auch nur auf wenige Tage Voraussagen zu wollen, welches wohl die Grnppirnngen im deutschen Par­lament sein werden. Diesem unseligen Zustand aber müsse ein Ende bereitet werden und nur die Bildung einer grossen, auf wahrhaft liberalen Grundsätzen fußenden Partei könne dem Laude Hoffnung ans Rettung bieten. Man solle sich daher rülircn, da­mit das Unselige, was jetzt beschlösse»; wirb, binnen wenigen Jahren wieder zerstört und hiuweggcsegt werde. Was au ihm liege, werde er thuu, denn daß er ein liberaler Mann sei, beweise seine Stellung an der Spitze der Stadt Berlin: ein Oberbürger­meister von Berlin könne nur ein freiheitlich gesinnter Mann sein. Aber nicht nur der Gesinnung bedarf cs, sondern der That: er trinke daher nicht nur aus das freie, sondern zugleich auf das thatkräftigc deutsche Bürgerthum.

Fvrckenbecks Bankettrede wird im F-vher des Reichstags lebhaft besprochen, die Evnservativen und Centriim sprechen über dieselbe ihre größte Miß­billigung aus. Gerüchtweise verlautet, Fvrckenbeck werde das Präsidium in Kurzem niederlegeu.

Der Städtetag in Berlin hat sich mit 68 gegen 4 Stimmen gegen den Eingangszoll ans Ge­treide. Vieh und Fleisch ausgesprochen, weil dieser den Preis der nothwendigsteu Nahrungsmittel verthenre und dadurch die Lebeusbcdingungen der städtischen Bevölkerungen erschwere.

Bicepräsident Dr. Lueius theilt mit, jeder Ver­such . Herrn v. Fvrckenbeck zur Rücknahine seiner Amtsnicderlgung zu bewegen, sei erfolglos geblieben. Aus Vorschlag des Vieepräsidenten LueiuS wird die Watzl eines neuen Präsidenten ans Mittwoch Vor­mittag anberaumt.

Berlin, 20. Mai. Fvrckenbeck legte das Präsidium nieder, veranlaßt durch den Gegensatz mit der Majorität in tiefgreifenden Fragen und aus Gesundheitsrücksichten: gleichzeitig nimmt er einen -twöchcntlichen Urlaub.

Wie derTrib." mirgetheilr wird, ist die kürz­lich angekündigte, von den Offiziösen in der Haupt­sache bestätigte Absicht, aus Anlaß der goldenen Hochzeitsseicr des KaiserpaarcS Begnadigungen bestrafter Personen in erweitertem Umfange eintretcn zu lassen, neuerdings wieder in den Hintergrund ge­treten, und zwar aus besonderes Anrathcn des Für­sten Bismarck, dessen Wort von demLoslassen der Verbrecher auf die menschliche Gesellschaft" ja noch unvergessen ist.

