„Jranyais",. der in Tours erscheint, sagt: „Es ist positiv, daß ein Theil der Truppen kläglich vor dem Feinde durchgegangen ist, und man versichert uns sogar, daß die Flüchtenden, um sich schneller in Sicherheit zu bringen, ihre Chafsepols weggeworfen haben. Die Straße von Chevilly nach Orleans soll völlig mit Gewehren übersäet gewesen sein. Das ist schmachvoll, herzzerreißend!"
Seine Majestät der König hat am 18. Oktober folgendes Telegramm an Seine Königliche Hoheit den Kronprinzen von Preußen gerichtet: An dem heutigen für Deutschland so bedeutungsvollen Tage sage ich dir zu deinem Geburtsfestc meinen herzlichen Glückwunsch. Ich wähle diesen Tag, um dich zu bitten, das Großkreuz meines Militär-Berdienst-Ordens anzunehmen, das ich dir in dankbarer Anerkennung der von dir mit der tapferen Armee, welcher auch meine Truppen angehören, erfochtenen herrlichen Siege verliehen habe. Mein Kriegsminister von Suckow, der morgen von hier abreist, wird dir die Insignien übcrbringen. Seine Königliche Hoheit der Kronprinz von Preußen erwiderte hierauf telegraphisch: Meinen innigsten Dank für die Worte, mit denen du meiner an meinem Geburtstage gedacht hast und für die Verleihung des Militär-Ordens, den ich mit der Haltung deiner braven Truppen in diesem herrlichen deutschen Feldzüge verdanke. Grüße Olga. (St.-A.)
Stuttgart, 20. Okt. Seit gestern befindet sich Staatsminister Frhr. v. Linden, derzeit Präfekt von Chalons für Marne hier, und wird über die kurze Dauer des morgen beginnenden Landtags hier bleiben, dem er anwohncn wird, ebenso wie der seit einigen Tagen gleichfalls aus Frankreich hiehcrge- kommene Maximilian von Württemberg. (N.-Z.)
Stuttgart, 20. Okt. Der heutige Staats-Anzeiger erklärt, daß der Ankauf von Pelzen seitens der Preußischen Regierung nach eingczogencn offiziellen Nachrichten rein auf Erfindung beruhe. Ferner ist der Staats-Anzeiger zu der Mittheilung ermächtigt, daß seitens der Intendantur der Felddivision schon längst große Quantitäten warmer Unterkleider für unsere Truppen beschafft sind. Ueber die Verpflegung der Division ist ferner bei dieser Veranlassung zu bemerken, daß sie bis jetzt trotz der augenblicklich erschwerten Verhältnisse stets eine zureichende war und Mangel nirgends zu besorgen ist. Ueber den Krankenstand der Felddivision, welcher effektiv nie den Betrag von 6 Prozent überstiegen hat, liegen Berichte vor, daß der Zuwachs an Kranken seit Anfang des Monats im Abnehmen begriffen ist.
Stuttgart, 21. Okt. In der heutigen Ätzung der 2. Kammer wurde nach einer kurzen auf die Zeitereignisse hinweisender Ansprache des Virepräsidenten Prochst, die Wahl Obertribunalraths v. Weber zum Abgeordneten von Canstätt gutgeheißen. Finanzminister v. Renner brachte 2 Gesrtzesentwürfc ein. I. über ein weiteres Steuerprovisorium bis 31. Jan. 1871 und 2. über einen weiteren Kriegsnedit von 3,700,000 st. Morgen früh 0 Uhr Berathung darüber. Dann Ätzung der 1. Kammer.
