Geräusch an's Ohr gedrungen zu sein, dessen Veranlassung er ergründen wollte.
— Er traut nicht' flüsterte Jean Casse-Tete. Sicher entdeckt er uns, laß uns fliehen.
— Unmöglich, entgegncte Obigny, die „Nebelbrüder" würden uns verfolgen. Der Fußsteig ist schmal und wenigstens zwanzig Schüsse würden aus uns abgeseuert werden, bevor wir einen Vorsprung gewinnen könnten.
— Was ist also zu thun, der Räuber wird uns entdecken.
— Lassen wir ihn herankoinmen und tödten wir ihn, gleichviel ob dann auch die ganze Bande nachrückt. Wir haben immer die Möglichkeil für uns, daß diese, die Ermordung ihres Führers nicht ahnend, an uns vorüberzieht.
— Gut, sagte Jean Casse-Tete, also einen Messerstich in's Herz, der ihm nicht Zeit läßt, zu schreien.
Damit schwiegen sie Beide.
Während dieses Gespräch geführt wurde, und zwar so leise, daß die beiden Jagdgefährten sich kaum unter einander verstanden, betrachtete der Räuber den Weg und seine Umgebung aus das Genaueste, um wo möglich Spuren von Tritten zu entdecken; glücklicherweise waren solche auf dem Felsen nicht zurückgeblieben.
Da er nichts sah und nichts hörte, schien sich der Chuase wieder zu beruhigen und ahmte jetzt das Geheule der Hyäne nach, womit er der Bande das Zeichen zum Nachrücken gab. Er selbst machte sich auf uud setzte seinen Weg fort.
Etwa zehn Minuten später schritten wohl an hundert Saracqs einzeln uud so nahe an dem Spahi und Jean Casse-Tete vorüber, daß diese die Lustbewegung verspürten, welche ihre Burnusse im Gehen verursachten.
Endlich waren sie den Blicken entschwunden, aber Jean Casse- Tete kauerte noch immer regungslos hinter dem Felsen und wagte nicht einmal auszuathmcn, wie man sonst zu thun pflegt, wenn eine Mcnscheubrust, nachdem sich eine dringende Gefahr entfernt, sich erleichtert fühlt.
Endlich wagte er zu reden.
— Diese Geier, sagte er, stürzen heute irgendwo auf einen menschlichen Wohnsitz nieder; der „rothe Teufel" (das Feuer) wird noch heute 'Nacht aus einem Dache tanzen. Die Anliegen der Colonisten gehen mich eigentlich nichts an, aber ich besorge, die Beni-Snassem stecken den Wirthschastshof bei den Feigenbäumen in Brand.
Obigny wurde von diesem Ausspruche heftig erschüttert.
— Das könnte man ja erfahren, sagte er.
— Wie aber?
— Wenn man einen der Räuber befragte.
— Bist Du wahnsinnig?
— Keineswegs; ich würde den schurkischen Chuasen fangen oder wenigstens aushalten und ihn zum Reden zwingen. Ich kenne ihn, es ist El-Saida (der Panther).
— Schon recht, aber wir müßten ihn in unsere Gewalt bringen und vor allem einholen.
— Das sei meine Sache! Man muß sich der Küste entlang nach den Felgenpflanzungen begeben. Ich kenne einen Fußsteig, aus dem wir die Saracqs eine volle halbe Stunde überholen.
— Dann bleiben wir auch nicht einen Augenblick länger! rief der Jäger. Kommen wir denen in den Fcigcnpflanzungen zu Hilfe, ohne eine Minute zu verlieren.
— Mich wundert, daß Du Dich so beeiferst, Leuten zu Hilfe, zu kommen, an denen Dir sonst so außerordentlich wenig gelegen. Sagtest Du mir nicht wenigstens zwanzig Mal, daß diese spanischen Colonisten nicht einen Schuß Pulver werth seien ? Und doch gehört der Wirthschastshof bei den Feigenpflanzungen einem Spanier!
— Das ist wahr! entgetegne Jean Casse-Tete etwas verdutzt. ^o
— Was versetzt Dich also in solchen Ester?
— Es wohnt jemand unter dem Dache des Don Morales, der mir sehr lheuer ist.
— Ein Mann ?
— Nein.
— Eine Frau?
— Ja-
— Ihr Name?
— Rita.
(Fortictzung folgt.)
Allerlei.
— Der Wiener „Presse" schreibt man aus Krakau: „Eine originelle Ehescheidungsgeschichte macht hier namentlich unter der reichern Judeuschaft viel von sich sprechen. Einer der ersten jüdischen Kaufleute Hierselbst, Vater von acht Kindern, von denen das älteste ein Mädchen von vierzehn Jahren, hatte nach sechzehnjähriger ungetrübter Ehe die unangenehme Ueberzeugung gewonnen, daß seine Frau ihm sehr ansehnliche Hörner aufgesetzt. Der Mann, der seine Einkäufe größtentheils selbst besorgt, bringt oft Monate in Italien zu, und so mag die lange Weile die Frau zu dem Liebesverhältnisse mit dem „Hauslehrer" getrieben haben.
