kamen in größter Unordnung zurück, man brachte Verwundete herbei, General Gorard starb an einem Schlaganfall. Die Verwirrung, der Tumult, das Geschrei wuchs von Minute zu Minute im Hause wie in der Stadt. Die Stadt kann sick nicht halten, da der Feind die Höhen besetzt hat und weder Lebensmittel noch Munition vorhanden sind. Die ganze folgende Nacht strömten die französischen Truppen zurück. Ueberall befinden sich eine große Menge Verwundete und Todte, erstere sind meist schwer verwundet. Cs herrscht nur eine Stimme: es ist nicht die Tapferkeit welche die französische Armee besiegt hat, es ist die Wissenschaft, die Ordnung, die Kaltblütigkeit, die Vorsicht. Nachmittags am 2' d. waren alle Thore geschlossen. Niemand durfte die Stadt verlassen, der Mangel an Brod und jeder Art Lebensmittel wuchs mit jedem Augenblick. Am 3. dies Abends 6 Uhr fand die Aus- j führung der Kapitulation statt/ Lange Züge französischer Truppen gingen vorüber, um die Waffen abznliefern und die Stadt zu verlassen, viele warfen sie auf dem Wege in die Maas, andere zerbrachen sie vor Wuth und Verzweiflung oder warfen sie vor die deutschen Schildwachen am Pariser Thore. Allmählich leerte sich die Stadt, doch befanden sich noch sehr viele Nachzügler in den Straßen und Kneipen, bis der preußische Platzkommandant durch deutsche Patrouillen und mit der Drohung das Bajonnett zu gebrauchen, die Ausführung der Kapitulation vollendete.
Alts die Widerstandsfähigkeit von Paris legt man in militärischen Kreisen so geringen Werth, daß man es kaum bedauert, daß General Vinoy mit seinen Truppen Paris noch erreicht hat. Uebereinstimmende Privatbriefe vom Kriegsschauplätze versichern, daß die Disziplin in den Reihen der Franzosen völlig aufgelöst und überdies ein Element der Verteidigung, auf welches man für Paris mit Recht so große Hoffnungen setzte, die Marinetrup- pen, zum großen Theil bei Sedan unschädlich gemacht worden sei. — Es ist mit Bestimmtheit anznnehmen, daß in dem diplomatischen Stabe des Hauptquartiers nun schon die Vorarbeiten zu den Friedensvorschlägen und zu der künftigen staatlichen Organisation Deutschlands begonnen haben.
Einem Privatschreiben aus Brüssel entnimmt die Köln. Ztg. Folgendes: „Wie ich höre, hat sich Kaiser Napoleon bei seinem Aufenthalt in Belgien über das Auftreten seiner Generale sehr ungünstig ausgesprochen. Bei einem ihm sehr ergebenen Diplomaten, der ihn in Namur anfsuchte, beklagte er sich bitter über die Rücksichtslosigkeit, mit der sie ihn behandelt, und die Unfähigkeit, welche sie an den Tag gelegt. Den französischen Soldaten ließ er, in so fern es ihre Tapferkeit anbelangt, Gerechtigkeit widerfahren; nur seien sie zu wenig diziplinirt und ganz unfähig, den Preußen zu widerstehen. „Ich zolle — so sagte er — der Disziplin und der Bravour der preußischen Truppen alle Hochachtung. Ihre Disziplin bleibt sich stets gleich und wird nur durch ihren Math Übertrossen. Nichts kann ihnen widerstehen und sie werden in Paris einziehen, das sich gegen sie nicht verteidigen kann/" Reue über das, was er gethan, gab er nicht im geringsten kund. Auf der Reise von Bouillen nach Verviers soll er zwar sehr viel geseufzt, aber sich allen denen gegenüber, mit welchen er sprach, immer äußerst ruhig gezeigt haben. Im Ganzen genommen machte er den Eindruck eines Mannes, der froh ist, einer großen Gefahr entgangen zu sein. In der Armee selbst war der Kaiser in der letzten Zeit allgemein verachtet. Nach der Schlacht von Sedan wollten die Franzosen gar nicht mehr von ihm reden hören; besonders erbittert gegen ihn zeigten sich die Offiziere, die selbst nicht einmal hören wollten, was aus demselben geworden sei. Einiges Erstaunen erregte es hier, daß man den in Sedan gefangen genommenen französischen Offizieren den freien Abzug unter der Bedingung gestattet hat, daß sie in diesem Kriege nicht mehr gegen Preußen fechten wollen. Man hält es nämlich nicht für unmöglich, daß ein Theil derselben ihrem Versprechen zum Trotz nach ihrer Rückkehr nach Frankreich sich doch bestimmen lassen werde, den Degen wieder zu ergreifen. Einige französische Offiziere äußerten sich übrigens hier in diesem Sinne, und meinten, „man brauche ja nur den Namen zu wechseln, um nicht ertappt zu werden". (!)