Stuttgart, 22. Okt. In der heutigen letzten Sitzung der Kammer der Abgeordneten wurde von diesen die Forterhebung der Steuern einstimmig, der außerordentliche Credit gegen die 3 Stimmen von Hopf, Wok dach und Vollmer genehmigt. Volkspartei und Großdeutsche gaben motivirfe Abstimmung. Die Volkspartei ist gegen den Eintritt m den Nordbünd, Großdentsche verlangen Modification der Nordbund- vsrfafsung wegen Deutsch-Oesterreich. (Nachschrift.) Soeben heute Nachmittag um 4 Uhr ist, wie zu erwarten war, die Auflösung der Abgeordnetenkammer ersolgt. (B--Z-)
Der Minister des Innern v. Scheurlen motivirte die Auslösung der Kammer mit folgenden Worten: Meine Herren! Die K. Regierung hat sich in offizieller Kundgebung offen über ihren Standpunkt und ihr Ziel in der deutschen Frage ausgesprochen. Sie ist der Ueberzeugung, daß sie den richtigen Weg eingeschlagen hat, um dieses Ziel zu erreichen; sie gibt sich der Hoffnung hin, daß es in naher Zeit erreichte sein wird. Zwei Minister wohnen den Verhandlungen an, welche zu diesem Zweck statlfinden unter Betheiligung von Vertretern des Norddeutschen Bundes und unserer Nachbarstaaten Baiern und Baden. Das Werk, das aus diesen Verhandlungen hervorgehen wird, bedarf der Zustimmung der Stände und es kommt hiebei in Betracht, daß ohne Aenderungen unserer Verfassung die bundesstaatliche Neugestaltung Deulschlands nicht möglich ist. Es mag dahin gestellt bleiben, wie das Ergebniß der Stimmungen in dieser hohen Kammer bei ihrer dermaligcn Zusammensetzung ausfallen würde; unter allen Umständen muß die Erwägung Platz greifen, daß ein so hochwichtiges Werk, wie der deutsche Versassimgsbau eine Stüye haben muß in der Ueberzeugung des Volks, das sich ausznsprechen berufen ist vornehmlich durch die Wahl seiner Vertreter. Die letzte Abgeordnetenwahl ist zu einer Zeit ersolgt, in welcher die deutsche Frage, so wie sie jetzt liegt, nicht ins Auge gefaßt sein konnte; es darf daher die neue deutsche Bundesverfassung nicht der gegenwärtigen, sie muß einer neuzubildenden StLndeversammlnng vorgelegt werden. (Folgt dann die königl. Verordnung der Auflösung der Kammer.)
Calw, 21. Okt. Gestern Abend kurz nach 10 Uhr wurde hier am nördlichen Horizont ein Nordlicht in seltener Stärke beobachtet. (St.-A.>
Ulm, 19. Okt. Unter den heute hier augekommenen Verwundeten befindet sich ein Preuße, der, in Frankreich krank ge
worben, seiner demnächstigen Wiederherstellung entgegen sah, eines Tags aber, als er mit einem Kameraden sich im Freien sonnte, meuchlings durch einen Schuß verwundet wurde. — In der verflossenen Woche machte ein Zuave (Unteroffizier) in der Nähe der Ziegelstädel den Versuch, einem zehnjährigen Mädchen Gewalt anzuthun. Eine Anzahl von gefangenen Kameraden, die hinter ihm drein kamen, bemerkten es, überfielen den Uebel- thäter und prügelten ihn dermaßen durch, daß württ. Offiziere, welche zufällig in der Nähe sich befanden, einschreiten mußten.
Die Augsb. Postztg. läßt sich vom Oberallgäu von einem entrüsteten Korrespondenten schreiben: „Hier herum fordert man uns laut und offen zum Abfalle von der römisch-katholischen Kirche, dringend und ohne alle Bedingungen zum Eintritte in den norddeutschen Bund auf." Diese Aufforderung finde aber bei den „pflichlgetreuen Bayern, bei den wahren Katholiken des Allgäu keinen Wiederhall." Interessant ist immerhin die Zusammenstellung der römischen und der deutschen Frage in dieser Weise.
Aus Berlin, 18. Okt.. wird der A. A. Ztg. geschrieben : Ohne die zahlreichen aus dem Schoße der katholischen Bevölkerung Preußens hervorgegangenen Bittschriften abzuwarten, hat der König dem Pabst bestimmte Zusicherungen wegen der Erhaltung seiner Würde und Unabhängigkeit ertheilen lassen. Freilich sind Preußen und der norddeutsche Bund nicht in der Lage, für die Souveränetät des Pabstes unmittelbar mit physischen Mitteln eintreten zu können, aber auch die bloß moralische Stütze, welche der protestantische König von Preußen dem Pabst auf sein Hilfegcsuch hat zu Theil werden lassen, wird sich sicher um so wirksamer erweisen, je mehr Italien und die europäischen Mächte aus dem ganzen Verhalten unserer Diplomatie die Uc- berzeugung gewinnen können, daß das hiesige Kabinet cs mit der Erhaltung der päbstlichen Unabhängigkeit ernst meint.
