Thut mir leid!

Herr Professor, ich habe schon 3600 Thalcr Zinsen und zwar sehr pünktlich bezahlt.

Wie es Ihre Schuldigkeit war, lieber Meister.

Aber es ist doch Christenpflicht, seinem Nebenmcnschen hilfreich die Hand zu bieten.

Der Professor lächelte süß, sehr süß.

Ich habe Ihnen die Hand zwölf Jahre lang geboten, mehr kann ich nicht thun.

Für mein gutes Geld, Herr Professor, nicht wahr ? Einem Hunde muß ich auch sein Futter geben für treu geleistete Dienste, aber ich jage ihn doch nicht gleich fort, wenn ich ihn nicht mehr brauche.

Taube sagte salbungsvoll:

Ihr Beispiel paßt nicht so ganz, denn ich füge Ihnen keinen Schaden zu.

Lieber Herr, ich habe Weib und Kind, habe mich ehrlich und redlich ernährt ... Sie wissen nicht, was cs heißt, jährlich dreihundert Thaler Zinsen verdienen . . . Uud nun soll mir die Mühle verkauft werden, daß ich mit meiner Familie unter freien Himmel liege. Ich besitze nur einen schlichten Bauernverstand, aber der sagt mir, daß Ihr Derfahrcn nicht in der Ordnung ist. Sie sind steinreich, das wissen alle Leute . . . sagen Sie mir, Herr Professor, welcher Schaden erwächst Ihnen, wenn Sie mir das Kapital, das ich schon zwölf Jahre ehrlich verzinst habe, noch ein Jahr lassen ? Statt fünf will ich sechs Procent geben, auch sieben ... Na, mehr kann ein rechtschaffener Mann nicht thu»!

Göpel, erregt geworden, schlug sich mit der geballten Faust auf die breite Brust, daß es laut durch das Zimmer schallte. Der spindeldürre Professor wich erschreckt zurück.

Ich ertrage Ihre Heftigkeit mit Lammsgeduld, lieber Herr Göpel; ich ertrage sie wie unser Meister und Herr, der nns in Sanftmuth und Geduld ein leuchtendes Vorbild ist . . . darum will ich Ihnen auch sagen, daß ich die Glücksgüter, mit denen Gott mich gesegnet hat, zu milden, wohlthätigen Zwecken verwende und ferner nicht mehr Geschäfte mache. Ich habe mir längst Vorwürfe gemacht . . . Sie begreifen meine Stellung auf dieser Erde nicht ...

Der fromme Herr seufzte, wobei er die Hand an den Mund legte wie eine zarte Jungfrau.

Das mag wohl sein, fügte Göpel hinzu; aber Sie be­gehen doch auch ein christliches Werk, wenn Sie mich nicht zu Grunde richten. Ihr Kapital steht ja sicher und wenn Sie die Zinsen nicht wollen . . .

Lieber Meister, ich werde mit mir zu Rathe gehen und Ihnen schriftlich Antwort zukommen lassen.

Herr Professor, ich habe Tag und Nacht keine Ruhe! Wenn Sie mir nur sagen wollten, ob ich Hoffnung habe . . .

Sie haben sich von dem bösen Geiste Hinreißen lassen, den wir Leidenschaft nennen. Beherrschen Sie sich und fügen Sie sich in Demuth den Beschlüssen der Vorsehung. Glauben Sie mir . . . der Gelehrte hob drohend den Zeigefinger empor . . . glauben Sie mir: die Lage, in der Sie sich befinden, ist nicht das Werk des Zufalls, nein, eS giebt keinen Zufall, alles unter der Sonne und unter dem Monde ist Fügung, weise Fügung des Schicksals! Wir fragen oft: womit habe ich die Noth verdient, in der ich mich befinde? Das ist Murren gegen Gott, und wenn man seinen rechtschaffenen Lebenswandel anpreis't, so überhebt man sich. Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den wir an Gott haben sollen. Gehen Sie heim, lieber Meister; ich werde mit mir zu Rathe gehen und Ihnen brieflich das Re­sultat mittheilen.

Der Professor reichte lächelnd dem Müller die Hand, grüßte und ging in das angrenzende Cabinet.

Man wird ganz verdreht! dachte Göpel. Was soll ich auf diesen Kram antworten? Der gelehrte Herr weiß alles zu­rechtzulegen, wie es ihm gerade paßt . . . Zuletzt bin ich noch ein arger Sünder und muß froh sein, daß ich mit heiler Haut davonkomme. Na, der Professor wird wohl ein Einsehen haben, ich will das Beste hoffen.

Er setzte seine Mütze auf das Haupt und verließ das Zimmer, das mit Büchern angefüllt war. Aus der Hausflur traf er Dorcn, der er auf Befragen seinen Fall erzählte.

Ich habe schon davon gehört, flüsterte die alte Magd; ja, es geht eine völlige Umwandlung in unserm Hause vor, die mir eben nicht angenehm ist. Hinter der ganzen Geschichte muß jemand stecken, der den Professor bearbeitet ... Ich werde ihn schon noch hcrauskriegen und ihn zu behandeln wissen.

Es ist gewiß der Advocat Krug, meinte Göpel.

Nein, das glaube ich nicht.

