als plötzlich kurz nach Beginn der Special-Discujsion ver Führer der Ultramontanen, Abg. Freylag, sich erhob, um eine Erklärung zu verlesen, in welcher sein Euliusminisler v. Lutz das Mißtrauen der gesammlen ullramoiilaiicn Partei ausgevrück: und als dem Förderer einer höchst verderblichen Partei-Politik wesentliche Abstriche an den Poslulaien für Schul-Attgelegenyeilen in Aussicht gestellt wurden. Die Erklärung war enlschiedeu und derv gefaßt und nicht ohne Seitenhieve aus die Eotlegrnschaft des Hrn. v. Lutz, die man als willenlose Werkzeuge iyres Over- Hauptes hinzustellen für gut fand. Der Minisier haue osfenvar vorher Wind bekommen; denn er hielt eine ivohtooroereueie Neoe, in welcher er aus den Terrorismus hinivies, wodurch e-, den ultramonlanen Führern gelungen sei, das ganze Laustem oer Getreuen zur Betheiligung an dieser Maniscslalion zu vermögen. Der Cullusminister versprach, das; er ans seinem Posten ansharren werde. Mi! dem burschikosen Nase: , schießen sie herüber, so schieße ich hinüber!" schloß er seine Neve. Bon liberaler Seile wurde die Wieder-Ausnahme oer allgemeinen Discussion beantragt, dieser Antrag aber mu einer Meyryeli von einer Stimme abgelehnl, und alsdann aus Anirag des Aog. Jörg, der seinem Freunde Freytag.ivacker assisiirie, die Beringung oer Sitzung auf heule Nachmittag beschlossen.
München, 27. Juni. Dem Siegesbewußljein der lllt- ramonlaneii von gestern Bormillag folgte des Abenvs eure schmerzliche Ernüchterung. Umsonst halte man aus die Krankheit des Abgeordneten Kraußold speculirt- Er war in der Avendsitzung erschienen, und als es nach heftigen Expecioralionen von Hüven und drüben über das Postulat für Erweiterung des Polyiechnicums zur Abstimmung kam und Jedermann dem Ergebnis; erwartungsvoll entgegensah, da ereignete sich, was wohl Niemand geaynt hatte. Der ultramontane Landrichter Eder stimmte für das Postulat, und noch mehr — unbekümmert um das Zähneknirschen und die Wuthansbrüche seiner Parleisreunde, »wlivirle Eoer in wohkgcseytcr Rede seine Abstimmung, indem er nachoruclsooll aus den Eid hinwies, den er als Abgeordneter geleistet, wodurch er des ganzen Landes Wohl bei seinen Entschließungen wahrnehmen zu wollen gelobt habe, und mit der Bemerkung schloß, daß die ganze gebildete Welt sein Bolum gulheißew werde. Diese anerrennenswerlhe Apostasie verhals dem Postulat auf die Leuie; denn cs bedurfte wunderbarer Weise nur dieser einzigen Slimine, um die Majorität zu gewinnen. Die von klerikaler Seile beanstandeten Forderungen sür das im erbärmlichsten Zustand befindliche Münchener Wilhelms-Gymnasium und sür oeu Bau eines neuen chemischen Laboratoriums an der Münchener Umversiläl wurden, Dank der fortgesetzten gütigen Mitwirkung des neuen Bundesgenossen, alsdann gleichfalls bewilligt. Als der Abgeordnete Erzgießerei-Jnspector v. Miller, der sich vor wenigen Tagen bei Begründung seines Antrags über die Schaffung eines neuen, den Kunstbedürsnissen entsprechenden Academie-GeväudeS der wärmsten Unterstützung von Seite der liberalen Partei zu erfreuen hatte, geneigten Hauptes beharrlich mit „Nein" stimmte, erfolgten lebhafte, aber sehr berechtigte Kundgebungen des Unwillens. Das Unglaublichste leisteten indessen der Abgeordnete Dom Eapitular Dr. Anton Schmidt und der Referent Graf Fugger-Blumenthal. Beide hatten im Ausschuß für die iu Fragstehenden Postulale