einem neuen Angriffe zu entziehen. „Für die Sicherheit des deutschen Reiches haben mir Elsaß erobert, damit die Franzosen für ihren nächsten Krieg, den Gott weil hinausschieben möge, den sie aber doch planen, nicht Weißenburg und Straßburg zum Ausgangspunkte ihrer Operationen nehmen." Die Reichspolitik, fügte er hinzu, kann nicht den Sonder-Inleressen der Elsässer nachgesetzt werden, die ihre Vergangenheit nach Paris, die Gegenwart nach Rom zieht. — Damit traf Bismarck den wundesten Fleck der Elsässer Opposition; die Abgeordneten, welche im Reichstage für Elsaß das Wort führen, find französisch und römisch gesinnt; was die Herren von der Farbe der Simonis und Winlerer im Schilde führen, ist der Wicderanschluß an Frankreich, die Unterwerfung unter den Syllabus. Eine elsässijche Volksver- trctung, aus Mitgliedern von so reichsfcindlicher Gesinnung zusammengesetzt, würde, wie Bismarck sagt, eine Quelle des Streites in Deutschland und der Aufregung tu Frankreich sein. Das jetzige Geschlecht gibt Bismarck verloren und hofft auf das künftige. Damit aber dieses nicht von Leuten erzogen wird, welche die jungen Gemüther dem Reiche entfremden, muß die Schule in Elsaß gründlich reformirt und müssen die Lehrer entfernt werden, die als Wölfe im Schafspelze die Religion der Liebe im Munde führen und Haß und Zwietracht säen, wo sie können, (lieber eine noch denkwürdigere Reichstagssitzung folgt Bericht im nächsten Blatt.)
Posen, 27. Nov. Ein Beispiel hierarchischen Hochmuths hat der Dekan Lewandowskr in Lubasch bei seiner gerichtlichen Vernehmung gegeben. Er antwortete auf sämmtliche Fragen ausweichend, und alz er von dem ihn vernehmenden Richter ausgefordert wurde, seine Aussagen zu beeidigen, erwiderte er: „Einen Eid verlangen sie von mir? Nein, den werden Sie von mir nicht erleben! ich weiß, was mich treffen kann: aber, obwohl ich von Arbeit geschwächt und im Dienste der Kirche ergraut bin, so werde ich doch mit Resignation Geldstrafen, Gesängniß, Verbannung und, wenn es sein muß, den Tod ertragen, aber vor einem weltlichen Beamten werde ich keinen Eid leisten. Sie mögen diese meine Erklärung in's Protokoll aufuehmen." (Osts.-Z.)
lieber O e st reich - U n g a rn ziehen schwere Sorgen herauf. Eis- wie Transleithanien krümmen sich unter der Finanz»oth. Nahe am Abgrunde taumelt Ungarn hin. Sein ehrlicher, von keinem unedlen Ehrgeiz geleiteter Finanzminister Ghyzy hat das einzige Mittel: höheres Steuerzahlen, vorgeschlagen; aber der einst so populäre Mann hat sich damit bei den Magyaren gründlich verhaßt gemacht. Stürzt man ihn, was sollen bei der Abneigung der Magyaren gegen das Steuerzahlen überhaupt neue Minister leisten? Es handelt sich nicht um eine Minister- oder Partci- krisis, sondern um eine Krisis des ganze» Landes. An das nationale Spielzeug, die kostspielige Honvedarmee, getraut sich Niemand, wiewohl hier große Ersparnisse zu realisiren wären; trotz aller Misere werden thörichte Vorschläge laut, wie der, Kossuth auf Nationalkostcn ein Haus anzukaufen, damit er mittelst dieses Grundbesitzes wählbar werde. Entschließt sich Ungarn nicht, mehr Steuern zu zahlen, so kann es entweder die Verzinsung seiner Staatsschulden, Staatsbahnanleihen u. s. w. einstellen, also Banke- rutt nach aussen mache», oder auch nach innen bankerottsten, indem es seine Quote zu den gemeinsamen Reichsbedürfnissen nicht abführt. In beiden Fällen steht so etwas wie eine Art Dictatur bevor, die in der Unfähigkeit des türkische Wirtschaft liebenden ungarischen Parlamentarismus ihre Rechtfertigung fände.
