zu erbetteln, sondern Dir zu helfen, Dir im Unglück mit Rath und That zur Seite zu stehen und zuerst die Hand zur Versöhnung zu bieten."
Der Blick des alten Herrn heftete sich mit dem Ausdruck gespannter Erwartung auf die Thüre. ,,Jch weiß, wir Beide haben gefehlt," sagte er leise, „mein Unglück, meine Krankheit,
sie waren eine Fügung der Vorsehung —-Mein Sohn,
mein lieber guter Sohn!"
Er lag in den Armen des jungen Mannes, der bei den letzten Worten seines Vaters eingetreten war. Das Schicksal hatte den alten Mann gebeugt, die Krankheit seinen eisernen Sinn gebrochen.
Moritz war nicht allein gekommen, eine schöne, junge Frau stand neben ihm.
Als Feldner aufschante und sein Blick auf die Schwiegertochter siel, ward er betroffen durch die Aehnlichkeit ihrer Züge mit denen Derjenigen, deren Bild noch vor wenigen Minuten an seiner Seele vorübergezogen war.
„Meine Gattin," stellte Moritz die junge Frau deu Eltern vor.
„Gott segne Euch," sagte der Fabrikant, indem er die Schwiegertochter in seine Arme schloß. „Ich habe eingesehen, daß das Glück nicht auf den Besitz, noch der strengen Beobachtung der Standesvorurtheile beruht, es ruht allein im Menschenherzen, von dort muß es ausströmen, wenn der Frühling in der Brust grünen und blühen soll!"
Moritz berichtete jetzt dem Vater, was er im Geschäft unternommen halte. Adele wurde von der Mutter in Anspruch genommen, die bald inniges Wohlgefallen an der schönen, bescheidenen, gemüthreichen Schwiegertochter fand.
Noch an demselben Tage ließ Feldner das Circular ausfertigen, laut welchem Moritz als Theilhaber in das Gechäft eiutrat.
„Auch für Dich habe ich etwas," wandte Moritz sich zu seiner Schwester, die kalt und theilnahmlos auf das Glück ihrer Angehörigen hinabsah. „Mein Freund Theodor Kramer hat mir vor einigen Tagen erklärt, daß er Dich schon vor Deiner Hochzeit geliebt, aber nie den Math gehabt habe, Dir seine Liebe zu gestehen."
Wohl zuckte Sophie geringschätzend die Achseln, mit der Bemerkung, daß sie keine Hoffnung mehr hege, jemals glücklich zu werden , aber Moritz, der diese Bemerkung mit der Erwiderung zurückwies, es komme nur darauf an, ob man Vergangenes vergessen und mit heiterem Sinn in die Zukunft blicken könne, behielt Recht.
Schon nach einem Vierteljahre gestand Sophie mit freudigem Lächeln, daß sie zu rasch geurtheilt habe, daß Theodor ein vortrefflicher Mensch sei, an dessen Seite sie sich unendlich glücklich fühle.
» *
In das Haus des Fabrikanten waren mit der Liebe Frieden und Eintracht eingekehrt, und nie wurden diese wieder getrübt.
Am Tage der Aussöhnung überreichte Moritz dem Vater einen Brief, in welchem Therese dem alten Herrn mittheilte, daß sie ihm verzeihen wolle, wenn er seinem Kinde gegenüber Nachsicht übe. Aurora wisse nicht besser, als daß sie die Schwester ihrer Mutter sei, sie habe bereits eine Wahl getroffen und fühle sich glücklich an der Seite eines geliebten, rechtschaffenen Mannes. Was sie selbst betreffe, so habe sie sich entschlossen, dem Direktor der Gesellschaft, Herrn Charles Vernon, ihre Hand zu reiche», sie werde durch diesen Schritt ihrer Künstlerlaufbahn entsagen müssen, da Herr Charles Vernon sich in Ruhestand setzen wolle und ein kleines Landgut zu diesem Zweck schon angekauft habe.
Daß der Fabrikant diesen Brief sofort vernichtete, wird der geneigte Leser errathen.
