Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.

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Amtliches.

Nagold. Schafsperre. Die unterem 9. Januar d. I., Amtsblatt Nr. 3, bekannt gemachte Sperre über die auf der Gemeindemeide inWildberg laufenden Schafe ist aufgehoben. Den 16. März 1873. K. Oberamt.

Güntner.

Tages-Neuigkeiten.

Stuttgart, 12. März. In der Kammer der Abgeordneten begann beute die Beratbung des Retablissements-Gesetzes. Der Bericht der Fünfzehner-Commission beantragt die Vsrwillignng der Ko­sten für das Retablissement im engeren Sinns, sowie der Kosten für Bauten und Beschaffungen für Ergänzung der Garnisons-Einrichtungen für das württembergische Armeekorps und des Bedarfs für 1873 im Be­trag von 2,650,000 fl. Hiegegen beantragt er, die Kosten für Beschaffung neuer Gewehre und Geschütze (Retablissement im weiteren Sinne) vorerst abzulehncn. (In der Kommission erklärten die Minister, diesen Theil des Gesetzes zurückziehen zu wollen.) Eine Commissions-Minderheit (Oester- len und Probst) beantragt vorerst Ablehnung des ganzen Gesetzentwurfs durch llebcrgang zur Tagesordnung. Da in dem Commissionsbericht nach Aufzählung der Commission auf ihren Wunsch von der Regierung gege­benen Erläukerungen bemerkt ist:Weitere schriftliche und mündliche Mit­theilungen sind als vertrauliche erklärt worden," so erklärt Abg. Hopf, wenn der Kammer diese vertrauliche Mittbeilungcn vorenthalten würden, so sei sie nicht gehörig instruirt, und er werde alsdann, ohne weiter ein Wort zu verlieren, gegen den Entwurf stimmen, umsomehr, als diese Ge- heimthuerei große Besorgnisse im Lande wegen eines etwa bevorstehenden Krieges erregt habe. Er beantrage daher auf Grund des tz. 168 der Berfassungsurkunde eine geheime Sitzung, damit die Herren Minister der Kammer die vertraulichen Mittbeilungen machen könnten. Verweigere sie cs, dann müsse er umsomehr Nein sagen, als er nicht wolle, daß Würt­temberg zu einer vreußischen oder vielmehr hohenzollern'schen Kaserne werbe. Da der Antrag die von der Verfassung vorgeschriebene Unter­stützung fand, mußten die Galerien geräumt werden. Auf der Standes- Herren-Galerie befanden sich auch der commandirende General v. Stülp- nagel mit verschiedenen preußischen und württembergischen Offizieren. Da die Galerien aber schon nach einer Viertelstunde wieder geöffnet wur­den, so scheint von vertraulichen Mittheilungen keine Rede gewesen, son­dern nur die Ablehnung des Hopi'schen Antrags, diese Mittheliungsn vom Ministerlisch zu verlangen, beschlossen worden zu sein. Bei der nun folgenden allgemeinen Debatte über den Oesterlen'schen Antrag wurde derselbe von Hölder, als Berichterstatter, sowie von Schmid, Wäch­ter und Pfeiffer bekämpft, von dem Antragsteller vertheidigt und von der Kammer mit 66 gegen 20 Stimmen abgelehnt, die Einzelberathung des Entwurfs aber auf den andern Tag vertagt. (Frkf. I.)

Stuttgart, 15. März. Würdig und feierlich, wohlge­ordnet und imposant, sowie ohne die geringste Störung vor sich gehend bot der gestrige Trauerzug der Königlichen Leiche zur Stiftskirche bis in die Gruft zu Ludwigsburg der Hauptstadt einen rührenden Anblick. Tief ergreifend für alle, die anwohnen konnten, war besonders auch Per liturgische Trauergottesdienst, der im Altar von Stiftsprediger Prälat v. Kapsf nach der Ver­ordnung der Verewigten gehalten ward, und kurz und einfach im Vortrag auf das apostolische Glaubensbekenntniß einiger treffen­den Bibelworte und in Gebeten bestand, zu welchen bekräftigend der Chor und die Gemeinde einfielen und dasAmen" sprachen. Nach den Chorgesängen, auf der Orgel, sang die Versammlung das Lieblingslied der hohen VerewigtenMein Glaub ist meines Lebens Ruh!" und zuletzt ward die Leiche eingesegnet, bei deren Abgang aus der Stadt auch viele Dankesthränen geflossen und Segenswünsche nachgerufen worden sind. Sie ruhe im Frieden an der Seite der Vorangegangenen! Königin Mathilde, König Friedrichs und andrer Glieder des Königshauses!

Karlsruhe, 14. März. S. K. H. der Großherzog ist heute Vormittag 10 Uhr nach Stuttgart gereist, um der Würt­tembergischen Familie Höchstseinen - Kondolenzbesuch abzustatten und Sich an der Trauerfeier zu Ehren weiland Ihrer Mas. der Königin Pauline zu betheiligen.