Aus Spanien kommen noch fortwährend Nachrichten über die trostlosen Zustände derjenigen Landestheile, wo schon seit einer Reihe von Jahren die Kriegsfurie wüthet. Der „Allg. Ztg." z. B. ging erst dieser Tage wieder folgende Schilderung zu: Die Verwüstung, welche in den von den Carlisten besetzten baskischen Provinzen, dem eigentlichen Hauptheerde der Insurrektion, herrschen soll, wird auf Grund amtlicher Berichte als grenzenlos geschildert. Auch die Kaiserin Eugenie, welche daselbst größere Besitzungen hat, soll schwer darunter zu leiden haben. Die Car- listen sollen ihr eine förmliche Kriegs-Contribution (angeblich von mehreren Millionen Franken) auferlegt und gedroht haben, daß, falls sie dieselbe nicht demnächst bezahle, man die auf ihren Besitzungen, namentlich in Arteaga, befindlichen Gebäude dem Erdboden gleichmachen würde."
In Italien sieht man mit Besorgniß dem Verlauf der Krisis entgegen, die in Folge des Börsenspicls zum Ausbruch gekommen ist. Eine Bank nach der andern — in Genua allein waren in den letzten Jahren nicht weniger als 36 Creditanstalten entstanden — muß liquidsten, und die größeren Städte, wie Venedig, Florenz und Nom werden unausbleiblich in diesen Krach hineingezogen. Die Regierung kann natürlich wenig oder nichts thun gegen die Spiel- und Gewinnsucht.
Bellinzona, 6. Dez. Heute fand vertragsmäßig die Eröffnung der zwei ersten Gotthardbahnlinien Bellinzona Biasca und Lugano Chiasso unter lebhafter Betheiligung des Publikums statt. Herrn Obciingenieur Gcrwig, welcher die ungeheuren und immer neu sich anhäufenden Hindernisse mit größter Energie zu überwinden wußte, und den Anstrengungen des gesammten Gotthardbahnpersonals gebührt hiefür die vollste Anerkennung, ebenso der Firma Gebrüder Decker und Comp, in
Cannstatt, deren Brücken, trotz der beispiellos kurzen Lieferzeit und der außerordentlichen Schwierigkeiten, überall soweit fertig gestellt sind, daß das Ueberführen von Lokomotiven und Wagen und die Bahneröffnung rechtzeitig ermöglicht wurde.
Wetter nnd Wetter. , Fortsetzung.)
„Ich will selbst zu ihr gehen," fiel Olga ein. „Ich habe mich jetzt von der Reise erholt und befinde mich wohl genug, um ihr einen Besuch, den sie eigentlich schon gestern von mir erwarten konnte, zu machen.
„Ich möchte Dich diesen Morgen nicht gerne entbehren," fiel die Mutter rasch ein. „Du sollst mir bei allen Vorbereitungen helfen. Die Großtante kommt ja zum Essen."
„Doch nur, wenn sie sich gut befindet," nahm der Gatte das Wort.
„Fricdrike soll gleich nachher hingchen und darüber Nachricht emholen," versetzte die Mutier kurz.
Es war in der zehnten Stunde, als diese hinging und die Antwort brachte, daß die Großtante noch schlafe.
„Gott segne ihren Schlummer!" rief Herr Ahlers lustig. „Hoffentlich wird sie doch früh genug erwachen, um mit uns speisen zu können."
Seine Gattin fühlte ein Rieseln den ganzen Rücken hinunter. Sie hatte kalte Tropfen auf der Stirne, Schauder durchlief sie. „Mir ist recht übel," sagte sie und lehnte sich, um nicht nmzustnken, aus den Sessel zurück.- „Gebt mir Tropfen!"
