graphicn mit Steckbriefen in vier Sprachen in aller Herren Länder verbreitet und eine Prämie von 10,000 Francs aus seine Ein­lieferung gesetzt. Misere Leser wissen, daß es dem Kanzlisten Engelhard in Eorwons gelang, die Prämie zu verdienen. Am 8. November v. I. entdeckte Engelhard in einem Waggon erster Classe des italienischen Zuges, der Nachmittags 3 Uhr 47 Minuten in Cormons cintrsf, einen jungen Mann, der ihm eine auffallende Achnlichkeit mit dem verfolgten Emil Schär zu haben schien. Er führte den Mann auf die Polizeistube, der daselbst, bebend vor Aufregung, einen Pack Papiere auf den Tisch warf mit den Worten:Ich feste, daß ich verloren bin." Dieser Mann war Schär, und die Papiere, die er auf den Tisch warf, waren Noten der Eidgenössischen Bank, die er am Morgen des I. October vor der Abreise in Zürich aus der Kasse genommen halte. Im Ganzen hatte Schär an Banknoten und Gold noch circa 41,000 Frcs. bei sich. In Eormons sowohl als in Görz, wohin er ge­bracht wurde, bekannte Schär unumwunden, daß er seit Jahr und Tag an den Börsen von Genf und Paris gespielt und eine Summe von mindestens 3,100,000 Frcs. verspielt habe, die er nach und nach seiner Kasse entnahm.

Am 24. November wurde Schär, nachdem das von der Schweiz gestellte Auslieferungs-Begehren von den k. k. Behörden in Wien genehmigt worden war, in Triest einem Züricher Poli- zcibeamten übergeben, der zn seiner Empfangnahme dahin gereist war. Am 26. November kamen beide wohlbehalten in Zürich an.

In der Untersuchung war Schär in Betreff seiner Verun­treuung sehr offen. Er hatte als Bankcassirer eine Cantion von 20,OM Franken leisten müssen und diese Kaution durch fünf Bürgen aus seiner Heimat!) gestellt. Diese Cantionssumme, gab er an, habe er durch Speculationen gewinnen wollen, um unab­hängig dazustehcn. Aus diesem Grunde habe er am Ende des Jahres 1867, mittelst eines Genfer Hanfes, an der dortigen Börse in Eidgenössischen Aclien und Bonds zu speculiren begonnen und sei Anfangs nicht unglücklich gewesen. Bald habe er auch durch Vermittelung eines Pariser Bankiers in französischer Rente sein Glück probirt, das ihm aber nicht gelächelt habe . . . Sein erster Griff in die Kasse scheint in den Januar oder Februar 1860 zu fallen. Er nahm 800 Franks, buchte, um das Deficit zu verdecken, eine Einnahme gleichen Betrages nicht. Im selben Monat steckte er noch weitere 10,000 Francs zn sich, das Deficit auf die gleiche Weise wie das erste verdeckend. Von jetzt cm unterschlägt er nichts mehr bis in den December 1868, wo er eine Zahlung von 40,000 Francs annectirt. In den ersten drei Monaten von 1868 erfolgt keine weitere Unterschlagung. Im April 1869 wird sein Name an der Pariser Börse bekannt, Bankiers, Coulissiers, Remissiers reisen von Paris nach Zürich, um sich der einträglichen Kundschaft desDircctors" L>chär, wie er sich nennt, zn empfehlen. Allen diesen freundlichen Ge­sellen gibt er vor, er speculire nicht für sich, sondern für einen Dritten, der 30 Millionen besitze, schlechterdings aber unbekannt bleiben wolle. Auf diesen Unbekannten läßt er in Paris alle Conti stellen, auf den Unbekannten hin bezahlt er die ungeheuren Verluste, die man ihm meldet. Alle Tage gehen Banknoten- Scndnngen, ohne Wertangabe, einfach frankirt an die Pariser Freunde ab; alle Monate dreimal, viermal reisen die Herren Halley, Dubais, Monterossi, Bayer, Perapsin, und wie sie alle heißen, selber nach Zürich, präsentircn ihre Liqnidations-Conti und reisen, schwer beladen mit Gold und Banknoten, in die Scine- stadt zurück. Je furchtbarer die Verluste denn immer verliert Schär desto rasender werden die Summen, die er in französi­scher und italienischer Rente riskirt: Ende August und Anfang September spielt er wie toll ans Baisse; Napoleon der Dritte ist krank, aber er will nicht sterben, die Revolution bleibt aus, und die Conrse fallen nicht so ungeheuer, wie gehofft. Schär bezahlt in Baarsummen Millionen, aber seltsames Schicksal, er gewinnt nie! So geht der Frevel fort, bis der Warnnngsbrief Stämpfli's an Stadler End« September die Katastrophe herbei- sührt. Es ist durch Korrespondenz sowohl, als durch Vernehmung der Betheiligten erwiesen, daß Schär in der Zeit von 1868 bis Ende September 1869 nach Gens 342,000 Francs, an die Pariser 2,000,000 Francs baar ansgezahlt hat, und man rechnet dazu die in Cormons ihm abgenommcne Summe von 41,000 Francs, so erhält man die enorme Summe von circa 3,290,000 Francs, auf welche die Anklage geht und die unterschlagen zn haben Schär sich schuldig bekennt. Er selber hat von dem ganzen Raub nichts für sich verwendet, als einige hundert Francs, die er auf der Flucht verbraucht hat; er hat keinen Mitschuldigen, keinen Mit­wisser in Zürich; Herr Stadler ist vom Gericht außer Verfolgung gesetzt.' Bei der Verhaftung in Cormons sowohl, als in den Verhören von Zürich gab Schär au, daß er in Waldshut den Eisenbahnzug verlassen habe, weil er auf demselben Bekannte ge­troffen, und daß er über Constanz, Friedrichshafen, Ulm, Augs­burg, Innsbruck über den Brenner nach Venedig sei, daselbst sich unter dem falschen Namen Solmann einige Wochen aufgchalten und am 8. November über Cormons nach Wien habe reisen wollen, um daselbst an der Börse zu spielen (!) und womöglich die in Zürich verübten Veruntreuungen zu ersetzen!! Die Frage,

