Berlin, 4 April, In der heutigen Sitzung des Reichs­tags begründet der Abg Laskcr seine Interpellation über die Handhabung der Gesetzgebung des Acnenwesens, erwähnt der zum Theil bereits abgeschlossenen Arbeiten der Eisenbahn-Unter- suchungs-Commission und hebt der heurigen heftigen Vertheidi- gungsrede eines Mitglieds des preußischen Herrenhauses gegen­über hervor, daß keine seiner in dem Abgeordnelenhause ausge­stellten Behauptungen uncrmiesen geblieben sei, Vieles sich ungleich gravirender herausgestellt habe, daß wirkliche Gesetzesumgehungen bis herab zu offenbarer Täuschung des Publikums oder der Re­gierung vorgekommen seien, Lasker spricht sich gegen die Rück­kehr zum Eoncessionswesen aus und zählt einzelne Mängel des bestehenden Actien Gesetzes auf, denen ein anderweitiges Reichs- Gesetz abhelfen müsse, Staatsminister Delbrück erkennt Namens der Reichsregierung die gerügten Mißstände an ; er erklärt, daß er von de» Einzel-Regierungen Gutachten einfordern und dann ein neues Gesetz über das Actienwesen vorlegeu werde. Es folgt hieraus die Diskussion über die Interpellation, wobei v, üardorfs, Souuemaun und Lesse, über Delbrück's Erklärung ihre Befriedi­gung aussprecheu. Nächste Sitzung am 21, April,

Königsberg i, Pr., 3, April, Sämmtliche Arbeiter der Ostbahn haben die Arbeit eingestellt und verlangen statt 16 Silbergroschen 4 Thaler Tagelohn, Die Bromberger Direktion erhöhte ans telegraphische Beuachrichliquug den Tagelohu auf 22'/-- Silbergroschen, was die Arbeiter ablehnten.

Daß ein Orden kein Knopfloch gefunden hat, ist zum ersten­mal, so lang die Welt steht, dieser Tage in Berlin vorgekommen. Der deutsche Kronprinz theilte an Aussteller der Fischerei eigen­händig Kreuze und Medaillen aus und siehe da, als er an Dieck Spahn, einen schweigsamen Holländer, und an Meusling von Hoddensee kam, fand er kein Knopfloch, Die wackern Fischer trugen auch keinen Frack, sondern ihre besten Theerjackeu, Der Kronprinz wußte sich schnell zu helfen, er holte Messer und Schcere heraus und operirte unter allgemeiner Heiterkeit die Ordensspalten in die Jacken, Die Theerjackeu dankten mit einem kräftigen Hände­druck. - Die Ausstellung enthielt Fischverbreituugskarten, Dar­stellung der Austernentwicklung, der Meeresgrundflora, Seethier­sammlungen, Modelle des Meeresgrundes und der Inseln mit den Austernbänken von Föhr, Sylt und Wyk; lebende Riesen- sische und Hummern, Flechtnetze ec. Sehr interessant waren die Fischbrutkasten der berühmten Hüniuger Anstalt im Elsaß,

Die unglückliche AuuaBöckler ist und bleibt verschwunden. Alle Nachforschungen der Gerichte und der Polizei und die Millionen suchenden Augen des deutschen Publikums haben kein Ergebuiß gehabt. Es ist ein eben so merkwürdiger als trauriger Fall, Wien, 3, April, Im Abgeordnetenhause theilte der Ministerpräsident mit, daß der Kaiser den W a h lr e f o r m e n t- würfen seine Sanktion ertheilt habe. Nus diese Mittheilnng folgten minutenlange begeisterte Hochrufe auf den Kaiser und die freudigste Erregung,

Wien, 3, April, Der Kaiser empfing so eben die Dele­gationen und erwiderte deren Begrüßung mit dem Hinweis auf die unverändert günstigen erfreulichen auswärtigen Beziehungen, fortfahrend: Meine Begegnung mit den mächtigen und befreundeten Souverainen zweier großen Nachbarreiche ist mit Recht von allen Seiten als werlhvolle Friedensbürgschaft aufgefaßt worden.

