stimmten die Socialdemokraten. Zur Ueberreichung der Adresse wurde eine Deputation von 30 Mitgliedern ausgeloost. Staats- Minister Delbrück verliest hieraus den Erlaß, betreffend die Schließung des Reichstags.
Berlin, II. Dez. Der „Staatsanzeiger" schreibt: „Rach einem gestern Abend eingegangenen Telegramm des Bundeskanzlers ist der König bereit, die Reichstagsadresse aus den Händen der mit der Ueberreichung beauftragten Deputation entgegenzunehmen. Die Abreise der Deputation erfolgt nächster Tage, sobald die nöthigen Vorbereitungen getroffen sind."
Der Landtag ist durch kgl. Verordnung ck. ck. Versailles, 4. De;., auf den 14. ds. einberufen.
Berlin, 11. Dez. Näheres über Bismarcks Rundschreiben an die Unterzeichner des Londoner Vertrags wegen Luxemburg: Da Luxemburg gelegentlich des Durchzuges Verwundeter Uebel- wollen gezeigt, Diedenhofcn Anfangs Oktober durch Ostbahnwag- gons verproviantiren ließ, erklärt Preußen, daß es sich bezüglich deutscher Truppenbewegungen an Luxemburgs Neutralität nicht mehr gebunden erachte. ' (S. M )
Berlin, 11. Dez. Die heutigen Berliner Blätter bringen folgende Notiz: „Wegen neuer größerer Truppentransporte wird die Annahme von Gütern zur Beförderung über die Linien der Berlin-Stettiner Eisenbahnen hinaus, mit Ausnahme von Eilgütern, bis auf Weiteres auf allen Stationen der Bahnen einge- gestellt werden." Bei dem Mangel der nöthigen Fülle von Ersatztruppen sowohl in den neuen Provinzen, als selbstredend in Süddcutschland ist es eben doch wieder Altpreußen, welches in diesem Kriege ganz unverhältnißmäßig große Opfer zu bringen hat. Es ist dießmal großcntheils Landwehr zweiten Aufgebots, welche, kurz vor Weihnachten, den häuslichen Herd verlassen muß.
Köln, 4. Dez. Ein Erzbischöflicher Erlaß ist heute in allen Kirchen der Diözese verlesen worden, der auf den Mariä- Empfängnißtag ein 1 Mündiges Gebet nnordnet für „drei große Anliegen": Befreiung des heiligen Vaters, baldiges Ende des schrecklichen Krieges und feste Entschiedenheit im Glauben. Hier heißt es: „Noch immer gibt es hie und da Einzelne, welche sich nicht im Geiste demülhigen Glaubens dem Ausspruche des unfehlbaren Lehramtes der Kirche unterworfen haben. Zum bittersten Schmerz unserer Seele haben wir durch die Obliegenheit des ober- hirtlichen Amtes uns verpflichtet gesehen, gegen einige aus der Zahl derjenigen, welche durch Stand und Amt ganz besonders verbunden sind, allen Gläubigen mit einem vorzüglich guten Beispiel in der Tugend des Glaubens voranzugehen, statt dessen aber durch Widerspruch gegen das unfehlbare Lehramt der Kirche den Gläubigen Anstoß bereitet haben, in Vorgang wiederholter Warnung und Ermahnung nach Vorschrift der h. Canones vorzugehen. Wir haben kein sehnlicheres Verlangen, als daß uns eine solche schmerzliche Pflichterfüllung in Zukunft erspart, und der noch fortdauernde Anstoß recht bald bestitigt werde. Darum laßt uns beten zu Gott, daß er, der Vater des Lichts und der Erbarmung, alle diejenigen, welche noch zweifeln und wanken oder irren im Glauben, durch feine Gnade erleuchten, und ihre Seelen mit dem beseligenden Frieden eines festen übernatürlichen Glaubens erfüllen und beruhigen wolle." p» Wien, 11. Dezbr. Heute Nacht 10'/ Uhr brach in der Hofburg Feuer aus. Um 12'/» Uhr war das physikalische Ka- binet ausgebrannt, die Gefahr für die »ächstgelegene Hofbibliothek und das Müuzkabinet jedoch abgewendet. (S. M.)
