eingesandtcs Liverpooler Blatt, die „Daily Post", in ihrer Nummer vom 18. September. „Wie es heißt, "sagt dieses Blatt, ist der König von Bayern im Begriff, abzudanken, und da sein Bruder Maximilian regierungsunfähig ist, ja kaum lesen und schreiben gelernt hat, so Hai die nächsten Ansprüche auf den bayerischen Thron der Prinz Leopold (!), welcher jüngst bei den Manövern in Hannover mit so großer Auszeichnung behandelt wurde." Die „A. Z." vervollständigt diese Enthüllungen noch in folgender spöttischer Weise: Die Aufmerksamkeiten, welche man Seiiens des preußischen Hofs dem Prinzen Leopold erweist, haben ihren tiefen Grund; man will denselben bewegen, auf die Suc- cession in Bayern zu verzichten (damit man Spanien anneciiren könne) und bietet ihm dafür die Krone Spaniens au. Serrano ist natürlich in das Komplott eingcwecht, und Oesterreich willigt gern ein, da ja Prinz Leopold mit einer österreichischen Prinzessin vermählt ist, und also das alte Kaiserlhum Karls V. seiner Wiederherstellung um einen Schritt näher käme. Frankreich wird sich natürlich gegen diesen Plan anflehnen, Bismarck aber wird seinen Leopold nicht im Stiche lassen, Frankreich wird den Krieg erklären, und das eben ist es, was Bismarck will. Die Raschheit, mit der Frankreich seine Kriegsschuld bezahlte, hat ihn ängstlich gemacht, er will deßhalb mit diesem Lande um jeden Preis so bald als möglich einen neuen Krieg beginnen, um dasselbe auf hundert oder zweihundert Jahre ganz unschädlich zu machen. Das wäre der neueste Plan Bismarcks, welcher jetzt mit der ernsthaftesten Miene verbreitet wird. Ohne Zweifel wird cs auch in Deutschland Leute geben, die über diesen schreckliche» Aspekt in die Zukunft kummervoll das Haupt schütteln und es sich nicht nehmen lassen, daß „doch etwas daran sein" müsse.
Kronstadt, 22. Sept. Ein Sohn, Urlauber und Schuhmachergeselle, Kart Bräu er, hat seine Mutter, seine 18jährige Schwester, seinen 15jährigen Bruder und sich selbst erschossen.
P aris, 30. Sept. Gelegentlich des Empfanges einer Deputation in Sizille am Sonntag sagte Thiers: Das Europa der Gegenwart ist nicht mehr das Europa von 1815. Europa ist friedlich und gemäßigt gesonnen und hegt, größtentheils im eigenen Interesse, Wünsche für die Wicderausrichtung Frankreichs. Europa weiß, mit welchen Schwierigkeiten und Unmöglichkeiten wir kämpfen, und würde eine Wiederaufrichtung der monarchischen Regierung nur mit Mißtrauen ansehen, da sie der gegenwärtigen Richtung der Gemüthcr nicht entsprechen und weder Kraft noch Dauer haben würde.
