Amtsblatt für Leu Oberamtsbczirk Nagold.
Nr. 114.Mn-rst-g I. LL'sL'kCZ 1874.
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Redaktion d. Gesellsch.
r a g e s - R e n i g k e i t e n.
Stuttgart. 27. Sept. Die heute hier stattgehabte Landes-Versammlung der deutschen Partei beschäftigte sich vornehmlich mit der Revision des Programms und sprach sich einstimmig für folgende Punkte aus: 1) In Reichsaugelegenheileu: umfassende Durchführung der Nelchsgesetzgebuug über Civilrechl und Gerichts Verfahren, Bank- und Eisenbahn-Wesen, Schutz des geistigen Eigenthums, freisinnige Regelung des Versamnttungs- nnd Vereins Rechts, Aufrechthaltung der Reichs- und Staals- Hoheit über Kirche und Schule, obligatorische Civilehe, bürgerliche Standcsbuchführung, Schwurgerichte, ungeschmälerte Erhaltung und Ausbildung der Reichswehrkraft, Wahrung des Bud- gctsrechrs des Reichstages bezüglich des Militär-Aufwandes, Einsrtzung eines obersten Rcichsgcrichtshofs und verantworlicher Reichsministerien; 2) in Laudesaugelegenheitcn: Erweiterung des Selbstverwaltungs-Rechts der Gemeinden und Bezirke, unabhängige, selbständige Gerichte für Streitigkeiten des öffentlichen Rechts und zum Schutze desselben, gesetzliche Regelung der Minister Verantwortlichkeit, Vereinfachung des ganzen Staats-Organismus, Aufhebung des Geheimen Raths und der Gesandtschaften, Einkammcr-System.
Stuttgart, 27. Sept. Ein 11'/-jähriger Knabe, welcher hier bei seinen Großeltern (seine Ellern sind gestorben) in der Silbcrburgstraße wohnte, hat sich gestern mit seinem Taschentuch an einem Fenster erhängt. An dem Kleinen wurden seit kurzer Zeit Spuren von Geistesstörung wahrgenommen.
Stuttgart, 28. Sept. Heule erhalten wir die erste Nummer des jeden Sonntag in Stuttgart in französischer Sprache erscheinenden „I'Obsarvateur cko Stuttgart" (Stuttgarter Beobachter). Verantwortlicher Redakteur ist Hr. A. Bötzel. (B. Z )
Stuttgart, 28. Sept. Die heutige Börle verlief in ruhiger Haltung, indem Verkäufer die Pretse etwas fester hielten und zudem hat sich der Bedarf der Mühlen in Folge des niedrigen Wafserstanbes wesentlich vermindert. Der Hopsenmarkt war heute etwas stärker befahren, die Käufer blieben jedoch bei den geforderten Preisen ziemlich zurückhaltend. Wir nvtiren: Weizen, amerikanischer, b sl. 45 bis 5t kr., baie« rischer 6 sl. 30 kr. dis 7 fl., Kernen 6 fl. 36 bis 51 kr.: Dinkel 4 fl. 6 bis 12 kr.; Gerste, baierische, 5 sl. 36 kr., württembergische 5 fl. 30 kr.; Hafer 4 fl. 45 bis 57 kr.; ttohlreps 8 fl. 24 kr.: Lein 8 fl. 24 kr-: Hopfen, neuer, 122 bis 145 sl- Mehlpreise pro 100 Kilogramm sammt Sack: Nro 1, 2t fl. 30 kr. bis 22 sl.; Nro 2. 19 sl. 30 kr. bis 20 fl.; Nro 3, 17 fl. 30 kr. bis 18 fl-: Nro 4, 15 sl. 30 kr. bis 16 fl.; Französisches Mehl Nro 1, 19 sl. 45 kr.
Heilbrottn, 27. Sept. Gestern Vormittag zwischen 10 und 11 Uhr brach in einem größeren Gebäude der Stearinlichterfabrik von Munzing u. Co., das die Schreinerei, Schlosserei und Magazine enthält, ein Feuer aus, das in Zeit von etwas mehr als einer Stunde das Gebäude , soweit es nicht feuerfest war, zerstörte, und das wegen der ungeheuren Hitze, welche die in ihm gelagerten Vorräthe an Stearin rc. verbreiteten, der anderen Münzing'schen Fabrik- und den Wohnräumcn, sowie einer benachbarten Spiritus-, einer Cichorienfabrik und einer Sägmühle große Gefahr drohte. Unterstützt von einer vollständigen Windstille, gelang es der Feuerwehr, der Feuersbrunst in weniger als 2 Stunden Herr zu werden. Es ist dies im Verlauf einer Woche das drittemal, daß, einmal ohne Grund bei einem ganz unbedeutenden Fall, die Sturmglocken hier sich in Bewegung setzten.