Die Regierung beschloß/Tours eventuell zu räumen, um die Stadt zu schonen. (S. M )
Bordeaux, 12. Dez. Gambetta meldet, er sei gestern nach Tours zurückgekehrt, nachdem er die Armee Chancy's verlassen. Letzterer decke die Loirelinie bisher erfolgreich. Gambetta fügt hinzu, er halte die Lage für ziemlich gut. so daß er glaubte, sich von der Armee Chancy's entfernen zu dürfen, um sich nach Bour- ges zu begeben. Er wolle sehen, wie es dort mit der zweiten Armee stehe.
Nach verläßlicher in Versailles und in Berlin eingetroffener Meldung koncentrirte sich im Norden Frankreichs ein neues französisches Corps von 80 bis 10.0,000 Mann, uni Paris von zwei Seiten zu entsetzen. Man vermuthet Truppeuausschis- fungen bei Cherbourg. l
Dem Journal de Geuevc gehen in einem Metzer Brief vom j 27. Nov. sehr merkwürdige Aeußeruugen des Marschalls Leboeuf ^ gegen die ihm gemachten Vorwürfe des Leichtsinns und der Un- ! bereitschaft zum'Krieg zu, Aeußerungen, welche der Marschall : unmittelbar an einen Freund des Schreibers gethan haben soll. , Er sei bereit geivesen, lim eine Armee von 300,000 Mann ins Feld zu stellen, und diese habe man für genügend gehalten nach den bei Anwesenheit des Erzherzogs Aibrecht in Paris während des letzten Winters mit Oesterreich verabredeten Planen. Dieser habe sich Namens des Kaisers einem Bündniß sehr günstig gezeigt, und außerdem habe man noch auf 100,000 Italiener gerechnet. Allein, fügte Leboeuf bei. Gramont ist zu geschwind vorgegangen, die Kammern waren übereifrig, der Krieg ist in zu kurzer Zeit förmlich vom Zaune gebrochen worden und als man in Wien anfragte, kam die Antwort: man habe niemals darein
! gewilligt, lediglich von Frankreichs Gutdünken abzuhäugen ohne Anfrage und ohne Zeit zur Vorbereitung. Kurz, man verweigerte das Bündniß.
Das „Tagebuch eines Belagerten" der Daily-News sagt: „Die Militär-Attache's, welche noch hier in Paris weilen, schätzen : die französischen Verluste während der drei Kampftage auf nicht ! weniger als 10,000 Getödlete und Blessirte. Es ist sehr unwahr- l scheinlich, daß die Regierung einen Verlust von mehr als 2- bis ^ 3000 einränmen wird. Der feindliche Verlust wird aber natürlich j als viel erheblicher wie der unsrige angegeben . . . Folgendes ' ist eine Liste der Preise von Luxusartikeln" : Eine Schüssel Hühner- suppc >0 Fr., eine Kaninchensuppe 13 Fr., ein Huhn 26 Fr., ein Kaninchen 18 Fr., ein Trutbahn 60 Fr., eine Gans 45 Fr., ein Kopf Blumenkohl 3 Fr., ein Kohlkopf 4 Fr., Hundestcisch 2 Fr. per Pfd., eine abgezogene Katze 5 Fr., eine Ratte 1 Fr., wenn sehr fett 1 Fr. 50 Et. Fast alle Thiere im Jardin des Plantes sind aufgegcssen worden. Sie erzielten durchschnittlich 7 Fr. per Pfd. Kängurufleisch wurde aber zu 12 Fr. per Pfund § verkauft."
§ . Die Franzosen setzen grobe Hoffnung aus eine arabische Neiter-
truppe aus Algier, welche sich zu der Loire-Armee begeben hat, um die : deutschen Truppen in panischen Schrecken z» versetzen. Das „Journal ! de Marseille" gibt folgende Beschreibung: „Welche prächtige Truppe!
