sie auch, wie alles Menschenwcrk, nicht von Mängeln frei sein mögen. Es tbat Notb, wieder ein allgemeines Band sür alle deutschen Staate» zu schaffen, und um dieses zu Stande zu bringen, waren da und dort manche Conzessioncn zu machen, welche die Einbeit des Ganzen etwas gefädrden möchten. Aber die Hauptzwecke des Bundes sind erfüllt und die Verfassung ist des innern Ausbaues und der Entwickelung fähig, auch die wesentlichen Rechte des Volkes gewahrt. Man solle daher das Ganze vom höheren Gefichtspunlte aus betrachten und nicht in Einzelberalbun- gen eingeben. Der Berichterstatter geht nun die Reichsverfassung im Einzelnen durch, gibt auch einzelne Ausstellungen als nicht unbegründet zu, macht jedoch auf der andern Seite geltend, daß da mit der Zeit, namentlich durch Schaffung eines verantwortlichen Reichsministerium, abgebolsen werden müsse. Vorerst könne durch die inneren Landesverfassungen tbeilweise abgeholfen werden, insofern die Mitglieder des Bundesratks der einzelnen Staaten den Ständen derselben verantwortlich gemacht werden. In diesem Sinne werde ei» Antrag gestellt werden, Berichterstatter geht nun die Miliiärversassung des Bundes und die dessallsigen Bestimmungen durch und findet in einzelnen derselben eine Anomalie, die sich nicht leich! erklären lasse, beruhigt sich aber damit, daß das Budgetrecht dem Parlament gewahrt ist. Er trägt deß- halb aus Annahme der Verträge an. Sodann geht er aus die besonderen, Württemberg gemachten Zugeständnisse über, wodurch er die wohlverstandenen Interessen Württembergs gewahrt findet. Auch mit der württembergischen Militärkonvcntion ist er einverstanden. Berichterstatter erwähnt nun das in den Verträgen Württtmberg znqestandene Recht, daß die ihm gemachten Conzesfionen nur mit seiner Zustimmung eine Abänderung finden dürfen und er wahrt nun den Ständen das Recht, hiebei ihre Mitwirkung «intreten zu lassen. Die Anträge gehen nun aus Annahme I) der Verträge in Betreff des Beitritts von Baden, Hessen und Württemberg in den neuen deutschen Bund und der Bundesverfassung. 2) res Vertrags wegen des Beitritts Bayerns. 3) der Aende- rungen der deutschen Verfassung, wornach statt Deutscher Bund „Deutsches Reich" gesetzt werde und der König von Preußen als Neichsoberhaupt den Titel „Deutscher Kaiser" führe, 4) die Kammer wolle gegenüber der K. Staatsregierung die Voraussetzung aussprechcn, daß die Vertreter Württembergs im Bnndesrath des deutschen Reichs gemäß der tztz. 31 und 52 der württ. Verfassung den Ständen verantwortlich seien und 5) die Bitte an die Regierung zu richten, im Innern möglichste Ersparnisse eintrsten zu lassen und den Ständen den längst versprochenem Gesetzesentwurs über eine gerechte Steuersorm vorzulegen. Justizminister v. Mittnacht gibt eine Geschichte der Verträge, sodann eine cha- rakterisircnde derselben, aus welcher folgende Punkte bervvrzuheben sind: I) Dem württ. Staat liegt unter keinen Umständen eine höhere Leistung an Mannschaft oder Geld ob, als diejenige ist, welche sich aus den Reichsgesetzen und der Neichsverfassung als allgemeine Regel sür die übrigen Staaten des deutschen Bundes ergibt. Sollte ein Mehraufwand sür das württ. Armeekorps sich ergeben, io fällt derselbe dem Bunde zur Last. 21 Württemberg bat in Gemäßheit der Bundesverfassung bis auf Weiteres 225 Thlr. für den Kopf der Friedenspräsenzstärke zur Verfügung zu stellen. 3) Der von Württemberg zu machende Aufwand wird unter der Mitwirkung Württembergs im Bandesetat festgestellt. 4) Die Bestreitung des Aufwandes sür das württembergische Armeekorps nach Maßgabe des Etats wird unter Controle der zuständigen Bundes-Organe der württ. Regierung überlassen. 5) Der gesammte militärische Aufwand, einschließlich der Kosten für das Kriegsministerium, Militärpensionen, Jnvalidengehalte u. f. w. ist Bundessachs. 