heil nichts verlieren, daß ihre Vcrtrcier zu kurzsichtig sind, nur den rein persönlichen Charakter ihres GebahrenS einzusehen. Wir hoffen, unser Volk wird dieser Blindheit zu Hülfe kommen und sich von Männern lossagen, welche in so auffälligem Maße das nationale Bedürfnis;, den constitntionellen Aufbau des Reichs im Einvernehmen mit der Reichsregierung zu fördern, verkennen. Eine Neubildung der Parteien auf diesem Boden lhnt uns dringend noch. Laut und vernehmbar erschallt das „Hie Welf, hie Waibling!" in diesem Augenblick durch das ganze Deutsche Reich, und niemals mehr als jetzt greift die Wahrheit Platz: „Wer nicht für mich ist, der ist wider mich!" Wir sind, Gott sei cs gedankt! der deutschen szraktiousmifure innerlich entwachsen und können nur politische Parteien noch brauchen z deren aber kan» es in einem wirklichen Volksleben nur zwei geben: eine, welche die zeitige Staatsentwickluug zu fördern, und eine andere, welche sie zu hemmen sich znui klar erkannten .stiele setzt. Was dazwischen noch Raum für sich zu gewinne» jucht, ist Spielerei für politische Binder, denen mau auf die Finger klopfen soll, daß sie nicht Unheil anstiftcu.
Der deutsche Reichstag hat am Sonnabend in 2ter Lesung über die Reichskajsenj ch e t n e verhandelt. Das Ergebnis; ist, daß bis 1. Juli 1875 alle Kassenscheine eingezogen werden von dem stolzen k. preuß. Tresorschein bis zum zerlumpten Sohn der Reuß'schen Papiergeldprcsse. Die Liebhaber von Seltsamkeiten und die Verwaltung von kulturgeschichtlichen Museen werden sich vsrsehen müssen. An die Stelle dieser bauten Scheine tritt der R e i ch s kass e n s ch e i n in Abschnitten von 5 Mark au, zunächst ein schmucker Geselle, aus dessen äußere Erscheinung hoffentlich Sorgfalt verwendet werden wird. Diejenigen im Reichstag, die gar kein Papiergeld wollten oder tue es später auf 40 Mttlionen Thaler oder l20 Millionen Mark zu beschränken wünschten, sind unterlegen; der Bundesralh hat seinen Willen durchgesetzt, 59 Mill. Thaler alsbald auszugebcn und diesen Betrag daun in 15 Jahren auf 40 Mill. Thlr. herunter zu mindern. Bekanntlich vertheilrn sich diese 59 MR. Thaler in der Weise, daß jedem Einzelslaate eine Summe von 3 Mark ü Kopf znge- theilt und der Ueberfchnß zu Vorschüssen an die Siaaie» benutzt wird, welche mehr Papiergeld einzuziehc» haben, als sie Reichspapier erhalten.
Leipzig, 2l. April. Wie der ,,Bolksstaat" meldet, ist, auf Grund des in einer allgemeinen Versammlung von Schuhmacher-G e h ü l f e n gefaßten Beschlusses, um Sonnabend de» 78. April den hiesigen Schnhmachermeislern die Arbeit aufgekündigt worden, und die förmliche Arbeitseinstellung wird am nächsten Sonnabend den 25. April erfolgen. Von 400—450 arbeitende» Gehülfen sollen, wie ei heißt, etwa 350 am Slrike theilnehmen.
L e ipzi g, 22. April. (O fl ermefs e.) Die Nachfrage in Tuchen und Buckskins bestand vorzugsweise für Muster- waare und fanden deßhalb gute DcfsinS in Sommer- wie halb- schwerer Waare befriedigenden Absatz zu vollen Preisen. Vernachlässigt blieben auch in dieser Messe glatte schwarze ganze und Dreivieriel-Tuche, worin Vieles zurückgesührt wurde. In Deutschland besteht der Hanplverbranch in Mntterwaare; so lange das überseeische Geschäft stockt, ist daher Ueberproduction in schwarzen und ähnlichen Export-Artikeln
Leipzig, 22. April. Die Dr. N. berichten unterm 23. April: „Bei dem gestern Morgen von Meißen abmarschirlen Jägerbalaillon sind aus dem Marsche nach hier in Folge der herrschenden drückenden Hitze mehrere Soldaten vom Sonnenstich befallen worden, einer derselben soll bereits gestorben sein."
