdem uns Gott wieder zusammen geführt hat?"fragtc sie ihn. Der alte Mann schwieg. — Sich
— wir waren Beide gleich schuldig" — fuhr die Alte fort — „Du warst ein Kribbclkopf und ich war ein Kribbelkopf — aber wir wollen Alles vergessen — das Enkelkind soll uns wieder versöhnen." Dem Manne standen die Thränen in den Augen. Die Intervention seiner Tochter und des Schwiegersohnes machten ihn immer mehr nachgiebig und der Anblick des kleinen Enkelkindes besiegte ihn doch vollständig. Die bei
den Alten versöhnten sich und vor einigen Tagen haben sie ihren Ehcbund auf's neue geschlossen.
(Reichstag.) Fortsetzung der Berathung des Zolltarifs. Bei Nr. 41 (Wolle) wird Position a (Wolle roh rc. zollfrei) und Position b (gekämmte Wolle) nach dem Kommissionsantrag (2 ^.) angenommen, desgl. Position o (Garn). Der Zoll auf Petroleum wird mit 171 gegen 92 Stimmen angenommen.
Eine schlimme Post kommt aus dem Kanäle über das versunkene Panzerschiff „Großer Kurfürst". Es heißt, daß der Unternehmer Leutner seinen Cvntract kaum wird losen können. Zu bedauern wäre, sollte der „Großer Kurfürst" für ewig in den Meereswellen vergraben werden.
Aus Rhode bei Olpe wird der „K. V.-Z." gemeldet : Der Pastor Cordes wurde am Sonnabend Abend gegen 7 Uhr im Beichtstuhl vom Blitz erschlagen, nachdem er eben die letzte Person Beichte gehört und diese neben dem Pastor auch allein noch in der Kirche war. Diese Person fand man betäubt, sie erholte sich jedoch bald. Die Kirche war voll Schwefelgeruch. Der Pastor saß todt im Beichtstühle. Dabei hatte der Blitz die Spitze desThur- mes gezündet, welche ganz niederbrannte: die Kirche wurde dagegen gerettet.
Oesterreich—Ungarn.
Wien, 2. Juli. Es vergeht kein Wahltag ohne Niederlage und Einbuße für die Liberalen. Mögen nun Landgemeinden oder Städte wählen, jedesmal erscheinen die Ultramontanen, Feudalen und Nationalen im Vortheile. Die Conservativen selbst rechnen sogar schon aus, daß sie über 220 bis 225 Sitze verfügen werden, und wer weiß, ob sie nicht wenigstens annähernd Recht behalten. Wohin man dann geriethe, ist schwer zu sagen. Es ist begreiflich, daß die Gerüchte nicht verstummen wollen, welche den baldigen Rücktritt der liberalen Minister ankündigcn. Die Stimmung unter den Liberalen ist eine ernste, aber trotzdem keine verzweifelte. Es scheint, als würden sie sich auf schwere Kämpfe vorbereiten.
Das Kodizill zu dem Testamente des Prinzen Louis Napoleon wird in hiesigen politischen Kreisen stark ironisirt. Die Ansicht, daß dieses Testament- Anhängsel unecht ist, wird vielfach laut. So eine kleine Fälschung — du lieber Himmel, diesen armen Bonapartiften traut man aber auch alle und jede Schlechtigkeit zu!!
Italien.
Nom, 3. Juli. Dem Popolo Romano zofolge überreichte Depretis dem Könige das Entlassungsgesuch des Kabinets, nachdem die Kammer mit 251 gegen 159 Stimmen die von Baccorini vorgeschlagene einfache Tagesordnung in der Mahlsteuerfrage angenommen hat.
Frankreich.
Paris, 4. Juli. „Agence Havas" meldet aus Athen: Gestern wurden zwischen Griechen und Türken einige Schüsse gewechselt. Die Türken überschritten die Grenze und führten 1 Herde und 3 Hirten fort. Spanien.
Madrid, 1. Juli. Wie die Blätter melden, wird König Alfons nächstens eine Reise nach Deutschland machen.
England.
London, 3. Juli. Der König von Birma veranstaltete neue politische Massenmorde unter den Großen seines Reiches.
London, 4. Juli. Die Westmächte billigen Bismarck's Vorschlag auf Einsetzung einer internationalen Kommission.
Lieutenant Carey, welcher den Prinzen Napoleon auf der Rekognoszirung, wo dieser siel, begleitete, wird vor ein Kriegsgericht gestellt.
Der Leichnam des Prinzen Napoleon ist am Freitag in Pietermaritzburg angekommen, unter großem Pompe nach der katholischen Kirche gebracht und in einem hölzernen und einen Sarg von Blei verschlossen worden. Der Leichnam ward einbalsamirt und Photographien Napoleons des Dritten und der Kaiserin Eugenie wurden in den Sarg gelegt. Der Sarg soll nach Durban gebracht und von dort in der Boadicea nach Simons-Bay übergergeführt und dann auf dem Kriegsschiffe „Orontes" nach England befördert werden. Hier in London treibt man es mit der Vergötterung des Prinzen und seiner Mutter doch ein wenig zu weit. Sogar ein Blatt wie „Daily News" entblödet sich nicht, die Gebete des Prinzen, die in seinem Schreibpulte gefunden wurden, und natürlich aus Gebetbüchern abgeschrieben sind, zu drucken. Für das Denkmal, das dem Prinzen in London errichtet werden soll, sind bis jetzt 18,000 Mark gezeichnet worden.