Bcstustich dcs M v rd c s Scr kleine n 2! n na Friedri ch mein?:! sici: die Belastungsniennente geacu den vcrhastctcten Kulucke. Zunächst sind alle seine bisherigen Einwendungen entkräfte: worden. Die Angaben, welche er über seine beschmutz­ten Kleider gemacht, haben sich durch die Vernehmung seiner Frau a!s unwahr erwiesen. Ebenso hat er zngeben müssen, daß er am Abend der That nicht sinnlos betrunken gewesen sei. Bei der rlbduktion der Leiche hat sich ferner heranSgestellt, das; das arme Kind auch Schläge ans den Schädel erhalten und in herzzerreißender Weise auch sonst inißlmndelt worden ist. Ter Ehe; der Krinunaipotizei, Gras Pnctler, hat, um Alles, wc>S zur Aufklärung des ThatbestandeS beitragen könnte, so schnell als möglich festznstellen, in dein Hanse Memelerstrane 62, in welchem der Mord verübt wurde, ein Bureau errichtet, in weichem ein Kriniinal-komniisiarinS und 15 Beamte zur Ent­gegennahme von MiNheilungen und Untersuchung derselben bereit >ind. Hier hat sich denn auch durch die Auslagen des Stiefvaters des Knhnke, Namens Steinbcrg, heransgestellt, daß der Verhaftete sich schon früher unsittliche Handlungen gegen kleine Mädchen hat zu Schulden kommen lassen. Inzwischen ist auch der Stiefbruder Änhnkes, Paul Casinowka, vcrhastet worden, wegen einer schniähllchen Beleidigung, welche er am Dienstag aus offener Straße einer Dame angcthan hat. Dieses zufällige Zusammentreffen ließ es zuerst nicht als unmöglich erscheinen, daß Ensinvwka dem Verbrechen seines Stiefbruders nicht fernsrehe. Er hat jedoch Nachweisen können, daß er am Abend der That sich anderwärts befunden hat, so daß er von der schweren Beschuldigung entlastet erschiene, wenn nicht ein neuer Umstand in der Sache ermittelt worden wäre. Es ist nämlich bei der Durchsuchung der Kuhuke'scheu Wohnung unter dem in der Stube befindlichen Hauklotz ein durch Blutflecke verunreinigtes Handtuch gesunden worden. Dasselbe gehört dem Casinowka, imv dieser selbst einränmt. Er gibt au, das­selbe sei schon seltener Reihe von Tagen von den Blutflecken verunreinigt, während dagegen sein Bruder, der Arbeiter Knhnke, erklärt hat, daß er am Montag Abend in Folge des übermä­ßigen Genusses von geistigen Getränken Nasenbluten bekommen und das Handtuch dabei zu seiner Reinigung benutzt habe. Ferner hat Knhnke in Bezug ans seinen Stiefbruder ansgesagt, daß er ihn einmal dabei betroffen habe, wie er seine 2pzjcihrige Tochter in unzüchtiger Weise berührt habe. Sowohl in der Gubener Straße, als in der Memelcr Straße herrscht wegen der dort begangenen Verbrechen ungeheure Aufregung, In der Ml.me!er Straße sammelte sich gestern um 7 Uhr Abends eine große Menschenmenge, die von Bemnten znm Auseinandergehen ausgefordert werden mußte. Nur dem Umstande, daß Polizei im Hanie ausgestellt ist, ist es zu danken, daß die Wohnung dcs knhnke nicht schon gestürmt wurde.

Der vermuthliche Mörder der Keinen Anna Friedrich, Arbeiter Gottlicb Kuhntc, isr am Don­nerstag in das klntcrsuchungsgefünguiß am Mvlken- markte übergesührt und somit dem Untersnchungsrich- ter dcs k. Stadtgerichts übergeben worden. Die Beweise gegen den Verdächtiget! sollen sich derart angehäuft haben, das; an seiner Schuld kaum noch gegen den- Stiefbruder Knhntc's, Paul Kasinowka, zu zweifeln ist. Zur Eharakterisirnug der Knhn'- schen Familie und der beiden Stiefbrüder - - der jüngste soll ein noch viel ärgerer Strolch als der verhaftete sein dürste nach der llmsmnd die­nen, daß die llVsiährige Dvchter des Knhnke syphi­litisch ist, vhne daß die Eltern nin die Veranlassung dieser schrecklichen Krankheit, noch um ihre Beseiti­gung sich gekümmert haben.