Der Nat.-Ztg. meldet ein Besucher des Schlachtfeldes von Saarbrücken: „Einer meiner Führer, dessen 2 Söhne beim 40. Regimente mit im Kampfe standen, erzählte mir Folgendes: Er fuhr bei beginnender Dunkelheit mit seinen Pferden hinaus, um Verwundete, vielleicht die Seinigen aufzunehmen. Fünf hatte er auf den Wagen gebracht, der sechste war der Hauptmann v. Winterfeld. Kaum niedergelegt, sagte dieser röchelnd: „Nun suchen Sie noch meinen Feldwebel, ein braver Mann, den lasse ich nicht hier I" Der Wagen war voll, und es war völlig dunkel geworden. Mein Begleiter machte die Unmöglichkeit, den Verwundeten zu finden, geltend. „So laden Sie mich wieder ab", war die Antwort, „dann will ich sterben, wo der Feldwebel stirbt." Da war nichts einzuwenden; mit Hilfe von Zündhölzchen wurde der Mann noch gefunden und zur Stadt gebracht. Am anderen Tage waren beide Helden todt.
. ^ Hm württ. Offizier theilt über die Verluste der Württcmberger in
der Schlacht bei Sedan folgendes mit: bei der 8. Comp, des 8. Jnf.-
Regts. 14 verwundet, darunter 4 schwer <1 schon gestorben), bei der 5- Comp. 1 Mann vermißt: bei der 6. Hauptmann Schuntter an der Hand verwundet, 1 Mann todt: bei der 7. 2 Mann todt, 6 verwundet; die 6. und 2. Comp, waren vorzugsweise dem Granatfeuer ausgesetzt. Rea-- Arzt Dr. Epting wurde auf dem Verbandplatz durch einen Granatsplitter leicht im Gesicht verwundet. Von der Batterie Matter wurde 1 Kanonier auf 1800 vchritt Entfernung durch die Wade geschossen: 1 Pferd todt, 6 verwundet.
Die Oberamtsrichterstelle in Nagold wurde dem Kreisrichter Kißling von Tübingen, die in Spaichingen dem Justizassessor Ziegler von Nagold, Oberamtsgerichtsverweser in Welzheim und die Kameral- amtsbuchhaltersstelle in Altenstaig dem Finanzreferendär I. Klasse Beck übertragen.
Stuttgart, 3. Sept. (Aus der Nationalzeitung.) Wenn Ihnen von hier aus als Motiv für den Rücktritt des Ministers v. Varnbüler angeführt worden ist, daß derselbe zu einer Zeit, wo der Krieg an Frankreich schon erklärt war, in der Ministerkonferenz sich dahin geäußert habe, daß er möglichst gute Beziehungen zu Frankreich aufrecht erhalten wissen wollte, so kann ich Ihnen von zuverlässigster Seite versichern, daß diese Behauptung vollständig aus der Luft gegriffen ist. Es liegt in der Natur der Sache, daß für den Rücktritt des Herrn v. Varnbüler nach Erklärungen gesucht wird; ein Motiv aber, das, wie das Eingangs erwähnte, den Vorwurf des Landesverraths in sich schließt, muß auch von Gegnern des zurückgetretenen Ministers als grundlose Verdächtigung zurückgewiesen werden. Vielmehr ist es Thatsache, daß der Minister v. Varnbüler vom Beginn des Konflikts mit Frankreich an sich mit aller Entschiedenheit in nationalem Sinne erklärt hat. Nachdem der Krieg aus- gebrochen, hat er die äußerste Energie entwickelt, um die kräftige Führung desselben sicher zu stellen. Wenn nun sein Rücktritt von dem Amte erfolgt, zur Zeit, wo die Politik, die er verthei- digte, durch die unglaublichen Erfolge unserer herrlichen Armeen und die Begeisterung ganz Deutschlands für die große Sache, für die sie kämpfen, glänzend sich rechtfertigt, so mag dies vielen unbegreiflich erscheinen. Um sich über die Schwierigkeit der Erklärung des Rücktritts wegzuhelfen, hat man auch zu jener, allen Thatsachen widersprechenden Verdächtigung gegriffen. Was aber die Gründe, welche den Minister zu seinem Entlassungsgesuche veranläßt haben, betrifft, so mag die Versicherung genügen, daß sie politischer Art durchaus nicht sind.