Vor dem Schwurgcrichtshofe zu Konstanz wurde ein interessanter Fall verhandelt. Ein gewisser K. F. E. Eggler
von Radolfzell wurde von dem Geschwornengerichte zu Auburn in Amerika wegen des ans einer Farm in Locke in Amerika begangenen Verbrechens des Mordes zum Tode vernrtheilt und sollte das Todesunheil am 6. Februar 1874 vollzogen werden. Die Familie des Eggler suchte bei dem Großh. Ministerium des Auswärtigen um Verwendung zu Gunsten des Verurtheilten nach. Auf Veranlassung unseres Ministeriums verwendete sich die deutsche Gesandtschaft in Washington und das deutsche General-Konsulat in New Jork und brachten es deren Bemühungen dahin, daß Eggler an Baden mit der Bedingung ansgeliefert wurde, daß derselbe von dem zuständigen badischen Gerichte bestraft werde. Derselbe gerieth mit der gleichfalls auf der Farm beschäftigten lstjährigcn Amerikanerin Ella Conclin in Wortwechsel und schließlich in eine Rauferei, wobei ihm Etta einen heftigen Faustschlag aus die Nase versetzte. Eggler ergriff eines der auf der uächst- stehenden Bank liegenden Messer und als Etta sich bückte, um gleichfalls ein solches zu nehmen, stach er wiederholt nach Etta, ohne sich zu kümmern, wohin es gehe. Bei dem letzten Stoß, der in das Genick ging, sank Etta mit dem Rufe „äe.wl" wdt zu Boden. Eggler, von schrecklicher Angst erfaßt, rief Etta beim Namen, erhielt aber keine Antwort. Nachdem er sich von ihrem Tode überzeugt, wollte er sich sofort entleiben, besann sich aber und entfloh. Auf einer 25 englische Meilen entfernten Farm erfolgte seine Verhaftung. Der Schwurgerichtshof zu Konstanz verurtheilte Eggler wegen Todtschlags zu 2'/» Jahren Zuchthaus.
München, 25. Sept. Gestern ist eine merkwürdige Persönlichkeit gestorben, eiuzweiter Mezzofanti: Franz Xaver Richter, Stistsvikar an der Hofkirche zu St. Cajetan und Studienlehrer, der etliche siebcnzig alte und neue Sprachen uicht nur zu lesen und zu verstehen, sondern auch alle zu sprechen im Stande war. Haneberg, eine Autorität in dieser Beziehung, pflegte Richter ein „europäisches Unikum" zu nennen. Letzterer — ein äußerst anspruchsloser Mann —war seit längerer Zeit schwer hcrzleidend, und zog sich vor etlichen Wochen zu vermeintlicher Erholung in sein Heimalhsdorf Buchberg bei Erding zurück, wo ihn aber bald der Tod von seinem unheilbaren Leiden erlöste. (N. C)
Greifswald, 24. Sept' Der wegen des an Anna Böckler begangenen Mordes zu 15 Jahren Gefängnis- verurtheilte Dienstknecht Fritz «Schütt aus Loitz ist vor einigen Tagen in dem Gefängnisse zu Hannover, wohin er überführt worden war, verstorben; ein Geständniß soll er vor seinem Tode nicht abgelegt haben.
Limburg, 26. Sept. Das hiesige Kreisgericht hat unfern Bischof wegen Anstellung eines Pfarrwerwalters zu Haint- gen in eine Geldstrafe von 400 Thlr. event. fünf Monate Ge- fängniß und in die Kosten verurtheilt.
Wiesbaden, 28. Sept. Die Versammlung des Protestanten Vereins ist zahlreich besucht. In der heutigen Delegirten- Sitzung unter dem Präsidium Bluntschli's waren 39 Vereine vertreten, auch Holland, die Schweiz und Amerika.
Straßburg, 28. Sepl. Heute Morgen um 10 Uhr wurde die Leiche des unglücklichen Premierlieutenants v. Dünau, welcher bei einer Schwimmlour ertrunken, unter den Klängen eines Trauermarsches zum Stadtbahnhof verbracht, um in die schwäbische Heimath überführt zu werden. Der Sarg wurde von Unterofficieren und Soldaten des 8. Reg. getragen und war mit Kränzen reich geschmückt. Als Leidtragende befanden sich im Zuge die Generale v. Fransccky, v. Hartmann, v. Cranach, sämmt- liche Ofsiciere des württ. Regiments, sowie zahlreiche Kameraden aus dem Officierkorps der ganzen hiesigen Garnison. Eine Abtheilung des 8. Reg. gab das Ehrengeleite.
Der „Mirror" empfiehlt denjenigen Reisenden, welche etwa Mecklenburg besuchen, in der Doberaner Kirche nachzusehen, ob die von Nugent in seinem allen Buche „Reisen in Deutschland" beschriebenen Reliquien noch dort ausgestellt werden. Unter anderen Kuriositäten werden folgende erwähnt: „Eine kleine Quantität Flachs, welche die Jungfrau Maria zum Spinnen brauchte, ein Bündel Heu, welches die drei Weisen des Morgenlandes für ihr Vieh mitgenommen hatten, und in Bethlehem zurückgelassen hatten; ein Stück von dem Kleide des armen Lazarus; ein Stück Leinwand, welches die Jungfrau Maria mit eigenen Händen ange-