dem Boden vorgefunden. Die Erzählung des Kahn geben die Knapp'schen Eheleute in der Hauptsache als richtig zu, nur verneinen sie, daß Gewalt gebraucht worden sei, Kahn habe sich nicht gewehrt. Es sei inner ihnen allerdings schon vorher die Rede davon gewesen, dem Inden das Geld wieder zu nehmen; insbesondere am 6. Oktober habe der Mann gesagt: er wolle dem Juden das Geld wieder nehmen, wenn er iyn bezahlt habe, der Jude habe das Geld mit Unrecht und s i e habe daraus erwidert: „Wenn er es mit Unrecht hat, kannst du es wieder nehmen." Was nun die Persönlichkeiten dieses Dramas deliiffi, jo sind die Knapp'schen Eheleute bisher gut peädizirl und nicht bestraft, lieber den Geschäftsbetrieb des Kah» wurteu veischiedene Orls- behördcn des Weinsberger Thates gehört. Der Gemeiuderath Willsbach hat sich zu der Aenssecnng veranlaßt gesehen, cs sei durch dieses Vorkommniß der Unwille der ganzen Gemeinde i» einer Stimme über den Abraham Kahn taut geworden, welcher sicher auch zu den unüberlegten Handlungen der Knapp'schen Eheleute in irgend einer Weise Veranlassung gegeben haben werde. Durch den Herrn Präsidenten ans das Verderbliche seines wucherischen Treibens hiugewiesen, weiß Kuhn zu seiner Entschuldigung für die hohen Rabatte und Zinsen nur das mit solchen Forderungen verbundene Risiko anzusühreu, wie er z. B. im vorliegenden Falle für seine Forderung lediglich nichts bekommen hätte, wenn die ihm verschriebene Kuh vor Bezahlung der Schuld crepirt iväre, er habe das Nehmen von hohen Zinsen von einem christl. Ober- amtspfleger gelernt, welcher ihm gesagt habe, daß solches bei uns nicht mehr verboten sei. 'Nachdem der Herr Staatsanwalt das Verwerfliche und Verderbliche derartigen wucherischen Treibens in gehörigem Lichte geschildert halte, begründete derselbe die gegen die Angeklagten auf Raub gerichtete Anklage. Seitens der Ver- theidigung wird zu Gunsten des Angeklagten Knapp dessen Be schränktheit und der Einfluß seiner Ehefrau, zu Gunsten der Letzteren aber angeführt, daß sie bei dem ursprünglichen Verschweigen der fraglichen «schuld Seitens ihres Ehemannes dessen Versicherungen, daß die Schuld eine unrechtmäßige bezw. schon getilgte sei, wohl habe Glauben schenken können. Die Annahme der von beiden Herren Verlhei'digcrn geltend gemachten mildernden Umstände empfahl auch der Herr Staatsanwalt den Herren Geschworenen, übrigens mit der Erinnerung, daß im vorliegendes Falle nicht über den vorgekommenen Wucher, vielmehr über das Verbrechen des Raubs Gericht gehalten werde. Die Herren Geschworenen verneinten durch ihren Obmann, Schultheiß Lua von Kocherlhürn die ans Raub gerichtete Frage bezüglich beider Angeklagten, worauf dieselben frcigesprochen wurden.
Ulm, 16. Dez. s Mnnsterbaulotterie in UlmI Den höchsten Gewinn mit 35,000 Mark gewinnt die Ls.-'Nr. 188,680.
Berlin, 17. Dez. In den Reichstagskreiscn verlautet, daß Fürst Bismarck in Folge deö gestern vom Reichstage gefaßten Beschlusses — betreffend Affaire Majunke und die Resolution Haverbeck: „den Reichskanzler um Declaration des Artikels 31 der Verfassung zu ersuchen, damit kein Reichstags-Abgeordneter ohne Zustimmung des Reichstags während der Dauer der Session verhaftet werde" — beim Kaiser um seinen Abschied eingekommen sei.
