Motto.
LS. Januar: Keine Religion, die verfolgt, ist göttlich- 86. „ Eine Zeit zur Rede giedt's und eine zur Ruhe.
T a g e s - N e tl i g k e i t e n.
Seine Königliche Majestät haben vermöge höchster Entschließung vom 20. Januar gnädigst geruht, den Oberamtmann Kausler in.5er- renberg seinem Ansuchen gemäß in den Ruhestand zu versetzen und demselben in Anerkennung seiner vieljährigen treu geleisteten Dienste den Titel eines Regierungsralhs zu verleihen.
* Nagold, 22. Januar. Gestern Abend suchte ein ruchloses Subjekt das Oekouomicgebäude des Kaufmann A. Reichert hier dadurch in Brand zu stecken, daß es einen Bündel Stroh an eine Stange heftete, dasselbe anzündete und so das Feuer dem vom Dachladen herausragenden Stroh mitzutheilen suchte. Zu allem Glücke wurde aber das Bubenstück dadurch vereitelt, daß auf dem anzuzündenden Stroh etwas Schnee lag, wodurch dasselbe naß geworden. Dienstboten, die durch die Brandfackel erschreckt wurden, sahen noch, wie der Brandstifter das Weite suchte, ohue jedoch seine Spur verfolgen zu könne».
Nagold, 20. Jan. Gestern Mittag, als eben die Arbeiten wieder aufgenommen wurden, stürzte unmittelbar am Eingang des Wildberger Tunnels eine scheinbar ungefährliche Böschung zusammen und begrub einen jungen Arbeiter aus Nordstetten. Der Verunglückte that die letzten Athemzüge, als er unter dem Schulte hervor wieder ans Tageslicht gebracht wurde. (Schw.-M.)
Tübingen, 20. Jan. Der wegen Mords vom Schwurgericht zum Tode vcrurtheilte Ludwig Löffler von Dettenhausen har durch seinen Vertheidiger, Rechtsanwalt Becher, vor mehreren Tagen ein Begnadigungsgesuch bei Sr. Maj. dem König einrcichen lassen. (S. M.)
Am Mittwoch Nachmittag, berichtet das „Ulmcr Tagbl.", entwendete der Taglöhner Georg Ihle, im Niederländerhof wohnhaft, der unter der Metzig arbeitete, dem Metzger Christoph Mür- del ein Stück roher nur abgebrühter Kutteln. Aus Angst vor dem gerade des Wegs daher kommenden Cigenthümer verschlang Ihle die Kutteln, fiel jedoch momentan zu Boden und war todt. Die ihm im Hals stecken gebliebenen Kutteln hatten ihn erstickt. Der Leichnam wurde sofort nach dem Spital verbracht, woselbst man noch ein Stück dieser Kutteln in seinem Munde vorfand.
In Ehrenstein besuchen von 60 schulpflichtigen Kindern nur noch 5 die Schule, alle übrigen liegen an den Masern krank darnieder. (D--Z-)
Karlsruhe, 20. Jan. Die beiden zum Tode verurtheilten Raubmörder Karl Döbich und Johann Steidel sind durch Entschließung des Großherzogs vom 15. d. Mts. zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt und heute in das Zellengefängniß nach Bruchsal abgeliefert worden. (S. M.)
Der Redakteur des „Bad. Beobachters" , Berber ich, ist wegen angeschuldigter drei Artikel zu 25 Wochen in Rastatt zu erstehender Festungsstrafe verurtheilt worden.
Es ist ein dummes Ding mit den Schulden, sie werden viel leichter gemacht, als bezahlt. Die bayrischen Staatsschulden betragen 1) allgemeine Staatsschuld incl. Militäran- lehen 166 Millionen, 2) Eisenbahnschuld 163 Mill., 3) Grundrentenschuld 95'/r Mill. Davon sind im v. I. 2 Millionen abgetragen worden.
Der „Staatsanzeiger" vom 21. d. veröffentlicht eine königliche Verordnung, wonach der Bundesrath des norddeutschen Bundes ans den 27. Januar einberufen wird.