Stuttgart, 12. Sept. Seine Excellenz Hr. Kriegsminister v. Suckow und Major Steinheil sind heute nach dem württ. Hauptquartier abgereist. (B.-Z.)
Stuttgart, 12. Sept. An Herrn Staatsminister Freiherrn v. Linden ist der ehrenvolle Ruf ergangen, als Oberbeamter in den wieder eroberten deutschen Provinzen zu fungiren. Heute ist dessen Abreise nach dem Hauptquartier erfolgt. (B.-Z.)
Das eiserne Kreuz das zur ruhmvollen Anerkennung im gegenwärtigen Kriege verliehen wird, ist von Eise», schwarz gerippt und hat eine gerippte silberne Einfassung. Dasselbe trägt auf der einen Seite oben die verschlungenen Buchstaben 17 >V., darüber eine Krone, in der Mitte ein Eichenlaub, unten die Jahrzahl 1813; auf der andern Seite zeigt es oben eine Krone, in der Mitte ein 'VV., unten die Jahrzahl 1870. Getragen wird es an einem schwarz-weißen Band.
Tübinge n, 12. Sept. Aus dem gestrigen Obstmarkt wurden Grunbirnen zu 2 fl. 23—30 kr., Wadelbirnen zu 4 fl., Aepfel zu 1 fl. 48 kr. bis 2 fl. 30 kr. per Sack von 5 Sri. verkauft. (x. CH.)
In Cannstatt wurde am gestrigen Sonntag ein Extrablatt von Jungen zu 1 kr. per Stück ausgegeben, darauf war zum Ergötzen zu lesen, daß sich nichts Neues zugetragen hat.
Aus allen bedeutenderen Städten des Landes treffen Zustimmungs-Adressen zu den Resolutionen der Liederhalle-Versammlung am 3. September ein, welche theils von Kollegien, theils von Versammlungen meist einstimmig beschlossen werden. So von Biberach, Ravensburg, Waldsee, Saulgau, Tuttlingen, Geislingen, Hall, Gaildorf, Cannstatt, Besigheim, Brackenheim, Reutlingen, Rottweil, Nagold, Calw, Ludwigsburg, Heilbronn w.
Ulm, 10. Septbr. Heute früh halb 5 Uhr ist der Stab der hiesigen Festungsartillerie nebst zwei Batterien nach Straßburg abgegangen; sie nahmen eine beträchtliche Anzahl Geschosse für 12- und 24-Pfünder mit. — Die gestern Nachmittag hier eingetroffenen französischen Gefangenen, über 2000 an der Zahl, waren von einer Kompagnie preußischer Landwehr eskortirt. Wie die U. Dchn. mittheilt, so war die Aufgabe dieser Kompagnie, eine so große Anzahl Gefangener zu transportiren, Anfangs, so lange der Transport durch Frankreich ging, keine so ganz leichte, doch erzählten die Leute, daß sie, wenn die Bursche unruhig geworden sind, mit dem Wort „Hurrah" am besten die Ordnung hergestellt Härten. Vor dem „Hurrah" der Deutschen hätten die Franzosen einen heiligen Respekt. Nachdem die Gefangenen die Nacht in Eisenbahnwaggons auf dem Bahnhof zngebracht, haben sie heute Morgen ein für sie hergerichtetes Zeltlager auf der Gänswiese bezogen. (St.-A.)
Offen bürg, 24. Aug. Der „Orten. Bote" bringt folgendes Schreiben: „Herr Redakteur! Erlauben Sie einem trotz