Oestreich ist mit einem Schlage um einige hundert Excei- lenzen bereichert worden. Aus ipczielle kaiserliche Anordnung hat nunmehr setzt vom Feldmarschalllientenant auswärts jeder General das Recht aus den Titel Excellenz, früher wurden sie wohl auch so im gewöhnlichen Verkehr genannt, hatten aber die offizielle Berechtigung auf diese Auszeichnung nur, wenn sie Ge- heimrälhe waren.
Paris, 24. April. Die gesammle Presse verlangt den Ausschluß Piccon's, des Seealpendepuurien, aus der Nationalversammlung wegen seiner Banketrede. Einige Journale fordern sogar die gerichtliche Verfolgung desselben. — „Moniteur" erwähnt das Gerücht von der Ankunft Chambord's in Versailles.
In Paris ist man über die Annahme des Reich smi- litärgeseyes durch den Reichstag sehr verstimmt. Das „Journal des Debats" macht seinem Unmuth in den Worten Lust: „Der Reichstag hat ans seine Unabhängigkeit zu Gunsten des Kaisers und der Minister verzichtet. Dieses Votum fährt einen verhängnißvollen Schlag gegen die parlamentarischen Einrichtungen und gibt Europa ein übleS Beispiel. Die Mächte werden nicht vergesset,, daß Kaiser Wilhelm, zum militärischen Diktator ans 7 Jahre ernannt, eine gutorganisirlc und diseipUnirle und mit dem besten Materiale ausgerüstete Armee jeden Augenblick in Bewegung setzen kann."
Der .Herzog von Anmale soll an Bonrbaki's Stelle Gouverneur von Lyon werden. — Bischof Dupanlonp hat
in Rom die Heiligsprechung der Jnnczfran von Orleans verlangt.
— Es ist das Gerücht verbreitet, Don Carlos sei in die Hände Serrano's gefallen.
Der h. Vater hatte in diesem, sowie in allen früheren Jahren, am Ostersonntage unter die Schweizergarden für Jeden eine kleine Flasche Rheinwein, und unter die Palatinal- garden für Jede» eine Flasche vom Weine des Vesuvs vertheilcn lassen. Am folgenden Tage ging er im Innern des Vatikans an einem jungen Schweizerjoldnten vorüber. Er trat ans ihn zu und fragte mit seinem gewöhnlichen Wohlwollen: „Wie hat Dir der Wein geschmeckt?" Der Schweizer sagte treuherzig: „Heiliger Vater! Außerordentlich gut, aber es war wenig". Man kann sich denken, mit welcher Heiterkeit diese Antwort vom Papste ausgenommen wurde.
Sollte der Papst wirklich daran denken, das Jnterdict über die Kirche,isprengel zu verhängen, deren Bischöfe eingesperrt sind oder werde»? Es ist schwer zu glauben und doch soll Bischof Förster i» Breslau derlei haben 'verlauten lassen. Das Jnterdict gehört zu dem mittelatterlichen Nüst- nnd Strafwerk- zeng des Papstthlims. etwa so wie die Folter. Wenn das Jnter- dici z. B. über das Bislhum Posen und Gnesen verhängt würde, so wären damit alle geistl. Handlungen, die Taufe ausgenommen, verboten, die Glocken dürfen nicht geläutet werden, das h. Abendmahl darf selbst Sterbenden nicht gespendet werden, in den Kirchen wird aller Schmuck verhängt oder entfernt und die Beeidigungen finden ohne Geistliche :c. statt. Kurz das ganze kirchliche Leben wird künstlich nnd zum schrecken des Volkes znm Sttllstand gebracht. Der Zweck ist, das Volk in Verzweiflung zu bringen.
