sich in großer Auircgung befindet. Man hatte sich schon seit längerer Zeit erzählt, daß die Frau eines hiesigen Fabrikarbeiters, welche dieser, Witlrvcr und Vater eines Sohnes, als Wiltwc und Mutter mehrerer Kinder geheirathct hatte, ihren Stiefsohn, der ungefähr 7 Jahre alt ist, sehr schlecht behandle, denselben nainenl- lich auf das grausamste peinige und ihm die absolut noihweudige Nahrung vorenthalte. Gestern nun wurde von Nachbarn das Jammern des beklagcnswerthen Knaben gehört und hierauf drangen einige handfeste Männer in das betreffende Haus, und was mußten dieselben dort finden? In einer finstern Ecke aus dem Boden fanden sie das arme Kind, wie dasselbe, Kopf und Kniee aneinander gezwängt, mit Lumpen bedeckt, von widrigem Unrath umgeben, voll Ungeziefer, mit hohlen Augen, eingefallenen Wangen und geschundenem Rücken in eine Küste gepreßt war. Das unglückliche Geschöpf flehte seine Retter in fast unverständlichen Lauten um Essen und Trinken an. Dasselbe wurde nun bald ins Krankenhaus gebracht, die unmenschliche Stiefmutter aber ins Gesängniß abgeführt. Welches Verhättniß der Vater zu dieser Sache einnimmt, ist noch nicht fest-gestellt. Der Haß der Stiefmutter kam daher, daß dem Kinde von seiner verstorbene» Mutter einiges Vermögen zngefalle» war.
Das größte astronomische Ereigniß des kommenden Jahres 1874 ist der Durchgang der Venus vor der Sonnenscheibe am 8. Dec. 1874, zu besten Beobachtung mit lhätiger Unterstützung der betrestenden Regierungen und astronomischen Gesellschaften Astronomen aller Länder und Rationen sich auf die fernen Eilande des südlichen indischen stillen Oeeans einerseits und in die eisigen Gefilde Sibiriens andererseits begeben werden, um daß allgemeine Weltmaß, die Entfernung der Erde von der Sonne endgültig festzustellen und dadurch der Wissenschaft und der Schifffahrt durch Verbesserung der Sonnen- und Mondtafeln für unier Jahrhundert den größten Dienst zu leisten.
ES hat sich die Nachricht verbreitet, daß der zweite Guß der für de» Kölner Dom bestimmten großen Kaiser gl ocke ebenfalls mißlungen sei. Leider scheint sich das Gerücht zu bewahrheiten.
Rom, 15. Nov Das Parlament ist heute durch den König mit einer Thronrede eröffnet worden. Dieselbe betont die Unabhängigkeit des Papstes und die Achtung der religiösen Frei- heit ohne einen Begriff aus die Gesetze und nationalen Institutionen zu dulden, constatirt die freundschaftlichen Beziehungen mit allen Mächten unter Hinweis auf die herzliche Aufnahme des Königs von Italien bei dessen Besuche an den Höfen Oesterreichs und Deutschlands Seitens der Souveräne und Völker dieser Länder, hofft eine lange Dauer des Friedens und zählt sodann die vozzulegenven Gesetzentwürfe auf.
