zurückgetretenen Präsidenten v. Forckenbcck, der in schwierigen Zeiten der Regierung patriotisch zur Seite gestanden habe.
Wie weit die Hoffnungen der scudal-eieri- kalen Partei schon gehen, beweist ein Artikel des „Reichsboten", welcher ansspricht: Der Bruch mit dem liberalen Wirtschaftssystem sei nur der „Anfang": folgen müsse alsbald die Abschaffung der Gewerbefreiheit, die Aushebung der Maigesetze, mit ihr die Abschaffung der obligatorischen Civilehe, in der Geburt erstickt werden müsse das freisinnige Un- terrichtsgesetz. Kurz die ganze sogenannte liberale Aera samt allen ihren Priestern, der Obcrpriester Falk an der Spitze, muß weichen und der neuesten agrarisch - klerikal - orthodox - konservativen Aera Platz machen. - Nun, das alte Sprichwort, das auch hier sich bewähren dürfte, sagt: „Gott läßt die Bäume nicht in den Himmel hinein wachsen und den Schwanz der Ziegen nicht so lang, daß sie sich mit demselben die Augen ausschlagen konnten."
Die Kommission dcS Reichstags, welcher die Gebührenordnung für Rechtsanwälte übertragen worden ist, hat ihre Arbeiten beendigt und n. A. beschlossen, daß der Rechtsanwalt bei bestehendem Vertrage wohl ein Extrahvnorar nehmen könne, daß es jedoch nicht aus Grund einer rechtlichen Verpflichtung gefordert werden dürfe. Alan hofft übrigens, daß die Vorlage on liloo im Plenum angenommen werde.
Im preußischen Staatominffterinm finden schon seit längerer Zeit Erörterungen über die Einführung 2jähriger Bndgetperiodcn und dem entsprechend ckjähriger Legislaturperioden statt. — DaS nengebil- dete Kriegsgericht wegen des Großen Kurfürsten tritt am 3. Juni hier im AdmiralitätSgcbände zusammen. Der Grund für die Aufhebung des früheren Urtheils soll die zu große Härte desselben sein: eine andere Lesart behauptet das Gegentheil.
Gegenüber den Gerüchten von der Erschütterung der Stellung Falls schreibt man der „N. Frks. Pr." aus Berlin: „Es wird mir von unterrichteter Seite versichert, daß die Verhandlungen mit der römischen Kurie ihren Fortgang nehmen, vom Minister Dr. Falk geführt werden, und wenn sie — woran nebenbei gesagt kaum mehr zu zweifeln ist — zu Stande kommen, sie nur auf Grundlage der vom Minister Falk ausgearbciteten Bedingungen beendet werden würden." — Der Reichstag hat sich bis 9 .Juni vertagt.
„Zur Signatur" schreibt man der „Nat.- Ztg." aus Parlamentarischen Kreisen: „Wie aus guter Duelle verlautet, erhält der Abg. Windthorst jetzt zahlreiche Briese mit der Bitte, um Befürwortung von Stellengesuchen, da er jetzt ja der einflußreichste Mann bei dem Fürsten-Reichokanzler sei."
Einen eigenthümlichen Selbstmordversuch unternahm am Donnerstag im Berliner Thiergarten ein Arbeiter, indem er nämlich V» Pfd. Pulver in feinen Filzhut legte, dann Steine daraus packte, den Hut unter den Arm nahm und das Pulver entzündete. Die Explosion erfolgte, aber das Feuer verbrannte ihm nur die Kleider und versenkte seinen Bart. Als Grund der That wurde Arbeitslosigkeit angegeben.
Mit dem 1. Oktober treten neue Bestimmungen hinsichtlich des Konkursverfahrens und der Akkorde ein. die wesentlich schärfer als die seither geltenden sind. Von diesem Zeitpunkt ab wird die Staatsanwaltschaft, wie in so manchen anderen Civilpro- zessen, so auch hier, mitznsprechen haben. Eine der wichtigsten Bestimmungen ist, daß eine Frau nicht mehr wie seither ihr Eingebrachtes aus der Maffe hcrausziehcn kann, sondern wie jeder andere Gläubiger in der dritten Klasse rangirt. Wollen nun die Frauen ihre Mitgift und sonst eingebrachtes Vermögen sich auch für die Zukunft sicherstellen, so ist es unumgänglich nothwendig, daß sie dies jetzt thun.
