blieb der hörende Johann Hnber beharrlich stninm. Nach zwei Monaten, als die Taubstummen anfingen, die Dinge an Bildern zu benennen, der hörende Knabe aber noch keinen Laut zu bilden im Stande war, widmete ich ihm besondere Aufmerksamkeit. Ich beobachtete den Knaben mit aller Sorgsalt und sand nun, daß bei lustigen Ereignissen, wenn die Taubstummen hellauf lachten, Huber wohl das Gesicht verzog, aber keine Stimme von sich gab. Dasselbe war bei unangenehmen, selbst empfindlichen Vorfällen der Fall. Da nahm ich den flammen Knaben zwischen die Beine und kitzelte ihn, um einen Laut zu erzeugen, unter den Armen. Lange wehrte er sich, schlug um sich — endlich schrie er laut aus. Ich hatte, was ich wollte: Der Schrei war dem „A" ziemlich nahe. Ich gab dem Jungen meinen Beifall zu erkennen, sagte ihm „A" vor, er sagte ihm „A" nach. Bon nun an war gleichsam seine Stummheit gebrochen: alle vorgefprochcnen Laute ahmte er nach und nach kurzer Zeit wurde er entlassen, weil er wie jeder andere Knabe reden konnte. Johann Huber war von Äatz- walching, Bezirksamts Tittmoning. Ich konnte nur so viel erfragen, daß Johann Hnber von seinem Großvater, der durch Alter taub war und deßwegcn vielleicht vom Knaben keine Sprache verlangte, erzogen wurde. A. Gentner, Sprachkrankenheilanstalt, München, Brienncrstraße 4.
Frankfurt a. M., 21. April. Tie Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik »ahm nach langer Debatte über den Zolltarifentwurs mit 52 gegen 50 Stimmen den Antrag Sombart an: den Reichstag zu ersuchen, den durch den Tarifentwurf vom 4. April a. c. in Aussicht genommenen Eingang-Zöllen auf Getreide, Bich, Holz und Lohe seine Zustimmung nicht zu erthcilen: — ferner den Antrag Bertelsmann: Zu Pos. 250 ist die Erhöhung dcü Zolles ans frisches und geschlachtetes Fleisch von 8 aus 12 abzulehncn.
Moderne Stiefelabsätze. In Frankfurt a. M. blieb vor einigen Tagen eine Dame beim Verlassen ihrer Wohnung mit einem ihrer hohen Absätze am Kratzbrett hängen, stürzte die Stiege hinunter, beschädigte sich nicht allein am Kopf, sondern brach noch dazu ein Bein. Eine andere Dame fiel unter der Ncucnkräme in Folge dessen, daß sie beim Verlassen einer Meßbude ebenfalls auf der Treppe mit dem Absätze hängen blieb, herunter, kam aber glücklicher davon. (Jäger hilf!)
Dresden, 20. April. In hiesigen Blättern wird erzählt, in den elegantesten Dresdener Restaurants würden die erheblichsten Quantitäten Pferdefleisch als Rinderfilets, Beefsteaks und Rumstcaks, „verarbeitet". Bei dem Konkurse eines größeren feinen Etablissements, das der geringen Rentabilität wegen sallirtc, sei — so erzählen die betreffenden Blätter — eine Forderung von 2400 M. angemeldct worden und zwar — vom Pferdeschlächter.
Berlin, 18. April. Der Premierlienteuant Graf v. Königsmark hat sich durch einen Revolver- schuß in den Mund selbst getödtet. Nach dem „Tageblatt" soll derselbe Wucherern in die Hände gefallen sein und aus Verzweiflung sich das Leben genommen haben.
Wie in militärischen Kreisen verlautet, wird der kommandirende General des 15. (elsaß-lothrin- gfichcn' Armeekorps, von Fransecky, der schon mehrfach wegen Krankheit um seinen Abschied gebeten hat, nach den Herbstmanövern in den Ruhestand treten.
