Gewehrs getroffene Entscheidung als eine besonders glückliche erachtet zu werden vermag. (Fikf. I.)
Bonn, 20. Juni. Wie ich ans zuverlässiger Quelle erfahre, haben die deutschen Bischöfe von Rom aus Ordre erhalten, den Conflikt mit der Staatsbehörde dnrch trotziges Beharren aus ihren „geheiligten Rechten" auf die Spitze zu treiben. Darin ist auch die Erklärung des Auftretens der Bischöfe von Köln, Trier und Paderborn gegenüber den Ober-Präsidenten zu suchen. Erzbischof Melchers ans Eöln hat in einem Erlaß, worin er in allen Kirchen der Diöceje für das Fest Peter und Paul ein 13- oder lOstündigeä Gebet verordnet, u. A. bemerkt, daß die gegenwärtige traurige Lage der Kirche nicht geeignet sei, freudige Jubelfeste zu begehen, daß „unsere Sünden und Misse- Ihaten die Ursachen sind,'weßhalb wir von Gott gezüchtigt werden", und daß man deßhalb in „geknirschtem und gedemüthigiem Geiste, im wahren Geiste der Buße und Bekehrung" jenes aus der erzbischöflichen Hausapotheke verschriebene Recept in Anwendung bringen müsse. (Frkf. I )
Ems, 21. Juni. Der deutsche Kronprinz ist zum Besuch des Kaisers von Rußland dahier eingetroffen, durch Lctzteren auf dem Bahnhof begrüßt. Abends findet bengalische Beleuchtung der Bäder statt. (Fr. I.)
In Erfurt haben 236 Frauen und Jungfrauen eine Ergebenheitsadresse an den Bischof von Paderborn unterzeichnet, worin sie u. a. erklären, „den selten Willen zu haben, bis zum letzten Lebenshauche unüberwindlichen Widerstand zu leisten allen die Kirche bekämpfenden Bestrebungen, von welcher Seite sie immer kommen mögen." Darin kann man allenfalls mit ihnen übereinstimmen; es kommt nur darauf an, welchen Begriff die geehrten Damen mit dem Wort „Kirche" verbinden.
M ühlhause n, 17 Juni. Man schreibt der Schw. Gr.- Post: Ei» recht übersichtliches Bild unseres Kulturlebens empfangen wir dnrch einen die letzte Woche überschauenden Blick aus den Kreis Mühlhausen. In dieser Zeit wurden hier drei landwirthschastl. Vereine gegründet und zwei Klöster geschlossen. Außerdem genehmigten in derselben Woche Bundesrath und Reichstag den Bau einer den Kreis, durchschneidenden und von der Bevölkerung lebhaft gewünschten Eisenbahn. Glück zu!
Wien, 20. Juni. Die „Rene freie Presse" meldet: Eine Deputation der französischen Jury besuchte gestern den Grafen Chambord und forderte denselben aus, den Sohn Napoleons III, Prinzen Napoleon, zum Thronfolger zu designiren. Graf Chambord antwortete: „Die Thronfolgefrage bildet lange einen Gegenstand meines Nachdenkens; Ihnen meine Ansichten hierüber mit- zntheilen, halte ich unter meiner Würde."
In Wien hat Prinz Heinrich von Hanau, Sohn des Kurfürsten von Hessen, Bankerott angemeldet.
Die Kaiserin Angusta trifft am 25. Juni in Wien ein und wird in den glänzend restaurirten Gemächern, welche früher die Erzherzogin Sophie im Schloß zu Schönbrnnn bewohnte, Wohnung nehmen.
In Oesterreich fehlen zur Zeit 3500, in Deutschland 4500 Lehrer, die zusammen eine halbe Million Kinder jährlich unterrichten und erziehen könnten.
Die Russen dringen siegreich nach Chiwa vor, sie haben dreimal die chinesischen Truppen geschlagen, die Städte Chodjeli und Mangyt stürmend genommen und den Amu Darja überschritten.
