einundzwunzigjährigen Aufenthalts 'gestern aus Straßburg ver­wiesenen Deutschen eine Bemerkung zurpolitischen Rundschau" in Ihrem heutigen Blatte zu machen. In Straßburg ist kein Kopf eines gefallenen deutsche» Offiziers", sondern nur ein bei einem Ausfall erbeuteter Helm herumgetragen worden und zwar nicht auf Picken, sonder» auf dem Kopf des Turcos, der ihn als ziemlich bescheidenen Ersatz für drei den Ausfällen genom­mene Kanonen erbeutet hatte. Auch von säbelschwingenden Tur­cos und Zuaven weiß man drüben nichts und die Bevölkerung von Straßburg ich rede nicht von der Polizei - hat sich durchgängig nicht nur nicht feindselig, sondern theilnehmend, lie­bevoll, hilfreich gegen uns Deutsche benommen. Warum ich Ihnen das schreibe und um gefällige Aufnahme bitte? Um Ihren Lesern einen durchaus grundlosen Groll gegen die von so hartem Schick­sal bedrohten Straßburger zu benehmen und diejenigen, die etwa berufen sein könnten, persönlich in dieses Schicksal cinzugreifen, zu freundlicher Milde und Schonung zu stimmen. Genehmigen Sie den Ausdruck meiner Hochachtung. A. Grün, Prof, der deutschen Literatur.

München, 11. Sept. Der Neichstagsabgeordnete Lasker befindet sich seit gestern in unserer Stadt, und wird wahrschein­lich in einer für die nächsten Tage beabsichtigten allgemeinen Volks­versammlung einen Vortrag halten. Den Subscribenten auf das Militäranleheu, die Beträge unter 10,000 fl. gezeichnet ha­ben, wurde cs bekanntlich freigestcllt: für jene Summen, für welche sie keine Obligationen des genannten Anlehcns erhielten, Obli­gationen des Eisenbahn-Anlehens zu nehmen; der dießfällige Ter­min ist vorgestern abgelaufen, und man vernimmt nun, daß bis auf einen sehr kleinen Theil alle Subscribenten sich sür die An­nahme von Eisenbahn-Anlehens-Obligationen entschieden haben. Die Staatsregierung erhielt hiedurch außer den 15 Millionen des Militäranlehens noch wenigstens 35 Millionen vom Eisen- bahnanlehen.

Einer der bayr. Soldaten, welche einen Gefangenentransport nach München begleiteten, äußerte in heiterster Weise einen schönen Zug von Menschlichkeit. Er rief einem der Aufwärtcr, welche auf dem Bahnhof bestimmt sind, die Gefangenen mit Speise und Trank zu erquicken, laut zu:Hören's, vergessens meinen Turco da nit; des ist mei Spezel, den hob i bei Weissenburg für mich 'rausg'holt."

Berlin, 10. Sept. DieKreuzzeitung" schreibt:Die Berufung Delbrück's ins Hauptquartier bestätigt die Vermu- thung, daß die deutschen Fürsten in Bezug auf eine anderweitige Regulirung der deuschcn Verhältnisse die Initiative ergreifen wollen."

Berlin, 13. Sept. Die Nachricht, als habe der Gesandte der Union Vermittelungsvorschläge an die Washingtoner Regie­rung gelangen lassen, entbehrt jeder Begründung. Ebenso un­begründet ist die Nachricht, die Vereinigten Staaten hätten ein Anerbieten ihrer guten Dienste gemacht.

In Berlin herrscht die Ansicht vor, daß Paris unter allen Umständen besetzt und der provisorischenRegierung und eventuellen Republik der Garaus gemacht werden soll. Deßhalb verbreitet nian auch von dort, daß Louis Napoleon seine Laufbahn noch keineswegs für abgeschlossen hält und vielleicht durch die deutschen Waffen restanrirt werden könnte.

