Paris, 7. Sept. Der „Constitutionnel" schreibt: „Gestern, den 5. September, sind die letzten 250 Millionen von dem Löscgelde Frankreichs an die Schatzmeister des deutschen Reichs abgeführt worden. So werden wir denn mit dem Sieger quitt. Aber wir bleiben die Schuldner der ganzen Welt, welche uns die fabelhafte Summe von fünf Milliarden geliehen hat. Diese unserem Lande so bereitwillig dargebotene Anleihe ist für uns eine Ehrenschuld, die wir nicht auf unsere Enkel ab- wälzen dürfen. Es wäre zu viel, wenn wir ihnen neben der erdrückenden Erinnerung unserer Fehler und unseres Unglücks noch die schwere pecuniäre Last vermachten, dieselben losznkaufen. Die Anleihe von >871 war ein vortreffliches Hülssmittel, uns von einer widerwärtigen Realität, nämlich der fremden Occupation, zu befreien, und an Stelle derselben eine andere, noch immer lästige Realität, die Schuld, zu setzen. Die Schuld ist auch eine Occupation. Die Titel der Lesreiungsanleihe bilden eine friedliche und vertrauensvolle, aber gleichwohl gewichtge Garnison, welche anständig unterhalten und rücksichtsvoll behandelt sein will, bis wir sie ihrer Heimath, d. i. ihren Ursprungscassen, wiedergeben können. Mit Gottes Hülfe und dem Beistände der vier Bundesgenossen: Ordnung, Eintracht, Arbeit und Sparsamkeit wird uns dies hoffentlich gelingen. Man muss es sogar nicht blos hoffen, sondern auch wollen, und wenn wir nur recht wollen, wird das Sprüchwort: „Wer seine Schulden bezahlt, verbessert seine Güter" sich herrlicher als je bewähren; denn mit einem Schlage wird sich Frankreich dann vor seinen Zeitgenossen, seinen Nachkommen und vor sich selbst wieder aufgerichlet haben. Unsere moralische Wiederausrichlung steht im engsten Zusammenhänge mit der Einlösung unserer Schuld. Die eine kann nicht ohne die andere vor sich gehen, und dafür müssen wir Gott danken. Was unseren Sieger betrifft, so hat auch er eine Schuld zu regeln, und eine Schuld, die noch schwerer und vielleicht noch dringender ist, als die unserige. Es ist die Blutschuld des Na- both, jenes Gläubigers, dessen Forderung der Himmel nie unerhört gelassen hat. Er schreit jetzt zum Himmel aus jener Wunde, welche das bestfranzösische Fleisch gewaltsam aus Frankreich herausgerissen hat. Der Kaiser Wilhelm kann in kirchlichem und kriegerischem Pomp seine Siege unter den Schutz Gottes stelle» und seine Trophäen dem Allmächtigen darbringen. Mit allem Getöse der Glocken, Trompeten und Kanonen verstärkt, wird seine kaiserliche Stimme nicht zum Himmel dringen, welchen beständig der Schrei aus der „geöffneten Wunde" erfüllt."
Paris, 9. Sept. Dem „Temps" zufolge beabsichtigt die Regierung, in der Ueberzeugung von der Unmöglichkeit der Restauration, die Verlängerung der Amtsdauer des Präsidenten der Republik auf 5 Jahre zu beantragen, und darauf die von Thiers eingebrachten konstitutionellen Gesetze aus dem Gesichtspunkte der Aufrechthaltung und Organistrung der faktisch bestehenden Republik einer Prüfung zu unterziehen.
Der „Soir" sagt: „Es steht in der Geschichte ohne Beispiel da, daß eine Okkupationsarmee so lange Zeit in einem fremden Lande stattd, ohne daß cs irgend zu einem ernstliche» Konflikte gekommen wäre. Das Verdienst schreibt der Soir hauptsächlich dem unparteiischen Verhalten des Gen. v. Manteuffcl zu, der übrigens gegen die „deutsche Wuth" durch die Zustimmung des Kaisers und des Fürsten Bismarck habe geschützt werden müssen.
Die Cholera ist jetzt doch in Paris, obgleich es noch nicht offiziell bekannt gemacht wurde. Sir tritt sehr heftig aus, und die, welche von ihr befallen werden, sterben, und gewöhnlich in 8 bis 9 Stunden.
Frankreich wird in Folge der mangelhaft ausgefallenen Ernte und der mageren Weinlese, die in Aussicht steht, ein Harles Jahr durchzumachen habe«, und die aufs äußerste angespannt« Steuerkraft des Landes wird ihre Proben abzulegen haben. Es wird wahrscheinlich der Kammer eine Verbrauchssteuer, die nicht 5 pCt. übersteigen darf, von den Geweben, und zwar auf das fertige Fabrikat vorgcschlagen werden, wie es in den Handel kommt.
Rom, 7. Sept. Der „Paese" theilt «in Gespräch mit, welches der deutsche Gesandte in Rom, Hr. v Keudekl, mit einem dortigen Freunde gehabt Hai. Danach hätte Hr. v. K endet t geäußert: „Die Ausrechthaltung der Freundschaft zwischen Italien und Deutschland, wie sie entstanden ist und wie sie im gegenseitigen Interesse geboten scheint, liegt ganz von selbst jedem deutschen oder italienischen Ministerium ob. Eine Allianz
zwischen Italien und Deutschland wäre ein ganz überflüssiger Act. Die Allianz wird stillschweigend durch die gegenseitigen Interessen hergeftellt und würde sich gewiß bei geeigneter Gelegenheit wirksam zeigen." Hr. v. Keudell habe versichert, daß in Betreff der kirchlichen Angelegenheit sich Deutschland in einer qchlechleren Lage befinde, als Italien; denn während in Deutschland der Kterus mit allen Mitteln sich der Regierung enlgegen- stemme und diese letztere jede Provocation zu Unruhen vermeiden müsse, entwickele sich in Italien die nene Ordnung der Dinge in größte» Ruhe. Man prvlestire einfach und leihe danach z. B. der Liquidation der Kirchengüter bereitwillig seine Unterstützung.