Washington, 0. April. Am Freitag Abend starb Kapt. Adolf Becher, vor 1848 Verlagsbuchhändler in Stuttgart, einer von den allen Achtundvierzigern, über dessen Haupt lange Zeit das Damoklesschwert in Gestalt eines Todksurtheils geschwebt Halle, nach einer langen und schmerzlichen Krankheit. Als das sturmsahr 1848 über Denlschland hereinbrach, zog Becher mit den würltembcrgischen Freischaaren über den Schwarzwald. Viele hervorragende würtlemdergische Republikaner dienten unter der Schaar Hauptmann Becher's.
Ans Algier den 2l. April wird gemeldet: Die Heuschrecken, diese fürchterliche Landplage unseres Landes, sind im Kreise Mascara bei dem Stamme Harras Charaba, bei Frcndats, in der Gegend des Djebel Nadoc und südlich von Tiaret, ausgetaucht. Die Banden ziehen von Süden in nordwestlicher Richtung weiter, unter allen Landleuten Jammer und Schrecken verbreitend. Der Umerdivisionsgenerl von Mascara hat alle Mittel ausgeboten, um sich dieser gefahrbringenden Gäste zu entledigen.
Allerlei.
— (Das Hans mit den 99 Schafsköpsen) in Berlin. Am Aiexanderplatze, zwischen der neuen Königs- und der Landsberger-Straßc, slehl ein Hans, das jedem Vorübergehenden aussällt. Im Volke ist unter dem Namen „das Haus mit den 99 Schafsköpfen" bekannt. Seine Geschichte ist so kurios wie sein Ngme. Der alte Fritz hatte einem in der Landsberger Straße wohnenden Bürger ein hübsches Hänschen geschenkt und der Nachbar des Glücklichen sah dieses mit neidischen Augen an. Sein Dichten und Trachten ging nach einer ähnlichen königlichen Gnade. 'Nicht daß er's grade nöthig gehabt hätte, nein, der Mann hatte Geld, es war ihm blos um die Ehre zu thun. Da machte er »un reiche Schenkungen an die Armen und Ihat sich so hervor, daß der König auf den Edlen aufmerksam werden sollte. Und richtig, der opferfreudige Mann erhielt vom König die Erlanbniß, sich eine Gnade anszubitten und er bat um ein Haus. Wenige Monate zogen vorüber und ein schönes Haus stand da und der glückliche Besitzer zog ein. Glücklich? nein, das war er nicht, die Statuen am Hanse des Nachbarn ließen ihn vor Neid »ich, schlafen. Als einmal der alte Fritz vorüber ritt und ihn fragte: Ist Er nun znsrieden? da antwortete er: ja, aber wenn doch Majestät mein Hans auch wie das des Nachbars mit Statuen nnd Frescobilder schmücken wollten! — Soll Er haben! sagte der König, ritt davon nnd nahm sich vor, den Nimmersatt mit seiner Eitelkeit zu strafen. Er ließ daher das Haus mit steinernen Sinnbildern zieren und zwar mit 99 Schassköpfen. (Etwa 15 davon sind noch heute vorhanden.) Man denke sich den Schrecke» des armen Mannes, der, als der König zum zweitenmal vorbeiritt, diesem unter Zittern nnd Zagen sein Leid klagte und sich über den Spott böser Nachbarn beschwerte, welche den sonderbaren Hansschmuck als Anspielung auf den Besitzer betrachtete». — Aber er hat ja nur seinen Willen gehabt!
— Ach, Majestät, freilich, indessen — die Schafsköpse — — Nun, allerdings es sind nur 99, aber wenn Er eine runde Zahl und das Hundert voll haben will, dann braucht Er ja nur zum Fenster hinaus zu sehen. Adieu! — Damit ritt der König davon nnd der Reserveschasskops hat das Nachsehen.
— (Einige Worte über die Hühnerzucht.) Der Landwirth, der gehörig mit dem Rechenstist umzngehen weiß, wird sich mit seinen verschiedenen Zuchten nach den Zeitverhältnissen richten, er wird z. B. jetzt mehr Sorgfalt als früher auf