Durch Dekret der provisorischen Regierung in Paris wird das Ministerium des kaiserlichen Hauses abgeschafft. Alle Güter, Mobilien, Immobilien, welche unter dem Namen der Civilliste bezeichnet sind, kehren zur Staatsdomäne zurück. Die unter dem Namen der Privatdomänen bezeichneten Güter werden unter Sequester verwaltet, unbeschadet der Rechte des Staates und der Personen. (B.-Z )

Ein Amerikaner hat dem König Wilhelm eine goldene Feder gesandt mit der Bitte, sich derselben bei Unterzeichnung des Friedens zu bedienen.

Kassel, 9. Sept. Der Haushalt Napoleons zu Wilhelms­höhe ist durch die Entlassung vieler Diener sehr verringert. Ge­stern wurden auch 39 Pferde, die theils dem Kaiser, theils.den bei ihm sich befindenden Generalen gehörten, aus freier Hand, meist an fremde Pferdehändler, verkauft. Wie ich höre, sind im Ganzen nur ungefähr 40.000 Franks erlöst worden. Es fällt hier auf, daß die Dienerschaft, welche in der Stadt sich mit ihren eigenen kleinen Bedürfnissen versorgt, sehr über Mangel an Geld klagt und nur die kleinsten Quantitäten, die zu erhalten sind, einkauft.

Hannover, 10. Sept.Auf höheren Befehl" veröffentlicht heute die N. Hann. Z. ein Manifest des Ausschusses der social-demokratischen Arbeiterpartei. Dieses umfangreiche Aktenstück begrüßt die franz. Re­publik mit einem Hurrah, und es wird dann die Partei zu großartigen Kundgebungen gegen die Annexion von Lothringen und Elsaß und sür einen ehrenvollen Frieden mit der sranzös. Republik ausgefordert. Der Ausschuß: Lehrer Spier, Kaufmann Bracke, Privatschrerber Bonhorst, Schneider Kühn und Zimmergeselle Dralle sind gestern Nachmittag in Braunschweig verhaftet und geschienen nach Lötzen abgeführt worden- Tie Buchdruckerei von Sievers und Eomp. ist versiegelt.

Die durchschnittliche komplete Stärke eines norddeutschen Armeekorps beträgt: 983 Offiziere, 400 Beamte, 41,080 Mannschaften, 11,992 Pferde, 93 Geschütze, 1015 Fahrzeuge.

Paris, 10. Sept. Die Aufgabe von Privatdcpeschen ist im Seinedepartement eingestellt.

Paris, 11. Sept. Ein Hirtenbrief des Erzbischofs von Paris muntert die Geistlichen auf, vor Allem Franzosen, dann erst Priester zu sein. Die Regierung fährt fort, öffentlich Siegesgerüchte anzuschlagen. Sie erhielt von Garibaldi ein Dienstanerbieten. (S. M.)

Paris, 12. Sept. (über Brüssel). Die Preußen sind in Compiegne. Die Stadt ist von tiefster Friedenssehnsucht er­füllt. Der Artikel des Petersburger Jour», (s. ».) machte den tiefsten Eindruck auf die Regierung. (S. M.)

Paris, 13. September. Die deutschen Truppen sind vor Paris angekommen, haben zur Uebergabe aufgefordert, sie wurde abgelehnt.

In Paris geht das Gerücht, daß bei Gelegenheit der Ka­pitulation des Generals Themenin von Laon um 12'/, Uhr Mit­tags die Pulverkammer mit einem Theile der Citadelle in die Luft geflogen sei.Der preußische Stab, einige Hundert Preu­ßen, einige Mobilgardisten befanden sich darin. General The­menin wurde verwundet, überlebte aber die Katastrophe. Die Preußen sind sehr niedergeschlagen." (St.-A.)

Paris. In den Volksschichten will man von einem Frieden nichts sprechen hören: Krieg und Vernichtung der Preußen! Das sind die Losungsworte. Die republikanische Regierung muß also darauf gefaßt sein, daß der Friedensabschluß für sie einen so sicheren Untergang bedeutet, wie die Niederlagen Napoleons seinen Sturz unvermeidlich machten. Es ist demnach anzunehmen, daß die Diktatoren das halsbrecherische blutige Spiel um jeden Preis fortsetzen werden.

