Stuttgart, 10. Juni. Die heutige Parade Lei Cannstatt vor dem Kaiser von Rußland würde vom General v. Stülpnagel comniandirt und »erlief bei fchönstem Wetter sehr glänzend.
LandesproDmkternbörse Stuttgart vom 9. Juni. Bon sämmtiichen süddeuticke» Märkten find «iebmholte Ausschläge angejeigl, da eben ver Mangel an Wasre immer stärker hervortrilt. Bei beutiger blieben die Umsätze iu Folge erbödder Hvrdrrungen von Seiten der -Brr- käufcr auf den dringendsten Bedarf beschränkt. Wir noliren: Daizen, bair.. 8 ft. 42 kr. bis 9 st. 19 Ir., katisorn. 9 ft. 20 kr., russ. 8 st. 5t kr.
bis 9 fi. SO kr. Kernen 9 ft. bis 9 ft. t8 kr. Dinkel 6 ft. Hafer 4 ft.
51 kr. bis S ft. 18 kr. Mebtpreise per 100 KIg. incl Sack. Niehl Nr.
1: 26 ft. 90 kr. bis 27 fl. Nr. 2: 24 st. 12, bis 48 kr. Nr. 3: 20 ft.
36 kr. bis 21 ft. 12 kr. Nr. 4: 17 ft. 24 bis 48 kr.
Gestorben: Den lO. Juni zu Ludwigsburg, Heinrich Freiherr v. Hügel, Oberst und Kommandeur v. 4. württ. Jns.-Reg. Nr 122,
52 Jahre alt.
Berlin, 7. Juni. Der Reichskanzler hat den Bundesrath davon in Kenntniß gesetzt, daß bei de» Verhandlungen der Kommission für die Borbereitungen zur Herstellung des Reichs- tagsgebäudes der Plan angeregt worden ist, zur Deckung der durch diesen Bau einschließlich der Erwerbung des Bauplatzes entstehenden Kosten, 8—10 Millionen Thlr., aus der sranzös. Kriegskostenentschädigung zu reserviren. Der Reichskanzler findet diesen Plan empfehlenswerih, und zwar mit Rücksicht ans die Bedeutung des letzten Krieges für die nationale Entwicklung Deutschlands, welche Bedeutung jener Plan in entsprechender Weise zur Darstellung bringen wurde. (S. M.)
Berlin, 8. Juni. Die Reise des Kaisers nach Wien ist noch zweifelhaft, da man in dem gegenwärtigen Unwohlsein desselben eine Folge der Anstrengungen der Petersburger Reise zu erkennen glaubt.
Berlin, 9. Juni. Bei Besprechung der Dotation für den Petersburger Botschafter-Posten im Reichstag erklärt Fürst Bismarck: Die Verhandlungen mit Rußland wegen eines Zoll- und Handelsvertrages haben zwar langsamen aber guten Fortschritt gemacht. Die Chefs großer in Rußland domizilirender deutscher Firmen seien der Fortdalier der bestehenden Zolltarife zugeneigt. Auf den Antrag Löwe'S, belr. die Streichung des Gesandrschaslspostens bei der Kurie sagst Fürst Bismarck: Der Posten sei eine Erbschaft aus dem Budget Preußens und des Norddeutschen Bundes, die Besetzung sei unabhängig von der Frage der weltlichen Herrschaft des Papstes. Momentan sei die Besetzung des Postens unmöglich, weil der deutsche Gesandte eine Sprache nicht gegen sich führen lasten dürfe, die das Reich nicht ertragen könne. Trotz der geringen Hoffnung , den Posten jetzt besetzen zu können, dürfe aber der letzte Faden zur Erneuerung der Beziehungen nicht abgerissen werden. „Wir werden uns jeder Einmischung in die Papstwahl enthalten, aber prüfen, ob die Wahl legitim vollzogen wird und der Gewählte danach im Stande ist, diejenigen Rechte auszuüben, welche ein legitim gewählter Papst ausznnben hat." (Lebhafter Beifall.) Der Gesandtschaftsxosten bei dem'päpstlichen Stuhl wird bewilligt. Dagegen stimmt die Fortschrittspatei und die meisten National- liberalen.
