daß man Thiers das Portefeuille der auswärt. Angelegenh. an- geboten habe, welches er jedoch ablehnte. Die Ernennung des Generals Trochu zum Kommandanten von Paris ist ein Werk Thiers', der dem General besonders gewogen ist.
Bern, 20. Aug. Der Bundesrath hat beschlossen, den größten Theil der noch im Dienst stehenden Truppen ebenfalls zu entlassen. Im Dienst bleiben nur noch zwei Brigaden nebst etwas Spezialivaffen.
Paris, 18. Aug. Ollivier befindet sich aus seiner Villa bei Fontainebleau.
Paris, 19. Aug. Paris ist theilweise beflaggt über die Eiege (!) vom 16. Die Nacht verlief unter Jubeldemonstratiouen.
Der Katzenjammer wird folgen.)
Paris, 20. Aug. (Legislative.) Palikao erklärt, er müsse darauf aufmerksam machen, daß die Preußen die Nachricht verbreitet haben, als hätten sie am 18. August große Vortheile über unsere Truppen errungen. Dem gegenüber konstatire er, daß die Preußen, die Bazaine angegriffen, hätten zurückwcichcn müssen. Das Vertheidigungskomite für Paris arbeite thätig. Die Regierung habe nicht die geringste Furcht, baldigst werde alles im besten Stande sein. Der Minister des Jiznern, Chev- reau, konstatirt die rüstig fortschreitende Bewaffnung der Pariser Nationalgarde, von welcher am 26. August 80,000 Mann unter den Waffen sein würden. — Palikao äußerte sich am 20. Aug. in der Kammer sogar dahin, daß die Preußen in die Steindrüche von Hanmont (oder Haudiomont) zurückgeworfen seien.
Paris, 22. Aug. Journal Offiziel: Die Regierung, welche wegen unterbrochener Telegraphenverbindung ohne Nachricht von der Nheinarmee ist, hat Grund anzunehmen, daß Da- zaine's Plan noch nicht zum Ziele gelangt ist (!) Die heroische Tapferkeit unserer L-oldaten Angesichts eines überlegenen Feindes läßt das Gelingen der ferneren Operationen erhoffen. Feindliche Plänkler sind bei Saint Dizier erschienen (Stadt zwischen Dar le Duc und Vitry, noch 8 Meilen von Chalons).
Paris, 22. Aug. Die Kommission des gesetzgebenden Körpers, welche über Keratry's Antrag, neun Deputirte dem Vertheidigungs-Komite zuzugeselten, zu berichten hatte, verwarf denselben, und machte einen neuen Vorschlag, welche» sie morgen, in Ucbcreinstimmung mit dem Kriegsminister, prüfen wird.
Es ist unbegreiflich, wie man es in Paris immer noch wagt, das Publikum über die Lage zu täuschen, während doch bereits am 17. August ein Blick auf die Karte genügte, um zu erkennen, von welcher furchtbaren Tragweite das Einschieben der 2. deutschen Armee zwischen Metz und Verdun, zwischen Bazai- nc's Heer und Paris mar. Und der französische Kriegsministcr Palikao wagt noch am Tage nach der Schlacht bei Marslatour dem gesetzgebenden Körper die der Wahrheit schnurstracks zuwi- derlaufeude Versicherung zu geben: „Die Preußen haben darauf verzichtet, die Rückzugslinie der französischen Armee zu durchschnei- den." (!) Ja, was noch stärker ist, nach der Schlacht von Gravelotte, am letzten Samstag, während doch das blödeste Auge sieht, daß Gravelotte von Marslatour gegen Metz und nicht gegen Verdun liegt, gibt er in der Kammer die Erklärung, daß die Preußen hätten zurückweichen müssen! Was soll man dazu sagen? Das heißt mit einer Nation ein frevelhaftes Spiel treiben. Bald wird ein gerechtes Gericht diese Frevler treffen.