Es ist dies noch der plausibelste Entschuldigungsgrund für die Frau; da der Gaste, wie unser Correspondent schreibt, eine „sehr schöne, imposante Erscheinung", Don Juan-Leben aber ein Knirps uud der häßlichste Judenjunge sei, der noch je eine Brille auf seine Geiernase gesetzt. Also nur die lange Weile oder auch das Verhängnis; kann es gewesen sein, welche das Herz der reichen Kaufmannsfrau ihrem Ehegatten abwendig machte und in Liebe für den Erzieher ihrer Kinder erglühen ließ. Der Herr Gatte erhielt erst sehr spät Kenntniß von dem Verhältnisse, das seit dem Jahre 1866 bestehen soll. Ein guter Freund ließ ihm die erste Meldung telegraphisch nach Mailand zukommen. Er eilt nach Hause, uud o Schreck für den Verblendeten, der nicht den geringsten Verdacht für seine Frau gehegt, die zur Rede Gestellte macht gar kein Hehl aus ihrer Liebe zum Lehrer, die ohnehin für ganz Krakau kein Geheimnis; mehr ivar. Der gekränkte Ehemann konnte die Ehrvergessene und ihren Geliebten nicht bei seinen Kindern lassen. Beide mußten „sofort" sein Haus verlassen. Die Scheidung sollte Nachfolgen. Nun aber ist eine Scheidung nach jüdischem Eherechl eine gar wunderliche Prozedur, und es ist bei den vielen schrullenhaften Bestimmungen desselben der nicht einwilligenden Partei ein Leichtes, die Ehescheidung auf die lange Bank hinauszuschieben, ja in vielen Fällen unmöglich zu machen. Die Frau wollte einmal von einer Scheidung nichts wissen uud wies alle Einladungen des Rabbiners uud seines Gerichtshofes zurück und nach einem halben Jahre vergeblichen Citirens gab das Rabbinatskollegium den Versuch auf, die zu Scheidenden persönlich zu vernehmen. Es blieb nur noch die andere, vom jüdischen Ehegesetz vorgeschriebenc Form übrig: die Ueberreichuug des „Scheidebriefes" durch einen vom Rabbinate Deligirten, und zwar in Gegenwart zweier, ebenfalls vom Rabbinate deligirtcr „ehreu- werther" Zeugen. Ja wenn der Frau nur beizukommen gewesen wäre. Sie schloß ihre Wohnung hermetisch gegen alle Judenbärte und vollends gegen drei aus einmal ab, und durch die Post oder durch einen Amtsdiener läßt sich ein „Scheidebrief" nicht besorgen. Uud doch sollte die Widerspenstige ihre Meister finden. Am letzten Sonntage geschah das Unglaubliche. Madame war bei einem öffentlichen Gartenconcert, Don Juan-Leben an ihrer Seite. Zwei modernisirte Juden, die statt der Ohrlockeu die allerliebsten Schnurrbärte trugen, hatten wie zufällig an ihrer Seite Platz genommen. Es entspann sich ein Gespräch über dies und jenes, der Frau gefallen die beiden „gebildeten Herren", und sie hat gar nichts dagegen, daß ein dritter Freund, der ihr vorgestellt wird — die Krakauer Jüdinnen wissen, was sich gehört — die Gesellschaft ergänzt. Im Laufe der Unterhaltung spricht der Neuangekommene von seiner Verlegenheit, einen anonymen Brief, der ihm von Frauenhand zugekommen, beantworten zu müssen. Er zieht halb unbewußt den Brief aus der Brusttasche; die Scheidungsrenitente kann ihre Neugier nicht unterdrücken, den Brief zu lesen; lachend bittet sie um denselben — und die Bescheerung ist fertig. Sie entfaltet das verhängnißvolle Papier und höhnisch grinst ihr in der korrektesten Quadratschrift der jüdische Scheidebrief entgegen. Doch zu spät, die Formalitäten sind alle erfüllt, die Zeugen und der Bote declariren sich, es entsteht ein kleiner Tumult; Don Juan-Leben, auch ein kleiner Schriftgelehrter, schreit Verrath und Betrug, Madame fällt in Ohnmacht, alles umsonst — sie ist und bleibt einmal geschieden.
— In Birma, wo den herrschenden Religionsgebräuchen gemäß kein Thier getödtet werden darf, wird unter Anderem auch das Geflügel erst nach dem Tode, vulgo Krepiren verspeist. Da möchte sich wohl Niemand von uns zu einer Martinsgans ein- laden lassen!
— (Originelle Rache eines betrogenen Eheman- n e s.) Ein Rouv entführt einem Gatten seine Frau. Man sollte nun glauben, daß dieser wüthend würde und an ein Duell oder an einen Prozeß dächte. Er begnügt sich indeß an den Entführer folgenden Brief zu schreiben: „Mein Herr! schon seit einiger Zeit suchte ich mich meiner Frau zu entledigen; sie war mir, daß ich es nur gestehe, antipathisch geworden. Vor acht Tagen wurde sie von einem tollen Hunde gebissen und mit Resignation erwartete ich den verhängnißvollen Ausgang. Sie werden ihr zur Seite stehen und ihr helfen, die Qual der schrecklichen Anfälle zu überwinden. Seien Sie gesegnet?" Eine halbe Stunde nach Empfang dieses Briefes ging der Entführer der durchgegangenen Frau durch.
(Thierkalender.) Dringend sei empfohlen, die abgefalle- ncn Aepfel und Birnchen, welche die erste Brut des Fruchtwurmes, die Larven der Birnmücken und die Eier des Apfelstechers enthalten, aufzusammeln und durch Einsetzen in die Mitte des Com- posthaufens unschädlich zu machen. Das Gleiche gilt von den abfallenden Jwetschgen und Pflaumenfrüchten, in ihnen steckt die Larve des Pflaumenstechers. Vorhergehendes leichtes Ueberschüt- teln macht die Maßregel noch wirksamer. (st.-A.)
Auslösung des Räthsels in Nr. 72:
Larve.
"Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaifer 'scheu Buchhandlung.