Der Kai er Unterzeichnete die Ernennung des Gehcimrath Michaelis zum Präsidenten des Reichs- invaldcnfonds.
Nach der „Deutschen Reichsztg." gibt es ans der Erde 216 Milt. Katholiken, nämlich in Europa 153,4, in Amerika 51,4, in Asien 9,s, in Afrika 1,7 und in Australien 0,6 Milk.
In einer der letzten Buudesrathssitzungen soll es, wie man aus Hamburg scheibt, eine recht erregte Scene gegeben haben. In Hamburger Privatkreifen nämlich erzählt man sich — und zwar in solchen Kreisen, die es genau wissen müßten — daß in der letzten Bundesrathssitzung der erste Bürgermeister der freien Stadt Hamburg Herr Dr. Kirchenpauer in einer längeren Rede seine frci- händlcri chen Ansichten entgegen den schutzzöllnerifchen des Fürsten Bismarck mit sehr großer Entschiedenheit vertheidigt habe. Dadurch hätte er nun, so erzählt man sich weiter, de» Zorn des Reichskanzlers in einem so starken Maße hervorgerufen, daß es nur der Vermittelung des Bayerischen Bun-
desrathsbevollmächtigtcn gelang, wenigstens der Form
nach den Frieden wicderherzustcllcn. Es
dürste dies wohl das erste Mal gewesen sein, daß es im Bundcsrath so heftige Qpposition gegeben hat.
Die „Lothringer Zeitung" schreibt: „Beim Hcraunahen des GcbnrtSfestes des Kaisers war dem Bischof von Metz die Anfrage zugcgangeu, ob er die hierzu geeignete kirchliche Feier in den Kirchen der Diözese veranstalten wolle. Der Bischof habe ablehnend geantwortet. Die gleiche Haltung hat bei diesem Anlasse auch der Bischof von Straßbnrg eingenommen."
Oesterreich—Ungar».
Wien, 21. April. Der Kaiser empfing heute zur Feier der silbernen Hochzeit die Glückwünsche der östreichischen und ungarischen Minister, der Präsidenten der Ccntralstellcn, der Deputationen des ungarischen Reichstages, des ungarischen Episkopats, und des kroatischen Landtages. Der Kaiser dankte huldreich für die Kundgebungen der Loyalität. Allenthalben werden Fcstvvrbereitungen getroffen.
Wien, 21. April. Die Kämpfe der Serben mit den Arnautcn im Kreise von Kurschumelje sind nicht ohne Bedeutung. Die Kämpfe werden als sehr blutig geschildert und dauern noch fort. Tie Serben verloren 50 Todtc und 8 serbische Dörfer wurden niedergebrannt. Gestern wurde Kurschumelje, das die Anmuten genommen hatten, von den serbischen Verstärkungen angegriffen.
Triest, 18. April. In der verflossenen Nacht sind im hiesigen Armcnhause in der Abtheilung der Waisenknaben Unordnungen vorgckommen. 50 Knaben ans den Arbeitsstilen griffen beim Znrück- ziehen in die Schlafabthcilung den Obcraufseher mit den Werkzeugen an und tödtcteu denselben, während der zur Hilfe herbeigeilte Aufseher leicht verwundet wurde. Die Ordnung wurde durch Sicherhcits- und Eommnnalwachcn wieder hergenellt und die Anstifter verhaftet.
Italien.
R o m, 18. April. Verschiedene deutsche Kirchenfürsten, unter ihnen Kardinal LedvchowSki, sollen sich nach der „Pall Mall Gazette" erboten haben, auf ihre früheren Sitze zu verzichten, um die Verhandlungen Deutschlands und des Vatikans zu erleichtern.
Rom, 19. April. Die vatikanischen Verhandlungen mit Berlin sind wieder ins Stocken gerathcn. Fürst Bismarck soll sich als sehr zähe erweisen. Die Friedcnsbasis ist noch nicht vereinbart.