London. Folgende 6 Resolutionen werden dem Volksmeeting in Glasgow am 7. Oktober zu Gunsten der bürgerlichen und Religionsfreiheit unterbreitet: Da die Grundsätze und Satzungen der römischen Kirche die höchsten politischen Ansprüche involviren, mithin die oberste Jurisdiktion in weltlichen und geistlichen Angelegenheiten fordern, so komme ein unküiilroliries, unbeschränktes Vorgehen einer solchen wesentlich ebenso politischen als kirchlichen Organisation in jedem Lande der 'Verletzung der ersten freiheitlichen Grundsätze und der Abtretung der Unabhängigkeit und des Selfgonverneinents des betreffenden Landes gleich. 2) Das jetzige Vorgehen Roms in Deutschland ist ein Beispiel dieser politischen Organisation. Rom versucht dort unter angeblich geistlicher Censur, welche jedoch weltliche Strafen umfaßt, Aufzwingung des Glaubens und das Unfehlbarkeilsdogma und Entfernung eines Theiles der Bevölkerung aus den Schulen, usnrpirt daher thatsächlich eine Landesregierung. Das Meeting sympalhisirt daher mit der deutschen Regierung im Kampfe mit dem Ultramontanismus. 3) Das Meeting fordert die britische Negierung und Parlament ans, den Anspruch der päpstlichen Hierarchie auf weltliche Oberherrschaft in England mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen. 4) Die Bekämpfung Seitens des Parlaments sei um so mehr geboten, weil hinter dem Anspruch auf Weltoberherrschaft in England und der gelammten Welt die Unfehlbarkeit stehe und es nicht minder That- sache sei, daß dahinter die Organisirung der Jesuiten stehe. 5) Die Erfahrung von Jahrhunderten beweise, daß der Romanismns die Moral zerstöre, die Wissenschaft verderbe, die Freiheit, Ordnung und Wohlfahrt der Nationen Umstürze. Daher sei die Steigerung des Romanismus in einem Lande gleichbedeutend mit der Abnahme der intellektuellen, moralischen nnd politischen Macht desselben. 6) Das Meeting beschließt Ucbergabe der Resolutionen an den deutschen Botschafter zur Uebergabc an den deutschen Kaiser und Volk.
St. Petersburg, 28. Sept. Es ist in Folge der allgemeinen Wehrpflicht ein Aufstand unter den malischen Kosaken ausgebrochen. Truppen sind dorthin abgesandt.
Die Kunstreiterin.
(Fortsetzung.)
Moritz blickte entrüstet auf. Nicht die Frage, sondern der Ton, in welchem sie gestellt war, empörte ihn. Er fühlte, daß der Augenblick gekommen war, für die Ehre derjenigen, die er lieble, cinzustehen, er wollte diese Pflicht, welche die Liebe von ihm forderte, erfüllen. Noch nie hatte er so tief empfunden, wie sehr er Adele liebte, als in diesem Augenblick.
Der Fabrikant ahnte nicht, daß der spöttische, geringschätzende Ton, den er anschlug, das Gegenlhcit von dem bezweckte, was er beabsichtigte, er ahnte ferner nicht, daß es' bereits zu spät war, einen Versuch zur Lösung jenes Verhältnisses zu machen, da die Liebe in dem Herzen des Jünglings schon zu fest Wurzel gefaßt hatte. Er sah die Sache für eine jugendliche Spielerei an, und nur als solche wollte ec sie behandeln, eine tiefere Deutung gab er ihr nicht.
„Ich frage Dich nochmals, wie tief hast Du Dich mit ihnen eingelassen ?" nahm er nach einer Pause wieder das Wort. „Um den Eual zu vermeiden, will ich einige hundert Thaler opfern, unter der Bedingung, daß Du noch heute das Verhältniß nb- brichst, Du kannst morgen eine Geschäftsreise anlreten, ich übernehme es, den Magistrat zu veranlassen, daß die Bande in den nächsten Tagen aufbrichl. Es wäre in der That ein ergötzlicher Beitrag zur Ehroniquc scandaleuse, wenn die Stadt erführe, daß Du einer Kunstreiterin nachgelaufen bist. Bor einer Wiederholung dieser Thorheil bangt mir nicht, ich werde in Zuknnft Dich jo knapp halten, daß Dir die Lust zur Anknüpfung solcher Verhältnisse vergehen soll."
Bis jetzt hatte Moritz mühsam an sich gehalten, er vermochte es bei der letzten Bemerkung des Vaters nicht mehr.
„Ich will weder an Dein Herz, noch an Deine Vernunft, weder an Deine Liebe, noch an Deine Güte appelliren," sagte er ruhig, „ich weiß, daß dies vergeblich wäre. Aber Du wirst zugeben müssen, daß ich großjährig bin, und das Gesetz —"
„Moritz!" brauste der Fabrikant auf.