6) Wenn sich Ersparnisse ergeben, fallen dieselben der württ. Staatskasse zu. 7) Diese Ueberschüffe unterliegen der ständischen Eontrole und ihre Verwendung der ständischen Verwilligung. Es ist einige Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß der zu machende einmalige außerordentliche Aufwand, durch welchen unsere Kriegseinrichtungen aus die Höhe des bunbesgesetzlichcn Maßes gebracht werden soll, durch Ersparnisse unter Ziss. 6 bestritten werden kann. Deß- halb ist der Zeitraum des Uebergangs aus 3 Jahre erstreckt worden. Das Kriegsministerium bleibt auch künftig noch ein württ Kriegsmini- sterium. Der Herr Minister schließt etwa mit folgenden Worten: „Durch die vorliegende Verfassung geben wir an die Gesammtheit, was der Ge- sammtbeit gehöre: wir belassen dem Lande, was dem Lande gebühre. Trone und Stände treten wichtige Rechte an die Gesammtheit ab; aber wir werden durch den Eintritt in die Gesammtheit auch Ersatz finden in der Theilnahme an den Rechte» eines deutschen Staatswesens. Unsere Stellung in diesem Staatswesen werde eine um so bedeutendere sein, je unbefangener wir uns in die neuen Verhältnisse Anlassen. Ich glaube, meine Herren, die königliche Staalsregierung kann dem Urtheile, welches Sie durch Ihre Abstimmung aussprechen, ruhig entgegengehen. Ganz richtig ist, daß die Verfassung, wie sie vorliegt, der Vervollkommnung fähig, in manchen Stücken auch bedürftig ist. Und wer wollte es bestreiten, daß erhebliche materielle Lasten auf das Land gelegt werden! Vertrauen wir aber den deutschen Fürsten und dem deutschen Volke! Wenn sic einmal auf die Dauer geeinigt sind, so werden sie auch in dieser Einigung sich z» helfen und sich einzurichten wissen, besser und vollkommener, als es in der Vereinzelung möglich ist." (Vielstimmiges Bravo !) Mohl verherrlicht in 2stündiger Rede die deutschen Zustände unter dem alten Bund, die Ueberschüsse bei mäßigen Steuern, entwirft ein ziemlich düsteres Bild vom Nordbund, prophezeit baldige Annektier! der südd. Staaten und vergleicht dieselben mit Karpfen in einen Hechtteich versetzt. Ihm entgegnet Elben in klarer, schwungvoller, am Schluß mit Beifall belohnter Rede und entwickelt nach Widerlegung der behaupteten Vorzüge des alten Bundes dis Prinzipien des neuen, welcher allen Ansprüchen gerecht werde. Fortsetzung der Debatte morgen !1 Uhr. — (5 Sitz, der Kammer der Abg.) Oesterlen spricht gegen den Vertrag: Minister v. Miltnacht erwidert demselben und Mohl. Boscher sür, Hopf gegen, ebenso Uhl. Streich (edema!. Großdeutscher) erklärt, daß das groß- deutsche Prinzip die Berechtigung seiner Existenz längst verloren trab-', er stimme dcßhalb mit seinen Freundem für die Verträge. Probst gegen, Schmid sür, nach Holder, als Berichterstatter, Völmle dagegen: Römer spricht feine Freude aus über das erreichte hohe Ziel. Mehls Antrag aus getrennte Abstimmung über Ziffer V. wird abgelehnt, dagegen ein Schlußanlrag angenommen. Bei der Abstimmung wird I. l- 5 der Eommissions-Anträge mit 74 gegen die 14 Stimmen von Bayrhammer, Mohl, Egelbasi Hopf, Maier m T., Retter, Völmle, Probst, schwarz, Oesterlens Küble, Gutheinz. Rubel, Uhl angenommen Bei der Abstimmung über »- >-3 dasselbe Resultat: es sind 76 Stimmen, die mit Ja votiren. Rubel und Oesterlen sind zur Mehrheit übergegangen. Bei Ziffer III. ergeben sich 81 Ja und 1 Nein: es sind Mohl, Egelhak, Hopf, Retter, Probst, Küble und Guthcinz. Ziss. IV. wird ohne namentliche Abstimmung angenommen, ebenso Ziss. V. und zwar mit großer Mehrheit und unter Ablehnung der Anträge Mobls. In einer motivirten Abstimmung entschuldigt die Minderheit ihr „Nein" mit der Zwangslage, in welche die Kammer versetzt worden. — Der Hölderssche Bericht
tzung Mittwoch den Ss. Dez
Calw, 23. Dez. Gestern Abend um halb 8 Uhr rief die Feuerglocke die hiesige Löschmannschaft zur Hilfe „ach Hirsau wo das Wohngebäude des Tuchscheerers Scheuerte in Flammen stand; dasselbe branme nicht allein vollkommen ab, sondern entzündete auch das dauebenstehende Gebäude Schcucrle's. welches ebenfalls ein Raub der Flammen wurde. (C. W.)
Zn Gosheim, OA. Spaichinge». brannte den 20. Dez. das Wohnhaus der Müller Weber's Wiitwe ab, nachdem an derselben zuvor ein Raubmord verüb! worden. Die alte Frau verbrannte, und es wurden nur wenige verkohlte Körpertheilc nebst einigen mit viele» Blmspuren besudelten Kleidungsstücken vorgesunden.