Giradin, ein Haupthetzer des Kriegs, zieht sich, da er we­genKurzsichtigkeit" nicht zur Vertheidigung von Paris Mit­wirken kann, ins Innere zurück, um dort ein Ermuthigungsjour- nal zu gründen. Kurzsichtigkeit hat freilich bei den Herren vom Schlage Giradin's schon lange grassirt. (St.-A.)

Das Dankschreiben I. Favre's auf die Anerkennungser­klärung der Vereinigten Staaten der erste Lichtblick im Da­sein der jungen Republik fließt über von Ausdrücken der Dankbarkeit und schließt mit dem ungewöhnlichenIhr sehr un- terthäniger und gehorsamer Diener I. Favre."

DieGazetta del popolo" dementirt das Gerücht, daß ei­nige auswärtige Mächte sich den von der italienischen Regierung bezüglich Roms ergriffenen Maßregeln widersetzt hätten.

Brüssel, 11. Sept. Das Journal de Livge schreibt: Die belgische Regierung sei entschlossen, die französische Republik an­zuerkennen; der belgische Gesandte in Paris sei angewiesen, mit Favre in Verbindung zu treten. Zwei Altersklassen verheiratheter Milizen sind entlassen worden.

Nizza, 9. Sept. Ein Aufstand ist ausgebrochen. Alle Behörden sind gesprengt, alle politischen Gefangenen wurden frei­gelassen. Vor dem italienischen Konsulat fanden lebhafte Demon­strationen statt. In Mentone wurden die Zollregister, sowie die Büsten und Embleme Napoleons verbrannt. Die Menge schrie: Wir sind Italiener." Von hier ist eine Deputation zu Gari­baldi abgegangen, mit der Bitte, zu kommen und die italienische Republik zu proklamiren.

Florenz, 11. Sept. Abends. DieAmtszeitung" schreibt: Der König hat in Folge des Vorschlages des Ministerrathes heute befohlen, daß königliche Truppen in das päbstliche Gebiet einrücken.

Mailand, 10. Sept. DerGazetta di Milano" zufolge hat Italien dem Pabste vorgeschlagen, demselben den Leontinischen Stadttheil in Rom und ihm und den Kardinalen die Cioilliste zu überlassen. Italien garantirt die öffentliche Schuld. , Die päbst­liche Armee wird aufgelöst.

London, 10. Sept. Das englische Thurmschisi Kaptain ist bei Finisterre gescheitert, 500 Personen, darunter der Sohn des Marineministers, sind ertrunken. (S. M.)

London, 10. Sept. Wie die Zeitungen melden, ist die Kaiserin Eugenie in Hastings angelangt. (S. M.)

St. Petersburg, 11. Sept. Das heutige Journal sagt, die Intervention der französischen Sozialdemokratie bleibe steril oder bringe gar böse Resultate, die Völkerföderation bleibe eine Utopie. Frankreich beglückwünsche sich heute zur Republik wie früher zu dem Kaiserreich. Das Journal widerlegt Viktor Hu- go's Behauptung, ein Bombardement von Paris wäre ein Ver­brechen, ein Dandalenakt; die Herstellung des Friedens erheische andere Redensarten. (S. M.)

St. Petersburg, 13. Sept. Die Mission Thiers' be­sprechend, sagt das Journal de St. Petersburg: Hoffentlich werde derselbe nach Beendigung seiner Mission Frankreich Ueberzeugun- gen beibringen, welche einer glücklichen Lösung günstig seien. Hierzu sei erforderlich, daß Thiers selbst manche seiner Ten­denzen und Ucberzeugungen opfere. Dies werde ein großes Bei­spiel sür Frankreich sein, wo Thiers' Einfluß, wie seine Mission beweise, größer denn je sei.

Redaktion, Truck und Verlag der G. W. Z als er'scheu Buchhandlung-