„Unterbrich mich nicht. Nur auf dem Wege einer ruhigen Auseinandersetzung können wir eine Verständigung herbeiführen. Wenn Du in die Vergangenheit zurückblickst und Dich der Methode entsinnst, welche Du meiner Erziehung zu Grunde legtest, so wirst Du finden, daß sie allein die Schuld an der Entfremdung trägt, welche nie ausgeglichen werden konnte. Es ist hart, den Vater antlagen zu müssen."
»Ich sehe nicht ein, wozu diese Auseinandersetzung dienen könnte," siet der Fabrikant, dessen Antlitz Purpurgluth übergoß, seinem Lohne in's Wort. In diesem Augenblicke handelt es sich nur darum, ob Du mir gehorchen willst oder nicht."
„Ich kann es nicht," enlgegnete Moritz fest.
„Gut, so werde ich Dich dazu zwingen."
Moritz richtete sich stolz aus.
„Verjuche es," sagte er, indem er den Blick durchdringend auf das Antlitz des alten Herrn heftete, Laß dieser unwillkürlich die Wimpern senkte. „Ich bin nicht mehr das Kind, welches vor Dir zitterte, ich bin mit der Zeit ein Mann geworden."
Der Fabrikant halte sich erhoben.
„Hinaus!" rief er zornig. „Nicht eher will ich Dich Wiedersehen, bis Dit gelernt hast, daß das Kind unter allen Umständen seinen Eltern gehorchen muß. Geh', Deine Casse wirst Du an den zweiten Cassierer abgeben, ich verlange Deine Hülfe in meinem Geschäft ferner nicht."
Moritz hatte diesen Sturm erwartet, er bot ihm eine feste, ruhige Stirn.
»Ich gehe, Vater," sagte er, gewaltsam an sich haltend, „Du selbst Haft das Band zerrissen.
Der Fabrikant ging aufgeregt mit großen Schritten in seinem Eabinel auf und ab, endlich blieb er stehen, um den Glockenzng zu ziehen.
„Der Director der Kunstreilcrgesellschaft soll sich augenblicklich zu mir verfügen!" herrschte er den eintretendeu Diener an. „Noch Eins! Ich lasse den Polizeiinspector bitten, mich heute Nachmittag zu besuchen. — Hier muß ein Ausweg gefunden werden," murmelte er, als der Diener sich entfernt hatte. „Gleichviel welcher, biegen oder brechen!"
Nach einer Stunde trat Charles Vernon ein. Er grüßte den Fabrikanten mit seinem freundlichsten Lächeln und nahm keinen Anstand, auszusprechen, daß es ihm zu hoher Ehre gereiche, das Haus eines so vornehmen Mannes zu betreten.
„Sparen Sie die Worte," sagte der Fabrikant kurz angebunden. „Ich habe Sie nicht zu mir beschieden, um eine lange Unterredung mit Ihnen anzuknüpfen. Wieviel wollen Sie haben, wenn Sie morgen schon C. verlassen?"
Der Director blickte erstaunt auf.
„Wenn ich morgen schon C. verlasse?" fragte er. „Das wird unter keinen Umständen angehen, das Publicum —"
„Was scheert Sie das Publikum? Schützen Sie irgend einen Vorwand für Ihre plötzliche Abreise vor."
Herr Charles Vernon zog seine silberne Tabatiere aus der Tasche, öffnete sie und strich mit dem Zeigefinger den Tabak aus den Ecken zusammen.
„In der That, ich begreife nicht, weßhalb Sie mir dieses Anerbieten stellen," enlgegnete er, während er den verstreuten Schnupftabak von seinem Spitzenjabot abschnellte.
„Nun wohl, ich will Ihnen den Grund nennen," fuhr der Fabrikant fort. „Die sofortige Entfernung der Schwestern Cirooalli."