Der Gesellschafter-
Amtsblatt für deu Oberarntsbezirk Nagold.
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Nt. 128. dalbjädrtich t-i-r54tt.. im BeKI IieNStüg dM 3 . Wovemö«. ^ 'Ein?ackun1," k^ren,»/ 1874.
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LageS-Nknigkeiten.
? Nagold, 2. Oll. Die Reihe der Wintervorträge im Gewerbeverein wurde am letzten Samstag von Eollaboralor Wieland durch einen beifällig aufgenommenen Portiag über die deutsche Woll- und Holzindustrie eröffnet. — Der gestrige Besuch des Ealwer Gewerbevereins ward in der Post gebührend durch Toaste gefeiert und nur zu schnell entführte uns die Bahn die werthen Gäste.
In Dünn in gen wurde in der Mühle bei der Stampfe die Müllerin lobt auf dem Boden gefunden; die Verletzungen derselben sind aber derart, daß deßhalb gerichtliche Untersuchung cingeleitet und in Folge derselben der Ehemann verhaftet wurde.
Unterlürkheim, 29. Okl. Aus dem in dem König!. Weinberge dahier während der letzten Tage gelesenen Trollin- ger (Gewicht 87 und 89 Gr.) sind bei dem heutigen öffentlichen Verkaufe 91, 100 und 106 fl. per Hectoliter erlöst worden.
Würzburg, 29. Okl.- Prozeß Kullmann. Die Verhandlungen gegen Kullmann wegen seines Attentats am 10. Juli wurden heute Vormittag 9 Uhr von dem Präsidenten Appellations- Gerichtsralh Haus eröffnet. Der Verlauf der Verhandlungen wird kaum jene Erwartungen erfüllen, welche sich von derselben eine hervorragend politische Ausbeute versprachen. Das psychologische Moment dürste an und für sich das wichtigste Interesse im Processe bilden. Wie man erfährt, will der Vertheidiger den Attentäter als unzurechnungsfähig darstellen, zu welchem Zwecke er dem Professor Dr. Rienecker und nach dem Vorstande der Irrenanstalt Werneck Gutachten abverlangt hat. Kullmann's Mutter soll am 27. Oklobr. im Jrrenhause gestorben sein, ein Umstand, den der Vertheidiger in der Rachweisung, daß der Wahnsinn eine Familienkrantheit der Kullmann's sei, benützen wird. Die Züge des Angeklagten, der in den dicht gefüllten Saal geführt wird, verrathen mehr neugierige Verwunderung als irgend einen markanten Ausdruck. Die Fragen des Präsidenten nach Namen, Alter, Religion rc. beantwortete er ruhig und fest, ohne jede Erregung. Von seinem Rechte, 6 der Geschworenen zurückweisen zu dürfen, erklärt er, keinen Gebrauch machen zu wollen. Es folgt die Verlesung der Anklage, die ihrem Wortlaute nach bereits bekannt geworden ist. Mit Bezug darauf erklärt der Staatsanwalt, daß auf seinen Antrag gegen den Civil- beamten, der sich die Veruntreuung des Aktenstückes habe zu Schulden kommen lassen, bereits gerichtlich eingeschritten sei. Der Vertheidiger, der hierauf das Wort erhält, bittet um die Verlesung gewisser näher bezeichnet Aktenstücke, darunter eines Berichts des Polizeiamts zu Salzwedel über den Einfluß des Pfarrers Störmann auf Kullmann und mehrerer Aktenstücke von der Hand des genannten Psarrers. Nachdem die Anwesenheit der Zeugen konstatirt ist, schreitet der Präsident zum Verhör des Angeklagten. Die ihm vorgeleztcn Fragen beantwortet Kullmann offen, frei und mit ruhigem Tone. Er gesteht ein, daß er sich schon als junger Geselle im Gebrauch von Schießwaffen geübt und daß er sich mehrmals gegen seine Mitgesellen vergangen habe, auch einmal deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurtheilt worden sei. Präsident: Bei Ihrem Aufenthalt in Salzwedel sind Sie einem Verein beigetreten? Angeklagter: Ja, dem katholischen Männerverein. — P.: Aus welchem Beweggründe? A.: Aus Langeweile, nicht ausreligiösem Interesse. — Pr.: Lagen dort Zeitungen auf? A.: Ja. — Haben Sie sie oft gelesen? A.: Ja, die Germania und die Elberfeldcr Volks- blätter. — Pr.: Wissen Sie, welcher Richtung diese Blätter sind? A.: Ja, der ultramontanen. — Pr.: Haben Sie auch liberale Blätter gelesen? A.: Ja, die Magdeburger Zeitung und andere gelegentlich. — Pr.: Haben Sie aus der Germania und anderen Blättern Manches entnommen, was Ihnen besonders auffiel? A.: Ja, über die Kirchengesetze. — Pr.: Hat Sie dieser Gegenstand besonders interessirt? A.: Ja. — Pr.: Haben Sie sich gelegentlich über den Fürsten Bismarck ausgelassen? A.: Ja, manchmal. — Pr.: Haben Sie geäußert, er sei ein Todfeind der Kirche? A.: Ja. — Pr.: Warum? A.: Weil ihn die liberalen Blätter selbst so nannten. — Pr.: Haben Sie gesagt: „Der Bismarck ist ein liberaler Schuft, ein liberaler Philister?" A.:
Ja, aber ich war gereizt — Pr.: Wodurch? A: Weil man nufere Pfarrer Jesuiten nannte. — Pr.: Haben Sie sich denn zu einer Partei gerechnet? A.: Ja, zur ultramontanen. — Pr.: Haben Sie sich eine Pistole angeschafft und wann? A.: In Salzwedel am 24. Mai 1873. — Pr.: Haben Sie sich damit geübt? A.: Ja, nach einem Ziel. — Pr: Wann ist Ihnen der Gedanke zuerst gekommen, den Fürsten B. zu tödten? A.: Schon Ostern d. I. in Ladenburg. — Pr.: Sie haben geäußert: das Ding (die Pistole) hat seinen Zweck und wird den Zweck auch erreichen! A.: Ja. — Pr.: Sie haben feöner einmal gesagt, ehe ich sterbe, wird »och erst ein Anderer sterben? Ä.: Ja, ich meinte den Fürsten B. — Pr.: Wann versuchte;! Sie Ihr Vorhaben aus- zujühren? A.: Zu Pfingsten. — Pr.: Was lhaten Sie zu diesem Zwecke? A.: Ich reiste nach Berlin. — (Die Fortsetzung der Verhandlung folgt im nächsten Blatt.) Die Duplik des Ver- theidigers und das Resumv des Präsiderten beschränken sich auf wenige Worte. Für Kullmann, von den Geschworenen nacht kurzer Berathung für schuldig erkannt, beantragte der Staatsanwalt eine Lckrafe von 15 Jahren und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf zehn Jahre, der Vertheidiger ein milderes Strafmaß. Der Gerichtshof setzte eine Zuchthausstrafe von 14 Jahren und die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte aus 10 Jahre fest. Kullmann hörte die Verkündigung des Urtheils mit großer Ruhe an und zeigte sich auch hier als der trotzige, verstockte Geselle, als welcher er in dem Zeugenverhör geschildert wurde. Die Nachricht vom Tode seiner Mutter, welche ihm gestern verkündet wurde, entlockte ihm keinen Ausdruck des Schmerzes, und während der ganzen Verhandlung bewiesen seine Geffchts- Muskeln nicht die leiseste Erregung des Gemüths. Die kurzen Worte, welche er nach Beendigung des Plaidoyers an die Geschworenen richtete, sprach er in geschäftsmäßigem Tone, und bei den beschämenden Thatsachen, welche mitunter die Verhandlungen ans Licht brachten, musterte er mit eisiger Kälte die Geschworenen oder das Publikum. Bei uns ist kein Zweifel darüber, daß wir in Kullmann eine sittlich grnndverderbte Natur vor uns haben, welche aus sich allein, von Eitelkeit und Großmannsncht geleitet, ihren Entschluß zu fassen im Stande war. Wir glauben daher, daß er aufrichtig war, als er am Schluffe des Plaidoyers wiederholt versicherte, er habe keine Mitschuldige. Wir glauben sogar, daß er auch nicht das Leiseste von der Wahrheit verschwiegen hat. Die Keimtniß der wichtigsten Thatsachc: daß er scharf geschossen hat, verdankt man sogar seinen eigenen Geständnissen. Nach Schluß der Sitzung wurde Kullmann unter beinahe lautloser Stille des herbeigeströmten Publikums nach dem Arrest-Local jenseits des Mains abgeführt.
An Vorlagen sind dem Reichstage 17 Gesetzentwürfe eingegangen, betreffend 1) das Gerichts-Verfassungs Gesetz; 2) die Strafproceß-Ordnung; 3) die Civilproceß-Ordnung; 4) das Disciplinar-Verfahren gegen Beamte der Reichs-Eiseubahn-Ver- waltung, die im Auslande wohnhaft sind; 5) die Geschäfts-Sprache der Gerichte; 6) die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reiches; 7) Postvcrtrag zwischen Deutschland und Chili; 8) Post-Vertrag zwischen Deutschland und Peru; 9) die Abänderung einiger Paragraphen des Indischen und des Rostocker Stadtrechts; 10) die Controle über die Personen des Beurlaubten Standes; 11) den Landsturm; 12) die gerichtlichen Befugnisse des Rechnungshofes; 13) die Einführung der Rcichs-Münz- Gesetze in Elsaß-Lothringen; 14) allgemeine Rechnungen über den Haushalt des norddeutschen Bundes von 1868, 1869 und 1870; 15) allgemeine Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben des Reiches im Jahre 1873; 16) die Abänderung des Gesetzes über das Post-TaxwHen und endlich 17) den Marken-Schutz.
Berlin, 28. Okt. Der Bundesrath hat in seiner letzten Sitzung sich mit der Berathung des Landsturm gesetz es beschäftigt. Dasselbe wurde nach der Vorlage angenommen, wie wir hören, mit Ausnahme des §. 3, welcher nach Hinzusügung des gesperrt gedruckten Satzes folgende Fassung erhielt: „Der Landsturm erhält bei Verwendung gegen den Feind militärische auf Schußweite erkennbare Abzeichen und wird in der Regel in besonderen Abthcilungen gruppirt. In Fällen außerordentlichen Bedarfs oder wenn es an geeigneten