An Gobats Stelle wird vr. Barcley englischer Bischof in Jerusalem; er hat die orientalischen Sprachen und die Orientalen selber in Constantinopel und Jerusalem gründlich studirt.
Einem amtlichen Ausweise zufolge starben während des vorigen Jahres in London 77 Personen „aus Mangel und Entbehrung", d. h. an Hunger, lieber die Hälfte dieser Unglücklichen gehörte dem weiblichen Geschlechte an, und im Allgemeinen läßt sich sagen, daß die Mehrzahl der Fälle entweder im zarten Kindes- oder im hohen Greisenalter vorkam. Wie Viele aber wohl aus Mangel zu Grunde gingen, ohne daß die Behörden darum wußten!
Afrika.
Der neue Vizekönig hat auf die Hälfte seiner Civilliste Verzicht geleistet, was von dem jungen Tewfik zwar recht hübsch ist, den Gläubigern des Pharaonenlandes aber wenig helfen wird. Der ägyptische Staats-, Finanz- und Schuldenkarren ist zu sehr verfahren, als daß er mittelst einer halben Civilliste wieder zurecht gebracht werden könnte. Auch der jetzt regierende Sultan verzichtete bei seinem Regierungsantritte auf einen bedeutenden Theil seines Einkommens; es hat aber kein Mensch gehört, daß deßwegen der glückliche Besitzer eines Türkenlooses, wenn er unglücklicherweise den Haupttreffer machte, die versprochenen 600,000 Francs bezahlt bekommen hätte. „Sand in die Augen", weiter hat die Geschichte keinen Zweck.
Haudel K Verkehr.
Von Tübingen schreibt man der „Allg. Hopfenztg." bezüglich des Standes der Hopfen unterm 29. Juni: Auch bei uns zeigen sich die Blattläuse, stellenweise sogar in Masse: ebenso scheint im Wachsthum der Hopfenpflanze ein Stillstand cingetreten zu sein. Von Schwärze ist zwar noch nichts zu bemerken, doch lassen einige Anzeichen deren Eintritt befürchten.
Rottcnburg, 2. Juli. Der Reps ist in hiesiger Gegend prächtig gerathen, so daß sich die ältesten Leute eines solchen nicht erinnern. Für Frucht, Gemüse, Setzwaare rc. ist heute (Mariä Heimsuchung) der ersehnte Regen eingetroffen.
Aus dem Oberamt Münsing en, 2. Juli. Viel Obst werden wir Heuer schwerlich bckommmen, da an den Bäumen vielfach die Wahrnehmung gemacht wird, daß die Blätter und Spitzen der jungen Triebe kränkeln. Es ist dies wohl eine Folge von dem Honigthau, der sich vor etwa drei Wochen bei uns zeigte. Auch die bereits angcsctzten Früchte leiden darunter Noch und fällt vieles ab. Auch von Ulm und noch manch anderen Orten wird Aehnliches berichtet.
Aalen, 4. Juli. (Schafmarkt.) Der heutige Schafmarkt war gegen den früheren sehr stark befahren, es wurden demselben gegen 4000 Stücke zugetrieben. Die Kaufslust war eine rege und wurde namentlich in fettem Vieh viel gehandelt. Die Preise erhiclter sich fest und sind durchschnittlich folgende: l Paar Hammel kosteten 60 1 Paar Jährlingshämmcl
40 „A, 1 Paar Göltschafe 45 1 Paar Brackschafc 30
Auflösung des Räthsels in Nro. 77: „Affenthaler."
S p i e l b e r g.
Fahrniß-Verkaus.
In der Gantsache des
Friedrich Ivos,
Schreiners und Krämers hier, wird am
Montag den 14. Juli d. Js., von Morgens 8 Uhr an, in der Wohnung des Schuldners eine Fahrnißauctivn gegen baarc Bezahlung abgehalten werden, wobei insbesondere vorkommt:
Amtliche und Privat-Bekanntmachungen.
einige Mannskleider und Bettstücke, etwas Schreinwerk, 1 in Eisen geb. Faß, 1 Wanduhr, allerlei Hausrath, Feld- und Handgeschirr, 1 einspänniger Wagen samt Leitern, 1 Handkarren, 2 Gänse, 2 Hennen, 8 St. Bretter, 1 Parthie Schuittwaren-Absällc, verschiedenes Brennholz, 7 Bund Jpserrohre, 23 Bund Hopfenschienen, etwas Spezerei- und Kurzwaren, Laden- Geräthschaften, worunter 1 Messingwage samt Gewicht, 1 Salz
wage, 1 Cigarrenkästchen, 1 Ladentisch, 1 Warenständer mit Fächer und Schubladen.
Liebhaber sind eingeladen.
Den 7. Juli 1879.
K. Amts-Notariat Altenstaig.
Gläul-iger-Äusruf.
Die unbekannten Gläubiger des am 1. Juni d. Js. im Zuchthaus in Ludwigsburg verstorbenen
Johann Martin Stöhr, Dienstknechts von hier,
werden ausgefordert, ihre Ansprüche bis 30. Juli ds. Js. bei der Unterzeichneten Stelle anzumelden und zu erweisen, widrigenfalls von Amtswegen aus ihre Befriedigung keine Rücksicht genommen werden würde.
Den 5. Juli 1879.
K. Amts-Notariat Altenstaig. D en glcr.