In Sachen des spanischen Dampfers „Murillo", der auf der Höhe von Dnngeneß das engl. Auswandererschiff „N orth- slect" in den Grund bohrte und die Schuld der dadurch entstandenen gräßlichen Katastrophe trug, hat das Admiralitätsgericht in Cadix nunmehr seine Entscheidung gesällt. Der „Murillo" selber ist nicht kondemnirt worden und die Mannschaft wurde ans freien Fuß gesetzt, dagegen hat der Gerichtshof das Certifi- kat des Capitäns des „Murillo", „weil er nach einer Kollision mit einem unbekannten Schiffe demselben keinen Beistand leistete", auf 12 Monate suspendirt.
Bukarest, 19. Juni. De^ Fürst Karl reiste heute Nachmittag, von den Ministern Bocrescn und Mavrogeni begleitet, über Jassy nach Wien, wo er am Montag eintrifft. Das Gerücht über die Abdankung des Fürsten wird offiziös wiederholt als Parteimanöver und als völlig unbegründet bezeichnet.
London, 16. Juni. Eine seltene Heldenthat vollzog dieser Tage mit Aufopferung seines eigenen Lebens ein Eisenbahn-Arbeiter Namens Elliot im südwestlichen England. Mehrere Arbeiter waren auf der London- und Süd-West-Bahn gerade beschäftigt, als der Schnellzug von Exeter herandonnerte. Die Arbeiter hatten eben nur Zeit sich schnell ans dem Wege zu machen. Da bemerkte unser Held, daß die Kette, welche den Weg hemmte, nicht hcru-ntergelasscn sei, und daß der Zug unfehlbar in die Tiefe stürzen müsse wenn nicht die Kette noch enifcrnt würde. Eingedenk der vielen Menschenleben, die alsdann verloren gehen würden, stürzte der Mann auf die Kette hin, riß sie glücklich los, und der Zug brauste ungefährdet vorüber. Aber Elliot, der früh genug da war, wer weiß wie viele Menschenleben zu retten, war zu spät, sein Leben zu erhalten. Während er die hindernde Kette tosh.ickie, ergriff ihn die Locomotive und ließ
ihn als entstellte Leiche zurück. Der Arme hinterläßt Frau und Kinder, die in ihm ihren Ernährer verloren haben. Aber man darf gewiß sein, daß die Hinterbliebenen eines solchen Mannes nicht darben werden. Denn nicht nur wird es die Dankbarkeit der viele» durch Elliots Heldenthat und Selbstaufopferung Geretteten nicht zulassen, auch die Großmuth nicht Betheiligter wird dazu beitragen, die Witlwe und die Waisen Elliots vor Noth zu sichern.
London, 18. Juni. Die „E. C." bringt einen anderthalb Spalten langen Bericht über die Ankunft des Schahs von Persien auf britischem Boden. Der Empfang war echt englisch und doch wieder so recht den orientalischen Eigenthümlich- keiten abgelauscht. John Lull rückte mit dem Besten heraus, was er hat: seiner Flotte, und machte damit einen so heidenmäßigen Lärm, daß er den Sinnen eines asiatischen Beherrschers nothwendig imponiren mußte. Er ist nicht umsonst bei seinen indischen Maharadschahs in die Schule gegangen, und in seinem eigenen Wesen liegt selbst Etwas von jener breitspurigen und geräuschvollen Repräsentation, die dem Asiaten gesällt und schmeichelt. Im vorliegenden Falle kam es der britischen Höflichkeit noch besonders darauf an, den russischen Einfluß bei dem Beherrscher von Iran auszustechen, denn Persien gehört hauptsächlich zu jenem Mittelgebiet, ans dem sich englischer Besitzstand und russische Eroberungssucht früher oder später einmal feindlich begegnen werden. Persien ist für England die schützende Barriere für Indien, in den Angen Rußlands aber die Brücke, ans der es seine Marschkolonnen und Handclscaravanen dereinst vom Kaspi-See nach den Ufern des indischen Oceans zu befördern hofft. Deshalb auch reißt man sich ans allen interessirtcn Seiten ss sehr um den Vorzug beim Schah. (Frkf. I.)