wie es möglich war, so ungeheuere Unterschlagungen fortgesetzt zn verüben, ohne entdeckt zu werden, wirft sich von selber auf. Es gibt dafür keine Antwort als die, daß es an aller und jeder Controlc des Cassirers gefehlt hat. Herr Stadler nahm nie eine Sconlirnng vor, blickte nie in die Kasse, prüfte nie die Bücher. Er traute und vertraute blindlings seinem gewandten Cassirer; sein Denken, Thun und Treiben war nichts alsGeschäfte machen", Geld verdienen; es fehlte ihm an jedem Uebcrblick. Auch der «Ltellvertretcr des Dircctors, v. Wyß, kümmerte sich um nichts, als um die ihm obliegende Correspondenz und die Aufbewahrung der Werthpapiere. Kasse und Bücher waren ihm und Stadler terra inevKnita. Die Revisionen des Comptoirs waren geradezu kindisch. Viermal im Jahre sollten Berner Verwaltnngsrüthe kommen und revidiren. Sie reisten herum und machten fette Diäten. Aber der Cassirer wußte den Tag ihrer Ankunft, er erwartete sie und richtete darnach seine Cassc ein, buchte fingirte Ausgaben und buchte wirkliche Eingänge nicht. So stumme stets alles herrlich. Niemand untersuchte die Bücher. Vom 24 Mai 1869 ab fand übrigens keine Revision durch die Berner Censoren statt, und weitaus die meisten Unterschlagungen fallen in den August und September.