In den in dem Rothcnbnrger Ballon enthaltenen Briefen befinden sich bezüglich der Verprovianlirung von Paris die widersprechendsten Angaben; während in den einen behauptet wird, daß ^ noch kein Mangel an Lebensmitteln herrsche, wird in andern ge- ! rade das Gegentheil versichert. Ein Briesschreiber theilt mil, daß j er 6 Mäuse um I Fr. 80 Cent, gekauft habe. In fast allen s Briefen wird die Hoffnung ausgesprochen, daß der in der Vor- > bereilung befindliche große Ausfall sicher znm Ziel führen werde.
! Sollte hiermit der Ausfall vom 21. d. gemeint sein, so ist die ! Hoffnung der Pariser eben wieder nicht in Erfüllung gegangen,
Traul den Franzosen nicht, auch wenn sie gefangen sind. Am Rhein hat man die Spuren einer Berschwöruug entdeckt, die darauf ausgeht, einen allgemeinen Durchbruch zu versuche». Man bewacht und comrollirt seitdem die Franzosen strenger. Man sollte ihnen auch mehr Arbeit geben, denn Müssiggang ist des Leusels Ruhebank.
Berlin, 23. Dez. Der Kaisertilel wird sich dem Wortlaure des Reichstagsgcsetzes anschließcn. Die Königin wird Kaiserin, gemäß dem Brauch der Hofetikette. Der Kronprinz und die Prinzen behalten voraussichtlich den Titel: Königl. Hoheit.
Schleswig, 20. Dez. Genera! Vogel v. Falkenstein ließ gestern früh 9 Uhr die französischen gefangenen Offiziere auf dem rschloßplatze sich versammeln und von da in eines der Reilhäuser führen. Hier stellte er sich in die Milte des Raumes und gebot mit lauter Stimme Ruhe, woraus er den Versammelten vorhielt, wie erbärmlich, wie niederträchtig, wenn ein Offizier sein Wort bräche und wie es die Versammelten empören müsse, daß zwei ihrer Kameraden entflohen und somit die Schande der Wortbrüchigkeit begangen. Für die Ziirückblcibendcir habe diese Scharrd- thal schon zur Folge gehabt, daß sie von der ihnen hier gestatteten Freiheit vieles hätten einbüßen müssen, aber er müsse noch schärfere Maßregeln treffen, um zu verhüten, daß Andere den gegebenen schlechten Beispielen folgen, und er verordne vorläufig, daß für jeden einzelnen Entwichenen und der etwa noch Entweichenden 10 der Zurückbleibenden auf die Festung gesandt würden; für die zwei jetzt schon Desertirten seien 20 der Anwesenden durch das Loos zu bestimmen, um schon morgen auf eine süddeutsche Festung zu gehen. Diese Mitteilung brachte große Aufregung hervor; es entstand ein Gemurmel, und Einzelne versuchten Etwas einzuwenden. Der alte Herr aber gebot mit donnnerndcr Stimme: „Ruhig, kein Wort!" Darauf ging das Loosen um die Freiheit vor sich, und jeder Einzelne griff mit sichtbarem Zittern in die verhängnißvolle Urne; worauf der General sie mit einigen Worten entließ und sich nach dem Bahnhof zurückbegab und mit dem Zuge nach dem Süden wieder abfuhr.
Bordeaux, 21. Dez. Eine amtliche Note meldet, daß Gambetta sich von Bourges nach Lyon begeben habe, um sich Rechenschaft von dem Stande der Streitkräfte zu verschaffen.
Der alte Thiers soll Frankreich bei der Londoner Konferenz vertreten, die Anfangs Januar zusammenkommt.
Ein Brief aus Paris vom 17. Dez. meldet: Man führt die Zählung aller Bewohner aus in der Absicht, die gerechte Verkeilung des Fleisches zu sichern und Diejenigen zu finden, die sich d:m Militärdienst entzogen haben. Kein Gas mehr in Paris. Die Straßen, die Boulevards, die wenigen offenen Magazine werden rnit Petroleum erleuchtet. Gleichwohl sind Diebstähle und Mordlhaten nie seltener gewesen.
Brüssel, 19. Dez. Times behauptet, der König von i Preußen wolle ans Luxemburg einen unabhängigen Bundesstaat ! unter dem Erzherzog von Nassau mit Zustimmung des Königs ! von Holland machen. (S. M)
! Brüssel, 22. Dez. Jiidependance meldet, der König von Preußen habe ein Telegramm an den Prinzen -Statthalter von Luxemburg gesandt, wonach mau in Versailles von der Rechtfertigung der Luxemburger Regierung hofft, daß die Zukunft keine weiteren Verwicklungen bringe. Die Monstrcadrcsse an den König von Holland hat 43,773 Unterschriften erhalten. (M-I-)
Bardonnecchi a, 25. Dez. Die letzte Scheidewand im Tunnel durch den Montcenis ist heute Nachmittags 4 Uhr genau in der Mitte des Tunnels durchstochen worden.
Redalrwn, Druck und Verlag der G. W. Zai scr'scherr Buchhandlung.