Der Teufel traue den Advokaten; ich halte nicht viel von solchen Leuten, die sich die Noth ihrer Mitmenschen zu Nutzen machen. Jungfer Dore!

Der Müller sah die Magd treuherzig an.

Was wollen Sie denn, lieber Meister?

Meine Lage ist wirklich nicht mehr zu ertragen.

Kann es mir schon denken; es ist ja keine Kleinigkeit, Hof und Gut in Gefahr zu wissen.

Sie gelten etwas bei dem Herrn Professor.

Ei, ist schon möglich! seufzte Jungfer Dore.

Legen Sie ein gutes Wort für mich ein!

Das soll gewiß und wahrhaftig geschehen! Hier ist meine Hand darauf!

Ich brauche das Geld nur noch ein Jahr, bis dahin schaffe ich Rach, so wahr ich ein ehrlicher Kerl bin, der es sich in seinem Leben hat sauer werden lassen.

Gehen Sie ruhig nach ihrer Mühle zurück, ich werde das Meinige thun.

Der leise Ton einer Glocke ließ sich vernehmen.

Da ruft er schon! flüsterte Dore. Gehen Sie, Meister, ich werde gleich ansangen, ihn zu bearbeiten.

Göpel ging. Fünf Minuten spater fuhr er durch die Straßen dem Stadtthore zu, das er passiren mußte, um den Weg nach seinem Dorfe zu erreichen. Dore schloß die Thür und ging zu ihrem Herrn, den sie in einem kostbar eingerichteten Zimmer an­traf. Er stand an dem offenen Fenster und bog die Weinreben zurück, die draußen in üppiger Fülle prangten.

Dore, sagte er ruhig, Du weißt, daß ich den Zorn Haffe, weil er eine sündige Regung ist . . .

Das ist er, sagte die Magd phlegmatisch. Ein zorniger Mensch kommt mir wie eine Rakete vor, die heftiges Feuer sprudelt, um im nächsten Augenblicke ohnmächtig zu verpuffen.

Ein von mir aufgestelltes Gleichniß! bemerkte zufrieden der Professor.

Es ist so treffend, daß ich es wiederhole so oft ich kann.

Und doch fühle ich mich zuweilen versucht, einer zornigen Aufwallung Raum zu geben. Da kommt der Bauer gegen mein Verbot in das Zimmer, als ich gerade im tiefsten Studium ver­sunken . . .

Herr Professor, unterbrach in Dore, Sie wollen mir eine Pille zu verschlucken geben; gut, ich nehme sie an. Zuvor aber muß ich Ihnen sagen, daß Meister Göpel ein rechtschaffener Mann ist . . .

O ja, ich habe nichts gegen diese Ansicht einznwendcn; aber wenn ich jeden rechtschaffenen Mann einlassen wollte, der Einlaß begehrt, ich würde mit meinen gelehrten Arbeiten nicht von der Stelle kommen. Dore, Du hast nicht wohlgethan !

Er nahm die runde fleischige Hand seiner Wirthschasterin und drückte sie.

Gehorsam ist eine der schönsten Tugenden! fügte er sal­bungsvoll hinzu.

(Fortsetzung folgt.)

Allerlei.

Auch eine Ausrede. Der Mutterwitz und die Schlag­fertigkeit derGamins" der Straße sind allgemein bekannt, und wenn auch dieBerliner Schusterjungen" in dieser Beziehung sprichwörtlich geworden sind, so lassen doch diejenigen anderer Städte auch nichts zu wünschen übrig, wie vielfältige Beispiele beweisen. Hier eines davon. Um eine der vielenKuchenbuden", die während der Lr Messen zahlreich auf dem Schaubudcn-Platze zu finden find, trieb sich ein halb Dutzend halbwüchsiger Jungen herum und drei derselben traten endlich an die Bude. Die Ver­käuferin, die gerade stark beschäftigt war, mehreren Bauermädchen ihre Vorräthe anzuprcisen und vorzulegen, verlor doch die drei Burschen, von denen zwei ein dünnleibigcs Portemonnaie unter­suchten, nicht aus den Augen. Dabei sah sie, daß der dritte, der sich unbeachtet glaubte, nach und nach ein großes Stück Kuchen vom Tische zu ziehen suchte. Als ihm dies beinahe gelungen war, griff die Frau rasch über den Tisch, faßte den Burschen am Kragen, zerrte ihn in die Bude und schrie ihn an, indem sie ihm mehrere Püffe versetzte:Warte, du Bagebund. ich will der lärn Kuggen mausen!" Da hatte sie aber sehlgeschossen. Der Bursche stellte sich über diese Zumuthung höchlich entrüstet und schloß seine Vertheidigungsrede mit den Worten:Nur nich schim­pfen! Ich wullte blos sähn, ab er noch warm is!" Damit hatte er sich zugleich den Händen der Frau entwunden und sprang mit seinen Cumpanen davon.

Silbenriithsrl.

Du möchtest gern die Erste hab'n, Nädm'st gerne auch die Zweit'; Doch würde es verdrießen Dich, Bekämst Du alle Beid'.

Auflösung des Räthscls in Nro. 23:

Ein einsilbiges Wort; denn in diesem kommen alle genannten Buchstaben vor.

Redaction, Druck und Verlag der G- W. -Zaiscr'schen Buchhandlung.

(Hiezu eine Beilage, Holzpreise brtr.)