Allerlei.
— Lust i g es G es chi ch tch en. Der Wiener Hansjörgel erzählt Folgendes, das um so lustiger, weil es wahr ist: Ein Herr M. wird zu einer Hochzeit eingeladen, welche in einem Orte stattfiuden sollte, der nur ein paar Eisenbahnstationen von Bielitz entfernt liegt. Er begibt sich also in vollem Wichs, im schwarzem Frack und schwarzen Hosen, in weißer Weste und Halsbinde auf den Bahnhof. Es hat aber ein wenig geregnet, und obwohl er sich mittelst Regenschirm den Cylinder und den Frack gerettet hat, so ist doch die schwarze Hose naß und schmutzig geworden. Durch einen Zufall hat unser Hochzeitsreisender eine Wagenabtheilung für sich allein bekommen, worüber er sehr froh war. Er hat jetzt bequem Gelegenheit gehabt, seine Hose zu putzen, weil er aber auf dem Leib nicht gut damit zurecht gekommen ist, so hat er sie ausgezogen, alle Kothspritzer beseitigt, und weil die Hosen auch naß waren, dieselben auf's offene Wagenfenster gehängt. Während er bei dem andern Fenster sich die Gegend anschaut, kommt plötzlich ein Windstoß, reißt die Hose zum Fenster hinaus und : „Durch die Wälder, durch die Auen, Flog sie leichten Flugs dahin!" Unser Hochzeitsgast stößt einen Schrei des Entsetzens aus, denn der großen Hitze wegen hat er keine Unterhosen angehabt. Und nun denke man sich das Costüm — ein Herr im Cylinder, weißer Halsbinde und Weste, schwarzem Frack, dann
aber weiter gar nichts als ein kurzes Hemd, nackte Beine und lackirte Stiefeletten. Die schottischen Hochländer, wie sie Walter Scott schildert, und die sranzösischen Sansculotten haben zwar ein ähnliches Costüm gehabt, aber jedenfalls ohne Cylinöer. In seiner Herzensangst ruft unser Ohnehose nach dem Conducieur — aber vergebens! Uebrigens hätte der Eonducteur der Hose auch nicht nachflicgen können. In der nächsten Station ist aber der Conducieur gekommen — mit zwei Damen, die er in das Coupö hinein lassen wollte. „Besetzt!" schreit unser Sansculotte wie wahnsinnig. „Nicht wahr; s'ist nur eine Person drinnen", antwortete der Conducieur, die Wagenthüre öffnend. Mittlerweile läutet es zum drittenmale, die Damen, die auf ihre Schachteln, Reisetaschen u. s. w. zu achten haben, Hüpfen in den Wagen, ohne deu Reisegefährten zu beachten. Erst wie der Conducieur die Thüre zuschlägt und ver Zug sich in Bewegung setzt, werfen sie einen Blick auf ihren Nachbar und stoßen einen Schrei des Entsetzens aus: „Mein Herr, wie kann man in einem solchen Costüm reisen? „Na, i bilt, sein's stad", „beruhigte M., „was thäten Sie denn, wenn Ihnen der Wind die sämmtlichen Röcke davontrüge?" Um aber die Damen zu beruhigen, spannt er seinen Regenschirm auf und bedeckt damit den unteren Theil seines Leichnams. Glücklicherweise verschaffte ihm der Conduktenr auf der nächsten Station ein paar schwarze Hosen, und so kam Herr M. denn endlich goutlvmau Illro auf die Hochzeit. Er zieht aber seit dieser Zeit stets Unterhosen an, dagegen auf der Eisenbahn die Oberhosen nicht mehr aus.
