diese Angelegenheit von vornherein durch den französischen Minister öffentlich besprochen worden. (S. M.)
Gras Bismarck denkt vorläufig nicht daran, durch die in Paris sich kundgebende Aufregung sich aus seiner Sommerfrische in Varzin nach der Hauptstadt sprengen zu lassen, doch ist Herr v. Keudell dorthin abgereist, um dem Minister bei der diplomatischen Korrespondenz, die wahrscheinlich in nächster Zeit besonders stark anwachsen wird, Dienste zu leisten. (S. M.)
Sig marin ge», 12. Juli. Der Erbprinz von Hohcnzollern, um der spanischen Regierung die Freiheit ihrer Initiative zurück- zngeben, entsagt seiner Thronkandidatur, fest entschlossen, eine untergeordnete Familiensragc nicht zn einem Kricgsvorwandc Heranreisen zu lassen.
Ein interessanter politischer Prozeß spielt in Wien. Die angeklagten Arbeiter sind der öffentlichen Gewaltthäügkeit und des Hochverrats augeklagt, aus dem Schuldig steht der Tod, und Begnadigung würde ihnen immer noch 20 Jahre Zuchthaus eintragcn. Die Hauptangeklagten Oberwindcr und Scheu (Hartung ist entflohen) sollen ihre Leute, die Arbeiter in Wien, mili- lärisch einexerzirt und Plünderung der Waffenläden, Erstürmung der Hofburg und Gefangennchmung des Kaisers beabsichtigt haben, sie sollen Militär angeworben haben rc. Die Anklage ist ein Jndicienbeweis der bedenklichsten An, der bis zur Eisenacher Versammlung zurvckgreift, liederliche Dirnen (Podany) und aufreizende heimliche Agenten (Mühlwaffer und Hartung) spielen als Kronzeugen eine Hauptrolle. Auch ein zweideutiger Wclt- predigcr Florencourt dient als Zeuge. Mühlwaffer, der Hauptzeuge, galt seinen Kameraden längst als Polizeispion, der die Arbeiter ausreize im Interesse der feudal-kirchlichen Reaciion, die gegen die Verfassung und die Verfassungsminister wühle. Er trat als der Rotheste der Rothen ans, beantragte in Eisenach die Republik und Vereidigung der Arbeiter auf die rothe Fahne. Er wurde aber nicht angeklagt, sondern dient als Zeuge, man wagte ihn nicht anzuklagen, weil er mit schriftlichen Enthüllungen gegen den Minister Taaffe und die Polizei drohte. Ich bin bereit, erklärte der Angeklagte Oberwindcr, dies zu beweisen. Der Präsident des Gerichtshofes aber unterbrach ihn mit den Worten: Wenn sie durch Zufall zur Kenntniß vertraulicher Dinge gelangt sind, so bitte ich Sie darüber zn schweigen. — Kurz, der Prozeß hat einen sehr dunkeln Hintergrund. Einen unglaublichen Eindruck ries die schneidende Frage eines Vertheidigers an den Denunzianten Mühlwasser hervor: „Warum haben Sie Ihren Kameraden Hartung vor Fräulein Podany gewarnt? — Mühlw.: Weil man bei Weibern Derrath fürchten muß! — Verth.: Sie — sind ein Mann? — Mühlw.: (verwirrt) Ja!
Der 21jährige Konzipist im Ministerium des Acnßern zu Wien, Freiherr v. Gagern (Nesse Heinrichs v. Gagcrn, des Präsidenten des deutschen Parlaments vom Jahre 1848), vermählt sich in diesen Tagen mit einer Tochter des bekannten Reichenbergcr Tuchsabrikantcn v. Liebig. Die Morgengabe der Braut wird auf 2 Millionen Gulden angegeben.
Donnerstag Nacht wurden laut der N. Z. Ztg. inRorschach 11 Häuser in kurzer Zeit ein Raub der Flammen und konnten sich deren Bewohner retten, jedoch zum Theil nur mit dem nackten Leben. Durch den Einsturz einer Wand wurden dabei 4 Feuerwehrmänner von St. Gallen derart verletzt, daß 3 davon bereits gestorben sind.