gesprochen und gestimmt; keiner dieser Ehrenmänner schämte sich aber gleichwohl, in der gestrigen Sitzung zu bekämpfen, was sie wenige Tage vorher vertreten hatte. Ein solches Benehmen bedarf keiner Kritik, es ist unter der Kritik. Graf Fugger hatte noch die Slirne, seine plötzliche Sinnes- Wandelung durch einige Bemerkungen zu begründen, die nur zur Steigerung jener Indignation dienen konnten, welche sich Aller bemächtigt halte, denen das Gefühl für Würde nicht völlig abhanden gekommen war. Die Sitzung schloß in später Abendstunde, um heute in früher Morgenstunde wieder zu beginnen. Mittlerweile Halle sich die Temperatur wesentlich abgekühlt. Die Erkenntniß, daß man sich entsetzlich blamirt habe, war den schwarzen Streitern über Nacht gekommen und auf ihren Gesichtern zu lesen. Es lief heute Alles glatt ab, nur ein Postulat für die Thier-Arzneischulc wurde verworfen, obwohl oder vielleicht weil der Abgeordnete Hänle an die Sympathien feiner politischen Gegner für die Thierwelt appellirt hatte. Der Abgeordnete v. Miller suchte sich beim Beginn der Sitzung durch eine höchst ungeschickte Rede zu rehabilitiren. Es gelang ihm nicht: „die Meinung hat verloren, wer einmal seine Meinung abgschworen". Das einzige Bedauerliche bei der ganzen Sache ist der Triumph des Cultusministers; er hat ihn nicht verdient und verdankt ihn einzig und allein der beispiellosen Kurzsichtigkeit von Menschen, die Hrn. v. Lutz für ihren Feind halten, während er ihnen doch mittelbar beständig in die Hände arbeitet lFr. I.)
Am 24. Juni fand i» Nürnberg die Enthüllungsseier des dem Volksdichter Hans Sachs errichteten Denkmals statt.
Zu den schönsten Bismarck-Geschichten gehört folgende. Es war in einer der ersten Verhandlungen Bismarcks mit Thiers über, den Friedensvertrag im Jahre 1871. Die Unterhandlungen wurden in französischer Sprache geführt, und der Fürst entwickelte in fließender Rede die Ansichten seiner Regierung. Mit Ruhe
u«d Gelassenheit setzte er feine Forderungen auseinander, welche bekanntlich damals die Höhe dessen, was schließlich wirklicher Inhalt des Friedens wurde, noch weil überstiegen. Als er zum Schlüsse seine Bedingungen noch einmal zusammenfaßte, fuhr Herr Thiers, empört sowohl über die Höhe der Forderungen als über den kahlen Ton des Sprechers, vom Stuhl auf und rief:
o'esc uuo viletv'!^ (Das ist eine Erbärmlichkeit.) „Ich bedauere," emgegneie Fürst Bismack ruhig," „aus dieser mir unverständlichen Aeußerung ersehen zu müssen, daß ich des Französischen doch nicht so mächtig bin, als es wünschenswerih wäre, um unfere Verhandlungen in französischer Sprache fortsetzen zu können. Wir werden uns deshalb der deutschen Sprache bedienen müssen, umsomehr, als ich keinen Grund erkennen kann, warum wir dies nicht von Anfang an gcthan h >vrn." Fürst Bismarck sprach also von jetzt ao Deutsch, und Herr Thiers mußte wohl oder übel Deutsch antworten. Doch war der Gebrauch dieser Sprache für ihn mit so viel grammatischen und anderen Schwierigkeiten verknüpft, daß er darüber seinen französischen Zorn gänzlich vergaß. Ec wurde um Vieles milder und ruhiger und machte schließlich so erhebliche Zugeständnisse, daß Fürst Bismarck sich seinem Ziele bedeutend näher sah und lächelnd sagen konnte : „Aus der Grundlage dieser Vorschläge bin ich auch bereit, die Verhandlungen in sranzösischer Sprache fortzusetzen."