Berlin, 12. Dez. Der Reichstag beendete heute ohne jeden Zwischenfall und ohne besondere Diskussionen die zweite Lesung des Militäretats. Die Forderungen der Regierungen sind in allem Wesentlichen nach den Anträgen der Budgetkommission genehmigt. Wir heben nur hervor, daß Abg. Schröder (Friedberg) bemerklich machte, daß die Aufbesserung der Viktualienver- pflegung und der Löhnung der Armee ein dringendes Bedürfniß wäre, das um so lebhafter empfunden würde, wo, wie in Süddeutschland, die allgemeine Wehrpflicht noch verhältnißmäßig neu ist. Insbesondere erweise sich die dermalige Beschaffenheit des gelieferten Brotes im Süden ungenügend, wo auch der gemeine Mann an weißeres Brot gewöhnt sei. Die Soldaten könnten es nicht essen, kaum verkaufen und müßten ihre kleinen Sparpfennige deßhalb zuck Brotankauf verwenden. Das sei mißlich und belaste die Familien der Pflichtigen häufig in ungewohntem Maße. Deßhalb ersuchte Redner die Reichs Kriegsverwaltung, den betreffenden General- und Divisions - Kommando's an die Hand zu gehen, für etwas weißeres, für die süddeutschen Truppen genießbares Brot Sorge zu tragen, die Mittel dazu würden sich in der Gesammtverwaltung eines Armeekorpsbezirls wohl finden.
Berlin, 15. Dez. Das Gerücht, daß der Justizminister Leonhardt aus Gesundheitsrücksichten seine Entlassung zu nehmen beabsichtige, beruht auf Erfindung.
Berlin, 16. Dez. Der Bundesrath nahm heute mit großer Mehrheit die preußischen Vorschläge bezüglich einer Reichsbank. im Wesentlichen übereinstimmend mit dem Ausschußantrag, an. Die Reichstagskommission soll morgen Mittheilung erhalten., Unter diesen Umständen ist ein Wiederzusammeutritt des Reichstages in den ersten Tagen des Januar zu einer etwa 14tägigen Sitzung zu erwarten.
Viele werden sich in diesen Tagen eines interessanten Bildes aus dem Jahre 1871 erinnern, es stellt die deutschen und französischen Diplomaten in Frankfurt dar, welche den Frieden ab
schließen. Auf diesem Bilde sitzen Bismarck und Arnim friedlich und groß neben einander am denkwürdigen Werke: Arnim ein stattlicher Mann von hohem Wüchse und ausdrucksvollem Gesichte mit dunkeln Augen, in schwarzem Vollbarte und kurzem schwarzen Kopfhaar. Er ist jetzt 51 Jahre alt und sieht noch ebenso aus, nur daß er vor dem Gerichte nicht eine so stattliche Figur macht. In der 2. Gerichtssitzung in Berlin wurde der objektive Thatbe- staud festgestellt. Arnim hat auf einen Theil der zurückbehaltcnen Erlasse Bismarcks eigenhändig: „Conflikts Akten" geschrieben und Randbemerkungen hinzugefügt, als: „Paule, o Paule!" — „Oho", „Nanu", „Juspirirt eure Kosacken besser!" oder: „Das sind wieder faule Klatschereien von Edwin" (General von Man- lenffel ist gemeint). — Als diese Dinge in öffentl. Sitzung verlesen weiden und allgemeine Heiterkeit Hervorrufen, macht der Graf keine glückliche Figur und bittet dringend, das Lesen eiu- zustellcn. Er wird von der Vorlesung der Depeschen und Briefe sehr peinlich berührt und diese beziehen sich allerdings vielfach aus Verhältnisse, welche Arnim als persönliche auffasscn durfte. Aus dem Schriftenwechsel gehl hervor, daß das persönliche Ver- hältniß zwischen ihm und Bismarck längst innerlich gebrochen und ein amtliches Zusammenwirken unmöglich war, die Schuld aber lag an Arnim. — Der Graf ist übrigens während der Dauer der Verhandlungen ein Gefangener im Eriminalgebände des Molkcnmarktes, er wurde unmittelbar nach der Sitzung wieder verhaftet. Sein Vertheidiger Munkel rügte das Verfahren des Gerichts und sagte, man müsse an das Spiel der Katze mit der Maus denken, man verhafte den Grafen, lasse ihn frei und verhafte ihn wieder. In allen Welttheilen interessirt mau sich für diese Verhandlungen, sogar aus Melbourne wird die Mittheilung derselben mittelst Kabels bestellt und ein Kostenvorschuß von 800 Pf. Sterling angewiesen, eine Summe, die bei weitem nicht genügt, da 20 Worte nach Melbourne Thlr. 61. 12 Sgr. kosten.