Olga war um die Mutter beschäftigt. Nach einer Weile erholte sich diese. „Vielleicht wäre cs gut, wenn der Vater einen Gang zur Großtante machte," bemerkte sie. „Geh' Kind, und bitte ihn darum. Du mußt schon so gut sein, heute für mich in der Küche eine Hand zu reichen."
Die Tochter fand dieß ganz in der Ordnung. Sie richtete erst die ihr eriheilte Bestellung aus, nahm das Schlüsselkörbchen und verfügte sich in die Speisekammer.
„Gottlob!" seufzte ihre unglückliche Mutter und athmete auf. Ihre Tochter sollte nicht zur Großmutter gehen; jetzt hatte sie diesem vorgebeugt.
Sie blieb im Zimmer allein, das Auge auf den großen Pendel der Wanduhr gerichtet. Die Dienerin deckte den Tisch. Es schlug Eins und sie trug die Suppe auf. Olga kam herein und fragte, ob sie essen wolle, oder die Rückkehr des Vaters ab- warten
„Setzen wir uns," sagte sie matt. „Vielleicht ist er da, bevor wir die Suppe eingenommen. Jedenfalls aber mag die Friederike einen Sprung machen und fragen, warum er so lange fortbleibe."
Bald darauf wurde draußen ein männlicher Schritt hörbar, und Herr Ahlers trat ernst, feierlich, tief bewegt in das Zimmer. Seine Gattin umarmend, flüsterte er in's Ohr: „Sei gefaßt—
„Sie kommt also nicht?" fragte die Frau laut.
„Nein," versetzte Ahlers scharf; „ich werde gleich wieder zu ihr müssen."
„Die Tante ist doch nicht ernstlich krank?" fragte Olga eintretend.
„Sehr ernstlich," versetzte Ahlers, „wir müssen auf Alles gefaßt sein."
„Jetzt gerade, wo ihr eine so große Freude bevorstand!" sagte sie bedauernd.
„Leider!" seufzte Frau Ahlers. „Die große Freude trug ja die ganze Schuld!" Sie deckte die Hände vor das Gesicht und weinte bitterlich.
„Beruhige Dich. Sie hat ein hohes Alter erreicht und hätte mehr leiden können. Sie schläft. Sich in den Tod hinein zu schlafen ist ein Glück."
„Wie, so ist es schon vorbei?" fragte Olga erstaunt.
„Ja, meine Tochter, sie hat ausgelitten. Danken wir dem Himmel, daß er ihr ein so sanftes Ende bescheret".
„Sie hat mich sehr geliebt!" ries diese und warf sich schluchzend an die Brust ihres Vaters.
„Das hat sie und wir werden sie sehr vermissen. Sie war eine brave Frau, der wir viel Dank schuldig sind. Jede Thräne, die Du um sie weinst, hat sie dreifach verdient."
Man sprach noch vielfach über das unerwartete Begebniß, gedachte der letzten Vergangenheit und suchte nach Anzeichen, welche ihre schnelle Auflösung angedeutet. Herr Ahlers berichtete, was der Arzt darüber gesagt, als er eine Ader geschlagen und kein Blut mehr gekommen sei, daß er den Körper zu seciren wünsche, um zu erfahren, was den plötzlichen Stillstand aller Funktionen herbei geführt.
„Das wirst Du doch nicht erlauben? sagte Frau Ahlers aufhorchend. „In dem Alter kann man doch wohl an seinen Jahren sterben."
„Wenn es der Wissenschaft dienen kann, warum nicht?"
„Keinesfalls darfst Du das gestatten!" sagte seine Gattin scharf. „Ich kann es nicht leiden, wenn nach dem Tode ein Körper so mißhandelt wird! Die Wissenschaft kann sich an sonst Jemanden zu bereichern suchen!"