Amtsblatt für den Oderamtsdezirl Nazold.

Erscheint wöchentlich 3mal und kostet .

Nss 57 halbjährlich hier 54 kr., im Bezirk AlMSlllg vM 20 . MlN. 'mit Postausschlag l fl. 8 kr. j ^

Einrückungsgebühr sür die kleine .

Zeile aus gewöhnlicher Schrist 1873.

je 2 Kreuzer.

Amtliches.

Nagold.

An die gemeinschaftlichen Aemter.

Das K. evang. Consistorium an das K. gem. Oberamt Nagold.

Nachdem die evang. Synode beschlossen hat, allmählig in sämmtlichcn evang. Diöcesen des Landes Orgelspiclschulen unter der Leitung von Geistlichen oder Schulmännern einzuführen und diese Curse auch in dem Bezirk Nagold eingerichtet worden sind, da ferner als Hülfsmittel für die Uebungeii der Lehrer das Werk von Ritter,"Kunst des Orgelspiels", II. Theil, 8 Ausl., (Preis 3 fl. 30 kr.) als besonders dienlich erkannt worden ist, so wolle das gem. Oberamt den gem. Aemtern fämnnlicher evang. Kirchengemeinden seines Bezirks die möglichst baldige Anschaffung dieses Werks aus örtlichen Mitteln dringend empfehlen.

Stuttgart, 13. Mai 1873.

Golther.

Indem vorstehender h. Erlaß zur Beachtung veröffentlicht wird, wird bemerkt, daß die beiden Schulmeister Schäfer in Haiterbach und Keck in Altenstaig bereit fein werden, die Be­stellungen obigen Orgelfpielbuchs zu besorgen.

Nagold, 18. Mai 1873.

K. gem. Oberamt.

Güntner. Freihofer.

TageS-Neuigkeiteu.

Die niedere Dienstprüfung im Departement des Innern hat mit Erfolg bestanden: Gotllieb Renz von Nothfelden, OA. Nagold, Otto Straub von Horb.

Lahr, 14. Mai. DieLahr. Z." veröffentlicht den Brief eines Soldaten von hier, der Gelegenheit har, im Elsaß den Marien-Ersch einungen" mit entgegenzutreten, es heißt dort:Liebe Eltern! Ihr habt gewiß schon in den Zeitungen von der Mutter GotteS gelesen, welche hier im Elsaß an ver­schiedenen Orten erscheinen soll. Unsere Kompagnie ist deßhalb hieher nach Walbach geschickt worden, um diesem Unwesen ein Ende zu machen. Die Heilige ist nämlich vor etlichen Wochen in einem feurigen Glanz erschienen, neben ihv ein Franzose und auf der andern Seite Preußen. Der einzige Franzose hat dann alle Preußen erschlagen; nachher kam ein Fluß und schwemmte alle Preußen fort. Dabei sagte die Maria, daß hier eine Ka­pelle erbaut, die den NamenRhein" bekommen soll. Dabei sagte sie noch weiter, daß sie bis Samstag den 3. Mai, Nach­mittags um 3 Uhr, wieder erscheinen will, um zu schauen, ob die Kapelle erbaut sei, und wenn der Eigentümer des Grund­stücks, auf dem die Kapelle erbaut werden soll, dasselbe nicht freiwillig und umsonst hergäbe, so würde Pest und Hungersnot kommen und in 4 Jahren würde die Welt untergehen. Natürlich hat dann die hiesige Gemeinde nichts Eiligeres zu thun gehabt, als eine Kapelle dorthin zu bauen. Der 3. Mai kam heran und welch' ein Wunder! Es erschienen statt der Mutter Gottes die Preußen, welche sogar um eine halbe Stunde vor der festgesetzten Zeit auf dem Platze waren. Das mag denn auch der Grund sein, warum die Mutter Gottes nicht erschien. 15,000 Menschen versammelten sich hier, selbst aus dem Badischen kam Zulauf. Ihr könnt Euch denken, daß wir hier gerade nicht sehr freundlich empfangen wurden. Wir sind bei den Bauern ein­quartiert und thun das Unsrige, um sic von dem Wunderglauben zu kuriren, zweifeln auch nicht, daß sie bald eine andere Meinung bekommen werden. Der hiesige Ort ist mit lauter Reben um­geben. Der Ohm Wein kostet 3640 fl. Wir werden auf jeden Fall noch bis Dienstag hier bleiben. Ich bin bis jetzt in einem guten Quartier, wir sind zu 4. Als wir von Kolmar fortgingen, wurde jeder mit 40 scharfen Patronen bewaffnet und feldmarschmäßig rückten wir aus. Wir fuhren auf der Bahn. Das Wallfahrten an die Kapelle hat sehr nachgelassen."