Bei der Debatte über die Holzzölle nahm Fürst Bismarck ebenfalls das Wort, er sagte: Der Tarif habe die Holzzölle so ergriffen, das; die Vortheile des Holzhandels nicht zu verkennen waren. Die Bezugnahme seines Vorredners auf den deutschen Holzhandel und deutsches Holz treffe nicht zu. Die Flößer exportirten mehr russisches als deutsches Holz: sie thäten wohl, das nationale Element weniger zu betonen. Die Stettiner Holzarbeiter und Flößer würden nach dem Tarife volle Arbeit finden. Wie viele Arbeiter aber seien brodlos geworden dadurch, daß man das Holz des Auslandes mehr expordirte als deutsches. Es sei ferner nicht richtig, daß Rußland den Durchzug seines Holzes durch Deutschland entbehren könnte. In dieser Beziehung seien die geäußerten Voraussetzungen falsch. Die großen Händler haben von Rußland aus Zwangsroute durch Deutschiand. Es handelt sich hier wie bei allen Zoll- erhöhuugen um eine gleichmäßige Berthcilung der Lasten und
kommt es dabei gar nicht so sehr auf eine Vermehrung der Reichseinnahmen als aus die Entlastung der Einzeistaaten an. Er hoffe, daß dieS bis zur dritten Lesung noch dem Hause in greifbarer Weise vielleicht durch die Finanzminister der Ein- zelstaaten klar werden möchte. Rußland und Oesterreich bätten durch ihre Schutzzölle uns schon längst zu derartigen Maßregeln führe» müssen, wie sie jetzt vnrgeschlagcn seien. Die Be fürchtuug, daß man die besseren Banhölzer Amerika's würde entbehren müsse», sei hinfällig. Es sei erwiesen, daß das deutsche Holz von unübertrefflicher Güte sei. Bei den jegigeu Verhältnissen, die dem Waldbesitzer keine Aussicht eröffnen, sein Holz zu verknusen, würde derselbe keine Schonung mehr aulegen. Das sei eine Gefährdung der deutschen Wälder, wel cher die Vorlage entgegentreten wolle. Man sollte doch auch von dem Holze dem Kaiser geben was des Kaisers ist. iBeifall.)
Oesterreich—Ungarn.
In sämtlichen vstreichischen Krvnländern sind die Neuwahlen znm ReichSrath ausgeschrieben. Sic werden theils Ende Juni, theils Anfang Juli statt- finden.
Italien.
Rom, 29. Mai. Ter Aetna ift im Ausbruch begriffen. In Messina und Reggio sind sehr starte Steinregcn gefallen. Gestern war in Reggio ein Erdbeben.
Türkei.
Ragnsa, 27. Mai. Anmuten an der albanc- sischen Grenze warfen mit Steinen und schossen auf die Mitglieder der Kommission für Feststellung der Grenze mit Montenegro.
Handel L Uerkrhr.
Ellwangrn, 2b. Mai. Drin hrutigru Virhmarkt wurdrn zugrtrirbru: 483 Ochsen und Stirrr, 634 Kühr und Kalbcin, zusammen 1117 Stück. Dcr Handel war in allen Birhgattungrn flau und gingen daher die Preise erheblich zurück. Preise: Mastochseu 80 82 E7. per Cir. lebendes Ge- wich», In Fuhrochsen und Stieren wurde nur Einiges gehandelt und erlitten die Preise einen Rückgang von 20 per Stück. Das Gleiche war bei Kühen' der Fall.
Friedlos.
(Fortsetzung.)