Eiu Schwank.
(Sällnß.)
Dämeler kam zu Hanse angelangt, kroch in's Bett und verfiel in einen tiefen Schlaf. — Wirre entsetzliche Träume peinigten ihn. — Er sah die Clarinette, den Graf Chlorbach'schen Portier, seinen Neffen Karl, den Briefträger, alle mit Hörner und Schwänzen geziert, einen höllischen Nundtanz um ihn tanzen, während er auf einem von lauter Briefen augemachteu Feuer langsam brätele.
Er erwachte im Schweiß gebadet!! —
Er hörte aus dem Vorplatz eine lustige Mädcheustimme, die ein Liedchen saug; — die Thüre ging auf und ein hübsches Mädchen trat in sein Zimmer. —
Hier muß ich Dir, lieber Leser, eine kurze Bemerkung machen. — Dämeler hatte eine Bekanntschaft! — Erschrecke nicht, guter Leser, die Sache war sehr einfach und sehr moralisch.
Im gleichen Hause wie Dämeler wohnte nämlich die Witiwe eines Theatcrdieners, den Dämeler sehr gut gekannt hatte. Diese Wiltive hatte eine Tochter, achtzehn Jahre alt, hübsch, lebhaft, beinahe wild und dabei außerordentliche Liebhaberin des Theaters. Dämeler, als Hausfreund, und Hofmusikus, brachte ihr zuweilen Billete auf die dritte Galerie und wurde dafür von ihr aus alle Arten geneckt. Man behauptete zwar, er hege eine zärtliche Neigung für sie, Habs ihr sogar einmal einen Heiraths- autrag gemacht, aber da wir nichts Gewisses darüber wissen, wollen wir dies mit dem Mantel christlicher Liebe decken.
Was allerdings wahr ist, — zu allen Stunden des Tages hatte sie freien Eintritt bei ihm. Ob er im Bette lag, ob er musicirte, ob er sonst was trieb, alles war ihr gleichgiltig, sie kam und brachte ihn manchmal mit ihren tollen Streichen von Sinnen. — Sie hieß Emma. —
Also Dämeler lag noch im Beite und hörte die Stimme Emma's. Zu gleicher Zeit stürzte die wilde Hummel herein.
„Nun, Herr Dämeler, wie kommt es, daß Sie gestern nicht im Theater waren? — Die ganze Musik war verpfuscht!
— Der kleine Puffke, Ihr Ersatzmann, versteht vom Geigen nicht mehr, als Ihr Stiefelknecht! — Wie können Sie ihm Ihre Partie überlassen? Haben Sie denn gar kein Selbstgefühl für die Ehre des Orchesters? Aber ich kann es mir schon denken. Eine Liebschaft, ein Rendcz-vous! und darum liegt der Faulpelz noch im Bett! Gestehen Sie es nur!" —
„Ach Emma! liebe Emma! wie kannst Du nur so was sagen! Nein, ein plötzlicher Rheumatismus ist mir in den Arm gefahren, und deßhalb konnte ich weder spiele», noch früh auf- stehen!"
„Paperlapap! Rheumatismus, warum nicht gar; einem Mädchen sind Sie nachgelaufen! Das kennen wir! Und diese Ordnung hier! —- Da liegt der Rock am Boden, dort ein Stiesel in einer Ecke, der andere unierm Tisch, da wollen wir vor Allem anfräumen! — Aber was ist das? — Ein Brief
— Aha! jetzt haben wir ihn! JHe, ein Liebesbrief!"
„Aber Emma! ich bitt' Dich, gib den Brief her!" rief Dämeler mit ängstlicher Stimme, denn er hatte Respekt bekommen
vor dem unglücklichen Brief, „gib, es sind, --ja es sind
Amtsgeheimnisse!"
Ja Amtsgeheimnisse! wo sie Uis greisen sollen statt Eis