— Rache eines Affen. Ein Besucher des Kölner Zoologischen Gartens hat vor einigen Tagen eine wohlverdiente Strafe erlitten. Derselbe vergnügte sich damit, daß er den possierlichen Thieren Aepfelstückchen hiurcichte, sie daun aber, wenn sie ihre Pfoten begehrend hiuhielten, mit seinem Spazierstocke auf dieselben schlug. Ein großer Affe hatte sich dieß einige Male gefallen lassen, konnte jedoch in der Folge von seinem Peiniger nicht mehr veranlaßt werden, die Hand hinzuhalteu, selbst nicht durch die verlockendsten Aepfelstücke. Als der Herr mit dem Spazierstocke sich aber dem Käfige des beleidigten Thieres etwas allzu zutraulich näherte, fuhr auf einmal ein langer Arm durch die Eisenstäbe, zog den Erschrockenen dicht an das Gitter und trieb ihm mit tüchtigen Hieben der anderen Hand den Hut ein, immer tiefer ins Gesicht über Augen und Nase hinab. Alles Schlagen der Zuschauer auf den gereizten Affen blieb ohne Erfolg. Erst dem Wächter gelang es, ihn durch Zureden zu besänftigen und von dem Herrn loszubringen, der mit derangirtem Cylinder und mit verblüfftem Gesichte das Weite suchte.
— (Eine theure Locke.) Das Berliner „Tagblatt" erzählt aus Berlin vom 26. September: „Vor einigen Tagen erschien bei einem Friseur und Haarhändler ein junges, ärmlich, aber sauber gekleidetes Mädchen und bot demselben ihr schönes langes Haar zum Kaufe an. Auf die Frage, aus welchem Grunde sie sich der prächtigen Flechten berauben wolle, erklärte sie, daß ihre Mutter todt sei, daß sie zu Hause einen kranken Vater erhalten müsse und nicht so viel Geld verdienen könne, um die Wirthschaftskosten zu bestreiten. So wolle sie vorläufig ihre Flechten verkaufen, da sich sonst nichts Verkäufliches mehr bei ihr und ihrer Wohnung befände. Während der Unterhaltung zwischen dem Geschäftsinhaber und dem jungen Mädchen war ein Fremder in den Laden getreten und wurde so zufällig Zeuge der Unterhaltung. Er ließ den Chef rufen und sprach einige Worte leise mit ihm, hierauf begab er sich in Begleitung des Herrn in das Nebenzimmer zu dem jungen Mädchen und sagte in wohlwollendster Weise: „Mein liebes Kind, wir sind darüber einig geworden, Ihnen für Ihr Haar den Preis von 50 Thalern zu zahlen. Sind Sie damit cinverstgndeu, so bitte ich, nehmen Sie Platz." Bei diesen Worten zog der Herr einen 50-Thalerschein aus seiner Brieftasche und legte denselben auf einen Tisch, während über das Antlitz des Mädchens, das sich auf einen Stuhl niederließ, ein mattes Lächeln flog. Im nämlichen Moment aber hatte der Herr eine Scheere ergriffen und schnitt von dem Haar des edelmüthigeu Mädchens — eine kleine Locke ab, worauf er ihr die Hand zum Abschied gab und sich schnell entfernte. Möge dem edeln Geber die Locke des Mädchens und die 50-Thalernote dem guten Kinde Segen bringen."
— (Ein h üb sch er Z u g v on w eiblich em Z a rt si nn) kam unlängst in der Mairie des nennten Arrondissements von Paris vor. Ein junges Paar stellt sich dem Maire vor, um vereinigt zu werden. Der Ehemann, ein einfacher Arbeiter, wußte leider seinen Namen nicht zu schreiben und machte, als ihm das Register gereicht wurde, mit verlegener Miene ein Kreuz. Die junge Frau, welche, obgleich ebenfalls nur eine Arbeiterin, dennoch eine bessere Erziehung genossen hat und der Schreibekunst wohl mächtig ist, zeichnete auch ihrerseits blos ein Kreuz in das Register ein. Als ihr eine Verwandte deshalb Bemerkungen machte, erwiderte die Neuvermählte mit flüsternder Stimme: „Du willst also, daß ich meinen Mann in einem solchen Augenblicke demüthige? Soll ich ihn öffentlich seiner Frau nachstehen lassen? Laß es nur gut sein; ehe drei Monate vergehen, wird er schreiben können.