Der Förster trat fast neugierig einige schritte vorwärts und erkannte jetzt mit Staunen den jungen französischen Offizier, der ans ihn einen so unerklärlichen Eindruck gemacht hatte. Er hielt in ziemlich lässiger Haltung nicht weit von der Mauer zu Pferde und ließ dasselbe langsam pironeltiren, wobei er aber mehr auf sein schönes Gegenüber hinsah, als mit seiner Reitkunst ;n glänzen suchte. Dann und wann richtete er ein französisches Work an sie, das sie in derselben Sprache freundlich erividerte, und Beiden schien es gar nicht bestallen zu wollen, wie andere Menschen über solch ein Zusammensein urtheilen könnten. Endlich aber zügelte dcr Offizier sein Pferd und fragte, indem er mit der Hand eine Richtung andeutete, ob er den richtigen Weg behalten habe. Sie nickte bejahend und konnte auch nur nicken, als er jetzt sein Pferd zur Seite wandte und leiser als die übrigen Worte „^clieu! — .käieu" rief.
Auch den Förster trieb es vorwärts; ihm war es, als müsse er den jungen Mann warnen; er dachte kaum noch daran, daß er versprochen hatte, selbst ihn zu tödten. Deshalb eilte er rasch durch das Schloß und stieß auch bald mit dem Offizier, der von der Seite heranritt, zusammen. Beide grüßten einander, und da der Jüngling bemerkte, daß der Förster denselben Weg wie er habe, mäßigte er den Schritt seines Pferdes und suchte sich in gebrochenem Deutsch mit ihm zu unterhalten. Er suchte zu erkunden, ob das Gerücht wahr sei, daß die Bauern des Spessart in großer Aufregung wären und sich zum Untergang der Franzosen verbunden hätten.
Erwin sagte lächelnd, ob er denn nicht auch ihn zu diesen Verschworenen zähle, der vielleicht plötzlich den Hirschfänger ziehen und ihn von hinterrücks durchbohren könne.
„Ost voll, oli non, Ihr seid so ganz anders als die Bauern, ich glaube nicht, daß Zhr einen Menschen feige ermorden könntet, istest cs pss?"
„Also ich sehe nicht wie ein Mörder aus?"
„Wenn in Eurem edlen Gesichte Verrath lauern könnte, dann gäbe es für mich überhaupt kein Vertrauen auf die Menschen mehr, dann würde ich lieber gleich die Brust offen zum Stoße darbieten."
Dem Förster flirrte es vor den Augen, er dachte wieder des Versprechens, er dachte der Worte, die er vor Kurzem gegen den Baron ausgesprochen. Stand dort nicht im Schatten der hohen Buche der Schulze, der mit erhobener Rechte auf den Franzosen deutete und ihn erwartend zuwinkte. Scheu blickte er sich um, denn er wußte nicht mehr, ob es Traum oder Wirklichkeit war, was er sah, aber wie von Dornen gestochen,
schrie er leise und sprang zurück. Drohten ihm dort nicht Vater und Mutter, die vorwurfsvoll und finster auf den blutigen Streifen zeigten, der um ihren Hals lief. Der Offizier wandte sich um und rief laut dem Zurückbleibenden zu, ob ihm Etwas zugestoßen sei.
Doch Erwin gab keine Antwort und blickte düster zur Erde nieder. Als aber der Offizier auf ihn Zutritt, wehrte er ihn mit der Hand von sich ab und hieß ihn fortgehe», ehe seine Feinde ihn mordeten. Verwundert schaute dieser ihn an, doch da er sah, daß der Förster keinen Schritt vorwärts that, konnte er ich eines heimlichen Schauers nicht erwehren; ohne ein Wort weiter zu sagen, sprengte er rasch davon. Erwin blieb noch einige Zeit in Gedanken an den Stamm eines Baumes gelehnt stehen und seufzte dann tief auf: „Einsam und heimatlos."
Ein kühler Wind wehte durch die herbstlichen Wipfel und streute welke Blätter über den Boden hin, aus der Ferne klang der Schrei eines Raben herüber, onst war Alles still und düster. „Allein mit meiner Schuld, mit meinem Haß und Fluch!" Erwin lehnte am Baum und weinte; vielleicht zum erstenmal. — VII.