. Paris, 9. Juli. Wir suchen heute vergebens nach einer Widerlegung folgender Nachricht, welche der Public gestern gab: Ollivier soll zn mehreren Abgeordneten geäußert haben: „Wir erwarteten nur einen Vorwand oder eine Gelegenheit. Die Hohen- zollern-Getchichtc kommt zur gelegenen Zeit", und zn einem andern Abgeordneten, einem Mitglied der Opposition: „Während meines Interims im auswärtigen Amte habe ich unsere gesammte diplomatische Sammlung durchgelesen, und die Lchamröthe ist mir ins Antlitz gestiegen. Ich sah Frankreich erniedrigt, den Kaiser vor Europa aus den Knieen, und ich sagte mir: Wir müssen den Krieg haben, der Krieg allein kann uns aufrichten." (L>.M.)
Paris, 9. Juli. Heute Abend zeigt sich die Lage nach der allgemeinen Auffassung in noch schlimmerem Lichte. Nicht nur in Toulon, sondern auch in Brest und Cherbourg werden eifrige Kricgsvorbcrcitnngen getroffen. Die Minister haben ihre Absicht dahin ausgesprochen, nicht länger als bis Montag ans eine entscheidende Antwort von Leiten Preußens zu warten. Um Spanien kümmert man sich nicht. Der Schwerpunkt der Lage liegt ln Berlin und Ems, in welchem letzteren Orte heute Bcne- detli eine Unterredung mit dem König von Preußen gehabt haben muß. Er ist beauftragt, eine sofortige entscheidende Antwort zu verlangen. Frankreich will seine Truppen marschiren lassen, wenn nicht bis Dienstag seiner Forderung genügt wird. Man verhehlt sich hier nicht, daß es Preußen schwer ankommen werde, diesem pcrcmtorischcn Verlangen zu entsprechen, und es liegt nahe genug, hierin den Beweis dafür zu sehen, daß die französische Regierung den Krieg will. Die Friedensfreunde rechnen daher auch weniger ans die Nachgiebigkeil Preußens, als aus einen freiwilligen Rücktritt des Hohenzollers. (S. M.)
Paris, 10?Juli. Fast alle Blätter führen eine sehr krie
gerische Sprache. Der Moniteur sagt, eS sei nicht genug, daß Preußen die Kandidatur des Prinzen von Hohenzollern ausgebe, es müsse jetzt auch den Prager Frieden erfüllen, d. h., dem Süden Deutschlands volle Freiheit lassen, Mainz räumen, seinem militärischen Einflüsse jenseits des Mains entsagen und die Angelegenheit mit Dänemark ordnen. Die Patrie sagt in Erwiderung auf den Artikel der Nordd. Allg. Ztg., Preußen müsse dem Prinzen von Hohenzollern befehlen, seiner Kandidatur zu entsagen, und der Streit werde alsdann friedlich geschlichtet sein.
Paris, 11. Juli. Der Constitutione! sagt: Benedetti hat dem König von Preußen zu Ems den Protest der französischen Regierung übergeben. König Wilhelm verlangt einen Ausschub. Die Regierung hat Benedetti wissen lassen, daß der Aufschub nur sehr kurz sein könnte. Es steht heute vollkommen fest, daß der König von Preußen den Prinzen von Hohenzollern zur Annahme der spanischen Krone ermächtigt hatte. (S. M.)
Paris, 11. Juli. (Gesetzgebender Körper.) Grammonr, Minister des Auswärtigen, erklärte cs als Unmöglichkeit, einen definitiven Entschluß mitzntheilen. Die Regierung erwarte von Preußen Antwort, welche ihre Entschlüsse leiten wird. Arago fragt, ob die französischerseits gestellten Anfragen andere Dinge inbegriffen als die Candidatursrage? Die Linke würde alsdann jene als Vorwände ansehen, Krieg herbeiznführen. Grammont antwortet nicht. (T. Ch.)