Ein Familiendrama, wie es ähnlich in letz­ter Zeit leider wiederholt sich abgespielt hat, versetzte in Berlin die Bewohner dcs Hanfes Hagelsberger- straße 4 und der Nachbarschaft am Donnerstag in Entsetzen. Der -Schneidermeister Kandier, früher in guten Verhältnissen, in den letzten Jahren aber zu- rückgetvmmen und dem Trünke ergeben, bewohnte mit seiner Frau und einer tchührigen Pflegetochter, Namens Anna Levnhardt, seit dem t. April d. I. in dem Hinterhanse des bezeichneren Gebäudes eine Parterrewohnung. Am Donnerstag fiel cs den Flur­nachbarn und namentlich den unter der Kandler'schen Wohnung in einem Keller wohnenden Leuten auf, daß über ihnen wie schon am Tage zuvor so große Stille herrschte, während früher mehrmals Zant und Streit täglich zu vernehmen war. In der Nacht vom Dienstag znm Mittwoch hatte man zum letzten Mat den Mann poltern und widerhvlt rufen hören: Hier kommst Tu her!" woraus die Frau etwas geschrieen hatte, was jedoch nicht verstanden worden war und, da cs vöcn alsbald wieder ruhig wurde, unbeachtet blieb. Man machte jetzt, also am zweiten Tage, dem Viceivirth des Hauses vvn diesen Wahr nehmlnigen Anzeige, die Polizei des Reviers wurde herbeigcrnfen, eine Thür geöffnet und nun trat man in das nach dein zweiten Hoi tzinans belegene Schlaf­zimmer, welches grenzenloses Elend und 3 grauen­erregende Leichen zeigte. Die beiden Lagerstätten verdienten nicht den Namen eines Bettes, sic-bestan­den aus dürftigen! Stroh und zerlumpten Kleidungs­stücken. Das Kind lag entseelt noch aus dem Lager, aus seinem Munde war Blut geflossen. Bor der Berrsteiie lag die Leiche der Unglücklichen Frau ans dem Boden. Das Gesicht, nach unten gekehrt, als ob sie heransgesailen wäre, hing über einem mit Kohlen gefüllten Korbe, am Halse zeigten sich blau unterlaufene Stellen und auch aus ihrem Munde war Blut geflossen. Den gräßlichsten Anblick ge­währte Äandler selbst. Sein Gesicht war stark auf­gedunsen und schwarzblau, vvr ihm sraud noch eine halbgefüllte Flasche mit Branntwein. Ob diesem Gift beigemischt ist, ließ sich nicht sogleich ermitteln, eben­sowenig vermochte ein hinzugerusener Arzt sesiznslellcn, ob der Tod etwa enrch Kohlendunst herbeigeführt sei. Ferner fehlt noch jeder Anhalt darüber, ob die That im Einvernconicn beider Eheleute, oder, wo­für der Anschein ch.icht, vvn dem Manne allein ans- gefnhri worden in.

Jit Preußen werden ungefähr 500 Richter und Staatsanwälte wegen Wegfalls ihrer Stellen am 1. Oktober d. I. zur Verfügung des Jüstizminsters gestellt werden. Dieselben müssen drei Jahre lang jede beliebige Neuanstcllung an einem anderen Orte sich gefallen lassen, mit Ausnahme der Richter, welche schon 65 Jahre alt sind und ohne ihren Willen eine Versetzung an einen anderen Gerichtssitz anzunehmen nicht verpflichtet sind. Für Umzngskotren vcrsetzter Justizbeamten sind znm 1. Oktober d. I. nicht weniger als 175,000 ^ im Etatsgcsetz bewilligt.

Glück im Unglück. In Gvldberg in Schlesien hatte ein Familienvater bei einer Lebensversicherungs- Gesellschaft sein Leben mit 20,000 Mark versichert. Tie Ungunst der gegenwärtigen Zeitverhaltnisse ver­anlaßt den rüstigen Mann, den Antrag zum Auf­heben bezeichnet!: Versicherung zu stellen. Schon war der hierauf bezügliche Revers, nach welchem die Versicherung mit dem 1. Mai. d. I. ihr Ende er­reichen sollt, ausgesertigt und der Direktion zuge- stclit worden, als der sonst so gcsnnve Mann zwei ovage vorher vom Schlage betroffen unerwartet verstarb. Da die Prämien bis zum 1. Mai d. I. bezahlt waren, der Tod aber noch zwei Tage vor

diesem Zeitpunkte eintrat, so gelangen nun die Hin­terbliebenen in den Besitz der ursprünglichen Ver­sicherungssumme, welche verloren gewesen wäre, wenn der Tod nur zwei Tage spater erntrat.

OesterreichUngarn.

Wien, 17. Mai. Dem Reichsrath wurde heute feierlich mit einer Thronrede des Kaisers, die dieser, wie Uchtich im Zermoniens»alc der Hofburg hält, geschlossen. Die Aufnahme der Thronrede war vvn Seite der Reichsräthe eine so matte, die dies in ähnlicher Weise wohl noch bei keiner derartigen Auslassung der Fall war. Ein Versuch nach der dem Orient betreffenden Stelle ein Hoch hervorzu- rnsen, blieb vergeblich, nur die jüngst Kaiscrseier fand zustiinmende Kundgebung.