Frankreich.
Paris, 18. April. Jeder Tag fast bringt ein schauderhaftes Verbrechen, Mord oder Dvppekfelbst- mord: Gatten, die sich gegenseitig den Tod geben: ein kaum löjähriger Jüngling schlägt seine ältere Base todt, weil sie ihm nicht so viel Geld geben will, als er verlangt, zeigt keine Spur von Reue, sondern erschreckt selbst die abgehärtetsten Kriminalisten durch seinen Eynismus. „Man köpft ja doch keine Kinder", meinte das Ungeheuer, um seine Verstocktheit zu rechtfertigen. In Macon wird ein Ehepaar Moncaut vcrurtheilt, der Mann zum Tode, die Frau zu längerem Zuchthaus; Moncaut hatte von 3 Frauen 15 Kinder, von denen er 13 meist schon in den ersten Wochen oder Monaten durch Ersticken oder Vergiftung umgebracht. Neben solchen Ungeheuerlichkeiten wirkt der Diamantenprozeß in Paris fast erheiternd. Eine Anzahl Tiamantenhändler vertrauten einem anderen für 900,000 Franken ihre Steine zum Verkaufe an, dieselben werden jedoch für 500,000 Franken in das Pfandhaus gebracht. Die ganze Diamantenbörse füllte den Gerichtssaal. Das Urtheil lautete auf 2 Jahre Zuchthaus und — 25 Franken Geldbuße.
Belgien.
Brüssel, 21. April. Ungefähr 7400 Grubenarbeiter haben die Arbeit eingestellt; man befürchtet, das; sich der Strike auf den Grubenbezirk von Mons ansdehnen werde.
England.
London, 22. April. Reuter'S Bureau meldet aus der Capstadt vom 8. April: 11,000 Zulus griffen am 3. April, Morgens, das Lager des Generals Chclmsford, Gingholovo, an, wurden aber unter großen Verlusten zurückgeschlagen. Am 4. April, Nachts, entsetzte Chclmsford Ekowe. Ge- sammtverlust der Engländer beträgt 220 Todte und
Verwundete; der der Zulus 2500. Ekowe wurde sodann geräumt, die Besatzung ging über den Tuge- lasluß zurück.
Rußland.
Petersburg, 17. April. Aus der Gouvernementsstadt Kansa schreibt man den Petersburgskija Wjcdvmosti, daß dort während Per Ostern nicht weniger als vier Attentate auf Polizei- und andere hohe Beamte verübt wurden. Von den Attentaten hatten 3 einen tödtlichen Ausgang. Alle Attentäter, 3 Männer und ein Mädchen, wurden gefangen genommen und eingesperrt. Letztere ist ein äußerst gebildetes und bildschönes 17jähriges Mädchen.
Aus Tiflis, im April. In der Gegend zwischen Teheran und Tauris hat, wie der „Tifliser Kawkas" berichtet, vor wenigen Tagen ein so starkes Erdbeben stattgefnndcn, daß infolge desselben die Häuser von mehr als 30 Dörfern völlig eingc- stürzt sind.
Die Schreckensherrschaft der Nihilisten in Rußland wird abgelöst durch die Schreckensherrschaft der General-Gouverneure in den Provinzen. Es sind fast lauter neue Gouverneure eingesetzt und haben unumschränkte Vollmachten erhalten wie im Kriege; ihre Vollmachten sind durch kaiserlichen Ukas oder Befehl veröffentlicht. Alles, was nicht Soldat ist, ist ihnen zu Leben und Tod unterstellt; sie können in ihren Gouvernements alle Personen, die ihnen bedenklich scheinen, ans ihren Wohnorten entfernen, alle Personen nach ihrem Gutdünken verhaften und dem Kriegsgericht überliefern, Zeitungen für Zeit und immer unterdrücken, kurz alles ohne Ausnahme thun, was ihnen zur Erhaltung der Ruhe gut scheint. Die Straße nach Sibirien wird eine der lebhaftesten in ganz Rußland werden. Solches Unglück bringen finstere Strndclköpfe und Attentäter über ein ganzes Reich: die Unschuldigen werden mit den Schuldigen leiden und cs wird zunächst vergessen werden, daß zur Unzufriedenheit mit den Zuständen in Rußland sehr viel und sehr gerechter Anlaß vorhanden ist.