Berlin, 13. Dez. Die Commission für Berathung des elsaßlothringischen Etats und der Anleihe für Elsaß-Lothringen hat ihre Arbeiten vollendet. Die Anleihe wurde nicht bewilligt, sondern beschlossen, die Reichsregierung zur Ausgabe von Schatzscheinen bis zur Höhe von 13 Millionen Franken behufs Deckung der Ausgaben für 1874 und 1875 zu ermächtigen. Der für Unioersitätszwecke geforderte Betrag von 1'/, Millionen Thalern wurde in der Art bewilligt, daß in Höhe dieses Betrages Reichs- Schatzscheine ausgegeben werden dürfen.
Berlin, 14. Dez. Der „Staats-Anzeiger" veröffentlicht die Ernennung des Grafen Arnim-Boytzcnburg zum Ober-Präsidenten der Provinz Schlesien.
Bismarck soll von dem Eindruck, welchen die Veröffentlichung des Depeschenwechsels in dem Arnim'schen Prozeß hervorgerufen hat, sehr befriedigt sein. Dies ist auch wohl erklärlich. Bismarcks Gegner haben durch diese Veröffentlichung eine schwere, von ihnen ungeahnte Niederlage erlitten. Der Kanzler soll schon vor Monaten gesagt haben, was er geschrieben habe, könne auch gedruckt werden, und in der That haben die intimsten jetzt veröffentlichten Aktenstücke bewiesen, daß er nichts zu verheimlichen hat. Man glaubt, daß der Prozeß den Kanzler populärer macht, als er je gewesen. Das Geflüster, als ob die Veröffentlichung der Depeschen in Frankreich geschadet habe, ist ohne allen Grund. Mit großer Spannung wird der Spruch des Gerichtes erwartet.
Böse Zeit inBerlin. Die Zahl der Exckutoren hat außerordentlich vermehrt werden müssen und die Zwangsversteigerungen nehmen so überhand, daß die abgepfändeten Möbel unter freiem Himmel logiren und bewacht werden müssen. Der Weihnachtsmarkt will auch nicht recht in Gang kommen.
Staatsanwalt v. Tessendorf hat in seiner Rede am 14. Dec. auf die erschwerenden Umstände aufmerksam gemacht, die in der hohen Stellung Arnims und in der großen Zahl bei Seite geschaffter Urkunden von größter Wichtigkeit liegen und eine 2'/--. jährige Gefängnißstrafe beantragt, dagegen von Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte abgesehen, weil eine gewinnsüchtige Absicht nicht behauptet werden könne. Der kurzen Republik des Staats-Anwalts begegnet Munkel mit großer Schärfe, was auch den Staatsanwalt zur Entgegnung veranlaßt. Arnim, vom Präsidenten befragt, was er noch zur Vertheidigung anzuführen habe, erhebt sich und äußert, daß er niemals instructionswidrige Berichte dem auswärtigen Amte eingesendet habe. Wenn übrigens noch, wie früher, der Reinigungs-Eid zulässig wäre, würde er vor Gott und Menschen schwören, daß er niemals daran gedacht, sein Verhalten involvire ein Vergehen. Der Präsident erklärt mit wenigen Worten, aber mit hocherhobener Stimme, daß dec Gerichtshof diesen Proceß mit jener Unparteilichkeit und Gewissenhaftigkeit geführt habe, welche stets die Ehre des preußischen Richterstandes gewesen. Das Urtheil werde nächsten Sonnabend 4 Uhr verkündet werden.
Paris, 12. Dezbr. Das Gerücht, die Regierung werde eine neue Anleihe zur Deckung der durch die Armeeorganifation entstehenden Kosten aufnehmen, gewinnt an Bestand. Die betreffenden Ausgaben werden sich auf 1200 Millionen belaufen.