Nach, der soeben vollendeten Bcvölkernngs Aus­nahme zählt Szegedin jetzt 19,100 Seelen; vvr der- Katastrophe hatte es über 70,000.

Italien.

Rom, 16. Mai. Für Anfang 1880 wird eine großartige Pilgerfahrt von Geistlichen der ganzen Erde geplant. - DerD. Ztg," telegraphirt man unter Heutigem von hier: Gras Herbert Bismarck ist hier eingelrosfeu. Derselbe soll morgen vom Kar­dinal Staatssekretär Nina empfangen. werden. - In Kreisen, welche dem Vatikan nahe stehen, wird mit großer Bestimmtheit versichert, daß die Grund­lage für eine eventuelle Verständigung zwischen dem Vatikan und der preußischen Regierung gefunden sei.

Schweiz.

Bern, Ul. Mai. Das Schweizervvlt hat die Wiedereinführung der Todesstrafe gestern mit 196197 gegen 177 263 Stimmen, angenommen. Gegen die Wiedergestattnng der Todesstrafe stimm­ten Zürich, Bern, Baselstadt, Basellaud, Thurgau, Neueuburg und Genf.

Bern. DemObcrld." zufolge loste sich an der Jungfrau ans der Roththalseitc eine gewaltige Staublawine los und stürzte mit solcher Wucht über den Stufe,istein ins Thal, daß auf weite Strecken alle Wälder verwüstet wurde» und die Stämme wie gemähtes Gras hcrnmliegcn. Ahornbäumc, die seit Mcnschengedenten den nicht allzu seltenen, aber weni­ger bedeutenden Lawinen Trotz geboten, wurden ent­wurzelt oder geknickt wie Hcuhalme und große Stre­cken weit fortgetragcn. Die ältesten Männer von Lauterbrunncn wollen solch' ein Ereignis; früher nie gesehen noch gehört haben. Der bedeutende Schaden an verwüstetem Wald trifft den Staat. , .

Ans Basel erhalten wir die Nachricht/ daß am 12. Mai I)»-. Samuel Gobai in Jerusalem gestorben ist. Geboren am 26. Jan. 1799, trat er 1821 in das Missionshaus zu Basel, und ging 1823 nach Paris und London, wo er Arabisch, Aethivpisch und Amharisch studirte; 1846 wurde er von dem romantischen König Friedrich Wilhelm IV. vvn Prenßen.zum prote­stantischen Bischof von Jerusalem mit einem Sprengel, der sich über Syrien, Chaldäa, Arabien, Aegypten und Abessinien ausdehm, gewählt, Er machte sich besonders verdient um die Gründung vvn Volks­schulen in Jerusalem und der Umgegend. Das Bisthum in Jerusalem wurde 1841 gemeinsam vvn Friedrich Wilhelm IV. und der Königin Viktoria gestiftet: die Ernennung des Bischofs wechselt zwischen den Kronen England und Preußen. Friedrich Wilhelm IV. ernannte im Jahre 1846 Gobat zum Bischöfe; jetzt ist wieder an England die Reihe, das Bisthum zu besetzen. Der Verstorbene vermählte sich 1834 mit Mariä Zeller, Tochter des MissionSinspektors in Beugacn.

Frankreich.

Paris, 17. Mai. Heute Unterzeichnete Prä­sident Grövh in dem im Elhsöc gehaltenen? Minister­rath e noch 400 Begnadigungen. Im Kabinet herrscht jetzt über Blanqui's Begnadigung vollkommenes Ein-- vernehmen.

England.

London, 19. Mai. Meldung aus Simla: Jakub Khan stimmte den Unterläget! des Frie- v ertra ges zu, wodurch die Hauptpunkte der britischen Politik betreffs Afghanistans sichergellt sind.

London, 20. Mai. Die deutsche Kaiserin wird heute hier erwartet.

Rußland.

Petersburg, 17. Mai. Nach hier aus Li- vadia vvm 16. d. eiugegangeueu Nachrichten über­reichte die gestern cingetroffene bulgarische Deputation dem Fürsten Alexander heute die Akte seiner Erhe­bung aus den bulgarischen Fürstenthron. Mittags