Die Nachricht von der Verurthellung des Kapitäns zur See Werner zn einer Arrcststrafe stellt sich als eine Erfindung heraus. Bis jetzt ist das Kriegsgericht, welches über die gegen diesen Marineoffizier erhobene Anklage zn erkennen hat, noch gar nicht zusammeiigelrelen.
Fulda, 29. Juni. Gestern sind Vermittelungsoorschläge nach Berlin avgegangen. Von der Antwort auf dieselben wird es abhängen, ob der gemeinsame Hirtenbrief der Bischöfe erlassen wird.
Einem der „Deutschen Zeitung" in Wien zngehenden Telegramme zufolge i,l der Zustand Garibaldi'S ein gänzlich hoffnungsloser. Der General ist keiner Bewegung mehr fähig und müssen ihm die Speisen eingeflößl werden.
Paris, 29. Jnni. Das „Journal offiziel" veröffentlicht einen von Mac Mahon aus Anlaß der gestrigen Revue an die Armee gerichteten Tagesbefehl, worin derselbe die Soldaten wegen ihrer guten Haltung und ihres guten Geistes beglückwünscht und sagt: „Es ist Sache der Armee, mich in der Ausführung der Aufgabe zu unterstützen, mit welcher die Nationalversammlung mich betraut hat: für die Dauer von sieben Jahren die Ordnung und den öffentlichen Frieden ausrechtzuerhalten. Kommen wir dieser Verpflichtung bis zum letzten Augenblicke nach, indem wir überall die Autorität und das Gesetz aufrecht erhallen."
Bei mehreren B o u ap a r t i st e n sind heute Haussuchungen vorgenommen worden. Obendrein wird auch von anderen Maßregeln gegen die Partei gemeldet. In Marseille ist eine imperialistische Broschüre, „'Napoleon III.," mit Beschlag belegt worden, und wie es heißt, sollen einige Hundert Stadlsergeanten, die sich zu stark kompromittirt haben, aus dem Pariser Polizeikorps entfernt werden. Die bonapartistischen Blätter protestiren mit der Entrüstung gekränkter Unschuld gegen die Vcrschwörungsgelüste, die ihrer Partei Schuld gegeben werden.
Madrid, 27. Juni. Gestern hat die Armee des Generals Concha eine Umgchungsbewegung vollzogen und sich dabei der Ortschaften Villaluerta, Laca, Loreaz, Ailloz bei Estella, bemächtigt. Die Einnahme von Estella selbst wird sür morgen erwartet. — 10,000 Karlisten unter Don Alphons sind bei Cheloa (Prov. Valencia) von 5000 Republikanern geschlagen worden.
Madrid, 29. Juni. Bei Muro in der Nähe von Estella hat ein Gefecht stattgefunden, in welchem General Concha ge- tödtet wurde. Die Armee selbst hat keine erheblichen Verluste erlitten. Zum Nachfolger Concha's im Oberkommando der Nord- armee ist Zabala ernannt, der heute Vormittag nach dem Hauptquartier abgeht.
Der Tod Concha's ist für die Sache der spanischen Republik ein empfindlicher Schlag. Seit dieser General das Oberkommando übernommen hatte, war Planmäßigkeit in die Kriegführung gekdmmen, und die Erfolge, die derselbe fortwährend erzielte, eröffnet«, zum erstenmale eine Aussicht auf nicht allzu ferne Beendigung des Bürgerkrieges.
Allerlei.
Die Siebenschläfer (27. Juni) sind mit Regen in's Land gekommen und haben nun die Aufgabe, den alten Aberglauben aufs Trockene zu setzen, daß es 7 Wochen lang fortregnen müsse.
— Nur praktisch. In Charlottenburg feierte dieser Tage der evangel. Glöckner sein bOjähriges Jubiläum. Einer der Gratulanten äußerte zu dem Jubilar: „Mögen Sie noch recht lange bei allen freudigen Ereignissen unserer Stadt die Glocken läuten." „Das Trauergeläute bringt mir mehr ein" , war die rasche Antwort des Glöckners.