Die Feuerlöschmannschaft der Provinz, welche etwa 100,000 Mann zählt, scheint wirklich nach Paris übersiedeln zu wollen, was um so befremdender ist, als dieselben durch keinen Befehl hichcr berufen sind. Heute Nachts kamen wieder tausende dieser Helden an und wurden aus den Boulevards mit Begeisterung empfangen. Ihr Aufmarsch bietet vielmehr ein buffonisches als militärisches Schauspiel dar; rostige Helme, harmlose Bärenmützen, durchlöcherte Hüte, Beinkleider, Röcke und Blouson aller Farben, aller Schnitte und aller Dimensionen, viele buckelige, hinkende und verkrüppelte Männer; das sind die Sireitkräfte, welche wohl nicht so sehr gegen den Feind, als gegen die Pariser bestimmt sind. Die Regierung, auf diese Truppen gestützt, kann nun ruhiger die Maßregeln des Belagerungszustandes in Anwendung bringen; für heute begnügt sie sich mit der Suspension der Journale la Cloche und Centre gauche. — Der gesetzgeb. Körper hält täglich eine Sitzung, die keinen andern Zweck zu haben scheint, als nur die Siegesbotschaften und optimistischen Ausschlüsse des Kriegsniinistcrs zu vernehmen. Heute meldet er den Abgeordneten, daß kein Bismarckscher Ulan mehr am Leben sei!
Während Paris stark gerüstet wird und die Kämpfe an der Mosel immer blutiger werden, fährt Lord Lyons fort, alle diplomatischen Agenten des Auslandes in seinem Gesandtschaftshotel zu versammeln, um wenigstens einen Waffenstillstand von einigen Wochen zu erwirken, der den Großmächten ermöglichen würde, zu einem Friedensresultat zu kommen. Meine Informationen erlauben mir jedoch zu behaupten, daß bei dem gegenwärtigen Kabinet diese Schritte ohne Erfolg bleiben werden. Wollte doch Buffet im Namen des linken Centrums schon von der Negierung die Erklärung abverlangen, „daß sie keine Fric- densverhandlungen anknüpfen werde, so lange sich ein feindlicher Soldat auf französischem Boden befände." General Palikao gab Herrn Buffet das Ehrenwort und verhinderte dadurch die Inter
pellation Buffet's. Andererseits äußerte sich Marschall Bazaine zu den Offizieren seines Generalstabes folgendermaßen: „Nicht j nur eine entschiedene Niederlage des Feinves müssen wir erlangen, sondern seine Vernichtung. Die Preußen, durch ihre Kontributionen in okkupirtem Lande, König Wilhelm durch sein hoch- mülhiges Benehmen, haben uns zu einem Racenkriege gedrungen wir nehmen ihn an.'f In diesen Worten erkennt man ivohl den Franzosen, der noch jetzt glaubt, in zweimal 24 Stunden siegreich in Berlin einzurücken.
Mit dem Regierungsaurritt Trochu's ist die Absetzung des Kaisers eine vollbrachte Thatsache. Palikao, im Einvernehmen mit Bazaine, hat Trochu ernannt; die Unterschrift der Kaiserin ist blos noch eine leere Formel. Gestern versammelte Thiers die meisten Abgeordneten der Rechten, und hielt ihnen eine Rede, welche eine vollständige Anklageakte war und die Absetzung des Kaisers oder seine Abdankung in die Hände der Nation beantragte. Die Abgeordneten senkten die Häupter in stummer Selbst- Vernichtung. Die Minister haben sich heute wohl zum letzten Mal bei der Kaiserin versammelt. Persigny, Rouher, Schneider und Drouyu de Lhuys waren zugegen. Obige Alternative Thiers' wurde diskutirt. Thiers ist der Meinung: die Restauration der Orleans dürfe und könne nur aus der Republik hcrvorgchen, welche allein stark genüg ist, sich mit der Liquidation des Kaiserthums zu befassen, ohne sich dabei bis zur Entehrung zu beschmutzen. So spricht man in den Salons der Kammern und in den SalonS der heute einflußreichsten Personen.