Wiesbaden, 8 Juni. Der Schah von Persien ist soeben angekommen mit etwa 100 Personen Gefolge und im königlichen Schloß abgestiegen. (Fr.. I.)
Jn.B-ert-in hat eine alte nnverheirathete Dame an ihrem Sterbetags ihr ganzes;Vermögen (über 100,000 Thlr,) in Staatspavieren, Eisenvahnaklien aus Bosheit u. s. w. vsrbranntg es sollte Niemand etwas erben. Es fanden sich nur 2 Düten mit je 25 Thlr. für Sarg und Beerdigung.
In der Kreuzzeitung macht der Domäneupächter Böckler bekannt, daß die Nachricht über fein ausgefnndenes Kind eine Lüge sei und daß er den Einsender verKagl habe.
Der'Schah soll beim Besuch des Zeughauses den Wunsch ausgesprochen haben, von dem Bestand an Züiidnadelge- wehren einen Theil käuflich zu erwerben, eine Absicht, über die der Ministerpräsident Gras Roon baß erfreut schien. Nach seiner Meinung könnte dem Manne mit einer halben Million Gewehren geholfen werden.
Der Schah von Persien ist von Berlin (noich Wiesl baden) abgereist. Gottlob müssen wir sagen ; denn wir waren immer in Angst, daß er von den Berliner Spitzbuben gestohlen werden könnte; mit seinen Diamanten von Kopf bis zu Fuß war er- eine gewaltige Versuchung. Sein arabischer Fuchs, den er bei der Parade ritt, wurde mit dem Sattelzeug und Zaum, die mit Diamanten übersäet waren, auf 4 Mill. Thaler geschätzt. Dieses Thier bekommt nur Eselsmilch zu saufen, müßte aber, da in ganz Berlin kein Esel zu finden ist, wie die Berliner veri sichern, mit Ziegenmilch vorlieb nehmen. — Zum Abschied bat sich der Schah den Fürsten Bismarck (dem er den Sonnen- und Löwenorden verliehen hat) und den alten Moltke auf 10 Jahre aus; man sagte ihm aber, daß den Bismarck die deutschen Bischöfe und den Moltke die Franzosen nicht entbehren könnten, und so reiste er verdrießlich ohne sie ab. — Reisekoffer kennt der Schah nicht; das Gepäck wird in große bunte Tücher cingeschlagen, was unsere ländlichsten Leser sehr anmuthen wird.
Die Berliner wissen viel von dem Schah zu erzählen. Seine Majestät liebt es allein zu speisen und nimmt zu diesem Deichs in hockender Stellung auf dem Fußboden Platz. Die verschiedenen Schüsseln werden der Reihe nach vor ihn hingestellt, und er greift in des Wortes eigentlichster Bedeutung eigenhändig und mit beueidcnswerthem Appetit zu. Der Gchüh hat sich insoweit von den Vorschriften des Koran emaMpirt, üls er Madeira, Marsalla und Ehampagner, der ja bekanntlich im Orient nicht als Wein, sondern als künstliches Präparat gilt, mit Ver- ständniß trinkt. Die Unterhaltung mit dem hohen Gast soll auf große Schwierigkeiten stoßen und den fürstlichen Wirthen manche Verlegenheit verursachen. Bei Tische, bei Besuchen und im Theater sollen mittunter lange Pausen in der Conversation eintreten, und soll man überhaupt nicht recht wissen, was zu thun, um den Wundermann zu interessiren. Es heißt, der Schah hätte eines Abends den Wunsch geäußert, noch spät ft tu Harun Alraschid inooAinto die Straßen Berlins zu infpiciren. Da er jedoch sich bald nach dieser Willensäußerung anscheinend zur Pzihe begab, hatte man keine weitere Vorbereitungen getroffen und ivar sehr bestürzt, als der Fürst, zur bestimmten Stunde plötzlich erscheinend', nach seiner Equipage verlangte. Wie es heißt , hat die Fahrt aber dennoch stattgefnndeii, nach welcher Richtung hin und mit welchem Resultat ist uns nicht bekannt. Überhaupt ist Nassr- Eddin in seinen Entschlüssen ganz unberechenbar und sehr selbstständig, was die Dispositionen des Hofmärschallamtes