Berlin, 19. Jan. Den Besuch des österreichischen Erzherzogs kündigt die „Provinzial-Korresp." folgendermaßen an: Der Kaiser Franz Joseph erwidert den Besuch, welchen unser Kronprinz dem kaiserlichen Hof gemacht hat, durch die Sendung desjenigen Erzherzogs, welcher nächst den kaiserlichen Kindern dem Throne am nächsten steht. Ebenso wie unserem König daran gelegen war, durch den Besuch des Kronprinzen in Wien dem kaiserlichen Hof ein erneutes Zeichen freundschaftlicher Gesinnung zu geben, so darf man in dem bevorstehenden Besuche des Erzherzogs ein Anzeichen erblicken, daß der Kaiser auf die Befestigung der gegenseitigen freundschaftlichen Beziehungen gleichen Werth legt.
Berlin, 20. Jan. (Abgeordnetenhaus.) Der von Duncker- Ebcrty eingebrachte Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung von Beschränkungen der Preßfreiheit, wurde angenommen mit einem Amendement von Lasker, wonach die Redakteure ihren persönlichen Gerichtsstand im Bereiche des norddeutschen Bundes haben müssen.
(St-A.)
Nicht nur in Leder nahm die Leipziger Neujahrsmesse einen raschen Verlauf, so daß bald alle Vorräthe aufgekauft waren, sondern auch in Tuch war das Geschäft sehr zufriedenstellend. Dagegen klagt man, daß das Leinengeschäft nicht so ging, wie man es wünschte.
In Klagen furt ist der Lehrer Mathis, der 13 Jahre hindurch viele Schulmädchen mißbraucht hatte, zu 10 Jahren schweren Kerkers verurtheilt worden.
Dresden, 19. Jan. Die Majorität des Herrenhaus-Ausschusses empfiehlt die Ablehnung des Abrüstungsantrages. Eine
kleine Minorität will dem Beschlüsse des Abgeordnetenhauses beitreten.
In Großgerau verspürte man am 14., 15. und 17. Januar leise Erdstöße, in Marseille am 18. und in Wien jam 19. Jan. Morgens.
In Reiche nberg (Böhmisch-Schlesien) fanden am 19. heftige Zusammenrottungen voll Arbeitern statt, da der Agitator Scheu verhaftet worden war. Bei der hierauf erfolgten Räumung des Hauptplatzes wurde durch die zufällige Entladung eines Gewehres ein Arbeiter getödtet. Es wurden mehrere Arretirun- gen vorgenommcn. — Durch eine Hausdurchsuchung wurde der Bestand eines weitverzweigten, mit Geld zu Agitationszwecken versehenen social-demokratischen Arbeitervereins constatirt.
Zwei Wiener Kohlenfuhrleute, die sich vor der Stadt mit ihren schwer beladenen Wagen begegneten, prügelten sich lieber todt, als daß sie sich auswichen; am Tage nach der Prügelei waren beide todt.
Der Bankbeamte Emil Schärr in Zürich erklärte sich in der Untersuchung selber der Unterschlagung von 3,250,009 Fr. schuldig.
Paris, 19. Jan. LedruRollin soll morgen früh hier eintreffen. Er hat wie man sagt, die Absicht, sich vor der Hand möglichst bei Seite zu halten. — Der Polizeipräfekt Pietri hat den HH. Ollivier und Canrobert die Mittheilung gemacht, daß man ihnen nach dem Leben trachte! Sie möchten sich also hüten, zu Fuß auszugehen.
Der Mörder von Pautin hat bis zum letzten Moment noch gegen den Geistlichen seine Behauptung aufrecht erhalten, daß er Mitschuldige habe.