Kaum eine andere Stadt erinnert so lebhaft an des weiland h. römischen Reiches Ohnmacht und der Frunzoseu Uebermuth wie Straßburg. Im tiefsten Frieden wurde diese freie Reichsstadt von den Landsknechten Ludwig XIV. überfallen und durch Verrath genommen. Der Bischof von Straßburg, ein Herr in schneeweißem Haar und eine österreichische Erlaucht, empfing die Sieger und dankte mit gehobenen Händen Gott, daß er ihn diesen Tag habe erleben lassen. Als aber die Franzosen ihren Einzug hielten, fiel aus dem Fenster einer Dachstube ein Schuß und verwundete einen Franzosen. Der Thäter wurde ergriffen und vor den General geschleppt; auf die Frage, warum er geschossen, gab er die eines Lpartanecs würdige Antwort: Ich lud meine Büchse und feuerte diese Kugel auf euch ab, damit es dermaleinst bei unseren Nachkommen nicht heiße: Diese altberühmte freie Reichsstadt ist eine Beute unseres Erbfeindes geworden, ohne daß ihre Bürger einen Schuß gelhan. Habcu auch so viele hier erbgesessene hochadeligc Herren u. Rathsmänner ihren Nacken dcmülhig gebeugt, ich konnte diese ewige Schmach für Straßburg und für das ganze deutsche Reich nicht ertragen. Macht kurzen Prozeß und führt mich hinaus auf die Nichtstätte, wo ich den Tod mit Freuden erwarte. — Ein armer Schuster war es, der so gesprochen und gehandelt hat; es ist eine neue Schmach, daß sein Name vergessen worden ist.
Die „Jndepend. Betgc" erwähnt von Bazaine folgender, im Gesetzgebenden Körper von Deputaten erzählter Äeußerung: „Wenn ich genöthigt bin, den Preußen am 20. August eine Schlacht zu liefern, so werde ich sie schlagen; wenn ich bis zum 25. warten kann, so werde ich sie vernichten." Die Preußen haben freilich nicht so lange gewartet und so ist Bazaine seiner Zusage ledig.
Das Pariser Blatt „Patrie" macht folgendes offene Be- kcnntniß: „Wir haben den Krieg als wahre Narren, als Ritter des Mittelalters erklärt, in der Meinung, der Franzose sei unüberwindlich, wenn er den Fuß im Steigbügel und die Lanze in der Faust hat. Wir waren nicht fertig, wir glaubten es aber zu sein. — Wir waren überzeugt, Preußen sei nicht fertig und es war fertig. Wir glaubten die Organisation und die Hilfsquellen unseres Gegners zu kennen, wir irrten uns. — Er wußte alles, was bei uns passirte, wir wußten nichts von dem, was bei ihm geschah; weit entfernt ihm vor zu sein, war er uns vor. Kurz wir zweifelten nicht, daß wir stets leicht über seine Bewegungen unterrichtet sein würden, so wie er nur vorging, statt dessen waren wir über seine Märsche, über seine Truppenaufstellungen stets im Zweifel, wir hatten keine Ahnung von seinen Absichten, während er durch seine Spione alle unsere Thaten und Bewegungen kannte, trotz aller Vorsicht sie ihm zu verheimlichen. Wir müssen in Zukunft klüger sein und keine Fremden bei uns im Lande lassen. Entweder den Krieg ernstlich führen oder gar nicht." — Ein hochangesehener Franzose machte dieser Tage tiefgebeugt das Geständniß: „Niemand in Frankreich hat während der letzten 20 Jahre gedacht und studirt." Sie zehrten von ihrem Hochmuth. — Die franz. Gefangenen sagten zu ihren Siegern: Ihr schießt wie die Teufel und lauft wie die Hasen.
Florenz. 20. Aug. Nach der Gazzetta d'Jtalia würde in Folge einer Konvention der ganze Kirchenstaat außer Rom von Italien besetzt. Nom bliebe neutral und würde die „moralische Hauptstadt" Italiens.
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser 'scheu Buchhandlung.