lieber den Attentäter Svlowjcw ist das Neueste Folgendes: Er heißt Alexander, ist 34 Jahre alt, war Hauslehrer in der Provinz, wurde fortgeschickt und lebte feil Kurzem bei seinen Eltern in Petersburg, die eine untere Beamtenfamilie ist, aber nichts von seinem Vorhaben ahnten. Er ging auf den Kaiser zu und feuerte seinen Revolver aus ihn ab ans 5—7 Schritte, dann schoß er noch zweimal. Von hcrzucilendcn Leuten überwältigt, schoß er noch ein bis zwei mal, eine Frau biß er in die Hand. Nach den ersten Schüssen scheint er Zeit gefunden zu haben, Cyancali, das er in einer Nußschale bei sich trug, zu verschlucken, das Gift war aber theilweis verdorben und führte nicht so schnell den Tod herbei, wie er gehofft, später erhielt er Gegengift und wurde am Leben erhalten. Er läugnet jetzt, Mitschuldige oder auch nur Mitwisser zu haben.
Amerika.
New-Port, 20. April. In Eureka (Nevada) hat eine Fenersbrunst an 2000 Personen obdachlos gemacht. Der Schaden an verbranntem Gut wird aus eine Million Dollars geschätzt.
Handel kv Uerkehr.
Suttgart, 21. April. (Landcsproduktenbör se.) Bon heutiger Börse ist ebenfalls keine Besserung zu berichten, sondern die Kauflust blieb schwach und dir Umsätze beschränkten sich auf den laufenden Bedarf. Wir notiren per 100 Kilogr: Weizen bayer. 20 4L 50 4--21 4L 80 4. dto. Ungar. 21 bis 22 4L Kernen 20 4L 70 4- 2 l 4L 50 4. Dinkel 13 Haber 13 4L 80 4—14 .lL Mehlpreise pro 100 Kilogr.: Mehl Nr. 1: 32 50 4-34 4L Nr. 2: 29 50 4—30 4L
50 4. Nr. 3: 25—26 4L Nr. 4: 22-23 4L
Mittlere Fruchtpreise per Eentner
vom 9. bis
Kernen.
4L 4
15. April. Ross«"- 4L 4
Gerste.
4L 4
Haber.
4
Wangen . . ..
. . 11. -.
8. 68.
9. 97.
7. 7.
Geislingen . .
. . 10. io:
8. 50.
—. —.
—- —-
Nagold . . .
. . 9. 50
8. 4.
8. —.
6. 63.
Urach . . . .
. . 9. 80.
—. —.
7. 40.
6. 45.
Lentkirch . . .
. . 10. 21.
9. —.
8. —.
6. 26.
Tuttlingen . Waldsee . . .
. . 9. 70.
—. —.
9. 7.
6. 52.
. .10. 26.
9. 50.
7. 83.
6. 16. (St.-A.)
Mannheim, 20. April. Die Stimmung im Getreidc- >andel war während abgclaufcner Woche ruhig bei behaupteten wrwöchentlichen Preisen unh notiren wir: Weizen je nach Qualität 4L 20.50—22.75, Roggen 13.50—15—15.75—17, Äerste 15.50—17 50, Hafer 12.50—15.50, Kohlreps 28- 28,50 ,cr 100 Kilo. Im Klecsamcn-Handel wurden noch umgcsetzt: liothsaat amerik. 4L 78—82, Luccrnc 96—112, Esparsette Z0.75-31.50 per 100 Kilo.