JnPforzheim erscheint eine sehr gut geschriebene wöchent­liche Zeitung unter dem Titelder Fortschritt", Organ des sozialen Reformvereins, welche in vernünftiger und gesunder Weise

die Lage der Industrie, des Arbeiterstandes ins Auge saßt und bespricht. Eine leider unbestreitbare Wahrheit spricht das Blatt in folgenden Sätzen aus:Die allgemeine Erhöhung der Löhne ist nicht begleitet von einer Hebung der sittlichen, technischen, wirthschastlichen Tüchtigkeit des Arbeilerstandes. Man sollte doch aufhören, aus einer falschen Anwendung humaner Empfindungen für den Arbeiter als einergedrückten Klaffe" Partei zu ergreifen. Unter dem Druck der Verhältnisse leidet heute eine andere Klasse, als die der Arbeiter. Es leiden die auf festen Gehall gesetzten Personen, Beamte, Lehrer; es leiden die kleinen Rentner und Pensionäre, die Wittwen und Greise, die den Betrag ihrer Rente nicht steigen sehen; es leidet die gelehrte Arbeit. Der Arbeiter hingegen, welcher mit nüchternem Kopfe diese Zeit durchlebt, hat Tage, wie die Handarbeit sie nie besser gesehen hat. Freilich erwächst daraus sür den Arbeiter die Forderung, diese günstige Gelegenheit zu benützen, sparsam zu leben, und für seine und seiner Kinder Zukunft zu sorgen. Wird diese Forderung nicht erfüllt, dann ist die Reaktion unausbleiblich. Beim nächsten Rückgang der Geschäfte werden die Löhne ebenso schnell fallen, wie sie jetzt gestiegen sind, weil der Arbeiterstand es unterlassen hat, seine Lebenshaltung den besseren Löhnen gemäß zu verbessern. Und dann wird der Zeitpunkt gekommen sein, wo die Bestrebungen zur Hebung des Arvciterstandes von neuem auf anderer Grund­lage beginnen müssen. Dann werden die Arbeiter sich bemühen, das wirklich zu verdienen, was ihnen jetzt ein Glücksfall in den Schoß geworfen, und was sie nicht zu halten verstanden!"

München, 16. Mäi. Reichsrath Stiftsprobst von Döl- linger ist an Liebigs Stelle zum Vorstand der Akademie der Wissenschaften und zum Generalkonservator der wissenschaftlichen Sammlungen des Staates ernannt worden.

- Die Angelegenheit der verunglückten GiesingerKirchen- bau-Lotterie droht sehr verwickelt zu werden. Vorgestern fand eine Versammlung von Loosbesitzeen statt, in welcher mit- getheilt wurde, daß der Advokat sich bereit erklärt, die Klage aus vollständige Vernichtung der Ziehung, eventuell auf Annul- lirung der Gewinnstziehung zu stellen, ferner, daß in Stuttgart sich ebenfalls ein Streitkonsortium von ca. 2000 Loosbesitzern gebildet habe, dessen Anschluß an das hiesige Konsortium be­vorstehe. Ihrerseits hat die Kirchenverwaltung in Giesing eben­falls einen Advokaten zu ihrer Vertheidigung gewählt und einst­weilen den Notar, welcher den Ziehungen als Urkundsperson bei­wohnte, verklagt. Dann aber haben hinwiederum mehrere Ge- winnstinhaber, darunter Einer, der 5000 Thaler gewonnen hat und sie nicht wieder verlieren möchte, ihrerseits Vertreter aufge­stellt, um die Gültigkeit der Ziehung zu verfechten. Bis zum 27. d. Mts. sollen die Anträge bei Gericht hinterlegt und der Verhandlungstag bestimmt werden, der wohl aus Ende Juni oder Anfangs Juli anberaumt werden wird.

Berlin, 15. Mai. DerPreuß. St.-Anz." publizirt heute die vier kirchenpolitischen Gesetze. Es sind: das Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. - Vom 11.-Mai 1873; das Gesetz über die kirchliche Disciplinargewalt und die Errichtung des Königlichen Gerichtshofes für kirchliche Angelegen­heiten. Vom 12. Mai 1873; das Gesetz über die Grenzen des Rechts zum Gebrauche kirchlicher Straf- und Zuchtmittel. Vom 13. Mai 1873; das Gesetz, betreffend den Austritt aus der Kirche. Vom 14. Mai 1873.

Berlin, 16. Mai. Bei der Berathung des Jahresberichts über die Verwaltung Elsaß-Lothringens erklärt der Reichskanzler Fürst Bismark dem Abg. Windihorst gegenüber:Die Dictatur endigt am 1. Januar 1874, wenn der Reichstag nichts anderes beschließt. Ueber die künftigen Verhältnisse wird dem Reichstag eine besondere Vorlage zugehen. Ich verspreche mir von dem Zusammensitzen der Elsässer mit uns im Reichstage ein gutes Verhältniß, zur Enttäuschung derjenigen Parteien, welche das Gegentheil hoffen. Die Niederhaltung der französischen Sym­pathien ist in dem Lande, welches wir zur Sicherheit unserer seit 200 Jahren bedrohten Grenzen erworben haben, nothwendig. Die Maßregeln gegen die katholischen Elemente sind durch ultra­montane Agitationen herbeigesührt. Die Wirksamkeit der Schul­brüder ist nach Ansicht der Regierung viel schlimmer, als der