In der Industriestadt Mühlhausen ist ein bedenklicher Sinke ausgebrochen. Eine Depesche von gestern Morgen meldet: „15,000 bis 20,000 Arbeiter haben ihre Arbeit eingestellt. Truppen, 2000 bis 3000 an der Zahl, sind angekommen. Die Bevölkerung ist in Bestürzung, der Handel leidet. Die Arbeiter verlangen Verminderung der Arbeit aus 10 Stunden täglich, Abschaffung der Geldbußen u. f. w.
Rotterdam, 8. Juli. Verschiedene Blätter, die sonst nichts weniger als auf den Standpunkt der Bewunderung für Preußen und preußische Zustände stehen, können sich nicht enthalten, dem eben zn Stande gekommenen Strafgesetzbuch des nordd. Bundes ihr ungelheiltes Lob zu spenden. Am Schluffe einer langen Vergleichung zwischen den norddeutschen und holländischen Verhältnissen aus gesetzgeberischem Gebiete verfingt sich das Leidsch Dagblad zu dem emphatischen Ausruf: „Und das geschieht in dem Militär- und Beamtenstaal Preußen; solche Gesetze, die man einem französischen Sozialisten zuschreiben könnte, gibt der Mann von Blut und Eisen, Bismarck!" (S. M.)
Madrid, 9. Juli. Die Regierung richtete an ihre Vertreter im Ausland eine Note, worin sie kategorisch in Abrede stellt, daß die Kandidatur des Prinzen von Hohenzollern. in einem Frankreich feindlichen Sinne vorbereitet worden sei. Die Note fügt bei, daß die Verhandlungen lediglich mit dem Prinzen ohne Mittheilung an den Grasen Bismarck gepflogen worden seien, und weist zugleich die übelwollenden Angriffe aus Preußen zurück.
— Landwirthschaftliches. Fast allenthalben haben es die Landleute in der Gewohnheit, das für das Vieh bestimmte Salz ans den Boden des Gesäßes zn streuen, ans welchem das Rindvieh sein Getränke zu sich genommen hat. Man will damit bekanntlich bezwecken, daß das Vieh rein ansleckt; allein man bedenkt nicht, daß durch dieses Verfahren der Durst der Thiere noch gereizt wird, wenn man ihn befriedigt glaubt; denn das Salz wirkt bekanntlich austrocknend aus die Zunge, den Gaumen rc. ein. Wenn man, wie es häufig geschieht, den neuen Durst sofort durch Darreichung von Wasser zu befriedigen sucht, so nehmen die Thiere mehr Flüssigkeit in sich auf, als gut ist; denn sie verlieren dann (was namentlich bei jungen Thieren zu beachten ist) ihre schöne Gestalt, indem sie sackig oder bauchig werden, und überdieß wird die Verdauung sehr geschwächt. Wenn man aber den durch die unpraktische Verabreichung des Salzes erzeugten Durst nicht befriedigt, so ist dieses eine Thierquälerei, die .sich bitter rächt. Die Landwirthschastliche Lehranstalt in Worms veranlaßte wiederholt die Ausführung von Versuchen, welche stets zum Resultate hatten, daß Kühe von einer bestimmten Fntter- menge mehr Milch erzeugten, wenn man das Salz mit dem Trocken- fntter vor der Tränke verabreichte, als dieselben Milch gaben, wenn das Salz als Lecke in das Trinkgesüß gegeben wurde.
— Der blaue Montag. In früheren Jahrhunderten wurden während der Dauer der Fastenzeit Kanzeln und Altäre mit blauem Tuch bekleidet. Die Gesellen hatten gesetzlich das Recht, an diesen Tagen keine Arbeit verrichten zu müssen, um die Kirche besuchen zu können. Statt dessen trieben sie aber „allerlei Kurzweil" und kamen auch häufig „blau angelaufen" nach Hause. Daher die Entstehung des Namens.
Rath.
.hat ein Unglück dich betroffen,
Sollst du nicht auf Menschen hoffen!
Traue nur der eignen Kraft,
Die in dir lebendig schafft!
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Z a i s e r 'scheu Buchhandlung.