Der Bischof pon Neapel verkündigt ein neues Wunder. Die Marmorstatue des heiligen Felix, des Schutzpatrons der Stadt und des SprengelS von Nola, hat sich am 26. April 1872 nach links gedreht. Die Umdrehung ist keine vollständige, sondern theilweise von den Knieen auswärts, während die unte­ren Leine und die Füge fest und gerade wie vorher stehen. Die Bildsäule ist aus einem Stück und ein Sprung, Bruch rc. nir­gends vorhanden. Der Bischof selbst hat seinen Augen nicht getraut und das Wunder erst am. Nov. v. I. sörmlich ver­kündigt, nachdem Bildhauer, Baumeister, Maurer, Advokaten, Beamte und Zeugen aller Art vernommen worden sind und durch Omonatlichen kanonischen Prozeß die Thalsache, von der sich Jeder noch heute überzeugen kann, feslgcstellt worden ist. (Das Wun­derbarste ist, daß sich der heilige Felix zur Linken gewendet hat, wo man doch die Heilige» nicht sucht.)

Madrid, 18. Febr. Die nordamerikanische Union hat bereits gestern durch ihren Gesandten, General Sicklcs, die Ne­gierung der spanischen Republik anerkannt.

Nt adrid, 18. Febr. Die Nationalversammlung (vereinig­ter Senat und Cougreß) wählte Martos mit 222 Stimmen zum Präsidenten. Das Königspaar ist gestern früh 6 Uhr, allenthal­ben von der Bevölkerung respektvoll begrüßt, nach Lissabon ab- gereist. Die Ruhe ist ungestört. Die Civil- und Militärbehör­den in den Provinzen haben die neue Negierung anerkannt.

Madrid, 18. Febr. Die Antwortsndressc der National­versammlung auf die Königliche Botschaft schließt mit der Erklä­rung, das spanische Volk könne bei Beseitigung der jetzigen Schwierigkeiten dem Könige die Krone nicht wieder anbieten, wohl aber die Würde eines Bürgers unter einem freien, unab­hängigen Volk. In Barcelona wurde die Republik eben­falls ansgerufen, die Truppen fraternisirten mit dem Volk. Aus Vittoria telegraphirte General Moriones die Anerkennung der Republik.

Lissabon, 13. Febr. Gestern Abend sind der Arbeits- Minister und höhere Eisenbahnbeamle nach der Grenzstation Ba­dajoz tum Empfange des Amadeus abgereist. Der hiesige- nigspalast wird zur Ausnahme desselben vorbereitet. Der hiesige spanische Gesandte begab sich auf Befehl der spanischen Regierung ebenfalls an die Grenzstation. Der König von Portugal und die Minister werden den König morgen am hiesigen Bahnhof erwarte».

Der amerikanische Generalpostmeistcr hat nach längerem öffentlichen Streit entschieden, daß verhcirathcte Frauen von der Postbehörde verlangen dürfen, daß die für sie bestimmten Briefe an keinen Andern abgeliefert werden dürfen, als an sie selbst (Es sollen Liebesbriefe nicht in Unrechte Hände kommen.)

Der Flüchtling.

(Fortsetzung.)

Der Fremde führte ihn hierauf nach dem Hintergründe des Zimmers, wo, schwcrathmend auf einem Lager hingestreckt, die Gestalt eines Mannes ruhte. Auch sein Antlitz war durch eine Larve verhüllt. An seiner Seite stand eine Frau oder ein Mäd­chen, deren Gesicht dicht verschleiert war. Sie halte eben des Kranken Lippen durch einen kühlenden Trank erfrischt und trat, als die Beiden sich näherten, an ein Nebentischchen, um Lichter anzuzünden. Dann zog sie sich zurück.

Sie sehen hier einen Verwundeten vor sich," sagte der Fremde zu dem Arzte.Eine Kugel hat seine Schulter durch­bohrt, suchen Sie ihn davon zu befreien, und machen Sie ihn dabei so wenig leiden wie. möglich."

Die Stimme des Verlarvlen zitterte, und Perron fühlte nun fast Theilnahme für seinen Entführer. Schweigend unter­suchte er die Wunde. Die Kugel war tief eingedrungen, und es bedurfte wirklich der ungewöhnlichen Geschicklichkeit eines Arz­tes, sie herauszuziehen.

In stummer Geduld litt der Verwundete die gefahrvolle und schmerzliche Operation. Als sie glücklich beendet war und der Arzt sich zu seinem Begleiter wandte, sah er diesen schwanken und sich an dem Tische festhalten. Perron unterstützte ihn, und auf seinen Arm gelehnt schritt er nach dem andern Ende des Zimmers, wo sie sich auf dem Sopha niederließen. Seine Lip­pen hatten alle Farbe verloren.

Sprechen Sie," sagte er kaum hörbar,ist Rettung möglich?"

Ich glaube es zuversichtlich," war des Arztes Erwiderung, nun aber lassen Sie mich fort."

Ich danke Ihnen," fuhr der Fremde fort.Sie haben mich durch Ihre Hilfe und durch diesen Ausspruch hoch beglückt. Ich will Sie nun nicht länger zurückhalten," setzte er sich aus­raffend hinzu,vergeben Sie mir jedoch, wenn ich wieder Ihre Augen verbinde. Sie sollen an die Stelle zurückgebracht werden, wo wir Ihren Wagen ausgehalten."