An den Kaiser von Oestereich sind Deputationen der katholischen Casinos abgesendet worden, welche ihn um Rechts­schutz für die Jesuilen anflehten. Die Antwort des Kaisers soll gelautet haben, daß er sich der Kirche in ihren Orden und der Gesellschaft Jesu stets aunehmeu und sie beschützen werde.

Paris, 1. April, Gestern hielten der Löwe und die -Löwin des Jardin des Plantes eine eigenthümliche Mahlzeit, Sie verspeisten"nämlich um 3 Uhr den kleinen Löwen, mit welchem die Löwin um l2 Uhr. nicdergekommen,

Paris, 3. April. Die Abdankung'Grovy's ist ein Er­eignis;, das mehr als alles andere die Gemüther bewegt. Man weiß in der That nicht, was werden soll, denn Grevy war just der einzige Mann, welcher die in zwei Hälften gespaltene Ver­sammlung einigermaßen dirigiren konnte. Wenn nun sogar unter feiner Leitung'häufig Ausbrüche wilden Tobens vorkamen, wie wird es unter seinem Nachfolger sein, dem jedenfalls, wer es auch sein möge, nicht die Hälfte deb Autorität und des Gewichtes des seitherigen Präsidenten zu gut kommt. Man befürchtet wohl mit Recht, daß, wenn wieder ein wilder Skandal in der National­versammlung losbricht, der Haß, den man gegen die Royalisten hat, auch außerhalb der Kammer zum Ansbruch kommen wird. Ueberall, wo man erfuhr, daß der Präsident Grovy znrücktreteu werde, wurden Verwünschungen und Drohungen gegen die Ro­yalisten laut. Thiers war heute Morgen selbst bei Grevy, um ihn zn bestimmen, Präsident der Nationalversammlung zu bleiben z dieser erklärte aber, daß sein Beschluß unwiderruflich sei, Versailles, 3, April, (Nationalversammlung) Vize­präsident Märtel liest einen Brief Grsvy's vor, worin er seine Demission von den Funktionen eines Präsidenten aufrecht erkält, Märtel zollt dem Patriotismus und der Unparteilich­keit Gtvoy'S Anerkennung

Versailles, 4. April. In der heutigen Sitzung der Na­tionalversammlung wurde Buffet, Eandidat der Rechten, mit 304 gegen 285 Stimmen, welche auf Märtel fielen, zum Präsidenten der Versammlung erwählt; 8 Stimmen hatten sich zersplittert London, 3. April. Die Königin hat heute Morgen der Gräfin Bernstorff einen Coudolenzbesuch abgestattet.

Nach der Newyorker Handelszeitung treibt die Liebe in Amerika sehr sonderbare Blülhen; ein achtzehnjähriger Junge, Namens George Hall, erschoß ein vierzehnjähriges Schulmäschen, Namens Amelie Spockley, auf dem Wege aus der Schule, weil sie ihm keine Gegenliebe schenken wollte, und warf sich dann einem herannahenden Eisenbahnzuge entgegen. Aber auch das schwache Geschlecht^bleibt nicht zurück; iu Iowa erschoß jüngst ein sechzehn­jähriges -L-chulmädchen den Lehrer der öffentlichen Schule, weil er es wagte, ihre Liebe zu verschmähen; natürlich wird die junge Mörderin für wahnsinnig erklärt werde».

Allerlei.

Ein originelles Pröbchen von eisernem Gewerbsfleiße erzählt Frau Marie Belli-Gontard in ihren mehrerwähutenLe- benSerinuerungen". Ihr Clavierlehrer hatte eines Tages seine Unterrichtsstunde begonnen, entfernte sich jedoch bald wieder. Die Schülerin spielte für sich weiter, und, obwohl er ungebührlich lange blieb, fand sie es nicht für schicklich, nach ihm zu sehen. Endlich kam er, ungewöhnlich aufgeregt, aber höchst vergnügt wieder. Nach der Stunde entschuldigte er sich wegen seines lan­gen Ausbleibens: er habe sich copuliren lassen, wollte deßwegen jedoch keine Stunde versäumen,