In Preußen werden nun auch die Erfahr eserven H Klasse und die Landwehr aus dem Jahrgang 1854 einberufen.
Berlin, 20. Oktbr. Die Kreuzztg. schreibt: „Will Garibaldi durchaus die Bekanntschaft der Zündnadel- und Werder-Gewehre machen, so hat er sich vor der Gefangenschaft zu hüten. Als franz. Soldat würde er nicht behandelt werden, londcrn als hergelaufener Freibeuter.
Tours, 20. Okt. Eine Entgegnung I. Favres auf das Rundschciben Graf Bismarcks, betreffend die Zusammenkunft in Ferneres sagt: Preußen verfolgt systematisch das Werk unserer Vernichtung. Frankreich darf sich keinen Illusionen mehr hingeben, cs handelt sich um Sein oder Nichtsein. Als man Frankreich den Frieden anbot »m den Preis dreier Departements, muthete man ihm Schmachvolles zu. Frankreich wies dieses Anerbieten zurück uud wird dafür mit Tod und Vernichtung bedroht. Dies die Situation. Doch vielleicht war Frankreich diese schlimmste Prüfung nöthig, woraus es geläutert hervorgehen wird. (N.-Z )
In Tours soll die Nachricht von der Niederlage der Loirearmee einen so niederschlagcnden Eindruck gemacht haben, daß die dort befindlichen Mitglieder der augenblicklichen Regierung damit umgehen, ihren Aufenthalt noch weiter südlich zu nehmen.
Der Korrespondent der Jndepcndance Belge in Tours verspricht sich viel von einem Dekret Gambetta's, wodurch die militärische Stufenleiter zerbrochen und jeder Offizier, der sich auszeichne, ohne die Zwischenstufen durchmachen zu müssen, sofort vom Lieutenant zum General und Oberbefehlshaber ausrücken könne; ja, er hebt es besonders lobend heraus, daß Gambetta selbst Ingenieurs, sogar jeden, der Talent zeige» werde, zum Befehlshaber zu machen entschlossen sei.
Brüssel, 19. Okt. Die Sprache der in Tours erscheinenden Blätter wird täglich heftiger gegen die Regierung, welche die Wohlfahrt Frankreichs gefährde. Die „France" proteftirt ferner gegen die durch die Präsekten und Commissäre begangenen schreienden Mißbräuche, sowie gegen die übertriebene Einmischung der Cioilbehördcn in militärische Angelegenheiten, gegen die willkürlichen Verhaftungen und die summarische Unterdrückung, von Journalen. Die „France" spricht geradezu aus, daß durch diese Manöver eine Hand voll Menschen ohne anderweitcs Mandat von dem allgemeinen Mißgeschick Vorthcil ziehen wollen, um sich eine besondere Domäne zu bilden. Die clericale „Union" veröffentlicht ein Schreiben des Erzbischofs von Tours, welches es für eine Demüthigung und Erniedrigung erklärt, daß Garibaldi sich die Mission zuschrcibt, Frankreich retten zu wollen. In Toulouse reichte der Gemeiuderath in Folge der Einsetzung eines Wühlfartsausschusses in plono seine Entlassung ein.
Gent, 18. Okt. Der Bien Public meldet: Vor dem Ple- kiscite in Rom erklärten die bei dem Heiligen Stuhle beglaubigten Botschafter, daß sie von ihren Regierungen Instruktionen einholen werden; seit dem Plebiscite sind die Instruktionen ein- getrossen, und die Botschafter bleiben in Rom; dies ist nach dem Journal de Bruxelles ein Beweis, daß die Mächte die geschehenen Thatsachen nicht anerkennen. König Victor Emanuel wird an die Mächte eine Note richten und darin Anerkennung des tmt seoompli verlangen. Deßgleichen wird auch der Pabst den Botschaftern eine Note übergeben.
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.