Ohne Widerrede ließ der Arzt sich das Tuch um die Augen knüpfen und zur Kutsche zurückführen. Die Fahrt begann aufs Neue, und ebensowenig als früher war Perron im Staude sich

zu orientiren, welche Richtung sie nahmen. Als der Wagen still­hielt, fühlte er, daß der Unbekannte einen Ring an seinen Finger steckte.

Nehmen Sie die Binde herab," sagte er, ihm die Hände freimachcnd,Gute Nacht."

Aber das Tuch war so künstlich verschlungen, daß der Dok­tor erst nach ein paar Minuten im Stande war es aufzulöien, und als er wieder seine Augen gebrauchen konnte, war keine Spur seiner Entführer mehr zu sehen, wohl aber zeigte sich ihm in un­deutlichen Umrissen die Gestalt seines Kutschers an dem Wagen­schlage. Der Bursche war zugleich mit seinem Herrn überfallen und geknebelt worden und hatte die ganze Zeit in einem Weiden- gebüsche gelegen, ohne im Stande zu sein, sich zu rühren. Erst jetzt hatte man seine Banden gelöst und ihm die Freiheit wieder gegeben. 'Natürlicherweise machte Perron gleich die Anzeige seines Abenteuers und es ist kein Zweifel, daß der nächtliche Ueberfall mit der Flucht des Kundschafters zusammenhängt. Der Ring, den man dem Doktor als Belohnung sür seine ärztliche Hilfe an den Finger gesteckt, soll übrigens von großem Wcrthe sein.

Eine seltsame Geschichte, in der That!" sprach Milder, ist sie aber auch wahr, nicht vielleicht romantisch zugestutzt?"

,,Jch habe sie aus Perrons eigenem Munde," sprach Moritz

,.Regina mag mir das verzeihen, aber ein junger noch un­erfahrener Arzt muß sich glücklich fühlen, mit Celebritäten seines Faches bekannt zu werden; aber was hast Du Mädchen, Du zitterst ja?"

Mich schmerzt das allgemeine Unglück," murmelte Regina

,,Du weißt es ja"

Moritz zuckte die Achseln.

Und hat man Aussicht, die Entführer des Arztes zu ent­decken?" fragte Ottilie.

Es soll die ganze Umgegend durchsucht werden," sprach der junge Mann,aber da Perron nichts halbwegs Genaues anzu- gcbeu weiß, dürfte es vielleicht zu keinem Resultat führen."

Um )o besser!" rief Regina, bis dahin hat Erzherzog Carl vielleicht die Feinde geschlagen."

Wir stehen am Vorabende einer Schlacht," versetzte der Herr des Hauses, aber wer kann sagen, wie die Würfel fallen werden!"

Sehen Sie doch, Milder," rief nun Moritz, sich aus dem Fenster beugenddort kommen Franzosen herbei ein Offizier und ein paar Soldaten, sie werden doch nicht bei Ihnen auch Haussuchung halten."

Nicht doch," rief Milder,es wird Einquartiruug sein."

Regina war todlenbleich und schlüpfte aus dem Zimmer

sie eilte in ihre Stube und sank wie vernichtet auf einen Stuhl. Einige Minuten vergingen, als sich die Thüre öffnete und Ottilie leisen Schrittes einlrat.

Fasse Dich,'' sagte sie in zärtlich beruhigendem Tone sie kommen nicht Haussuchung zu halten Niemand ahnt noch unser Geheimniß es ist nur Einquartiruug, wie der Oheim sagte."

Regina schloß die Freundin in die Arme und ihr strahlender Blick bewies, wie schwer die Last gewesen, die nun von ihrer Brust gewälzt war.

Ottilie drückte einen Kuß auf des Mädchens Stirne, dann eilte sie in ihre Stube. Dort stand ein gedeckter Korb auf dem Tische. Sie nahm ihn und schlüpfte die Treppe hinab durch eine schmale Thüre in einen Raum, der, mit Gerümpel aller Art ge­füllt, einen recht häßlichen Anblick darbot. Gartengeräthe, alte Kästen und Koffer, ausgemusterte Bilder und Blumentöpfe mit vertrockneten Pflanzen lagen in größter Unordnung durcheinander. Der dichte Staub, der sie bedeckte, die trüben, mit Jalousien ver­wahrten Fensterscheiben, die Spinnengewebe, die in glitzernden Fäden an den Wänden schwebten, sie zeigten, daß keine ordnende Hand dies Chao's zu entwirren versucht.

Sorgfältig schloß Ottilie die Thüre hinter sich und stand dann in dem dämmerigen Raume lauschend still.

Nichts regte sich, es war als sei alles Leben in dieser schwülen, luftlosen Atmosphäre erstorben, die geschäftigen Spinnen und die armen leichtsinnigen Fliegen ausgenommen, die summend dem todtbringcnden Netze zuschwebten.

Ottilie schlüpfte durch die ausgehäuften Gerätschaften und näherte sich einem großen alten Bilde, das an der Rückwand des Zimmers lehnte. Nicht ohne Anstrengung schob sie es bei­seite, und nun ward eine kleine niedere Thür sichtbar, die bisher völlig verborgen gewesen. Dreimal pochte sie leise an, dann öffnete sich diese und ließ einen schmalen Eingang frei. Als sie hindurchgeschritten war, stand Ernst vor ihr.

(Fortsetzung folgt.)

Silbenrathsel.

Schwer ist die erste nicht, Kein Unsinn ist dis zweite, Und von dem Ganzen spricht Man frei bedächt'ge Leut«.