Zu allen sonstigen Misslichkeiten, die ihr das Leben sauer machen, wie CantonaliSmus, Carlismus, Finanz-Noth u d. m, ist der gegenwärtigen Negierung Sp ani ens nun noch ein möglicherweise verhängnißvoüer internationaler Streitfall erwachsen durch die summarische Procedur, welche ihre Vollzugs-Organe aus Cuba dem amerikanischen Flibustier-Schiff „Virginius" angedeihen ließen. Spanien befindet sich den Vereinigten Staaten von Nordamerika gegenüber in einer ganz ähnlichen Zwangslage, wie die Türkei gegenüber Rußland. Wie Rußland auf den Zerfall der Türkei und deren Beerbung, so spekulirt die Union aus die Annexion der spanischen Colonien in Westindien, zumal Cu- ba's, der reichen und glänzenden Perle der Antillen. Amerikanische Ossiciere commandiren die Insurgenten, amerikanisches Gold besoldet die Truppen, und amerikanischer Einfluß beschützt sie mit dem sanften Druck, den das „Weiße Haus" stets so wirksam anszuüben versteht. Nun haben die spanischen Kriegsschiffe vor wenigen Tagen ein Schiff, den „Virginius", untäugbar amerikanischer Zugehörigkeit, aufgebracht, das wieder mit Waffen und Vorrälhen für die cubanischen Insurgenten befrachtet war und außer notorischen Empörern aus Cuba auch einige amerikanische Ossiciere an Bdrd hatte. Der neue spanische General - Capitän in der Habana ließ mit den Gefangenen von dem gekaperten Freibeuter kurzen Prozeß machen und die Rädelsführer, darunter den amerikanischen „General" Ryan, nach kriegsgerichtlichem Beschluß erschießen. Darob ist nun das Cabinet von Washington höflich entrüstet und bombardirt die Regierung des Don Emilio Castelar mit Drohnoten, worin im Namen des Völkerrechts und der Menschlichkeit Protest gegen das Geschehene erhoben wird, als ob Spanien Amerika und nicht umgekehrt dieses jenem zuerst das Wasser getrübt hätte.
In Liverpool sind 19 mormonische Missionare angekommen, die in Schweden, Deutschland und England 18 Monate lang ihre Bekehrungswerke verrichten sollen.
London, 17. Nov. Die „Times" sagt bezüglich der Virginius Assaire: da 16 Engländer erschossen feie», könnte sich England möglicherweise veranlaßt sehen, dem Entschluß Amerikas beiznstimmen. Das einzige Verlangen Englands sei, die Wiederholung verabsch euungswürdigcr Barbareien zu verhindern. Erleichtere die Unabhängigkeit Cubas die Erreichung dieses Resultats, so sei kein Grund vorhanden, dieselbe nicht anzuerkennen.
Paris, 15. Nov. Abends. Es herrscht eine aufgeregte
Stimmung. Man erwartet mit großer Spannung Nachrichten aus Versailles. Im Bahnhofe St. Lazare wartet eine große Volksmenge. Man spricht davon, daß die Regierung nicht allein in Paris, sondern auch in der Provinz große Vorsichtsmaßregeln ergriffen habe. Mannschaften und Schiffe in Brest, heißt cs, haben Patronen und jedes Schiff 6 Feldgeschütze erhalten, um sofort nach jedem bedrohten Orte gesandt werden zu könne». Die Leute sind bange vor einem Staatsstreich, falls die Regierung nicht siege.
Vor der Zuchtpotizei - Kammer von Versailles wurde am 1-3. Nov. die Sache Stoffel verhandelt, der bekanntlich in einer Sitzung^des Prozesses Bazaine sagte, er habe für den Berichterstatter nur Ecket und Verachtung. Eine große Menschenmenge belagerte seit früher Morgenstunde den Jnstizpalast und mir ein kleiner Theil konnte eingelassen werden. Der Angeklagte erscheint in bürgerlicher Kleidung. Nach den gewöhnlichen Formalitäten wird der Erschienene aufgefordert, sich zu vertheidigen. Oberst Stoffel wiederholt seine Worte und sagt, er könne sie nicht zn- rücknehmen, im klebrigen habe er unter dem Einfluß einer Aufwallung seines Zornes gehandelt, deren sich kein Ehrenmann erwehren könne, wenn er so angegriffen würde, wie es ihm Seitens des Generals Riviere geschah. Er bedauert jedoch, daß er vergessen habe, sich vor den Schranken der Justiz zu befinden. Lach and hält hierauf eine glänzende Rede, worin er dem General Riviere das Recht, als Beleidigter zu erscheinen, absprach, indem derselbe der Sitzung gar nicht beigewohnt habe. Der Vcrtheidi- ger erinnert an die glänzende Karriere Stoffels, an seine Dienste, die er in Berlin erzeigt, an seine Wunden, die er an der Seite Mac Mahons bei Sedan erhalten und verlangt Nachsicht des Gerichtshofes. Der Gerichtshof nahm mildernde Umstände an und verurlheilte Stoffel, wie schon gemeldet, zu einer Gefängniß- strafe von 3 Monaten und in die Kosten.