Berlin, 12. März. Die Festung Ingolstadt, für deren Erweiterung die betr. Bundesrathsausschüffe 4 Millionen Thaler ausgeworfen haben, soll für den Süden Deutschlands das werden, was für den Norden Spandau ist: die Vereinigung aller militär­technischen Etablissements, der Geschützgießerei u. s. w. Der Berliner Professor Hirsch und der Münchener Professor v. Pet- tenkoser prophezeien eine nahe bevorstehende Invasion der Cho­lera und haben deshalb beim Bundesrath die Einsetzung einer Sachverständigen-Commission beantragt. Die Ausschüsse des

Bnndesraths werden bei Letzterem die Prägung von ' b-Mark- stücken (20 pf.) als Silbermünze beantragen; die Nicketmünzen sind beibehalten. (N. Z.)

Berlin, 12. März. Die Fortschrittspartei des Reichsta­ges wird morgen einen Antrag aus Erlaß eines Paßgesetzes einbringen, und zwar nach den Beschlüssen, welche der Journali­stentag zu Breslau und München über die Materie gefaßt hat. Ebenso wird die Fortschrittspartei einen weiteren Antrag auf Ge­währung von Diäten und Reisekosten au die Reichstags-Mitglieder einbringen.

Berlin, 13. März. Die Zeitungen melden die Ernen­nung des Grafen Arnim-Doytzenburg zum Bezirkspräsidenten in Metz.

Berlin, 14. März. Der Bundesrath genehmigte ge­stern, wie dieA. Z." erfährt, den Gesetzentwurf über den Aus­bau der Reichsscstungcn mit 82 Millionen, die Indemnität der Marine-Verwaltung und 107 Millionen Retablissements-Kosten für die Contingente des norddeutschen Bundes,'Hessens und Badens.

Berlin, 14. März. Das Herrenhaus nahm den Gesetz­entwurf über die Diäten der Abgeordneten an, nachdem Graf Münster und Graf Lippe eine Einmischung in die häuslichen An­gelegenheiten des andern Hauses als gegen politische Schicklich­keit verstoßend erklärt hatten.

Rostock, 12. März. Gestern ist von hier eine mir 22,600 Unterschriften aus dem Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin bedeckte Petition an den Reichstag abgegangen, in welcher um Einführung einer konstitutionellen Verfassung in Mecklenburg ge­beten wird. (S. M.)

Ueber die zweiköpfige Nachtigall hielt Herr Professor Virchow in der Berliner medizinischen Gesellschaft einen Vortrag. Die beiden Damen sind nach seinen Ausführungen bis zum Kreuz­bein ganz getrennte Individuen. Am unteren Ende der Wirbel­säulen gehen diese so in einander über, daß überhaupt für beide nur eine Wirbelsäule vorhanden ist und wahrscheinlich auch nur ein Rückenmarck. Für beide existirt nur eine Mastdarm-Oeffnung u. s. w. Die unteren Extremitäten sind weniger entwickelt als die oberen, auch ist die Gefühlsempfindung in denselben für beide gemeinsam, so daß ein Nadelstich an einem Fuße von beiden Damen empfunden wird. Dieser Fall erinnert lebhaft an das vor einigen Jahren umhergezeigte und vielbesprocheneSchliewe- ner Kind". Jenes Kind hatte eine große Geschwulst am Kreuz­bein, in welcher man bewegliche Theile fühlte. Virchow erklärte damals diese beweglichen Theile für Rudimente eines zweiten un­entwickelten Kindes, welches bei vollendeter Entwicklung einezwei­köpfige Nachtigall" geworden wäre. Im vorliegenden Falle ist Miss Christine weit kräftiger und ausgebildeter als Miss Millie, so daß letztere als ein Appendix der erstcren zu betrachten ist.

General Vogel v. Falken st ein feierte am 14. März sein 60jähriges Dienstjubiläum. Er ist 1813, 16 Jahre alt, als Freiwilliger in die Armee eingetreten.

Ganz feine, vielleicht überfeine Nasen haben herausgebracht, daß der kleine Lasker, als er gegen Wagener zu Felde zog, nur das Bein war, das die Jesuiten und Römlinge dem Fürsten Bismarck zu stellen suchten. Sie wollten ihren Todfeind Bismarck durch die Affaire Wagener um das Vertrauen des Kaisers und zum Falle bringen, gleichsam sagend: Majestät , solche Freunde und Helfer hat Ihr Bismarck! Lasker habe von dieser Jntrigue keine Ahnung gehabt. Er sieht aber nicht aus, als gehöre er zu denen, die nicht wissen, was sie thun.

Die von geistlichen Schulbrüdern geleitete Malfattische Knaben-Erziehungsanstalt in Innsbruck war eine wahre Mörder­grube. Die gerichtliche Untersuchung hat Dinge zu Tage ge­fördert, welche alle Begriffe von Gemeinheit und Unfläthigkeit übersteigen. Auf die rafsinirteste Weise wußten die drei geist­lichen Hauptheldeu ihre Opfer, die ihnen zur Erziehung anver­trauten Knaben, an sich zu locken und benutzten sogar die Kirche zu ihren Attentaten. Die A. A. Z. berichtet geradezu Unglaub­liches aus dieser Anstalt, die bis zuletzt das gehätschelte Schoß­kind des überfrommen Bischofs von Brixcn war.