(W a s i st d e r M e n s ch?) Kein Gebild der Schöpfung hat so viel Erklärungen sich gefallen lassen müssen als der Mensch, Die Aegypter nannten den Menschen ein redendes Thier; Moses nennt ihn ein Ebenbild GotteS; Aeschylus ein Tagesge­schöpf, den Erdensohn; Sophokles ein Bilv; Sokrates einen kleinen Gott; Pindar den Traum eines Schattens; Homer nnd Ossian ein hinfälliges Baumblatt; Shakespeare den Schatten eines Traumes; Hiob den Sohn vom Staube; Philemou den Anlaß zum Elend; Herodot das Elend selbst; Schlciermacher den Erdgeist; Jean Paul einen Halbgott; Schiller den Herrn der Natur; Goethe den kleinen Gott der Welt; Seume den Widerspruch im großen Ring; Cicero das vernünftige Thier; Plato Gottes mitwirkendes Werkzeug; Paracelsus den Typus aller Thiere. An die Erklärungen vom jüngsten Datum, Darwin an der Spitze, brauchen mir wohl nicht zu erinnern.

(Ein Bauarbeitergesuch), charakteristisch für die Zustande unserer Verhältnisse, bringt ein Dresdener Blatt zum Ergötzen seiner Leser:Es werden Maurer und Zimmerleute unter svlgenden Bedingungen gesucht. I) Der Alaun erkält 3 Tbaler Taaetohn nebst freier Beköstigung, Bier und Cigarren, 2) Ti« Arbeiter werden per Omnibus nach dem Bauplatz und von dort nach Hause gefahren, 3) Die Arbeit beginnt früh um 8 Uhr, wo die Leute Kaffee mit «sahne und Zucker erkalten. Wer Thee trinkt, kann sich Milch oder Rum dazu nehmen. Es wird dabei frischer Käsekuchen oder Semmel verabreicht. Wer sich dieselbe schmieren will, erhält dazu Butter, Gänsefett, Fischthran oder Wagenschmiere, ganz nach Gusto. 4) Von halb t» bis 10 wird Thee mit Rum servirt. Dazu gibt es weiche Eier, Caviar, Sardellen, Cervetatwurst, roden Schinken und Schweizeikäse. Der Polier kiest dabei dieDresdener Nachrichten" vor. 5> Von 12 bis 2 wird zu Mittag gespeist. Hinsichtlich der ländlichen Verhältnisse kann nur Suppe, Rindfleisch mit Gemüse, Braten und Salat, Mehlspeise, Butter, Käse und Brob gegeben werden. Der Mann erhält 3 Liter Lagerbier dazu und zum Dessert ein Glas Kümmel und Cognac. V> Bon >st bis -t wird Kaffee getrunken, dazu frischer Kuchen. 7) Um 6 Uhr ist Feierabend und wird ein Imbiß von kaltem Braten, Wurst, Schinken, Häringen, Bricken oder geräuchertem Lacks genommen, wozu der Mann 3 Liter Lagerbier oder eine halbe Flasche Doppelkümmel erhält.

8) Jeden Morgen werden pro Mann 8 Cigarren und 'st Psund Rauch­tabak respective Schnupftabak vertheilt: dazu ein Feuerstein und Schwamm.

9) Von 4 bis 6 spielt eine Militärkapelle. Außerdem liegt ein Faß Bier znm beliebigen Gebrauch bereit, Wir bofsen, daß wir unter solchen Bedingungen die genügende Zahl Arbeiter finden und daß dieselben sich nicht verleiten taffen, zu sinken. Das Comite."

Charade.

(Dreisilbig.)

Den Musenchor repräsentiret Die Erste in der Heidenzeit!

Jetzt stehet sie, dem Tod geweiht,

Dem Kugelandrang exponiret,

' Die Letzten sind die tiefste Quells,

Aus der die Menscheuseele trinkt,

Die vielbewegte, klare Welle,

Die bald sich hebt, bald wieder sinkt:

Bald jedes Antlitz wiederspiegelt:

Bald jeden Blick der Neugier hemmt Und ibre Pforten fest verriegelt:

Bald ihre Ufer überschwemmt.

Und nun zum Ganzen laßt uns gehen: Ein Ding ist's, wie man's selten trifft;

Denn Augen hat es, die nickt sehen,

Ist eine Schlange ohne Gift:

Ja, was vor Allem seltsam ist:

Man's gar zu effen sich vermißt.