Auch in Zürich war ein sogenanntes Aufsichtscomitv arrangirt, bestehend aus drei renommirten Kanfleuten. Dieselben sollten Bücher und Rechnungsabschlüsse, Discontogeschäfle prüfen, die Kasse periodisch untersuchen. DiesesAufsichtscomitv" erschien allwöchentlich zweimal im Banklokale,prüfte" in Minuten die Discontogeschäfle und entfernte sich dann wieder. Alle Viertel­jahre einmal zeigte ein Mitglied des Eomitvs dem Cassirer an, daß an einem vorher bestimmten Tage die Kassen-Revision werde vorgenommen i«rden. Selbstverständlich fälschte und bügelte dann der Cassirer die schönste Ordnung her, und ganz gemächlich ging dann die Verification vor sich. Ja, die Herren des Aufsichts- comitos hatten keine Ahnung von dem Vorhandensein einer Noten- reserve, so daß, so lange noch ein Stück derselben da war, der Cassirer mit diesen Stücken seine Deficite deckte, und erst als die Reserve fort war, erfuhren sie, daß es eine Reserve gegeben hatte.

Schär ist der Meinung, oder stellt sich wenigstens so an, daß seine Geschäftsfreunde in Paris bis auf einen in gutem Glauben waren und seine Veruntreuungen nicht ahnten; es wird aber wenige Leute geben, die ihm das glauben, und die Eidgenössische Bank will den Versuch machen, einzelnen Coulissiers in Paris die Beule im Proceßwegc wieder abzujagen.

Nachdem sich Emil Schär der Unterschlagung im Betrage von 3,250,000 Francs schuldig erklärt hatte, wurde er, ohne Bei­ziehung von Geschworenen, vor den erkennenden Richter, das Obergecicht in Zürich gestellt. Das Maximum der auf Unter­schlagung und Diebstahl gesetzten Strafe ist zwölfjähriges Zuchthaus.

Der Staatsanwalt beantragte in Anbetracht der Wieder­holung der Unterschlagungen, der List bei Verübung des Ver­brechens und der Fälschungen zur Verdeckungen, sowie in Betracht der ungeheuren Summe der letzteren zwölf Jahre Zuchthaus.

Der Vertheidiger hebt die Jugend des Angeklagten, sein offenes Geständnis;, den Mangel an jeder Aufsicht und Coutrole, somit die Gelegenheit zum Verbrechen, den Fluch der bösen That, die ihn unaufhaltsam immer weiter führte, als Milderungsgründe hervor.

Das Gericht verurtheilte ihn zn elf Jahren Zuchthaus, zur Bezahlung der Kosten und znm Ersätze des gestifteten Scha­dens. 2. N.

Allerlei.

Die Anekdote ist ziemlich bekannt von jenem Arzte, der auf das Rezept seines Patienten die Bemerkung geschrieben hatte: Stark schütteln vor dem Einnehmen." Anstatt die Arznei schüt­telte man den Kranken, der über diese Operation richtig den Geist ausgab. Kürzlich verordnete ein französischer Arzt einem Pa­tienten ein Brechpulver, das in3 Prisen" mit einem starken Zusatz von lauwarmem Wasser genommen werden sollte. Der Patient, der diesen bei den franz. Aerzten gebräuchlichen Ausdruck nicht kannte, schnupfte von Viertelstunde zn Viertelstunde dreimal von dem verschriebenen Pulver, ohne daß es ihn zum Riehen reizte, und trank darauf je einen halben Schoppen lauwarmes Wasser, ohne daß er sich erbrechen mußte. Das Beste aber war, er wurde wieder gesund. Dr. H . . . in L. . bürg hatte einem Knechte, der sich die Hüfte verrenkt hatte, eine Salbe zum Ein­reiben verschrieben. Nach etwa acht Tagen begegnete ihm der Knecht, gerade und fest einherschreitend. Der Arzt ist voller Freude über die schnelle Wirkung seines Rezeptes.Nun das hat ja schnell gebessert," redet er den Mann an.Ja, Herr Doktor, ist die Antwort, aber gräßlich bös zn nehmen war euer Feug.""HM ihr es denn eingenommen?"Ja, warum denn nicht; was sollte ich denn anders damit machen?"" Der Doktor ließ den Mann bei seinem guten Glauben und ging kopfschüttelnd von dannen.

"Reaktion, TM und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.