einigermaßen erschwert. So hat er unvorhergesehen lange damit gezögert, den zum Theil bei Potsdam residirenden Damen der kaiserlichen Familie seinen Besuch zu machen. Um nun doch eine Annäherung herbeizuführen, wäre, so heißt cs, am 2. Pfingsttage seitens Sr. Majestät des Kaisers gewünscht worden, die hohen Prinzessinnen möchten in pleno Abends bei der Vorstellung des Ballets „Morgano" im Opernhause erscheinen. Mittlerweile hatte sich aber der Schah nach Potsdam begeben und fuhr ohne irgendwelches vorheriges Avertissement in Glienicke bei Ihrer königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Karl zum Besuch vor. Im Schlosse herrschte natürlich eine nicht geringe Üeberraschung. Von den Kavalieren war nur der Hofmarschall zur Stelle, I. königl. Hoheit befand sich mit ihren Damen in einfacher Sommer-Toilette, so daß es in der Eile unmöglich war, das bei dergleichen Gelegenheiten übliche Ceremoniell zu beachten. Man half sich indessen wohl oder übel: der Besuch wurde empfangen und mit Früchten bewirthet, deren Stiele und Kerne er ohne weitere Umstände auf den Fußboden geworfen haben soll.
Der „Korrespondenz Stern" zufolge wäre näch den getroffenen Vereinbarungen der Schluß des Reichstages am 25. d. M. beabsichtigt. Das Militärgesetz, das Gesetz über! die Ci- vilche und das über die Verwaltung der Einnahmen und Aus-' gaben sollten unerledigt bleiben.
Zu der Nachricht von dem Tode des Utrechter Erzbischofs' Loos bemerkt die „Germania": „Herr Loos hatte sich bereit erklärt, den für Deutschland zu erwählenden nenprotesiantischeN' „Missionsbischof" zu weihen. Am Tage der Wahl dieses letzteren segnete er das Zeitliche!"
Wien, 8. Juni. Die Nachrichten über dein Stand der Saaten lasten aus eine volle Mittelernte schließen. (N. Z )
Wien, 8. Juni. Der Abschied des Kaisers völl Rußland war ein sehr herzlicher/immentlich ist es ausgefallen, daß sowohl der Kqiser uns auch der Thronfolger sich mit einein/ warmen Händedruck von dein Minister des AeußriN, dem Grasest' Andrassy verabschiedeten. In sehr freundlicher Weise trennen ; sich Fürst Gortschakoff und Graf Andrasty. Sie reichten sich die' Hände und umarmten sich. Der Kaiser von Rußland sagte, nachdem er unsern Kaiser umarmt hatte: „Auf Wiedersehen in Petersburg", woraus man den Schluß zieht, daß der Kaiser noch in diesem Jahre einen'Gegenbesuch ist bei russischen Hanpk stadt abstätten wird.
Paris, 7. Juni. Die „Semaine finantisre" meldet: Die Bank zahlte von dem Vorschuß ini Betrag von zweihundert Millionen ist Gold an die Regierung die erste Rate von fünfzig Millionen am Donnerstag ans. Die drei anderen Raten folgen am 5. Juli, 5. August und 5. September.
Zürich, 9 Juni. Die stimmfähigen Kath o lik en in Zürich verwarfen gestern mit aller Stimmen die Unse hlbar- keit und denSyllabus und gründeten eine altkatholisch'e G ern ei nde. (S. M.)
Angesichts der angeblichen Verfolgung der katholischen Geistlichkeit-hat der Papst derselben durch ein Schreibest an Bischof Lachat den für die Zeiten der Kirchenverfolgrmg gebräuchlichen Dispens zum Mesfelesen in Privathäusern ertheilt.
Rom, 8. Juni. Der neue Gesandte des deutschen Reichs, Herr v. Keudell, hat dem König seine Beglaubigungsschreiben überreicht.
Dublin, 9. Juni. Am Samstag Abend brach hier eine große Feuersbrunst ans und gab Anlaß zu Zusammenrottungen, Unruhen und Plünderungsversuchen. Truppen wurden zu Hilfe gerufen und machten einen Bayonetangriff auf die Menge, wobei 70 Menschen verwundet wurden.