Versailles, 17. Nov. (Nationalversammlung.) Bei Eröffnung der Sitzung wird eine Botschaft Mac Mahons mitgetheilt, worin derselbe eine siebenjährige Verlängerung seiner Gewalten annehmen zu wollen erklärt.
New-Jork, 15. Nov. Von Euba hier eingegaugenen Nachrichten zufolge find weitere 57 Mann der Besatzung des „Virginius erschossen worden. Man nimmt an, daß sich nur 18 Mann gerettet haben. Im Central - Departement kam es zwischen Spaniern und Insurgenten zu einer Schlacht, in welcher 100 Insurgenten und 54 Spanier fielen. Die Insurgenten wurden vollständig geschlagen.
Washington, 15. Noo. Gestern hat ein Ministerrath stattgefunden, in welchem beschlossen wurde, i» Uebereinstinmung mit dem nationalen Gefühl die geeigneten Maßregeln zu treffen, um die Würde der Vereinigten Staaten zu behaupten. Es wird versichert, Amerika werde von Spanien die Bestrafung der für die Hinrichtung verantwortlichen Behörden von Santiago fordern und zu den äußersten Mitteln greifen, wenn Genugthnuiig verweigert werden sollte. Nach dem Ministerrath gab der Marine- Minister den Marine - Arsenalen telegraphisch den Befehl, die vorhandenen Schiffe kriegsmäßig anszurüsten. Das nordatlantische Geschwader geht Montag nach Havanna ab. Man glaubt, daß amerikanische Truppen im Falle eines Bruches sofort nach Cnba eingeschifft werden.
Friedrich Hecker ist ungebessert drüben in Amerika an's Land gestiegen. Seine ersten Worte waren: „Gottlob, daß ich die knebellose, ordenslose, königslose Luft dieser verschrieenen Republik wieder athmen kann." Von den Schwindlern in Deutschland rühmte er. die Amerikaner könnten bei ihnen in die Schule aehen. Die Thüringer Bankaktien hätten im Frühling 1873 auf 203, im Herbste auf 10 gestanden.
Allerlei.
— Ein Kaufmann überließ seiner einzigen Tochter und deren Mann sein ganzes Vermögen und zwar unter der Bedingung, daß er bis an's Ende seines Lebens gut verpflegt würde. Aber Schwiegersohn und Tochter kränkten täglich und stündlich den guten Vater und sehnten sich nach seinem Tode. Um sich nun eine bessere Behandlung zu verschaffen, entlehnte er heimlich von einem Freunde kurze Zeit eine ansehnliche Summe Geldes. Dieses Geld zählte er mit Ostentation auf. Schwiegersohn und Tochter erstaunten, weil sie glaubten, bereits Alles von ihm erhalten zu haben. Der Kaufmann aber sprach: „Nein, liebe Kinder, ich habe diese Summe noch zurnckbehalten, Ihr sollt es besitzen gleich nach meinem Tode, aber nur unter der Bedingung, daß Ihr mich als Vater behandelt." Dann verschloß er den Schatz gar wohl in einer Kiste und schaffte das Geld darauf ebenso heimlich ans dem Hause, als er es erhalten hatte. Die Tochter und ihr Mann begegneten nun dem alten Herrn bis zu seinem letzten Athemzuge mit aller Artigkeit, und als sie nach seinem Tode die Truhe öffneten, fanden sie dieselbe mit Steinen gefüllt und einen Zettel des Inhalts: „Diese Steine sind bestimmt, 'Denjenigen zu steinigen, der so dumm ist, vor seinem Tode seinen Kindern sein ganzes Vermögen zu geben."