Es war am andern Morgen. Der Schloßherr aß in einem hohen Lehnstuhl und malte zerstreut mannigfache Figuren auf einen weißen Bogen Papier, der vor ihm lag. Endlich zog er die Schelle und rief dem eintretenden Diener zu: „Ruf den Großschulzen!" chob dann den Lehnstuhl bei Seite und machte hastig mit auf dem Rücken gekreuzten Händen einige Gänge durch das Zimmer, welches mit den verschiedensten Jagdtrophäen geschmückt war. Seine Stirn hatte sich in düstere Falten gelegt, als er jetzt am Fenster stand, in die herbstliche Landschaft hinausblickte, in die düsteren Wälder hinein, über welche sich eine Krähe kreischend erhob und mit schwerem, klatschendem Flügclschlag über die Bauniwipfel dahinstrich.
Schwere Schritte, welche draußen ans dem Gange sich vernehmen ließen, weckten ihn aus seinem Brüten ans, eine tiefe Baßstimme zankte sich mit dem Diener draußen, der ihn durchaus anmelden wollte, und endlich öffnete sich die hohe Thür, eine breite Männergestalt, der Großschulze Johann Matting, schob sich in die Stube hinein, nachdem sie noch einmal beschwichtigend: „Ist nicht nöthig, durchaus nicht nöthig!" auf den Gang hivausgerusen hatte.
„Setzt Euch," lud der Schloßherr ein, nachdem Jener einen guten Morgen gewünscht hatte, und wies auf einen Stuhl; „setzt Euch, Ihr werdet wohl schon einen Morgenmarsch gemacht haben."
„Nur einen kleinen Abstecher, es war wegen des Förster, — Sie verstehen, gnädiger Herr. Nein, wer hätte das auch denken können!"
„Der Förster sollte ein Verräther sein! nicht möglich." Um des Barons Mundwinkel zuckte es wie Hohn und Freude auf. „Auf Euch und ihn hatte ich mein größtes Vertrauen gesetzt, er war so voll Zorn gegen das fränkische Gesindel. Aber wenn ich auch wieder sein finsteres und düsteres Wesen betrachte; nun, ich will ihn nicht in Verdacht bringen, das sei ferne von mir."
Er blickte den Bauer halb von dcr Seite an, um zu sehen, wie seine Worte in dem Herzen desselben zündeten, und wie Freude blitzte es aus seinen Angen, als jener, wie elektristrt, aufsprang und rief:
„Das ist's, das ist's; der Förster ist so kalt, gar nicht, wie einem ehrlichen Deut — Menschen geziemt. Johann, Hab ich oft zu mir gesagt, Johann, vor dem hüte Dich, der meint es nicht recht, und es war mir schon ein Stein des Anstoßes, daß er so fertig französisch sprechen konnte. Wo hatte er das gelernt, frag' ich, wenn nicht in Frankreich, und warum ift er in Frankreich gewesen, wenn nicht als Spion."
„Ich spreche aber doch auch fertig die Sprache unserer Gegner!" erwiderte lächelnd der Baron: „sehe ich denn vielleicht wie ein Verräther aus?"
„Ja das ist wieder etwas ganz Anderes: Sie, gnädiger Herr, sind früher selbst ein Franzose gewesen, und nur durch die Revolution, hol sie der Teufel, verbannt. Er aber — nun, ich will nichts weiter sagen, er ist ja vielleicht ein chrenwerther und braver Mann, und ein ehrlicher Förster; mir ist es ganz lieb, schon seiner Frau wegen, denn seine früheren Kameraden erschießen, das ist doch auch kein Spaß, nein, durchaus kein Spaß."
„Wie seid Ihr aber zu dem Glauben gekommen, Großschulze, er sei ein Verräther?"
„Nun, gnädiger Herr, ich bin gestern Abend, I als die Hand voll Franzosen gekommen war, mit dem