Prin; Napoleon soll Allem aufgeboten haben, seinen Schwiegervater Viktor Emanuel von der Reise nach Oesterreich und Deutschland abzudringen, aber umsonst. Heule über acht Tagen wird der König in Wien, am 22. in Berlin eintreffen. (B.-Z.
London, 6. Sept. Indische Zeitungen melden ein gräßliches Unglück, das sich in der Stadt Kurran, am User der Kistna, anläßlich des jährlichen Bazars zugetragen hat. Der Zufluß von Menschen aus dem benachbarten Dorf war so groß, daß die Fährboote übersüllt waren, und Nachmittags lief ein Bestürzung erregendes Gerücht um, daß eines der Boote mit 120 Menschen an Bord in der Mille des Stromes gesunken sei. Bald darauf drängte sich alles nach der Stelle des Unglücks, wo die Scene der Beschreibung spottete; das Angstgeschrei und rasende Ringen der armen Unglücklichen, wie sie einer nach dem andern sanken, war herzzerreißend. Die Männer am Ufer, die schwimmen konnten, sprangen in den Fluß und retteten mehrere, und Anderen, die hinreichende Geistesgegenwart besaßen, gelang es, in völlig erschöpftem Zustande das Ufer zu erreichen. In dieser Weise wurden ungefähr 00 Leben gerettet; alle übrigen, etwa 90 an Zahl, ertranken.
Newyork, 7. Sept. Nach Berichten ans der Havannah sind durch die letzte Feuersbruust 2500 Familien obdachlos geworden.
Der älteste Mann in Amerika ist nach einer Corre- spondenz des „Louisoille Courier Journal" ein Neger, Namens Fortune L>now, welcher das 124. Jahr erreicht haben soll. Er lebt auf einer Farm nahe bei Milan, Gibson Counti, Tennessee. Er war nie in,seinem Leben krank und nahm nie Medicin. Auch litt er nie an Zahnweh und hat keinen ungesunden Zahn; denn er ist ganz zahnlos. Er ist 5 Fuß 8 Zoll groß, wiegt ungefähr 145 Pfund und ist sehr schwarz. Fortune Snow liest jetzt noch in der Bibel. Er ist der Vater von 13 Kindern, von denen der älteste 100 Jahre alt sein würde, wenn es noch lebte. Sein jüngstes Kind, bei dem er lebt, ist 53 Jahre alt. Er lebte zuerst in Süd-Carolina, wanderte dann nach Alabama, und zuletzt nach Tennessee. Der Correspondent bemerkt, daß der älteste Mann in Amerika von Hunderten besucht wird uud daß er sich sehr gern mit den Leuten unterhält.
Allerlei.
— Der Teckbote meldet: In einer Gesellschaft von Land- wirthcn unterhielt man sich sehr lebhaft über den gewaltigen Fortschritt unserer Zeit im Maschinenwesen und besonders in tandwirthschafitichen Maschinen. Unter allgemeinem Erstaunen erzählte Einer von einer neuen Art von vereinigter Dresch-, Mehl- und Backmaschine, bei der auf der einen Seile das u«k- gedroschene Korn hineingethan würde und auf der andern Seite dann fix und fertig die Brode und Wecken herauskämen. — „Nun", meinte ein Witzbold," das ist noch Zar nichts. Da habe ich aber neulich bei der großen Ausstellung in Wien eine Maschine gesehen, bei der wurden auf einer Seite die Weintrauben in eine Presse geworfen und an dem andern Ende — da schmiß schon der Hausknecht die besoffenen Kerle aus der Weinschenke hinaus:
— (JnFolge einer Wette) wurde in Lancaster, Pa., ein zwei Stock hohes Gebäude binnen 14 Stunden ausgebaut. Die Materialien waren alle bereit und gegen 100 Arbeiter begannen des Morgens um 6 Uhr mit der Arbeit. Das Haus ist 20 Fuß breit und 30 Fuß tief und enthält acht Wohnzimmer. Um 2 Uhr 30 Minuten verließen die Maurer das Gebäude und arbeiteten Zimmerleute, Tischler, Glaser bis 8 Uhr Abends, zu welcher Zeit das vollkommen fertige Gebäude dem Eigenthümer übergeben wurde, i Wie bald es einstürzen wird, ist eine Frage, welche die nächste Zeit zu beantworten hat.)
Amtliche «nb Privat-Bekanntmachirngeu.
W i l d b e r g.
Markt-Anzeige mit Schäserlanf und Markt- Mlmds-Verpachtuug.
Am Montag den 22. d. Mts. wird der Weh- und Krämermarkt dahier abge- halte» und damit der Schäferlauf mit den
weiteren Volksbelustigungen in Verbindung gebracht, wozu Freunde von Volksbelustigungen zu zahlreichem Besuch freundlichst eingebrden sind. Diejenigen, welche den Schäferlauf mitmachen wollen, haben sich mindestens drei Tage zuvor persönlich oder schriftlich bei dem Stadtschultheißenamt zu melden.
Die Verpachtung der Krämerstände wird
am Samstag den.20. d. Mts-, Nachmittags 3 Uhr, sowie die aller übrigen Standplätze am 22. ds. als am Markttage, Morgens 7 Uhr, auf hiesigem Rachhause vorgenommen, wozu Liebhaber eingeladen werden.
Den 9. September 1873.
Stadtpflege
Geiger.