(Ein Pariser Sittenbild.) Ein Korrespondent der Kln. Ztg., welcher der Hinrichtung Traupmann's anwohnte, erzählt: Von Mitternacht an zogen eine Masse Leute aus allen Theilen der Stadt nach dem Richtplatze hin. Derselbe war schon vor 9 Uhr mit einer beteutenden Menschenmenge bedeckt. Der größte Theil derselben gehörte den niedrigsten Klassen der Gesellschaft an, und viele hatten sich, darunter auch eine Anzahl, die Stühle und Bänke zu vermiethen hatten, nur eingefunden, um ihre Plätze später wieder zu vermiethen. Ich hatte nach 1 Uhr die Boulevards verlassen, und traf gegen 2 Uhr auf dem Platz de la Noquette ein. In der Nähe der Mairie auf dem Boulevard du Prince Eugen angekommen, wurde mein Wagen von Polizeidienern angehalten. Der Boulevard war nämlich dort mit Pariser Garden zu Pferde und Polizei besetzt, die Niemanden weiterfahren ließen und Alle zwangen, den Weg bis zum Platz de la Roquette zu Fuß fortzusetzen. Der Platz selbst, oder vielmehr die Rue la Roquette, denn der ganze Platz war durch Militär abgesperrt, bot einen höchst eigenthümlichen Anblick dar. Wenn nicht ganz abscheuliche Galgengeßchter und Dirnen der niedrigsten Klassen die Mehrheit der Menge gebildet hätten, so würde man sich aus den Jahrmarkt einer kleinen Stadt versetzt wähnen können. Ueberall wurde Wein, Bier, Schnaps und dergleichen mit gellendem Geschrei ausgeboten, alle Wein- und Kaffeehäuser (auch alle die des Boullevards du Prince Eugen, der bekanntlich an der Rue de la Roquette vorbeigeht) waren offen, und die Menge, die so heiter war, als handle es sich um einen Festtag, zechte, schrie und heulte ohne Unterlaß. Gne große Anzahl von Personen hatte auf den Mauern, Dächern und Bäumen Platz genommen, und jeder erhabene Punkt war dicht besetzt. Der Platz de la Roqette selbst war auf beiden Seiten mit Pariser Garden zu Fuß und zu Pferde besetzt, und die Guillotine und das Thor, durch welches Traupmann seinen letzten Gang zu machen hatte, lagen in tiefer Dunkelheit und waren bei der Ferne, in der sich das Publikum befand, kaum zu erkennen. Die Menge auf dem Platze wurde immer dichter. Zuerst fanden sich die Nachtschwärmer und Nachtschwärmerinnen von den Boulevards ein. Dieselben schienen tüchtig gezecht zu haben und erfüllten die Lüfte mit wildem Geschrei und gellendem Gelächter. Später rückte dann das Quartier Latin, d. h. die Studenten und Studentinnen herbei. Der größte Theil kam vom Bullier, wo die Nacht über Maskenball war, und diese waren noch toller und wilder, als die Boulevardiers. Der Skandal und der Lärm wurde immer furchtbarer. Man riß Witze, lachte und plauderte. Tolle Szenen fanden statt, und besonders fiel man über die Frauenzimmer her, die sich nicht gescheut hatten, auf die Bäume zu klettern, um sich das Schauspiel anzusehen und selbst als solches zu dienen. Je näher die Stunde heranrückte, desto ungebundener und wilder wurde die Menge. Ich hatte mir einen Platz gemiethet. Ich sah aber bald ein, daß ich von dort aus nichts gewahr werden konnte; nachdem ich mich an der Menge sattsam erbaut hatte, zog ich ab, um auf der Mairie einen Versuch zu machen, auf den Platz de la Noquette selbst gelangen zu können .... Der Korrespondent beschreibt dann, wie er auf den Platz selbst gelangte und Zeuge der um 7 Uhr vorgenommenen Hinrichtung war, dann fährt er fort: Die ganze Szene hatte nur einige Sekunden gedauert und man wurde kaum gewahr, was vorgegangen. Der Rumpf und der Kopf wurden sofort in den bereit gehaltenen Wagen des Scharfrichters geladen, der schnell davon fuhr. Dann