! Man hatte geglaubt, Ritter des Mittelalters vorbeidefiliren zu sehen' i Außer einer vollständigen Ausrüstung, bestehend aus einem Jatagan, einem Revolver, einem Dolche und einen, ausgezeichneten Chassepvt, zum Dienste der Tirailleurs. trägt jeder Reiter 'an seinem Sattctknops ein ungeheuer gefährliches Instrument: „die Matraque". Dieses Werkzeug ist ein sehr kurzer Stock, an dessen einem Ende ein furchtbarer Haken sich befindet, und an dessen anderem Ende eine lange Schleife von gedrehtem Leder befestigt ist. Es ist der vervvllkommnete und unfehlbare mexikanische Lasso. Auf 1.'> Meter Entfernung von einer arabischen Faust geworfen, verfehlt die „Matraque" niemals ihr Ziel und ersaßt immer ihre Beute. In der Verfolgung oder im Angriff fällt der schreckliche Haken hernieder, ergreift sein Opser - und das Pferd reißt im Galopp einen Menschen mit sich, der -> Minuten nachher nur noch ein zerfetzter Leichnam ist, den man nur losläßt, um dieses Zerstörungswerk wieder anzufangen. In weniger denn 14 Tagen werden ln Frankreich zwei- oder dreitausend solcher arabischen Reiter ,ein und die Preußen werden bald zu ihrem Nachtheile den Gebrauch der „Matraque kenne» lernen."
Brüssel, 10. Dezbr. Eine offiziöse Correspondenz der Jndependcmce versichert „aus unwiderlegbarer Quelle", Preußen werde mit der gegenwärtigen Regierung in keinerlei, wie auch immer geartete Verhandlungen treten, so lange diese Regierung völkerrechtswidriger Weise sortfährt, wortbrüchigen Ossizieren eine Anstellung in der Armee anzuverlrauen. (N.-Z.)
Brüssel, 11. Dez. Nach Berichten aus Lille hat am 5. d. ein Adjutant Trochu's Paris per Luftballon verlassen, um den anderen Armeen Mittheilung über die Lage in Paris sowie über weitere Operationen zu machen. (S. M.)
Brüssel, 10. Dez. Briefe aus Luxemburg bestätigen vollständig, daß Preußen der dortigen Regierung erklärt hat, daß es sich nicht mehr an den Vertrag von 1867 gebunden hält. In Luxemburg hatte diese Meldung große Bestürzung erregt, und man zieht jetzt allgemein gegen die französische Ostbahn zu Felde, der man die Schuld gibt, daß es so weil gekommen sei. Die Ostbahn regiert nämlich im Luxemburgischen ganz souverain und ruft dort die antideutschen Demonstrationen hervor. Die obigen Briese beklagen das und fürchten, daß die Ostbahn-Gesellschaft das Land zu seinem Untergänge hinführe.
Haag, 12. Dez. lieber den Inhalt der preußischen in Betreff der Neutralität Luxemburgs hierher gelangten Note aus Versailles den 3. Dez. verlautet von unterrichteter Seite: Bismarck begründet seine Beschwerden zunächst mit der Hinweisung aus die bekannten Kundgebungen, welche in Luxemburg zu Gunsten der Franzosen in entschieden deutschfeindlichem Sinne stattgesundcn, Kundgebungen, denen auch weitere thatsächliche Vorgänge entsprochen hätten. So habe man Lebensmittelzüge für das französische Heer durch Luxemburg fahren lassen, nicht nur ohne Erschwerung, sondern selbst unter Begünstigung seitens der Polizei- und Zollbehörden, aus der Gefangenschaft entflohene französische Offiziere seien durch Luxemburg soffen und unbehelligt auf Grund von Geleitschcinen passirt/welche der französische Konsul ausgestellt. Letzterer habe ein förmliches Werbebureau. (S. M.)
London, 6. Dez. Die Regierung in Tours hat hier einen Kontrakt aus Lieferung von 300 gezogenen Geschützen, allwöchentlich fünf Batterieen, abgeschlossen, und zwar ist die Hälfte von englischen, die andere Hälfte von amerikanischen Häusern übernommen.
London, 12. Dez. Die angeblichen Bemühungen Gam- betta's zur Herbeiführung eines Waffenstillstands rednziren sich daraus, daß Gambetta Lord Lyons bedeutete, Frankreich könne ohne eine regelrecht konstiluirte Regierung den Londoner Konferenzen schwer beiwohnen; deßhalb möge England einen Waffenstillstand vermitteln. Dies war jedoch erfolglos, da Gambetta die Verproviantirnng von Paris zur Waffcnstillstandsbedingung machte.
Redaktion, Druck und Berkap der G. W. Zaiser 'scheu Buchbandlung.